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BEITRÄGE
ZUR
GESCHICHTE DER DEUTSCHEN SPRACHE
UND LITERATUR,
UNTER MITWIRKUNG VON
HERMANN PAUL UND WILHELM BRAUNE
HERAUSGEGEBEN
VON
EDUARD SIEVERS.
HALLE a.S.
MAX NIEMEYER
1895
74166
"DPF 3003
BS
VO
INHALT.
Seite
Die deutung der germanischen völkernamen. Von R. Much .. 1
Die herkunft der Quaden. Von demselben . . . 2 .22..2..%0
Aloxlaı. Von demselben . . 2. 2: 2 2 m nn. 3
Ulls schiff. Von demselben . . . Be ee re ia. 200
Etymologisches. Von C.C. Uhlenbeck Be ne er er
Etymologien. II. Von G. Ehrismann. . . be ee De AB
Textkritische bemerkungen. Von demselben. ee 66
(1. Zur Krone Heinrichs von dem Türlin, 3. 66. — 2. Der name
des dichters des Schlegels, s. 78. — 3. Zu Hermann von Sachsen-
heim, s. 78.)
Zum deutschen vocalismus. Von O.Brenner . . . 80
(2. Umlaut des :u, 8.80. — 3. Der umlaut der praeteritoprae-
sentia, 8.84. — 4. Die aussprache des £&, 8. 85.)
Zu Beitr. 19,467. Von demselben . . 22 222 00.00..81
Etymologiea, I. Von H.Osthoffo\.x.'. . nn. 89
(16. Got. frasts, 8. 89. — 17. Got. fraim, 8. 9)
Anglosaxonica. II. Von P.J.Cosijn . . . 98
Zur behandlung des durch « entstandenen brechungsdiphthongs in
den altnord. sprachen. Von A.Kock .... >: 112
Zeugnisse zur germanischen sage in England. Von @. Binz. .. 14
Das gotische weihnachtsspiel. Von C. Kraus . . . a Arne 220
Der ursprung des Germanennamens. Von G. Kossinna u rn 288
Das todesjahr des Wulfila. Von E. Sievers. . . 2 22 2020..302
Zur gutturalfrage. Von C.C. Uhlenbeck . .. . u 6. 328
Neue belege von p aus 5 im anlaut. Von demselben er 7 7;)
Miscellen. Von demselben ... 328
Grammatische miscellen. 10. Zum umlaut des iu im a "Von; E.
Sievers . . lee ee Be ee et ee ee rl
Miscellen. Von J. Meier A 335
(1. Die herkunft der SiebenbüirgerSnchken: 8. .335.. — 2. Singular-
artikel vor pluraldativen, 8. 336. — 3. Das beste deutsch, 8. 339.
— 4. Her Neidhart, s. 340. — 5. Süsskind von Trimberg, s. 341.
6. Ein irrtum in Goedekes Grundriss, 8. 312. — 7. Zum leben
J. G. Schochs, s. 343.)
Bakeljauw. Von H. Schuchardt . . . 2 2 2 2 2 2 nn. 844
Mhd. erbeit. Von O.Behaghel . . . en ee ie A
Die Nibelungenbearbeitung k. Von J. Lanzde ra, de Ya un 848
Grammatisches. Von W. van Helten . ; :
(XXX. Got. awdbi und wgm. i der endung aus & vor i der fulge-
silbe: 8.506. — XXX]. Zur behandlung von *aw?j und :m?j im
wgm.: 8.507. — XXXIl. Die wgm. formen von got. saimwala:
8. 508. — XXXIII. Zur westgerm. erweichung der alten im in-
laut stehenden stimmlosen spiranten: 8.511. — XXXIV. Die
genitive burges, custes etc.: 8.513. — XXXV. Zur afries. und
ags. flexion der u-stämme: 8.515. — XXXVI Gab es wgm.
reflexe von got. -ans, -ins, -uns des acc. pl.?:8.516. — XXXVI1.
Zu den flexionsformen von as. thiod(a): 8.517. — XXXVIl.
Die as. dative sg. &o, &u und craft: 8.521. — XXXIX. Die
wgm. casus obliqui des ungeschlechtigen pronomens und das
possessiv für die 2. pl.: 8.522. — XL. Zur flexion des verbum
substantivum: 8.523. — XLI. Das as. praeteritum seu: 8. 524.
Nachträge: s. 525.)
Mythologische zeugnisse aus römischen inschriften. 6. Dea Garman-
gabis. Von Fr. Kauffmann De I er 1
Mhd. 2 im schwäbisch-alemannischen. Von K. Bohnenberger .
Wie man conjecturen macht. Von E. Sievers. a
Zur aussprache des angelsächsischen. Von O. Brenner .
Nochmals singularartikel vor pluraldativevr. Von R. Köhler und
E. Schmidt . De ar A ee Fi
Etymologisches. Von C.C. Uhlenbeck Da wie
Oelingeriana. Von J. Meier. 2. 2. 2 2 nr En nr ne
Miscellen. Von demselben.
(8. Die quelle zum Weiber-spiegel des Andreas Tharzus (1628):
8.572. — 9. Mit dem judenspiess rennen: 8.573. — 10. Eine
Faustaufführung in Wien: 8.574. — 11. Schawelle, schabelle:
8.574. — 12. Zu Beitr. 10,572 f.: 8.575. — 13. Zu Beitr. 20, 340:
8.576.)
Berichtigungen . . . .
Seite
506
526
535
553
554
560
563
565
572
576
.n
em
ERKLÄRUN 6.
‚Herr Professor Kluge hat in dem Vorwort zu seiner eben
erschienenen ‘Deutschen Studentensprache’ meine im Sommer
vorigen Jahres herausgekommene Schrift über Hallische Stu-
dentensprache in einer Weise erwähnt, die mich zu einer Er-
klärung und Richtigstellung nötigt.
Durch die Eile, die mit dem spät, erst Anfang Juni, an
Entschlusse verbunden war mein Buch zum Jubiläum der Halli-
schen Universität im August erscheinen zu lassen, mussten die
letzten Bogen sehr gehastet werden. Dazu kam noch, dass in
den dem Fest voraufgehenden Wochen die Vorbereitungen und
Commissionssitzungen für die Feier viel Zeit in Anspruch nahmen,
Am Nachmittage vor dem Beginne des Jubiläums erhielt ich die
letzte Correetur, am Mittag des ersten Festtages erschien das
Buch. . Durch diese Umstände ist es zu. erklären, dass im Ma-
nuscripte des Vorwortes ein Absatz ausfiel, den ich einzufügen
beabsichtigte, und dessen äussere Form ich mir bereits überlegt
hatte. Er sollte einen besonderen Hinweis auf Kluges Aufsatz
in der Münchener Allg. Zeitung und sein Etym. Wörterbuch, wie
auf Pernwerths von Bärnstein ‘Beitr. z. Geschichte und Litt. des
deutschen .Studententums’ enthalten. Wo Kluge speciell von
mir benutzt ist, habe ich ihn in den Anmerkungen citiert, aber
es schien mir eine Sache der Höflichkeit, seiner noch im Ein-
gang zu gedenken. | |
Sowie mir die Lücke meines Vorworts zum Bewusstsein
kam, habe ich mich bemüht, die Unterlassung wieder gut zu
machen. Ich habe spontan, sobald-es mir möglich war, Kluge
persönlich aufgesucht, um ihm die Sachlage zu erklären und
ihm mein Bedauern und meine Bereitwilligkeit auszusprechen,
den Formfehler zu redressieren. Das letztere ist auch geschehen.
Da meine. Schrift noch. nicht buchhändlerisch verschickt war,
2
habe ich die Vorrede umdrucken und den Passus in der früher
beabsichtigten Formulierung einfügen lassen. Alle Exemplare des
Buches mit Ausnahme der wenigen beim Jubiläum verkauften
enthalten diese berichtigte Vorrede, die tiber mein Verhältnis
zu Kluge folgendes sagt: ‘Die Arbeiten meiner Vorgänger habe
ich dankbar benutzt, doch wird es dem Kundigen nicht entgehen,
dass diese Studie auf selbständigen Forschungen beruht und
auch in einigen Punkten über das bisher Erreichte hinausführt.
Ich möchte hier insbesondere Kluges Verdienste hervorheben,
der in seinem oben genannten Aufsatz und in seinem Etymolog.
Wörterbuch die Bearbeitung dieses bisher fast ganz brach
liegenden Gebietes zum ersten Male energischer in die Hand
genommen hat.’ Das alles wusste Kluge, dem ich ein Exem-
plar zur Kenntnisnahme tibersandt habe, doch verschweigt er
es gänzlich! Dieses Verfahren erscheint mir nicht loyal.
Statt dessen die überaus vorsichtig gewählten Worte, die
nichts sagen, aber alles vermuten lassen! Tatsächlich stelle
ich hier fest, dass Kluge nie und nirgends erklärt hat, er
wolle über diesen Gegenstand weiter arbeiten. Ich wusste also
auch nichts von seiner Absicht, die deutsche Studentensprache
zu behandeln, bis er mir im Herbst vorigen Jahres davon Kenntnis
gab. Ich stelle weiter fest, dass es nicht Kluge gewesen ist,
der mir durch seinen Aufsatz in der Münchener Allg. Zeitung
diesen Gegenstand nahe gebracht hat. Schon vorher hatte
sich mein Interesse darauf gelenkt, und eine von mir münd-
lich gemachte Bemerkung über die Studentensprache und über
meine Absicht, einmal näber darauf einzugehen, veranlasste
erst meinen Freund, Professor Hermann Paul, mich seiner Zeit
in Freiburg auf Kluges Aufsatz hinzuweisen. Aber auch
öffentlich ist schon vor Kluge, wenn auch nicht in zusammen-
hängender Darstellung, gelegentlich von den verschiedensten
Seiten auf die Studentensprache aufmerksam gemacht und auf
Entstehung und Gruppierung des Materials hingewiesen. Kluges
Wendung ‘von denen, die sich des jetzt erschlossenen Gebietes
bemächtigen’ nimmt den Mund etwas sehr voll und ist un-
richtig.
So weit im allgemeinen. Kluges Bemerkungen im einzelnen
rechnen darauf, dass seine Leser mein Werk nicht zur Ver-
gleichung heranziehen und dass sie von den tatsächlichen Ver-
3
hältnissen keine nähere Kenntnis haben. Kluge druckt in zwei
Spalten einander gegenüber Stellen aus seinem Vortrag und
aus meiner Schrift ab, doch auch dabei geht er nicht loyal
zu Werke: Auf S. IX setzt er meine hinten in den An-
merkungen stehenden Citate in Klammern gleich hinter
den Text, um den Anschein möglichster Uebereinstimmung
zwischen seiner und meiner Darstellung hervorzurufen.!) Da-
gegen unterdrückt Kluge auf S. VIIL meine Citate, und
daraus mache ich ihm einen schweren Vorwurf. Denn so
erfährt der Leser nicht, dass ich bei der zunächst angeführten
Stelle Kluges Aufsatz in erster Linie und vor den weiter
namhaft gemachten Wörterbüchern und Schriftstellern aus-
drücklich nenne: ‘Kluge, Münchener Allgemeine Zeitung 1892
Beilage N0.297 S.3. Grobität, Dedekind Grobianus. Albertät DWb.
1,203, Filzität DWb. 3,1637. Schiefität Mart. Schluck (deutsch;
1798) S.IV, Eulerkapper 103. Kuelität Schmeller 1,1238. Knüllität
Schnabel, Fl.B. S.51.’ Diese Art des Citierens musste doch jedem
Kundigen sofort andeuten, was ich dadurch ausdrücken wollte:
‘bier hat mich Kluge auf die Sache aufmerksam gemacht!’
Wie Prof. Kluge dies gänzlich verschweigt, so fügt er andrer-
seits bei den beiden übrigen Stellen nicht hinzu, dass ich aus-
drücklich meine Quellen für das Angeführte nenne, während er
in seinem Aufsatz keine Belege gibt: Ich habe einfach nach
meinem, aus eignen Sammlungen geschöpften Material die Zu-
sammenstellung gemacht, und deshalb finden sich z. B. die in
diesem nicht gebuchten Fechtier, Juxier, Schanzier, schauderös
auch nicht in meiner Aufzählung.
Was die Sache selbst, die Anführung derartiger iybrider
Bildungen, angeht, so kann sich Kluge kein Verdienst daraus
machen, denn die Studentenwörterbücher und andere Quellen
stossen den Forschenden auf Schritt und Tritt darauf. Ueber-
haupt überschätzt Kluge seine wissenschaftliche Leistung, wenn
er die Erklärung von stellatim, die der Dichter selbst gibt, und
die von studentikos, zumal noch nach Heynes Deutung von
burschikos, als sein besonderes Verdienst betrachtet. Ebenso
!) Dem genauen Leser wird das eine Citat, das ich mehr biete, schon
sagen, was ich hier noch ausspreche, dass ich natürlich die beiden eitierten
Werke Stoppes selbständig durchgelesen habe.
4
seine ‘Kategorien’, die jedem, der sich nur acht Tage mit diesen
Dingen beschäftigt, ganz selbstverständlich sind und die auf der
Hand liegen. Im übrigen habe ich auf dem Gebiete der inneren
Gliederung eine ganze Anzahl neuer erst aufgestellt, die sich
jetzt in Kluges ‘Deutscher Studentensprache’ widerfinden, so
dass ich, wenn ich Kluge wäre, daraus bedenkliche Schlüsse
ziehen könnte. Mit dem gleichen Rechte könnte ich auch ver-
muten, dass Kluge durch mein Buch erst auf manches auf-
merksam gemacht ist, was er früher noch nicht gekannt hat
und jetzt benutzt, und dass er dem Büchlein des Deutschen
Abends Hinweise verdankt, welche die Wörterbücher nicht bringen
{wie z. B. bei del den Hinweis auf den Urfaust, bei Anschiss
den auf Hauff). Ich tue dies nicht, aber ich will nur zeigen,
dass bei gleicher Handlungsweise es möglich wäre.
Wenn Kluge sich darüber erstaunt stellt, dass ‘ich mir
mein Material zum grössten Teil erst zu sammeln hatte’, so
erstaunt mich hinwider sein Erstaunen. Kluge hat in seinem
‘Vortrag ausser den Wörterbüchern etwa 23 Quellen eitiert,!) von
denen ich 5 nicht benutzt habe. Von den übrigen, die durch
mich wie Kluge ausgeschöpft sind, liegen die folgenden wol jedem
'Germanisten, der sich in Halle mit Studentensprache beschäftigt,
auch ohne einen Hinweis durch Kluge nahe, zumal Pernwerth
v. Bärnstein auf die meisten von ihnen hindeutet: Laukhard,
‚Zachariaes Renommist, Schochs Comoedia, Jobsiade, Kindlebens
Studentenlexikon, Bürgers Balladen, Jus potandi, die maccaron.
Ged. im Weimar. Jahrbuch, Augustins Bemerkungen eines Aka-
demikers, Heine, Goethes Dichtung und Wahrheit. Es bleiben
noch 6 entfernter liegende mir mit Kluge gemeinsame Quellen:
von ihnen nennt aber drei auch Pernwerth v. Bärnstein, auf
eine vierte ("Briefe über Jena’) weisen die Brüder Keil in ihrer
Geschichte des Jenaischen Studentenlebens widerholentlich hin.
Dagegen habe ich noch in meiner Schrift etwa 78 von Kluge
nicht namhaft gemachte Quellen benutzt! Die Zahlen be-
dürfen keines Commentarr,
Kluge wirft mir. den Titel ‘Hallische Bindärtinspraihen vor.
Ich brauche einem Sprachkenner, wie ihm, kaum auseinander-
1) Ich sehe. bei Kluge as mir hier von den Quellen en Rotwel-
schen ab. ur | |
5)
zusetzen, dass mit dem Titel nicht gesagt wird, dass die
Hallische Studentensprache etwas specifisches ist. Daher
kämpft Kluge gegen Windmühlen, wenn er ‘ausdrücklich fest-
stellt, dass specifisch Hallisches — bis auf ein paar Einzel-
heiten — sich in dem Buche überhaupt nicht findet.’ Ver-
schiedenheiten der Bildungsart gibt es in der modernen Stu-
dentensprache zwischen den einzelnen Universitäten nicht: sie
zeigen nur Unterschiede in dem Gebrauch einiger Worte und
Wendungen, wie in der mehr oder minder altertümlichen Fär-
bung, also eben ‘in ein paar Einzelheiten’. Ich stelle hier aber
noch meinerseits ausdrücklich fest, dass unter meinen Quellen
23 Nummern sind, die Halle angehören oder in nahen Beziehungen
zu ihm stehen, und dass ich für die neuere Studentensprache,
so weit wie möglich, das Bild mit Hallischen Zügen gezeichnet
habe, wie es von mir als meine Absicht ausgesprochen ist (Halli-
sche Studentensprache S. 4).
Kluges stillschweigende Unterstellung, die aus allen
seinen äusserlich vorsichtigen und gewundenen Worten heraus-
klingt, dass ich seinen Vortrag in unerlaubter Weise be-
nutzt hätte, weise ich mit Berufung auf das vorher Gesagte
als unwahr zurück.
HALLE a. S., Anfang März 1895.
JOHN MEIER.
Halle 3. S., Druck von Ehrh. Karras.
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DIE DEUTUNG DER GERMANISCHEN VOLKER-
NAMEN.
Gar oft ist es bei wissenschaftlichen untersuchungen ge-
fährlich, sich von vornherein gewisse prineipien zurecht zu
legen, nach denen man vorgehen will; denn sie führen allzu-
leicht zu voreingenommenheit. Ein gesundes urteil, das frei
von vorgefassten meinungen in jedem bestimmten falle alle
möglichkeiten in erwägung zieht, ist immer der beste führer
auf allen pfaden der forschung gewesen, und wird um so nö-
tiger, je schwieriger die aufgabe ist, um deren lösung es sich
handelt. |
Kaum irgendwo aber gilt das so sehr als bei der deutung
unserer alten volksnamen. Wenn wir aus dem vorhandenen
schatze nur etliche gut verständliche herausheben, namen wie
Burgundiones, Sciri, Sugambri, Quadi, Langobardi!), Armilausi,
Marcomanni, Angrivarü, Saxones, Sviones, Gundebadingi, so sind
hier deutlich schon so viele bedeutungsarten vertreten, dass es
sich sofort von selbst verbietet, in unseren volksnamen von
vornherein nur nach bestimmten bedeutungen zu suchen. Ihre
ordnung nach ihrem inhalte wird natürgemäss erst nach ihrer
deutung erfolgen dürfen. Diese selbst aber hat auf grund
einer genauen und reinlichen analyse ihrer gram-
matischen form zu geschehen. Diese ist das erste und
wichtigste und hat natürlich da, wo in folge unsicherer über-
lieferung diese form nicht feststeht, mit einer kritik der über-
lieferung hand in hand zu gehen. Die untersuchung hat sich
aber auch auf die ableitungen zu erstrecken, soferne besondere
1) Ich rechne den namen Zangobardi allerdings zu denen, deren
sinn sonnenklar ist, und verstehe nicht, warum man sich tiberall um neue
deutungen für ihn bemüht. _
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache, XX, 1
2 MUCH
suflixe gewissen gruppen von begriffen mehr oder minder eigen-
tümlich sind. Stellt sich lautliche gleichheit mit einem in den
literarischen sprachperioden noch vorhandenen worte heraus,
so ist dies ein besonders glücklicher fall. Noch nicht ungünstig
ist auch der, wo sich wenigstens der wortstamm des betreffenden
namens, mit anderem suffixe versehen, später noch nachweisen
lässt. Daneben sind wir natürlich vielfach auf heranziehung
des wortschatzes von verwanten, zumal nachbarsprachen an-
gewiesen und vielfach genötigt, ablautende oder sonst lautlich
veränderte nebenformen zu belegbaren worten anzusetzen, Con-
structionen, von denen es je nach der zahl der analogien, die
ihnen zur seite stehen, mehr oder weniger wahrscheinlich sein
wird, dass sie jemals wirklichen bestand hatten.
Unter den deutungen, die, soweit es sich um die form
handelt, möglich und wahrscheinlich sind, erhalten solche be-
sonderen wert, die an den uns bekannten eigentümlichkeiten
des betreffenden volksstammes eine stütze finden. Denn man
darf es niemals ausser acht lassen, dass alle volksnamen nicht
so gegeben wurden, wie man heute einem kinde bei der taufe
einen namen zuteilt, sondern von haus aus lebendigen sinn
und inhalt hatten, für den nur später, sobald ihr charakter
als eigennamen schon feststand, das verständnis verloren gieng.
Ihr erstes durchgreifen können sie in der grossen mehrzahl
der fälle nur dem umstande verdanken, dass sie kennzeichneten.
Aus dieser erwägung heraus kann ich mich auch — von bedenken
im einzelnen abgesehen — mit der von J,aistner vertretenen
anschauung nicht befreunden, dass einer ganzen gruppe ger-
manischer volksnamen der vage begriff der menge zu grunde
liege.
Darauf dass verschiedene namen ein und desselben stammes
und namen von nachbarstämmen in formeller und inhaltlicher
wechselbeziehung stehen, babe. ich widerholt aufmerksam ge-
macht. Aehnlichkeit und gegensatz spielen hierbei, was den
inhalt, alliteration, reim, gleichheit der suffixe, was die form
anbelangt, eine rolle. Dass dies sich so verhält, ist bei pri-
märer stellung der völkerschaften, um deren namen es sich
handelt, von vornherein zu erwarten, wie ja zwischen den
namen und zumal übernamen zusammengehöriger personen
ähnliche verhältnisse bestehen; vgl. Segimerus, Segestes, Segi-
DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 3
mundus, *Segithancus; Thusnelda, Thumelicus; Arpus, Gandestrius ;
Raus, Raptus; Hengest, Horsa, um nur auf ein paar beispiele
aus der ältesten zeit hinzuweisen, die sich, wenn wir auf jüngere
perioden rücksicht nehmen wollten, ins ungemessene vermehren
liessen. Damit sind uns neue hilfsmittel an die hand gegeben.
Es ist natürlich auch möglich, dass ein und derselbe name
in verschiedenem sinne verstanden wurde. Da es ein germa-
nisches adjectiv */ugjaz ‘lügnerisch’ jedenfalls gab, war es
allen, die dem volke der Zugi, Lugiones nicht besonders hold
gesinnt waren, erlaubt, ihren namen als ‘die lügnerischen’ zu
verstehen. Und wer will bezweifeln, dass es solche gab und
dass sie dies taten? Damit verliert aber, was den vorliegenden
namen betrifft, Laistners (Germanische völkernamen 29.) und
Erdmanns (Ueber die heimat und den namen der Angeln 100 f.)
hinweis auf ir. /uige ‘eid’, got. Ziugan ‘heiraten’ und ahd. ur-
liugi ‘krieg, d. h. lösung des freundschaftlichen verbandes’
durchaus nicht seinen wert, da er zeigt, dass man ihn auch im
sinne ‘die vereideten’ verstehen konnte. Es ist freilich nicht
leicht begreiflich, wie ein volk sich einen namen beilegen
konnte, der von allen übelwollenden als ein schimpf gedeutet
werden musste. Vielleicht lag ursprünglich eine, solange sie
bestand, misverständnisse ausschliessende zusammensetzung
vor, aus der dann spottlustige nachbarschaft das eine composi-
tionsglied ablöste und mit der absicht der schelte allein ge-
brauchte. Auch der name Vandali konnte wol ebensogut ‘die
gewanten’ als ‘die wandelbaren’ bedeuten. Was die Suebi
betrifft, so halte ich sie heute mit Erdmann, Ueber die heimat
und die namen der Angeln 96 fi. und Kögel, Anz. fda. 19,31)
für ‘die dem eigenen verbande angehörigen’, für ‘die freien
männer’, und bin sogar der überzeugung, dass ihr name zur
Römerzeit auch noch als appellativum in geltung war und in
seinem sinne wol verstanden wurde. So erklärt sich am ein-
fachsten die tatsache, dass — im gegensatz zum gewöhnlichen
umfange des begriffes Suebi — bei Tacitus alle die Germanen
diesen namen führen, die den Römern nie unterworfen, also
frei und selbständig geblieben waren. Aber der anklang an
1) Auch Laistner, Germ. völkernam. 39 ist auf dem rechten wege,
irrt aber durch ansetzung von vorgerm. suego- statt swebho-.
y*
4 MUCH
die verbalwurzel sweb ‘schlafen’ und vor allem an das verbal-
adjectiv sw&biz ‘schläfrig’ war doch zu auffallend, als dass er
nicht da und dort zu misdeutungen anlass gegeben hätte.
Das eine dürfen wir nie ausser acht lassen, dass fast
alles was wir auf diesem gebiete erreichen können, nicht mehr
als grössere oder geringere wahrscheinlichkeit ist. In anbetracht
der mangelhaften überlieferung und der hohen altertümlichkeit
der namen, um die es sich handelt, wird manches rätsel, das
sie uns vorlegen, immer völlig ungelöst bleiben und in andern
fällen doch niemals eine endgültige wahl zwischen verschiedenen
möglichkeiten getroffen werden können. Doch lässt sich des-
wegen nicht behaupten, dass wir jetzt schon an der grenze des
erreichbaren angelangt sind, und neues bemiihen wird hier
sicher noch manchen schönen fund zu tage fördern. Ja selbst
irrtümer können fruchtbare anregungen geben. Ohne den ‘mut
des irrens’ wird man hier am allerwenigsten auskommen, und
nicht hoffen dürfen, dass alle aufstellungen sich bestätigen
werden. Wenn manches bestand hat ist's genug. Anderes wird
man auch selbst gern wider abtragen, um festen grund zu ge-
winnen zu neuem aufbau. Vor allem aber kann die mit-
arbeiterschaft mehrerer auf diesem felde von nutzen sein, weil
die anschauungen des einzelnen beim besten willen immer ein-
seitig sind.
Aus diesem grunde habe ich mir von der abhandlung
H. Hirts über ‘Die deutung der germanischen völkernamen’
in den Beitr. 18,511 ff. in dem augenblicke, da ich sie zu ge-
sichte bekam, einen wesentlichen fortschritt erwartet, und noch
mehr als ich nach einigen einleitenden worten mit bezug auf
meine versuche auf diesem gebiete die bemerkung las: ‘aber
wer soll wol derartigen deutungen glauben, deutungen, die oft
genug die bestehenden zusammenhänge ignorieren?’ Nach
diesem allgemein und dunkel gehaltenen urteil durfte ich billiger
weise den nachweis erwarten, was für bestehende zusammen-
hänge ich ignoriert habe, einen nachweis, den ich wie jeden
fortschritt der wissenschaft freudig begrüsst hätte.
In dieser hoffnung sah ich mich enttäuscht. Denn Hirt
hat im weiteren nicht das mindeste beigebracht, um jene apo-
diktische behauptung zu rechtfertigen, dagegen allerdings seine
eigene hypothese zu begründen versucht, dass die germanischen
DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. B)
volksnamen zum teil ihrem ursprunge nach vorgermanisch sind,
zu einem anderen, wenn ich ihn recht verstehe, lehnworte aus
fremden sprachen, durch eindringen und entnationalisierung
fremder stämme erklärlich.
Solche möglichkeiten sind gewiss in betracht zu ziehen.
Dabei haben wir aber die volksnamen auch nicht anders zu
untersuchen als andere worte :unserer sprache, bei denen ja
auch immer die frage nach ihrem alter und nach ihrem ur-
sprunge in heimat oder fremde aufgeworfen werden muss und
gewiss auch der fall vorkommen kann, dass andere zugehörige
worte im germanischen, oder auch wol überhaupt, nicht zu er-
mitteln sind. Die methode bleibt also die gleiche. Und es
fragt sich, ob wir wirklich im stande sind, solche volksnamen
vorgermanischer oder ungermanischer herkunft . nachzuweisen.
Dass es schon im indog. beziehungsweise europäischen
urvolke vor seiner spaltung in verschiedene scharf getrennte
sprachen politische unterabteilungen unter besonderen namen
gegeben hat, ist kaum zu bezweifeln. Es können sich solche
namen auch sehr wol bis in historische zeit erhalten haben
und später auf verschiedenen sprachgebieten auftreten. Das
wäre nur ein ähnlicher vorgang, wie wenn heute Sachsen in
Deutschland deutsch, Sachsen in England englisch sprechen
oder Nordschwaben an der Bode niederdeutsch, ihre nach
Süddeutschland ausgewanderten stammesbrüder hochdeutsch.
Ebenso gibt es südgermanisehe und nordische Haruden, Rugier,
Goten; nord- und südslavische Chorvaten, Obodriten, Sorben
(Serben); gallische und brittannische Atrebates, Belgae, Parisii
(Parisi); trans- und eisalpinische Taurisei, Boii, Lingones u.a. nı.
Ein hiervon verschiedener Fall ist es, wenn heute die Russen
oder Lombarden oder Franzosen diese namen führen, die das
andenken entdeutschter Germanenstämme in der fremde fort-
erhalten. Die fortlebenden namen sind dabei die des erobernd
eingedrungenen, aber nachmals entnationalisierten volkes, Wenn
dagegen die Slaven in Schlesien nach zurückgebliebenen van-
dalischen Silingen S/esane hiessen, oder wer'n heute von Preussen
die rede ist, hat hier umgekehrt das vorherschende volk, das
seine eigene sprache. durchgesetzt hat, den namen der vor-
gefundenen alten bewohner angenommen.
Aehnliches ist sicher auch im altertum schon vorgekommen.
6 MUCH
Wären die Römer nicht dazwischengetreten, so hätten aller
wahrscheinlichkeit nach Kimbern und Ambronen und später
Usipeten und Tenktern mitten unter Kelten germanische reiche
gegründet, wären aber alsbald der keltisierung erlegen, ausser
dass vielleicht ein oder der andere germanische stammname
sich als der eines fortan keltisch redenden volkes erhalten
hätte. Und germanische vorstösse dieser art wird es in vor-
geschichtlicher zeit widerholt gegeben haben. Dass aber auch
umgekehrt das germanische sprachgebiet solehen einbrüchen
ausgesetzt war, ist bei der kriegerischen und politischen über-
legenheit der Germanen tiber alle ihre nachbarstämme nicht
vorauszusetzen, und ausserdem hat auch des Tacitus ausspruch,
Germ.2, seine berechtigung: guis porro..... Germaniam peteret,
informem terris, asperam caelo, tristem cultu aspectuque, nisi si
patria sit?
Eher noch liesse sich denken, dass beim vordringen der
Germanen die namen unterworfener Keltenstämme auf sie
übergegangen seien; aber auch das ist nicht wahrscheinlich,
weil die unternehmungen der Germanen, soweit wir es beob-
achten können, immer in bereits fest geschlossenen stämmen
erfolgten, die also wol ihre namen schon mitbrachten, und nicht
familien- und hordenweise wie etwa bei den Slaven. Keltische
namen germanischer stämme, wie Usipetes, erklären sich aus
keltischer nachbarschaft und keltischem cultureinfluss an der
grenze, an der man selbst den bestand doppelsprachiger
stämme, bei denen etwa die freien germanisch, die knechte
keltisch sprachen, jeder teil aber nebenbei auch des anderen
idiomes mächtig war, als möglich zugeben kann, ebenso wie
verschiedene stadien der keltisierung oder germanisierung.
Man braucht sich auch gegen die annahme vorgeschicht-
licher spaltungen und dadurch bewirkter nationaler sonder-
entwicklung von stämmen nicht ablehnend zu verhalten. Aber
wolgemerkt: das vorkommen von gleichen stammnamen in ver-
schiedenen sprachgebieten beweist, ausser wenn sich ganze
gruppen von solchen widerholen, noch wenig. Wir müssen in
solchem falle fragen, ob nicht zufällig und unabhängig von
einander dieselben worte zur namengebung verwendet wurden;
denn bei volksnamen. konnte das geradeso vorkommen wie bei
localnamen. Gibt es denn nicht verschiedene orte namens
DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 7
Noviodunum, Neuenburg, Carrodunum u.8.w. u.8.w.? Ferner
haben wir zu fragen, ob der ähnlichkeit der form auch wirk-
lich der inhalt entspricht, ob die namen also tatsächlich identisch
sind. Denn es gibt ja doch innerhalb verschiedener sprachen
worte genug, die ihrer form nach durch urverwantschaft oder
entlehnung in beziehung zu einander stehen könnten, in der
tat aber nichts mit einander zu tun haben. Wenn wir uns
bei vergleichung von worten um die bedeutungen nicht küm-
mern, werden wir für italienisch cal/do zusammenhang mit
deutschem kalt in betracht ziehen.
Wer aber einmal den methodischen fehler begeht, auf ety-
mologien sich nicht einzulassen, was ja allerdings bequem ist,
der sollte wenigstens die dem formellen zugewante seite seiner
aufgabe ernst nehmen. Statt dessen scheint Hirt von dem be-
kannten grundsatze auszugehen, dass es bei der sprachver-
gleichung auf die consonanten wenig und auf die vocale gar
nicht ankomme. Dass dann, wo auch um die bedeutung nicht
gefragt wird, dinge zusammengeraten, die zu einander passen
wie die faust aufs auge, ist selbstverständlich. Auch der vor-
behalt, ‘sicheres mit unsicherem zu mischen’, rechtfertigt es
noch nicht, unmögliches vorzubringen.
Natürlich sind nicht alle zusammenstellungen Hirts von
gleichem unwerte. Sie sind auch nicht alle neu. Und da Hirt
selbst bei der gleichung Ingaevones Aycıoi, die mir persönlich
— nebenbei bemerkt — höchst zweifelhaft erscheint, auf
Laistner, Germanische völkernamen 46 und Johansson BB. 18, 28
als ihre ersten vertreter verweist, macht es auf den auf diesem
gebiete weniger bewanderten den eindruck, als ob alle anderen
zusammenstellungen von ihm selbst herrührten. Es wird des-
halb gestattet sein, darauf aufınerksam zu machen, dass Bri-
gantes und Burgundiones, wenn ich nicht irre, zuerst von Kluge
in Pauls Grundr. 1,305 einander gleichgestellt wurden, Chatti
mit keltisch Cassi, -casses von Müllenhoff, Zs. fda. 23, 7%; mit
dem namen der Ambrones, mit dem ich Beitr. 17,43 "Oußowves
in der Sarmatia des Ptolemaeus zusammengestellt habe, hat
den der italischen Umbri schon Förstemann DN. 21, 62 verglichen;
2) Ueber die schwierigkeiten, die dieser zusammenstellung im wege
stehen, vgl. jetzt W. Braune, Indog. forsch. 4, 341.
8 | MUCH
ebenso bemerkt er 21,994 zum namen der deutschen Marsen:
*es ist vielleicht, ich möchte sagen wahrscheinlich, nicht zufall,
dass auch die italischen Marsi dieselbe benennung haben. Die
verknüpfung der Marrucini mit den Marsi gehört schon dem
altertume an, im besonderen Cato nach Priscian 9, 871. Der
hinweis auf phrygische ®vvol und irische Kavxoı bei den
germanischen (At)Aovvor und Chauci findet sich in meiner ab-
handlung Beitr. 17,29. 43, wogegen allerdings die bemerkung,
‘dass die Chauci .... als Kavxonvoroı Ptol.3, 8 als thrakische
völkerschaft auftreten’, durchaus von Hirt selbst herrührt,
übrigens auch unzutreffend ist, da hier doch deutlich ein deri-
vatum aus einem localnamen vorliegt, und man ja auch nicht
sagen dürfte, dass die Chauci als schottische Ziyhlanders auf-
treten. Mit besserem, wenngleich immer noch nicht unbestreit-
barem rechte hätte Hirt an die peloponnesischen und paphla-
gonischen Kavxwvss erinnern können. Warum Hirt meine zu-
sammenstellung von germanischen und keltischen Turonen,
Beitr. 17,78, und von böhmischen und baltischen Sudinen, Beitr.
17,110 nicht auch in sein verzeichnis aufgenommen hat, ist
mir unbekannt. Ä
Damit aber das oben ausgesprochene urteil niemandem
unbegründet oder doch zu hart erscheine, wird es nötig sein,
Hirts eigene gleichungen ein wenig näher ins auge zu fassen.
Ich stelle dabei meinen kritischen anmerkungen immer die
selben schlagworte voran, deren sich Hirt bedient.
-broges, -briges. Dass die Dovyes früher Briges geheissen
haben, wie Herodot 7, 73 unter berufung auf makedonische sage
meldet, ist insofern fast das gegenteil der wahrheit, als Booyes
der an die älteste einheimische namenform *2hruges an-
knüpfende. griechische name ist, Bovyoı, Boiyes dagegen an
jüngere entwicklungen von *2hruges sich anschliesst, in denen
die aspiration verloren war; über den wandel von x zu ö im
thrakischen vgl. Wilh. Tomaschek, Die alten Thraker (Wiener
sitz.-ber. 128) 1,29. Wer daher mit Hirt gallische namen wie
Brigiani oder Nitiobriges, Latobrigi vergleicht, müsste entweder
für das keltische ein gleiches gesetz des überganges von u zui
nachweisen, das es aber hier sicher nicht gibt, oder die be-
treffenden stämme in später zeit aus Thrakien in keltisches
gebiet einwandern lassen. Nitio-briges und Lato-brigi sind
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DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 9
zudem in dieser form in ihrem zweiten compositionsglied der
verderbtheit verdächtig. 2rigiani aber hat aus dem keltischen
eine ganz einleuchtende etymologie und bedeutet ‘monticulae’:
8. Zimmer, KZ. 24,541. Holder, Altkelt. sprachschatz 542.. Der
ableitung liegt ein kelt. wort brigioen, aus *bhrghiom, 'gebirge’
zu grunde; vgl. Are-brigium, ein keltisches Amberg, Zimmer 2.2.0.
Holder, Akelt. spr. 189, germ. Aoxı-Bovpyıov 005!) und mit
anderer ablautstufe kelt. oder germ. Beeyıov bei Ptolemaeus
2, 11,14, germ. *ga-bergja(n) "gebirge’.
Keltisch drog, mrog in Allobroges u.s.w., das Hirt mit all
dem zusammenbringt, ist wider etwas ganz anderes, worauf
unter Cimbri näher eingegangen werden soll.
In denselben topf wirft er ausserdem noch Beßovxes,
Bosvxoı (bei Strabo), Ribroci (bei Caesar) und Bructeri, wobei
er irrtümlich Zidroci für denselben namen nimmt wie Beßovxes,
das indessen bei Caesar Bebruces oder, wenn wir vom stamm-
auslaut absehen, Zebruci lauten müsste. Ich glaube im folgenden
nachweisen zu können, dass der guttural in diesen namen einer
ableitung angehört, wodurch die zusammenstellung mit Zructeri
allen halt verliert. Beßpvxes, Boeüxoı, Bibroci halte ich selbst
für verwante namen, und vielleicht — eine entferntere mög-
lichkeit — ist auch Dovyes damit zu verbinden. Aber dass
all das wirklich der fall, oder wahrscheinlich oder möglich ist,
kann doch nur eine grammatische analyse verbunden mit einem
erklärungsversuche zeigen. Namen auf grund bloss ihres an-
klanges zusammenstellen kann jedes kind.
Der name 2ibröci, nach Caesar BG. 5, 21 der eines stammes
im südlichen Brittanien, verhält sich — von der reduplications-
silbe abgesehen — zum namen der Boevxo: in Pannonien genau
so wie Bröcomagus im It. 252. Ammian 16, 11.12 zu Boevxouayog
bei Ptolemaeus 2,9,9 oder (Ollo-)tötae zu Teutoni, ein laut-
übergang, der im irischen vollkommen durchgeführt worden ist:
s. Brugmann, Grundr. 1,57. . Beßovxes lässt sich mit *Bibreukoi
bei annahme verschiedener ablautstufe vereinigen, wie denn
auch neben germ. *brä-naz ‘braun’ kelt. *breu-nos nachweisbar
ist, erhalten im volksnamen der Zreuni (vgl. Esser, Beitr. zur
!) Diesen namen halte ich jetzt nicht mehr wie Zs. fda. 33, 2 für eine
sbleitung aus einem ortsnamen.
10 MUCH
gallo-keltischen namenkunde 1,97. Holder, Akelt. spr. 527), und
germ. *brunaz, das sich aus Bruni, einem beinamen des Odinn
ergibt, der in gleicher function Biorn heisst: s. Detter-Heinzel,
Beitr. 18,546; man vergleiche damit das verhältnis des namens
Braun des bären zu Bär, d.i. ‘der braune’ nach germ. *beraz,
lit. böras, lett. bers ‘braun’ (Kluge, EWb.5 28). Ja *brünaz,
breunos lässt noch näheren vergleich mit Beßovxes, (Bi)breukoi
zu, da dort n, hier 4 als ableitung aufgefasst werden kann und
sogar ein aind. babhrugds aus *bhebhrucos neben babhrüsh ‘rot-
braun’ vorliegt. Wir könnten somit die Bibroci, Breuci, Beßovaess
insgesammt als ‘die braunen’ nehmen. Allein es ist nach den
untersuchungen von Wilh. Tomaschek fraglich, ob altes c, die pa-
latale tenuis, im thrakischen und phrygischen als X-laut erhalten
war. Deshalb scheint es geratener, Beßovxes auf Bhebhrukes
zurückzuführen. Wir können dann an bildungen wie zoprag
“färse’, uetoag ‘mädchen, knabe’, aind. maryakds ‘männchen’, öpTvg,
aind. vartakas ‘wachtel’, deApas ‘schwein, ferkel’ anknüpfen; vgl.
noch bildungen wie lit. parszukas ‘ferkel’, aksl. cvetuku ‘blüm-
chen’, aind. müshikä ‘maus, ratte’. Aus diesen seitenstücken er-
gibt sich die möglichkeit, dass ein oder der andere obiger namen
oder alle als ‘biber’ verstanden wurden; vgl. die etymologie
und verbreitung dieses wortes. Man könnte dabei an pfalbau-
bewohner denken. Zibroci hat auch schon Glück, Die kelt.
namen 42f. und nach ihm Stokes bei Fick, Vgl.wb. 24, 167 zu
keltisch bebros ‘biber’ gestellt. Wie Bibröci zu Breuci, so ver-
hält sich Beßovxes zu Bovxaı oder Bovxeis‘ E9vog Opaxns; 8.
Wilh. Tomaschek, Die alten Thraker 1,35.
Für den namen Doöyss, Dovyes hat derselbe a.a.o. 29
eine ansprechende erklärung gegeben durch anknüpfung an
wurzel dhrüg ‘brauchen’, wonach sie ‘homines frugi’ wären:
vgl. got. brüks. Allein da gerade wie mit -k-, -ko-, so auch
mit -9-, -go-suffix tiernamen gebildet werden — vgl. ags. bulluc,
ahd. chranuh, got. ahaks, gr. xoxxvy- (Bugge, Beitr. 12, 424 f.
Kluge, Nom. stammbild.29) — so könnte auch der name Phrygen
von haus aus ‘biber’ bedeuten. Bovyss würde sich zu (Be)Bovxes
ungefähr so verhalten wie griech. ooTv& gen. OpTvyog zu ögrvg
gen. Optvxoc, aind. vartakas.
Burgundiones-Brigantes. So weit ist, wie bemerkt, die glei-
chung nicht neu und jedenfalls zu billigen. Aber Strabos nur
DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 11
einmal erwähnte Boıyavrıoı sind leicht nur nach der ragenden
bergstadt Bregenz, Drigantium, Brigantia so benannt, und ge-
hören dann mit den Brigantes nicht unmittelbar zusammen.
Dass es vollends ‘wunderbar’ sei, dass Burgunden und Van-
dalen einerseits, Boıyavrıoı und Ovivdelıxol andrerseits neben-
einander stehen, könnte man doch dann erst mit einigem rechte
behaupten, wenn die gleichung Vandali— Vindelici selbst weniger
windig wäre. Was die Doovyovvdioveg betrifft, so nennt sie
uns Ptolemaeus bekanntlich als ein von den Burgunden ver-
schiedenes volk und in einem locale, wo wir die Burgunden
nicht suchen dürfen. Dieser umstand schon muss uns gegen
Möllers (Ae. volksepos 27) und Müllenhoffs (DA. 2,80) gleich-
stellung der Frugundionen und der Burgunden mistrauisch
machen, zumal sich auch beider namen in unvereinbarer weise
unterscheiden. Dass einerseits ru, andrerseits ur steht, ist von
geringerem belange; von D indessen glaubte ich Beitr. 17,41
mit vollster bestimmtheit annehmen zu dürfen, dass es nicht
widergabe von germ. b sein kann, wie Möller angenommen
hatte. Statt dem dort vorgebrachten auch nur den schatten
eines gegengrundes entgegenzustellen, findet es Hirt jetzt (Beitr.
18,514) für gut, von oben her zu erklären, ich hätte mich mit
Möllers hypothese zu leieht abgefunden; es sei ‘vorsichtiger (!!),
solche abweichungen der schreibung’ (als ob es sich nicht um
verschiedene namen handelte, von denen erst bewiesen werden
müsste, dass sie zusammengehören) ‘lieber einstweilen (!) un-
berücksichtigt zu lassen, als etymologien darauf zu bauen, die
doch stets sehr problematisch bleiben’ müssten. Meinerseits
halte ich es für vorsichtiger, namen nur dann zu identificieren,
wenn dies den buchstaben und lauten nach möglich ist.
Canninefates. Hierin soll das erste compositionsglied am ehe-
sten mit dem namen Ilavvovıo. vergleichbar sein. Die namen
sollen angeblich genau zu einander stimmen, ‘wenn man g als
ursprünglichen anlaut ansetzt und für das pannonische einen
wandel von q zu p annimmt.’ Das ist allerdings viel verlangt,
allein vermutlich überrascht uns Hirt demnächst mit der ent-
deckung labialisierter velare im illyrischen. Steht » in Pannonii
für q, was ich selbst nicht glaube, dann müsste der name wol
keltisch sein. Allein auch gallischem Pannon- würde germanisch
bei urverwantschaft, je nachdem es aus vorkeltisch Onnon-
12 MUCH
oder Oannon- entsprungen wäre, hunnan-, funnan- oder hwannan-,
fannan- entsprechen, bei entlehnung Pannan-, Pannun-. Gegen
letztere spräche übrigens auch der umstand, dass efates seinen
lauten nach urdeutsch und nicht keltisch ist. Hirts zusammen-
stellung ist also ganz widersinnig.
Celtae. Woher der name Celtae stammt, ist nach Hirts
behauptung unbekannt. Da aber Caesar BG. 1, 1 berichtet,
dass die bewohner des mittleren Gallien sich selbst Kelten
nennen, und keltische namen wie Celtillus, Celtilla, Celtinus,
Celtios begegnen, so ist es klar, dass wir ihn als keltisch an-
sprechen dürfen: vgl. Zeuss, Die Deutschen und die nachbar-
stämme 65.66. Dass trotz übereinstimmung so zahlreicher
quellen in dem anlaut k in Celtae, Celtillus, Keirol, Keirıxog
einerseits, im anlaut g in Ialcraı, Taiarla, I'alarog (per-
sonenname bei Polybios 2, 21,5) andrerseits von einem wechsel
von g und k gesprochen werden könne, ‘hervorgerufen durch
mangelhafte widergabe’, sollte man beim jetzigen stande der
wissenschaft nicht mehr für möglich halten. Dass übrigens die
namen Celtae und TaAaraı auch sonst noch verschieden. sind,
scheint Hirt nicht der rede wert zu sein. Erinnert er doch
sofort auch an die skolotischen Skythen, ‘bei denen, wie es
scheint, der name Celtae wieder auftritt, nur!) mit dem plus
eines s versehen, was nicht auffallend ist.” Mir scheint, dass
3xoAoror von Celtae auch durch ein o statt e in der stamm-
silbe und das plus eines anderen o zwischen / und ? abweicht.
Was die namen Kelten und Galater betrifft, füge ich nur noch
bei, dass für beide ansprechende etymologien vorhanden sind.
Siehe unter anderem Windisch in Ersch u. Grubers Eneyklo-
paedie 2. sect., 35. teil, 134. Fick, Vgl. wb.2 4, 83.108, wonach
ersteres ‘die erhabenen’, letzteres ‘die tapferen’ bedeutet. Als
an ein wirkliches seitenstück zum namen der Galater erinnere
ich an den der baltischen T’alivdaı des Ptolemaeus.
Chorwaten. Diesen namen unmittelbar mit dem der Ha-
rudes (Harüdes ist falsch) zusammenzustellen, geht deshalb
schon nicht an, weil Chorwati und alle anderen formen des-
selben aus Chrüvat- entsprungen sind: s. Miklosich, Et. wb. 91.
Ein ablautverhältnis zu Cherusci ist allerdings auch bei dieser
ı) Von mir im druck hervorgehoben. D. verf.
DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 13
grundform des namens denkbar, vorausgesetzt, dass er im
slavischen ein lehnwort aus dem germanischen ist, eine mög-
lichkeit, die ich Hirt gerne zugebe. Es ist vielleicht der name
einer in den Slaven aufgegangenen bastarnischen abteilung.
Die grundform Chrüvat-, von der auszugehen ist, könnte auf
germ. *hrumwat- (*yrumat-) aus *krudd- zurückgehen und dies
als appellativum ein gehörntes tier bezeichnen wie cervus und
keltisch *karuos ‘hirsch’, lit. kdrve, asl. krava ‘kuh’”. Ja germ.
*hrumal- ist möglicherweise sogar die grundfor Bn aus der aisl.
hrütr “widder’ entsprungen ist.
Cimbri. Damit verbindet Hirt zunächst den namen ‚ der brit-
tannischen Cambri, Cumbri und der Sigambri (sic), Gambriviü.
Diese gleichung ist, soweit es sich um Cimbri und Cumbri han-
delt, der rüstkammer der keltomanie entnommen. Vgl. Gltck,
Die kelt. namen 27: ‘eines der vielen beispiele, zu welchen
albernheiten die unkunde der kelt. lautverhältnisse führt, ist
die von mehreren schriftstellern (z.b. Diefenbach) aufgestellte
behauptung, dass der (erst nach dem einfalle der Sachsen in
Brittannien aufgekommene) name Cymry (= altem Combroges)
eins mit den alten namen Cimmerü und Cimbri sei!!!’ Aber
Diefenbach war mit rücksicht auf den damaligen stand der
keltischen studien weit eher zu entschuldigen. Heute jedoch
ist schon aus allgemein zugänglichen und verständlichen hand-
büchern, z. b. ausser Glück a.a.o. 26 f. Zeuss-Ebel GC. 207. Win-
disch a.a.o. 141. Müllenhoff DA. 2, 116 die belehrung zu schöpfen,
dass Cambri, Cumbri eine, sogar wolverständliche, zusammen-
setzung ist. Da das cymrische sonst kein casussuffix bewahrt
hat, kann auch der auslaut in cymr. Cymro, pl. Cymry ‘a Welsh-
man, Welshmen’ nicht als solches aufgefasst werden, erklärt
sich aber anstandslos, wenn wir von einer grundform *Kom-
mrox, pl. *Kom-mroges oder *Kom-brox, *Kom-broges ausgehen.
Dieses wort wird mit hinblick auf ir. mruig ‘mark, landschaft’,
eymr. corn. bro ‘bezirk, gegend, land’ und die glosse: ‘brogae
Galli agrum dicunt’ (schol. zu Juvenal 8, 234) als ‘markgenosse’
verständlich, gerade wie Allo-brox, älter *Alio-brox, jetzt allfro
‘alienigena, fremdländer’ bedeutet; vgl. jetzt auch Fick, Vgl.
wb. 24, 22.221. Das g in Gambrivü, Sugambri gegenüber c in
Cimbri aus dem Vernerschen gesetze zu erklären, wäre doch
nur dann erlaubt, wenn für Cimbri im Germanisehen h als an-
I,
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f.
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{ vn. K ER a # ;
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14 MUCH
laut vorausgesetzt werden dürfte, was jedoch bei der überein-
stimmung aller quellen in der schreibung c oder k so gut wie
ausgeschlossen ist. Man beachte auch, dass der stammvocal
einerseits ö (nicht e), andrerseits a ist. Ueberdies bietet sich
für Sugambri durch ahd. gambar ‘strenuus’ eine ansprechende
erklärung. - |
Daken. Der naıne der Daken soll in Auadoxo: und Karza-
döxss widerkehren. Aber Auadoxo: ist keine zusammensetzung:
vgl. Wilh. Tomaschek, Kritik d. ältesten nachrichten über d.
skyth. norden (Wiener sitz.-ber. 117) 2,8: ‘in der skolotischen
wie in der thrakischen sprache bedeutete Auadoxo: so viel wie
@uoyayoı ‘rohfleischesser, wilde, welche die ackerfrucht nicht
kennen’, vgl. skr. ämäd (pl. ämädas) ‘rohfleischesser’ gegensatz
zu yaväd ‘kornesser’, erweitert ümadäka; kolarische aboriginer-
stämme hiessen Amädaku, Amäcana’. Dass im namen Karzo-
doxs; ein zweites element mit Däci, Aaxol, A&xoı oder Aazxaı,
Aaxes etwas gemein habe, ist den lauten nach schon unwahr-
scheinlich, und um so weniger glaubhaft, als es von den Kappa-
doken und ihrem namen sehr fraglich ist, ob sie überhaupt
indogermanisch sind.
Aapdavıoı — Danaer. Davon soll ersteres nach Hirt
möglicherweise eine reduplicierte bildung sein und auf Aavdaroı
zurückgehen. Aavaoı aber ist doch offenbar aus Aavafoı ent-
standen, wodurch die ähnlichkeit noch geringer wird. Und
was liesse sich durch solche constructionen nicht alles vereinen.
Es wundert mich wirklich, dass Hirt nach der analogie Can-
nin(efates) = Pannonii nicht auch die Danir, Dänen als Danaer
auffasst. Eine etymologie für Aapdavıoı gibt Hahn nach alb.
dardhe ‘birnbaum’, dardhan ‘birnbaumzüchter’; s. Wilh. Toma-
schek, Die alten Thraker (Wiener sitz.-ber. 128) 25.
Dorier. Gesetzt auch der name der Dorier hätte mit indog.
dru etwas zu tun und wäre als ‘waldbewohner’ zu verstehen
geradeso wie der der germanischen Tervingen und. slavischen
Drevljane, was folgt daraus? Jedenfalls sind ja das alles
verschiedene namen. Die zurückführung des namens Dorier
in die urzeit ist deshalb nicht nur ‘unsicher’, sondern schwebt
völlig in der luft.
Harii. Namen wie keltisch Zri-corü, Petro-corü, d.i. ‘die
dreischärler’, ‘die vierschärler’ — vgl. ir. cuire, aus *korio-,
DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 15.
‘schar’ — heben ein charakteristisches moment hervor, sei es,
dass es sich um eine eigentümlichkeit der schlachtaufstellung oder
der politischen einteilung oder beides handelt. Aber lässt sich
ein volk mit namen ‘die heere’ oder ein angehöriger eines
solchen der ‘ein heer’ hiesse, denken? Das müsste aber der
fall sein, wenn Harii bei Tacitus und keltisch -corii dasselbe
wort sein sollen. Dabei wäre zudem eher gegen als für den
ethnographischen zusammenhang der betreffenden stämme ein
argument gewonnen, weil namen wie Tri-corü, Petro-coriü ihrem
von Hirt ignorierten sinne nach an eigentümlichkeiten an-
knüpfen, die einfaches Corii nicht voraussetzen kann. Dass
wir zur erklärung von Hari übrigens nicht auf got. harjis
allein angewiesen sind, ist Beitr. 17,28 gezeigt.
Istaevones. Der anklang dieses namens an ’Eoriwveg bei
Strabo verdient keine besondere beachtung, da uns, richtige
überlieferung vorausgesetzt, die verschiedenheit der stammvocale
verbietet, die beiden namen zu verbinden. Welcher art die
stütze ist, welche die /staevones an der landschaft Toriaıa
I. B 537 finden sollen, müsste Hirt näher aufklären, zumal
hier schon der verschiedene anlaut, spiritus asper aus s in einem,
blosser vocal im anderen falle, die zusammenstellung zu einer
höchst problematischen macht. |
Nervii = Naha-narvali ‘mit anderem Suffix und - anderer
ablautstufe. Träfe das zu, so hätten wir’s aber doch schon
mit verschiedenen namen zu tun, was auch bezüglich der Tencteri,
Tungri gilt. Und wäre wirklich Naha-narwalöz der germanische
name, so hätte Tacitus vermutlich Naho-narvali geschrieben.
Dass vor vali die compositionsfuge ist, ergibt sich auch daraus,
dass dasselbe volk später mit einem etymologisch ziemlich
durchsichtigen namen PVicto-vali heisst. Bei der wahl zwischen
nahanar- und nahar-, die uns die handschriften lassen, ist letz-
teres, woraus nahanar durch dittographie entstanden sein kann,
vorzuziehen, und entzieht sich auch kaum unserem verständ-
nisse, worauf ich jetzt nicht näher eingehen will.!)
ı) An dem was ich Beitr. 17,31 über das compositionsglied -ualos
bemerkt habe, ist die zusammenstellung mit -welos in cymr. Huwel
(Hywel), aus *Su-uelos, richtig zu stellen, da das cymr. adj. kywel ‘con-
spicuous, evident, obvious’ zeigt, dass (g)wel in namen zu cymr. gweled
‘sehen’ gehört. Damit entfällt auch das Beitr. 17,31 vorgebrachte argu-
16 MUCH
Sabini (safinim) — Suebi. Die möglichkeit, dass es sich hier
um verwantes handelt, bezieht sich doch nur auf die appellative,
die diesen namen zu grunde liegen, und auch deren beziehung
zu einander kann keine allzu nahe sein. Eine namengleichung,
aus der sich gar etwa ethnographische schlüsse ableiten liessen,
liegt hier offenbar nicht vor.
Semnones. ‘Ob die germanischen Semnones mit den kelti-
schen Senones lautlich identificiert werden können’,t) will Hirt
doch noch von der feststellung der keltischen lautgesetze ab-
hängig sein lassen, die er nicht zu besprechen wagt. Diese
zurückhaltung ist löblich, und es wäre nur zu wünschen ge-
wesen, dass sie Hirt auch anderen keltischen namen gegenüber
beobachtet und es ganz vermieden hätte von dingen zu sprechen,
von denen er eingestandenermassen nichts versteht.
Tatsächlich kann keltisch Senones unter gar keinen um-
ständen mit germanisch Semnones verwant sein, auch wenn
man letzteres, wie ich Zs. fda. 36, 41 ff. getan habe, aus vorgerm.
*Sepnones ableitet, da im keltischen » vor n nicht spurlos
schwindet, wie air. suan, cymr. hun, beides aus söno- aus Vor-
kelt. sopno-, suopno-, beweist; vgl. Brugmann, Grundr. 1, 272.
Dass ‘Semnones seiner form nach auffällig ist, da mn im germ.
zu dn werden musste, andrerseits e vor nasal zu i geworden
ist, vgl. Ingaevones’ sind insofern unzutreffende bemerkungen,
als, wie ich bereits Zs. fda. 36, 42 gezeigt habe, Römer und
Griechen auch germ. und kelt. dn mit mn transcribieren, vor
bn aber e erhalten blieb.2) Aber auch wenn dem germanischen
hier mn zukäme, hätte erhaltenes e davor nichts befremdendes,
ment für keltischen ursprung des elementes -walaz in germanischen völker-
namen. “Dieses ist, wie es scheint, ein element des keltogermanischen
namenbestandes und begegnet uns nicht nur in Nahar- und Victo-vali,
sondern wie in keltischen so auch in germanischen personennamen. Wie
cymrischem Gmweilhgual der vandilische volksname Victovali entspricht,
so armorischem Tütmal (*Touto-ualos) genau ahd. Teodwal. Germanisch
*yalaz verhält sich zu got. walis wie Puraz in Hermunduri, Vitro-dor us
zu ahd. thuris ‘ riese’.
ı) Das soll heissen ‘der name der germ. $. mit dem der kelt. S.’
Dieser fehler gegen stil und logik kann sich ja gelegentlich leicht ein-
schleichen, widerholt sich aber bei Hirt fort und fort in der störendsten
weise.
2) So erklärt sich auch as. slenns. worin jüngerer wandel von bn
zu mn vorliegt, wie eben das e beweist.
DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 17
da wir auch in Tencteri, Fenni, Baduhenna, Nehalennia noch e
vorfinden. Wenn es dagegen /ngvaeones heisst, kann dies einen
vor ng früher als vor anderen consonantenverbindungen mit
anlautendem nasal eintretenden wandel des e zu i anzeigen;
vgl. Kluge in Pauls Grundr. 1,357. Bremer, Zs. fdph. 22, 251.
Noreen, Abr.13. Ehe die etymologie von Ingvaeones sicher steht,
ist aber doch auch an die möglichkeit zu denken, dass bier i
das ursprüngliche ist, wie bei Cimbri; vgl. Beitr. 17, 215.
Taur-, Teur-, Tur-. In diesem artikel werden 7Zaurini, Tau-
risci, Tevoloxoı, TavoooxvHeı, Topıyeraı, Tevgroyaluaı, Her-
munduri und Thuringi zusammengebracht. Die Tavpooxusa:
aber haben klärlich erst von der taurischen halbinsel ihren
namen, auf der allerdings ein (von Hirt übersehenes) volk der
Tevgoı ansässig ist; die Togıy&raı oder wie sie sonst heissen
sind ‘T'yras-anwohner': s. Zeuss, Die Deutschen und die nachbar-
stämme 280. Die namen Hermunduri, Thuringi sind etymologisch
durchsichtig: vgl. Zeuss a.a.o. 103. Henning, Runendenkm. 98.
Wrede, Spr. d. Ostg. 77. Kögel, Anz. fda. 18,49. Verf. Beitr. 17,65.
Dafür dass die von mir für die anderen namen obiger zusammen-
stellung Beitr. 17,59 gegebene (von Hirt nicht beachtete) erklä-
rung aus *teuro- ‘stier’ richtig ist, hoffe ich an anderem orte
neue stützen herbeischaffen zu können.
Triboci. Mit diesem namen vergleicht Hirt den der daki-
schen Kowsroßoxo: (warum nicht auch den der Zaßwxoı?) und
den der Dox&£ec. Indogermanischem bhök würde aber im kel-
tischen bak entsprechen. Und selbst übereinstimmung in einem
compositionsglied würde noch nicht auf ethnographischen zu-
sammenhang hinweisen, so wenig die Angri-varii mit den Ampsi-
verü etwas zu tun haben. Vgl. das oben zu Hurü bemerkte.
Dass es Hirt, Beitr. 18,512 als ausgemacht ansieht, dass das
erste compositionsglied in Tri-boci ‘drei’ bedeutet, beruht auf
seiner unkunde des keltischen. Ä
Usipetes. Hierzu habe ich zu bemerken, dass ich selbst
bereits Beitr. 17,154 mit (Cannin-)efates den namen der cale-
donischen Eridıo: bei Ptolemaeus und den der hellenisch-sky-
thischen Kailınidar verglichen habe unter der voraussetzung,
dass letzterer nicht skythisch sei.
Ubii. Der so wie er ist ganz unverständliche satz: ‘wie hier
eine “endung” *-ipides vorzuliegen scheint, so ist es auch mit den
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache XX, 2
18 MUCH
Ubii, die sich als keltische Mand-ubiü, Es-ubiü, Ox-ubii wider-
finden’ enthält, auch in eine logische form eingerenkt, aus-
gesprochene irrtümer. Von einer scheinbaren endung *ipides
kann erstlich nirgends die rede sein; ferner sind keltische volks-
namen auf -ubiü, wie jeder einsehen muss, ableitungen, denen
u-stämme zu grunde liegen: vgl. Mandu-bratius neben Mandu-bii,
Esu-genus neben Esubii, gr. o&v0s (?) neben Oxu-bii, ferner Vesu-mus
neben Vesu-bium, Veru-lamium neben Veru-bium, Vidu- cusses
neben Fidu-bium, ortsname, und gall. lat. vidu- bium “hecken-
messer’; s. Zeuss-Ebel GC. 789, Glück, Die kelt. namen 91. Verf.
Beitr. 17, 139,
Venetoi. Der hinweis auf die verschiedenen völker dieses
namens enthält nichts neues; hat doch ihre namensgleichheit
teilweise sogar schon im altertum zu ethnographisch-historischen
hypothesen anlass gegeben. Nur unterscheidet Hirt ungerecht-
fertigterweise zwischen den JAAvoıov ’Everol Herodots und den
späteren Veneli in Oberitalien, die vielmehr ein und dasselbe
sind. Dagegen entgehen ihm Everol an der nordgrenze Make-
doniens: s. Wilh. Tomaschek, Die alten Thraker 1,27. Mit der
auffassung von gall. Venelli als Venet-li hat er aber wol das
rechte getroffen. Allein die Vindelici und Vandali hier mit herein-
zuziehen, ist wider durch nichts zu rechtfertigen. Die deutung
des namens Vandalen als ‘die gewanten’ oder ‘die wandel-
baren’ ist vollkommen befriedigend; aber auch wenn sie es
nicht wäre, so ist doch dabei nur an eine zu grunde liegende
wurzel wondh, wandh oder uont, vant zu denken. Damit stimmt
Vindelici wie mit Veneti schon im vocal nicht überein, worauf
indessen bier weniger gewicht zu legen wäre. Aber der dental
in Vindelici ist altes d: vgl. kelt. vindos ‘weiss’, vindö “ich
finde’, aind. vindämi ‘ich finde’, gr. ivdaikouaı ‘ich erscheine,
zeige mich’, worte, die insgesammt zur wurzel veid, vid ‘sehen,
sichtbar’ gehören: s. Fick, Vgl. wb.24,264f. In Veneti selbst
endlich gehört der dental sichtbarlich erst der ableitung an.
Die wuızel ist hier wen, und die bereits von Zeuss, Die Deutschen
und die nachbarstämme 67 erwogene deutung von Veneti als
«die befreundeten’ gewiss ansprechend. Man vgl. noch die
Venostes in Tirol, d. i. ‘venusti’, die kelt. V’enicontes und Venicnü
(Zeuss a.a.0. 251), eymr. Gwynedd ‘North-Wales’, ir. fine, aus venja
DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 19
'rerwantschaft’, coi-bnes (aus con-uenestu-) ‘affinitas’.!) Be-
deutete Venetloi, Winida von haus aus ‘die befreundeten, die
stammesgenossen’, so konnte ein solcher name natürlich leicht
an verschiedenen punkten selbständig zum volksnamen werden.
Die möglichkeit, dass zwischen verschiedenen Venetern ein in
höheres altertum zurückgreifender nationaler zusammenhang
besteht, möchte ich deshalb aber als solche nicht bestreiten.
Schwierigkeiten bereitet der umstand, dass nach der eben ge-
gebenen deutung der name von seinen trägern selbst angenommen
erscheint, die Wenden jedoch nur bei den Germanen so heissen,
sich selbst aber anders nennen. Vielleicht bezeichnete der name
Venedi von haus aus einen germanischen oder keltischen stamm,
der die Slaven sich unterwarf und unter ihnen aufgieng wie
später die Russen.
-vik.- Die zusammenstellung keltischer stammnamen auf
-vici, -vices mit Ampı8es Toıyaixeg (d.i. ‘in drei phylen zerfallend’;
8. Prellwitz, Et. wb.328), kann man sehr wol billigen, aber irgend
ein weittragender schluss ist daran sicher nicht zu knüpfen,
und selbst dann nicht, wenn auch der name der Thraker als
Opafıxes zu fassen und hieher zu stellen wäre; hier ist aber
das digamma nirgends belegt: vgl. Wilh. Tomaschek, Die alten
Thraker 1, 11 f.
Volsci. Wer diesen namen aus Volc-sci erklären und mit
dem der Volcae zusammenbringen will, mag es immerhin tun,
ohne dass diese eine von vielen möglichkeiten weitere beach-
tung verdiente, wenn nicht eine beziehung der Folsci zu den
Volcae oder eine solche bedeutung ihres namens sich nachweisen
lässt, die seine herleitung aus einer wurzel volc rechtfertigt.
Damit kann ich im wesentlichen meine erörterung der zu-
sammenstellungen Hirts abschliessen, da ohnedies schon gezeigt
ist, dass sie keine bausteine sind, mit denen wir arbeiten können,
sondern schutt, der hinweggeräumt werden muss.
ı) Mit der von Lid£En, Beitr. 15,522 vorgetragenen, von Noreen, Abr. 50
gebilligten deutung von ahd. Winida aus einer wurz. uen ‘wasser’ kann
ich mich nicht befreunden. Die Wenden sassen auch ursprünglich nir-
gends am meere.
AMSEE, sommer 1894. RUDOLF MUCH.
YAu
DIE HERKUNFT DER QUADEN.
Eine der meist umstrittenen fragen der germanischen
völkergeschichte ist die nach den späteren schicksalen des
mächtigen stammes, den Caesar unter dem namen Suebi kennen
gelernt und uns geschildert hat. Man hat diese früher so gut
wie allgemein für die nachmaligen Chatten gehalten, eine an-
sicht, die indessen völlig des haltes entbehrt und jetzt wol
auch als gänzlich abgetan zu betrachten ist. Ihre sitze sind
vielmehr wesentlich dieselben wie die der späteren Ermunduren,
denn gleich diesen stossen sie am Harz an die Cherusken, wäh-
rend sie im südosten bis an das damals öd liegende Böhmen
reichen, die agri vacantes des Caesar: vgl. Beitr. 17,20. Auch
die westgrenze der Suebi Caesars muss ungefähr dieselbe gewesen
sein wie die der Ermunduren.!) Dennoch scheint mir der a.2.0.
gezogene schluss, dass diese Suebi sich mit den Ermunduren
decken gegenüber den dagegen erhobenen und zu erhebenden
einwendungen nicht stichhaltig zu sein. Die Ermunduren werden
allerdings von Strabo p.290 den Sveben zugerechnet, treten
aber sonst nie unter dieser bezeichnung, geschweige denn als
Suebi schlechtweg auf. Ja sie sind bei Plinius 4,99 sogar den
Sucbi (in engerem sinne?) entgegengestellt, wenn es heisst:
Herminones quorum pars Suebi Hermunduri Chatti Cherusci.
Auf sie passt ferner schlecht das wort: gens longe bellicosissima
omnium Germanorum, das Caesar von seinen Sveben gebraucht.
a ui „ ERÄrmchiheen . mus hrgeagjäheek FH CR ELF EEE te EP ,_ SVERIGE BERGER ZEN Piakers irren Zar ÄaTVÄELTr ET Peer
Einen glänzenden aufschwung haben die Ermunduren allerdings
genommen unter ihrem jedenfalls durch hervorragende begabung
ausgezeichneten könige Vibilius, der den Markomannenkönig
1) Zangemeisters behauptung in den Neuen Heidelberger jahrbb. 3, 7:
die Suebi Caesars ‘hatten ungefähr die sitze der späteren Chatten inne’
entspringt noch der veralteten ansicht, erweist sich aber bei näherem zu-
sehen sofort als unrichtig.
DIE HERKUNFT DER QUADEN. 21
Catualda besiegte und vertrieb und noch dreissig jahre später
dem Quaden Vannius dasselbe schicksal bereitete; vielleicht ist
auch er es noch gewesen, unter dessen führung die Chatten
geschlagen wurden. Aber davon abgesehen ist von einem tat-
kräftigen hervortreten dieses volkes nichts zu bemerken.
Ausserdem aber lässt sich zeigen, dass zu Caesars zeit die
Ermunduren auf dem rechten Elbufer gesessen haben müssen
und erst später auf die linke seite übersiedelt sind. Nach Dio
Cassius 55, 102 ist nämlich den Ermunduren, die auf der suche
nach neuen wohnsitzen sich befanden, durch Domitius Aheno-
barbus ein teil des Markomannenlandes, der Mapxouavvic, zur
niederlassung angewiesen worden, wobei man, wie Beitr. 17, 76
dargetan ist, nur an die ältere heimat der Markomannen denken
darf. Auffallend ist hier nur, dass die gesammten Ermunduren in
der Magxouevvis aufnahme gefunden haben sollen, was ich
2.2.0. durch ein misverständnis von doppelsinnigem lat. Her-
munduri (d.i. ‘die Ermunduren’ oder ‘etliche Ermunduren’)
zu erklären versuchte. Allein die doch wol auf eine andere
quelle zurtickweisende nachricht des Prokopios, dass im osten
von den Franken die Thüringer das ihnen von kaiser Augustus
geschenkte land bewohnen, auf die ich a.a.o. aufmerksam ge-
macht habe, spricht vom stamme der Thüringer im allgemeinen ;
die ungenauigkeit bei Dio scheint also nicht in den worten
tovgs Epuovvdonpovs zu liegen. Dazu halte man Strabos aus-
spruch über die Sveben p. 290: ue&oog de Tı aurov xal neoav
tod AAßıog veusraı xasaneo Epuovdopoı xai Aayxoßaodor.
Dies liesse sich allerdings auch aus einem misverständnisse
erklären, wie Beitr. 17,50 versucht wurde,!) allein andere nach-
richten lassen es geratener erscheinen, dieser mitteilung glauben
zu schenken. Zu dem was Velleius 2, 106,2 vom feldzuge des
Tiberius erzählt (denigue quod nunguam anlea spe conceptum,
nedum opere tentalum erat, ad quadringentesimum miliarium a
Rheno usque ad flumen Albim, qui Semnonum Hermundurorumque
finis praeterfluit, Romanus cum signis perductus exercitus), be-
merkt Zippel, Deutsche völkerbewegungen in der Römerzeit 27
. 1) Der folgende satz bei Strabo: vurl dt Teikwg eig nv neoalev
ovrol ye Exnentoxacı Yevyovres ist dort wol irrtümlich auch auf die
Ermunduren bezogen.
22 MUCH
mit recht, dass es hier galt die grenze festzustellen, bis zu der
Tiberius vorgedrungen war; wie die Semnonen, so gehörten
also auch die Ermunduren auf die rechte Elbseite, wobei aller-
dings der ansatz derselben in folge der kurz vorher erfolgten
umsiedlung des stammes nicht mehr wirklich den tatsachen
entsprach. So fällt nun auch licht auf die meldung des Tacitus,
Germ. 41: in Hermunduris Albis oritur, die natürlich für seine
zeit noch weniger richtig ist als obige angaben für die des
Strabo oder Velleius, die aber offenbar auf eine nachricht aus
einer zeit zurückgeht, da die Ermunduren noch nordöstlich von
Böhmen sassen und dort um so eher auch dessen randgebirge
selbst noch besetzt halten konnten, als die Boier ihre alte
heimat schon aufgegeben hatten. Wenn es in folge der aus-
wanderung der Ermunduren im osten der Elbe zunächst noch
brach liegendes land gab, versteht man um so leichter, warum
die Cherusken nach der unglücklichen schlacht von Idistaviso
nach Tacitus, Ann. 2, 19 an auswanderung über die Elbe denken
konnten.
Woher die Ermunduren stammen, ist somit verhältnis-
mässig leicht zu ermitteln. Um so schwieriger aber scheint
sich damit die sache der Suebi Caesars zu stellen. Diese
machten noch im jahre 30 v.Chr. einen einfall in Gallien, ver-
mutlich veranlasst durch den damaligen aufstand der Moriner
(s. Dio 51,21) und da sie zurückgeschlagen wurden, konnte
Octavian im folgenden jahre über Germanen und Kelten oder
nach Dios sprachgebrauch Kelten und Galater triumphieren.
Die Sveben, die bei den triumphspielen mit Daken kämpfen
mussten (c. 22,6, vgl. Prop. 4, 2, 45), sind offenbar gefangene aus
diesem kriege: vgl. Zippel, Deutsche völkerbewegungen 26.
Noch findet endlich Drusus bei seinen kriegszügen in
Deutschland die Sveben auf ihrem alten platze; s. Florus 4, 12,
24, Dio 55,1 und die Consolatio ad Liviam v. 17. Und zwar
ist es des Drusus feldzug vom jahre 9 v.Chr., bei dem sie zu-
letzt erwähnt werden. Zwischen diesem jahre und der zeit,
da die einwanderung der Ermunduren erfolgte, etwa dem jahre 3
v. Chr., müssen sich die Sveben aus dem westen zurückgezogen '
haben.
Es ist nun sehr auffallend, dass Strabos allgemeine angaben
über die Sveben, die teilweise noch deren aufstellung vor der
DIE HERKUNFT DER QUADEN. 23
übersiedlung der Markomannen und Suebi Caesars voraussetzen,
auf dem rechten Elbufer der Semnonen nicht erwähnung tun.
Hält man dazu, dass Caesar BG. 4,1 seinen Sveben, Tacitus
Germ. 39 den Semnonen hundert pagi zuspricht, dass endlich
die Semnonen später als Suebi, Schwaben schlechtweg auftreten,
so läge es nahe, hier einen zusammenhang zu suchen. Allein
das was Tacitus von dem althergebrachten gottesdienst im
Semnonenhain berichtet und die vorstellung, dass dort die
‘“initia gentis’ zu suchen seien, widerspricht aufs entschiedenste
der annahme, dass das Semnonenland gewissermassen colonial-
gebiet gewesen sei. |
Von den Suebi Caesars zu den Langobarden liesse sich durch
die Zovnßoı Aayyoßapdoı des Ptolemaeus vermitteln. Allein
die Langobarden verdanken bei Ptolemaeus ihre aufstellung
unter den Rheinvölkern nicht etwa historischer reminiscenz,
sondern einer unrichtigen eintragung ebenso wie an sie an-
schliessend die Ayysıloi, die aus Angeln an das linke ufer der
Mittelelbe gerückt sind. Ferner stimmt zwar die kriegslust der
Langobarden zu derjenigen der Suebi Caesars, aber nicht so
zu deren zahl — vgl. Caesar BG.4,1: Sueborum gens est longe
maxima Germanorum omnium. Hi centum pagos habitare dicuntur
u.8.w. — die geringe volkszahl der Langobarden. Die be-
merkung des Taeitus, Germ. 40: contra Langobardos paucitas
nobilitat, enthält eine treffliche kennzeichnung und stammt ver-
mutlich aus dem munde eines germanischen berichterstatters.
Denn auch durch die ganze eigene sagenhafte vorgeschichte
des volkes zieht sich wie ein roter faden die voraussetzung ge-
ringer zahl der stammesangehörigen. Daher denn die wider-
holten freilassungen, daher die beiziehung von hilfsscharen aus
fremden stämmen und stammesresten, und daher vor allem
die geschichte von den in der schlachtreihe aufgestellten
weibern, die einen überlegenen feind über die eigene schwäche
täuschen sollten. Dass die Langobarden in dieser jedesfalls
sehr alten sage als Finnili den Vandali gegenüberstehen —
auch Sn.E. 1,548, 3. 2,469. 552 ist ein Seekönig Vinnil! neben
einem Vandill genannt, beides nur erdichtete heroes eponymi
der betreffenden völker — weist auf ältere sitze derselben an
der seite der Vandalen hin, wenn nicht etwa deren name von
der sage nur des stabreimes wegen willkürlich gewählt wurde.
24 MUCH
Im norden des hereynischen waldes finden wir also von
Caesars Sveben nach ihrer auswanderung aus dem Mainland
nirgends eine spur. Umsomehr sind wir genötigt, sie im süden
zu suchen, und nichts liegt dann näher, als dass ihre auswan-
derung mit der der Markomannen unter Maroboduus in zu-
sammenhang steht, die ja offenbar aus den gleichen beweg-
gründen und zur selben zeit erfolgt ist. Wenn deshalb Zippel
2.2.0.29 zur ansicht gelangt ist, dass die Sveben in den Mar-
komannen fortleben, so war hierzu allerdings grosse versuchung
vorhanden.
Wenn aber nach Caesar BG. 1,51 in der schlachtaufstellung
des Ariovist — neben Harudes, Triboces, Vangiones, Nemetes,
Eudusii — Marcomanni und Suwebi stehen, so lässt sich darüber
nicht mit der voraussetzung hinwegkommen, letztere seien die
ursprünglichen begleiter des königs, erstere hilfscharen aus
seiner älteren heimat. Denn nachweislich waren auf gallischem
boden nur die Vangionen, Nemeter und Triboken angesiedelt;
sowol die Marcomanni als die Suebi müssen daher als ver-
stärkungen von Deutschland her betrachtet werden, stehen
einander also vollkommen parallel. Hätte es ferner Caesar
bei beschreibung der sitze seiner Sveben verschweigen können,
dass sie bis zum Oberrbein und der grenze der Elvetier reichten ?
was ja — ihre und der Markomannen einheit vorausgesetzt —
der fall gewesen wäre. Und gauz entschieden gegen solche
erstreckung ihres bereiches gegen süden spricht es auch, dass
der zu Ariovists unterstützung aufgebotene heerbann der centum
pagi am Mittelrhein, im gebiete der Ubier gegenüber den Tre-
vern aufrückt: s. Caesar BG. 1, 37.54. Damit ist natürlich nicht
gesagt, dass nicht auch die Markomannen svebischer herkunft
gewesen sind, aber jedesfalls stellen sie zu Caesars zeit bereits
ein selbständiges politisches gebilde dar. Und sowenig als die
Sveben bis an den Oberrhein können andrerseits die Marko-
mannen bis zur Elbe gereicht haben, weil das land im rücken
der Übier bis zur Elbe und dem Erzgebirge nicht als ‘mark’,
als ‘grenzland’ gelten konnte, was dagegen bei der gegend im
süden des Mains, den *deserta Helvetiorum allerdings der fall
war. Dort haftete später noch der name silva Marciana, in
der Tab. Peut. und bei Ammianus bezeugt. Auch Florus 4,12
nennt Markomannen und Sveben nebeneinander,
DIE HERKUNFT DER QUADEN. 25
Was man für die einheit der Suebi und Marcomanni vor-
bringen könnte, fällt demgegenüber nicht ins gewicht. Zufolge
der nachricht, dass Domitius Abenobarbus die Ermunduren in
einem teile der Mapxouavvig angesiedelt habe, würde sich diese
allerdings bis zur Elbe erstrecken. Allein die Ermunduren
breiteten sich sofort bis zur Donau, also in der tat auch über
einen teil der Mapxouavvis aus. Und gerade aus dem zu-
sammenhang der angezogenen stelle ergibt sich, dass der be-
richterstatter dabei die gegenden an der Donau im auge hatte.
Man beachte auch, dass der aufbruch der Sveben und Marko-
mannen unter führung der letzteren und ihres königs Marobo-
duus erfolgte. Dass also die Zovnßi« neben der Mapxouavvig
nicht genannt wurde, ist eine leicht begreifliche ungenauigkeit,
weiter nichts. Dass Tacitus, Germ.42 den Markomannen den
ruhm der austreibung der Boier zuspricht, ist auch dann keine
falsche aussage, wenn sie dabei mit einem anderen stamme ver-
einigt vorgiengen, wie wir uns denn überhaupt die Suebi Cae-
sars und die Markomannen als stetige verbündete denken müssen.
Wenn gelegentlich später die Markomannen des Maroboduus
als Sveben bezeichnet werden, so: beweist dies deshalb nichts,
weil sie ja zweifellos in weiterem sinne Sveben waren. Ihr
offiecieller name aber war dies nicht. Oder sollte er erst während
ihrer anwesenheit in Böhmen so sehr in vergessenheit geraten
sein, dass nachmals die nach dem süden vorgedrungenen Sem-
nonen an ihrer seite als Schwaben schlechtweg auftreten konnten?
Etwas allgemeiner als Zippel fasst sich Holz, Beitr. zur
deutschen altertumskunde 1, 13, indem er die ‘Rheinsveben’
(wie er die Suebi Caesars, die nicht bis zum Rheine reichten,
eigentlich nicht ganz richtig bezeichnet) mit den von Maroboduus
ostwärts abgeführten stämmen gleichsetzt und darauf hinweist,
dass dieser nach Strabo p.290 auch andere als seine volks-
genossen, die Markomannen in eine neue heimat geführt habe.
Uebrigens seien und hiessen auch die Markomannen selbst
Sreben. Die Rheinsveben seien also identisch mit den Donau-
sveben.
Dagegen ist nur einzuwenden, dass "Donausveben’ ein
weiterer begriff ist, und dass es sich darum handelt, die schick-
sale der engeren abteilung der Suebi Caesar zu verfolgen. Es
wird nicht ganz klar, ob Holz zwischen Markomannen und
26 MUCH
diesen Sveben scharf genug trennt; wenn er es tut, so scheint
er daran zu denken, dass letztere nachmals mit den Marko-
mannen des Maroboduus verschmolzen. Aber wenn im westen
zwei besondere, wenn auch einander verwante und verbündete
stämme auftreten, sollte man erwarten, dass dieses verhältnis
in einer neuen heimat sich fortsetze. Die kriegsmacht des
Maroboduus, deren stärke nach Velleius 2,10 auf 70000 mann
zu fuss und 4000 reiter geschätzt wurde, erreichte noch nicht
die der Suebi Caesars allein, geschweige denn kann es die
dieser Sveben im vereine mit der der Markomannen sein, die
beide zusammen in ihren älteren sitzen auch ein ungleich
srösseres gebiet eingenommen haben als Böhmen ist. Um so
weniger sind wir der aufgabe überhoben, auch an der Donau
die nachkommen der Suebi Caesars neben den Markomannen
nachzuweisen. |
Wer anders aber sollten sie dort sein als die Quaden?
Wie wir von den Sveben am Main nicht erfahren, wohin sie
geraten, so von den Quaden nicht, woher sie gekommen sind.
Gewiss standen sie zu Caesars zeit noch nicht in Mähren, das
vielmehr damals noch von den Volcae Tectosages besetzt war.
Sie können selır wol nach 9 v. Chr. im jahre 8 oder in einem
der nächsten jahre an deren stelle getreten sein. Denn das
südufer der Donau im heutigen Niederösterreich und Oberungarn
war um diese zeit noch nicht von den Römern besetzt und
organisiert, und selbst der übertritt keltischer abteilungen vom
linken aufs rechte stromufer konnte damals noch leicht erfolgen,
ohne dass unsere quellen ihrer erwähnung tun müssen. Uebri-
gens bleibt auch die möglichkeit noch bestehen, dass die
Quaden in Mähren ebenso wie die Markomannen in Böhmen
in ein von der alten keltischen bevölkerung im wesentlichen
schon geräumtes land einzogen.
Wenn Caesar seine Sveben als die gens longe bellicosissima
Germanorum omnium bezeichnet, so passt dies auch auf die
Quaden. Sagt doch Ammianus 29, 6 von diesen: Quadorum
natio, parum nunc formidanda, sed immensum quantum antehac
bellatrix. Und ihre ganze geschichte bestätigt dieses zeugnis.
Kaum hat ein anderer stamm den Römern mehr zu schaffen
gemacht und gleich unerschöpfliche widerstandskraft gegen sie
bewährt.
DIE HERKUNFT DER QUADEN. 27
Die Quaden sind endlich Sveben nicht nur in weiterem
sinne, sondern auch in engerem. Wenn Capitolin, Marc. 22
unter den teilnehmern am Markomannenkriege Marcomanni
Varistae Hermunduri et Ouadi Suebi nennt, so gilt letzterer
beisatz wahrscheinlich hier den Quaden allein. Ja Vopiscus im
Aurelian c. 18 berichtet von einem siege dieses kaisers über
Sarmaten und Sveben, bezeichnet also die Quaden schon als
Sveben schlechtweg. Und fortan erscheinen sie fast nur noch
unter diesem namen. Und zwar sowol derjenige teil des
stammes, der mit den benachbarten Vandalen und den Alanen
vereint im j. 406 nach Spanien abzog, als die in der heimat
zurückgebliebenen reste, jene Suavi, die der Langobardenkönig
Wacho unterwarf und die dann Alboin nach Italien folgten.
Der offieielle name der Quaden scheint überhaupt niemals ein
anderer als Sveben gewesen zu sein.
Aber auch der name Quadi, den diese sicher aus älterer
heimat schon mitbrachten, spricht für ihren ursprung vom
Maine. Zs. fda. 39, 20 ff. habe ich verschiedene beispiele dafür
gebracht, dass namen von nachbarstämmen in ursprünglicher
stellung häufig sinnverwant sind. Und so passen die Ouadi
sehr wol in die nachbarschaft der Ubi: beider namen sind sy-
nonyma für die begriffe ‘böse, schlimm’. Auch die F’angiones
d.i. ‘perversi’ gehören in diese gruppe.
Stammen die Quaden von den Suebi Caesars ab, so er-
klärt es sich auch ganz leicht, warum eines von ihren adels-
häuptern, der bruder eines Sido, Vangio heissen konnte. Wie
Sido nach dem benachbarten Bastarnenstamme der Sidones, so
trägt Vangio nach den rheinischen Vangiones seinen namen,
deren verbündete, wo nicht gar deren stammvolk Caesars Suebi
waren.!) |
Wenn die Quaden mit den Markomannen vereint an die
Donau vordrangen, so geschah dies unter führung des Maro-
boduus, dessen person damals so sehr hervortrat, dass neben
ihm ein Quadenkönig kaum zu grösserer bedeutung gelangen
und als ahnherr eines königsgeschlechtes gefeiert werden konnte.
!) Ein P. Ael. Vangio begegnet auch in der inschrift der equites
singulares Aug. in Rom vom j. 141 (s. Annali dell’ inst. 1885, p. 253), ist
aber natürlich nicht, wie Zangemeister NHJbb. 3,3 annimmt, wie der
Wormsgau benannt.
28 MUCH
Neuerdings wird damit die frage aufgeworfen, wer jener Tu-
drus gewesen ist, dessen ‘nobile genus’ nach Germ. 42 bis auf
Taeitus’ zeit bei den Quaden berschte. Fiel seine herschaft
in die zeit nach Maroboduus, so konnte er hinwiderum keine
person sein, über die wir aus historischen quellen nichts er-
fahren. Da diese aber in der tat von einem Tudrus nichts
wissen, bleibt nichts übrig, als diesen namen für den blossen
beinamen eines mannes zu halten, der uns sonst unter anderem
namen entgegentritt, gerade wie wir Arpus und Gandestrius
als beinamen der Chattenfürsten *Ukromerus und Catumerus
(oder Actumerus?) kennen gelernt haben. Wer anders aber
sollte dann Tudrus sein als Vannius?!) dessen bedeutung für
die Quaden von dem ruf seiner tapferkeit und seiner langen
herschaft abgesehen vor allem darin bestand, dass sich unter
ihm das machtgebiet des volkes über ganz Oberungarn aus-
dehnte. Es kommt dabei gar nicht darauf an, ob unter ihm
selbst schon oder unter seinen nachfolgern die völlige ver-
schmelzung der zwischen Marus und Cusus angesiedelten
Betuoı mit den Altquaden erfolgte oder nicht.
!) Dass Vannius quadischen stammes war, wird von Tacitus, Ann.
2,63 ausdrücklich gesagt. Wir haben ihn auch keinesfalls als nachfolger
des Catualda und Maroboduus in der herschaft über die Markomannen
zu betrachten, wie Holz a.a.o. 77 will. Dies soll augeblich ‘mit zwingender
deutlichkeit’ dadurch bewiesen werden, dass beim sturze des Vannius
nach Tacitus, Ann. 12,29 f. Ermunduren, Lugier und Jazygen beteiligt
sind, also genau die stämme, die das gesammtgebiet der Markomannen
und Quaden umschliessen. Davon sind die Jazygen und Lugier — letz-
tere wol im besonderen die Aovyıoı Bovooı des Ptolemaeus — nachbarn
der Quaden; dass aber ausserdem der Ermundurenkönig Vibilius in die
händel der Quaden eingriff, begreift sich leicht, wenn er damals Böhmen
als einen clientelstaat beherschte. Hatte er doch Catualda geschlagen
und zum abzug über die Donau genötigt. Ueber Böhmen verfügte damals
schon er, so dass auch deshalb die Römer dort dem Catualda keinen
nachfolger geben konnten. Das reich der Markomannen und das der
Quaden war überhaupt niemals durch einen gemeinsamen herscher ver-
einigt, wenn auch Maroboduus sicher über die Quaden und ihren könig
eine hegemonie ausgeübt hatte. Nichts zeigt aber so deutlich, dass an
einen Markomannenkönig Vannius nicht zu denken ist, als die ansied-
lung des heergefolges Catualdas zwischen Marus und Cusus. Wäre Van-
nius, dessen herschaft diese zugeteilt wurden, damals könig in Böhmen
geworden, so hätte es einer solchen ansiedlung nicht bedurft, jene leute
wären vielmehr einfach in ihre heimatlichen niederlassungen zurückgekehrt,
DIE HERKUNFT DER QUADEN. 29
Leben Caesars Suebi in den Quaden fort und sassen die
Ermunduren früher nordöstlich von Böhmen, so dürfen wir die
Markomannen natürlich nicht als abkömmlinge ermundurischer
auswanderer betrachten. War das hinterlaud der Marka qua-
disch, so wird auch durch Quaden zumeist deren besiedlung
erfolgt sein, die dann als neues selbständiges staatliches ge-
bilde sich durch den namen Markomannen von dem stamm-
volke unterschieden. Bei so enger stammverwantschaft erklärt
sich leicht die rasche verschmelzung der Baimen mit den
Quaden, ebenso wie die ständige treue waffengenossenschaft
der Quaden und Markomannen in der folgezeit.
Die vorgeschichte der Suebi Caesars ist natürlich dunkel.
Doch lässt sich vermuten, dass sie ihrerseits aus abteilungen
hervorgewachsen sind, die sich von dem ursitze der Sveben,
dem Semnonenlande aus über die Elbe in das von den Teu-
riern geräumte Thüringen vorschoben. Die centum pagi der
Semnonen und die der Suebi Caesars, in beiden fällen eher
eine stammes- und heeres- als landeseinteilung, deuten vielleicht
darauf, dass eine planmässige und allgemeine übersiedlung
eines teiles des stammvolkes, etwa gelegentlich einer hungers-
not, erfolgt ist.
Zunächst aber wurde sicher der T'hüringerwald noch nicht
überschritten. Sein name Zinuava vAn, den Ptolemaeus tber-
liefert, ist noch ein erbstück aus keltischer zeit. Da kelt. ©
auf indog. ei zurückgeht, erkennt man leicht seine beziehung
zu wurzel si’, sei, soö binden; vgl. zumal griech. iuovıa ‘“brunnen-
seil’, as. simo, aisl. seima “riemen, strick, band’, aind. siman ‘scheitel,
grenze. Der Thüringer wald, ein ausgesprochenes kettengebirge,
konnte einem ähnlichen vergleich, wie ihn dieser ausdruck ent-
hält, seine bezeichnung verdanken; vgl. auch den namen Haar-
strang. Allein die bedeutung des indischen wortes im zusammen-
halt mit lit. sena ‘grenze’ (= ir. sin ‘kette, halsband’ nach Fick,
Vgl. wb. 24,303) führt auch auf den begriff der grenze, so dass
wir im zweifel bleiben, ob wir an einen ‘waldgürtel’ oder an
einen ‘srenzwald’ zu denken haben. Vielleicht bewahrt uns
der name die erinnerung an eine zeit, da der Thüringer wald
keltisches und germanisches volkstum von einander trennte.!)
ı) Verwante gebirgsnamen scheinen zu sein Aiuos, tö Aiuov dgog
30 MUCH
Im süden der Znuava vAn führt der Main noch heute
seinen keltischen namen, der jetzt allerdiugs deutschen laut-
stand angenommen bat. In ahd. zeit aber galt noch allgemein
Moin, Moinahgowe, Wizmoin, Moinwinida;, s. Förstemann, DNb. 2°,
1107f. Deshalb ist der name Main als beispiel für ‘vorchrist-
lichen übergang von 0 zu a im germanischen bei Noreen, Abr. 17
zu streichen. Im gegenteil handelt es sich hier um eine ent-
lehnung, die erfolgt sein muss, nachdem das germanische den
wandel von 0 zu a, oi zu ai bereits durchgemacht hatte. Spä-
testens sind die Germanen während der Kimbernzüge so weit
nach süden vorgedrungen; mit ziemlicher sicherheit lässt sich
daher behaupten, dass vor 100 v.Chr. schon gastiz und ainaz
statt gostiz, oinoz gesprochen wurde. Dagegen wende man
nicht ein, dass auch noch Moguntiacum: Maginza, Borbetomagus:
Warmatia, Posegus: Wasayus beispiele des überganges von 0 zu a
in namen seien, die den Germanen nachweislich viel später
als der Main bekannt wurden. Denn ahd. Mayinza ist nicht
erst umgestaltung eines keltischen * Mogentia, sondern setzt ein
volkstümliches *Magentia bereits voraus, wie denn in der tat
auch Magontiacum bereits auf der T'ab. Peut. belegt ist, eine form,
die man doch wol nicht der beeinflussung durch die rasch hin-
geschwundene sprache der Vangionen verdächtigen wird. Auch
steht keltisches magus und mogus ‘diener’ nebeneinander, ebenso
Mageto-briga und Mogetilla, Mogetus, Mogetius, Mogetiana; Ma-
giorix, Magianus und Mogius; Magidia, Magidius und Ambi- mo-
gidus: 8. Fick, Vgl. wb. 24198. Wenn das alte Borbelomagus
(richtiger Borvetomagus) im mittelalter ausser Wormalia, Vur-
macia auch Warmatia heisst (s. Förstemann, DNb. 22, 1641),
so haben wir’s schon gar nicht mit einem lautlichen vorgang zu
tun. Man darf wol vermuten, dass es neben dem vollen Bor-
vetomagus, das sich mit übersetzung des zweiten teiles im namen
des gaues Wormazfeld fortsetzt, ein einfacheres keltisch-lateini-
sches *Borvetia und daneben *Bormetia gegeben habe: vgl. die
var. Bormitomagus im It. Ant. und Zormo, Bormanus neben gleich-
bedeutendem Borvo. Deutsch Wormätia, Wurmäcia u.s.w. schliesst
sich als eine den richtigen sinn treffende volksetymologische um-
(s. W. Tomaschek, Die alten Thraker [WSB.131] 2, 2, 91) und Inuavgıvor
ögog Ptolemaeus 7,3, auf das mich ebenfalls’ T'omaschek aufmerksam macht.
DIE HERKUNFT DER QUADEN. 31
gestaltung daran an, sofern dabei gall. borm- durch gleichbedeu-
tendes germ. wurm- warm- ersetzt ist; die ablautstufe wurm
begegnet uns auch im flussnamen Worm, Wurm saec. 10. Die
formen Wasagus, Wasacus, Wasago dat. Wasagon, Wasigen (Förste-
mann, DNb.22,1639) endlich, die dem röm. kelt. Fosegus gegenüber-
stehen, scheinen volksetymologische anlehnung an waso ‘feuchter
erdgrund, rasen’, wasan ‘pollere’ erfahren zu haben, wo nicht
sogar anlehnung an ortsnamen des inneren deutschland — vgl.
den Wasgenberg, Uuasgunberg nördlich von Fulda, Müllenhoff,
DA.2, 217 — mit im spiele ist. Baoosyog d.i. Varsegos bei Ju-
liau, das ihm aus dem munde seiner germanischen soldaten zu
ohren gekommen sein könnte, erinnert an mnd. wrase, mhd.
rase neben wase ahd.mwaso und wasal ‘feuchte erdmasse’; denn die
umstellung von Frasegus zu Varsegus kann auf römischer seite
aus gründen des wohllautes erfolgt sein. Woher Noreen, Abr. 17
sein ahd. Wascono Wald hat, weiss ich nicht; wenn diese form
existiert, liegt hier der volksname der Basken, ahd. Wascun vor.
Umsomehr fällt andrerseits der überguug von Mosä in germ.
*Maso, ahd. Masa, ags. Masu ius gewicht und zeigt, dass die
Germanen die Maas früher erreicht hatten als den Main. Und
während dem keltischen Vacalus, Vacal(l)inehis germ. Vahalis,
Vachalis, Waal gegenübersteht,t) zeigt der flussname Weiter in
der Wetterau im alten Übierlande unverschobenen laut: s. Zs.
fda. 39,49; denn dass hier nicht ein fall wie ahd. bittar vor-
liegt, also nicht schon vorahd. *Wetrö vorauszusetzen ist, Son-
dern *Wedrö, lehren gelegentlich vorkommende schreibungen
wie Wedereiba, Förstemann, DNb. 22, 1592.
Sprachgeschichtliche tatsachen sprechen also dafür, dass
die besetzung des Maintals durch die Germanen verhältuismässig
spät erfolgt ist. Immerhin wird man sich ihre niederlassung
ı) Wenn Grienberger, Beitr. 18,534 auch diesen namen mit unter
die beispiele für lautlich wertloses bloss als längezeichen zu betrachtendes
h oder ch aufnimmt, so schiesst er damit weit übers ziel. Denn dieses
h (ch) ist nur in ausnahmsfällen verwendet worden, und schon die häufige
wiederkehr desselben im namen Vahalis, Vachalis erfordert eine andere
erklärung. Und nun gar Vacalus bei Caesar und das dreimal belegte
Vacaltl)inehis! Wenn im mittelalter neben Vahalis auch Valis vorkommt
und es jetzt Waal heisst, so ist der schwund des A ganz lautgesetzlich.
Aus keltischem Väl- hätten dagegen die Germanen geradeso Wöl- machen
müssen, wie sie aus Dänuuios *Dönami gemacht haben.
32 | MUCH
an diesem flusse und zumal seinem nordufer und die im lande
südwärts bis zum oberlauf der Donau als zwei getrennte vor-
gänge vorstellen dürfen, und vermutlich haben die Teutonen
sich erst zur auswanderung entschlossen, als ihnen bereits eine
unbequeme germanische nachbarschaft bis hart an den leib ge
rückt war.
Wenn beim abzug der Suebi Caesars nach Mähren reste
des stammes in der alten heimat zurückblieben, werden sie sich
unter den nachrückenden Ermunduren verloren haben. Da-
gegen tritt uns später am unteren Neckar ein kleiner stamm
namens Suebi Nicretes entgegen um die nach ihnen benannte
stadt civitas Ulpia S. N.; s. Zangemeister, Neue Heidelberger jahrbb.
3,1ff.; und es drängt sich die frage auf, in welcher beziehung
zu den Suebi Caesars diese stehen. Dass sich die in Ariovists
heer erwähnten Suebi, wie Zangemeister 4.2.0. s.7 vermutet,
nach seiner niederlage am Neckar niederliessen, ist nicht wahr-
‚scheinlich. Denn auch die Vangionen, Nemeter und Triboken
waren vorber schon in Gallien angesiedelt. Und wenn die
Suebi in seinem heere eine hilfsschar waren, welche die Main-
sveben gesant hatten, ist nicht einzusehen, warum sie nach der
unglücklichen schlacht nicht zu ihrem volke zurückkehrten.
Indessen erfahren wir durch Caesar, dass die centum pagi da-
‚mals selbständig zu felde zogen, wodurch es zwar nicht aus-
geschlossen, aber doch weniger wahrscheinlich wird, dass sie
ausserdem eine besondere abteilung zum heere des Ariovist
stossen liessen. Vielleicht sind also seine Suebi doch mit den
Neckarsveben in zusammenhang, waren aber dann zur zeit
seines zusammenstosses mit Caesar schon dort ansässig. Durch
die einwanderung von Germanen in den Elsass und die Pfalz,
die gewiss zum grossen teile von den gegenüberliegenden ufer-
strichen aus erfolgte, mochten am Neckar fruchtbare lände-
reien herrenlos geworden und einer abteilung der nördlicheren
Sueben damit anlass gegeben sein, dahin auszuwandern. Dann
dürften die Neckarsveben als nächste stammesgenossen der
Quaden gelten. — Sie können freilich ebensowol zurückgeblie-
bene markomannische volksreste sein, die sich ja auch Suebi
nennen durften.
Durch den nachweis dieses völkchens, den wir Zangemeister
verdanken, fällt nun auch licht auf die Nictrenses der Notitia
DIE HERKUNFT DER QUADEN. 33
gentium, die Holz 78 glücklich in *Nicerenses gebessert hat.
Zweifellos sind damit die Neckarsveben gemeint. Und vielleicht
begegnen uns’ diese auch bei Ptolemaeus in der reihe seiner
Rheinvölker. Aus dieser sind, worüber jetzt wol keine meinungs-
verschiedenheit mehr besteht, die namen Zvyaußooı und Zovnßoı
oi Aeyyößaodoı als veraltet oder falsch angesetzt zu tilgen. Im
übrigen fällt der ansatz der Ovıonol d.i. Ovoınol im süden
unmittelbar über der EAovntiov Eonuog auf und beruht sicher-
lich auf einem irrtum, wenn auch der fehler vielleicht anders
zu erklären sein wird, als Beitr. 17,89 versucht wurde. Ganz
ebenso erregt nämlich in einer parallelen östlicheren namen-
reihe die aufstellung der Sovdıvol unmittelbar über den Adoaßaı
Kauroı anstoss und hat zur erkenntnis geftihrt, dass bei Ptole-
maeus die ganze reihe: Zovdivol, Magxouavol, Taßernta vAn,
Ovepıotot auf den kopf gestellt wurde: s. Beitr. 17,67. Aehn-
liches mag auch bei den Rheinvölkern geschehen sein. Und
zwar müssen wir die fuge dann nach dem namen Teyxeoo:
suchen, weil andernfalls durch die umkehrung diese an den
Schwarzwald gerückt würden, also nichts geholfen wäre. Die
umzukehrenden namen beschränken sich daher auf die folgenden:
Ivxeioves (Ivnoloves), ’Ivrovepyoı, Odepyioves, Kapiravoı,
Oviorol. Der lage nach können dann die Jyxoiovss sehr wol
dieselben sein wie die *Nicerenses oder Suebi Nicretes, und was
den namen betrifft, lässt sich verderbnis aus Nixoloves umso-
eher vermuten, wenn daneben Jvrovsoyo: stand. Uebrigens ist
die tüberlieferung des namens schwankend und Nitriones edd.
Rom. et Ulm. Nireloves A zeigen zumindest, wie leicht die um-
stellung der anlautenden buchstaben erfolgen konnte.!)
ı) Vielleicht trägt der Neckar heute noch einen namen, den ihm
diese Sveben beigelegt haben. Denn Neckar lässt sich sehr gut. aus dem
germanischen verstehen, wenn es auch sicher nicht, wie J. Grimm, DM.3 458
vermutete, mit nicor, nechar ‘wassergeist’ zusammenhängt, worin r aus z
entstanden ist. Doch könnte eine andere ableitung aus der auch diesen
worten zu grunde liegenden wurzel germ. nig vorgerm. nig ‘waschen’ vor-
liegen; Nicer wäre dann ‘abluens’; vgl. Sidonius Apollin. Car. 7,324:
ulvosa vel quem Nicer ahluit unda. Was die consonanz betrifft, stellt
sich ahd. Neckar dem ahd. as. akkar (got. akrs) und wackar (aisl. vakr)
an die seite, weist also auf einen stamm nekra- zurück. Hierin kann e
durch wirkung des folgenden « aus i entstanden sein, so dass die ent-
wicklung von der durch lat. Nicer widergegebenen grundform aus eine
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 3
34 MUCH
Der bereich der agri Decumates, in denen Taeitus keltische
bevölkerung bezeugt, schränkt sich durch die Neckarsveben be-
deutend ein und deckt sich wol mit der ZAovntio» Epnuoc bei
Ptolemaeus.
WIEN, november 1894. RUDOLF MUCH.
AAOKIAI.
Ausser den drei inseln der Saxonen führt Ptolemaeus 2, 9, 16
an der westküste der kimbrischen halbinsel auch:noch drei »7j001
AAoxlaı an, und zwar nahe ihrer nördlichsten spitze. Man hat
vermutet, dass sie irrtümlich an der west- statt an der ostseite
angesetzt seien, und an die insel L»sö (und Anholt) gedacht.
Doch handelt es sich vielleicht nur um ein paar felsen im meere,
die längst schon das geschick ereilt hat, das auch dem rest,
der von den inseln der Saxonen noch übrig ist, bevorsteht.
Ihr name ist kein solcher, der einen deutungsversuch von
vornherein hoffnungslos erscheinen lässt, zumal die überlieferung
desselben keine schwankungen zeigt. In der verbindung 27001
Aroxlaı ist letzteres sicbtbarlich adjectiv, daher wir auch zu-
nächst an ein zu grund liegendes germ. alukjöz sc. awjöz denken
müssen. Ich fasse dabei alukjaz als denominative ableitung von
einem mit aisl. und norw. alka ‘alk’ nächstverwanten worte.
Dieses selbst scheint auf eine form zurückzugehen, die got.
*alakö lauten würde, und schliesst sich, was die endung
anbelangt, an ahd. belihha und aisl. kraka, im übrigen auch
an got. ahaks, ahd. chranuh, ags. cornuc, abd. habuh, ag».
ruddoc, ahd. storah und stork und ähnlich gebildete vogelnamen
an. Das letztgenannte beispiel zeigt übrigens, dass aisl. alka
auch schon urgerm. *a/-kö gewesen sein könnte, woneben natür-
lich auch formen mit mittelvocal a, i, u möglich waren. Wie
ags. cran, nhd. krahn zu cornuc, kranich, ahd. kräwa, kräia, krä,
ags. crdwe zu aisl. kraka, so verhält sich zu al/ka vermutlich
ganz lautgesetzliche ist. Ein anderer Neckar fliesst im canton St.Gallen
in die 'Thur: s. Förstemann, DNb. 22, 1146.
AAOKIAI. — ULLS SCHIFF. 35
schwed. alfägel ‘polarente, pfeilschwanz’, dial. ala “eine art see-
vogel’: s. Tamm, Etym. svensk ordbok 5. Darf auch ir. ela,
cymr. alarch, corn. elerhc ‘schwan’ und lat. olor verglichen
werden ?
Die 700: ’Aroxlaı sind also ‘alkinseln’. Wir dürfen dabei
wol an vogelberge denken, wie man sie jetzt noch unter hohen
breiten findet; denn an der nordsee ist ähnlichen massennieder-
lassungen verschiedener schwimmvögel gewiss erst durch den
menschen ein ende gemacht worden. Sie werden noch durch
die auch Caesar bekannte erzählung von den eieressern an der
küste dieses meeres vorausgesetzt. Sogar der jetzt selbst im
norden wol völlig ausgestorbene riesenalk, der geirfugl der Is-
länder (alca impennis), ist durch knochenreste in den dänischen
kjöükkenmöddingen vertreten.
Kunde von den »700: AAoxicı und ihr name sind sicher
durch die flottenexpedition des Tiberius im jahre 5 n. Chr. nach
dem süden gelangt.
WIEN, 22. december 1894. RUDOLF MUCH.
ULLS SCHIFF.
Die eigentümliche aisl. kenning des schildes, skip oder askr
oder far Ullar, hat zu verschiedenen erklärungsversuchen anlass
gegeben, die indessen der sache nicht auf den grund kommen.
Ullr ist eine der nordischen personificationen des winters.
Als solcher sind ihm winterliche fertigkeiten und beschäftigungen
zugeschrieben. So heisst er ondräss, wie die ihm wesensverwante
Skadi ondrgudö und ondrdis. Doch bediente er sich nicht nur
des schneeschuhs; denn nach Saxo soll er einst einen knochen
8o besprochen haben, dass er darauf wie mit einem schiffe über
das meer gehen konnte: deutlich eine anspielung auf den knochen-
schlittschuh. Darnach sollte man erwarten, dass schneeschuh
oder schlittschuh Ulls fahrzeug heissen.
Nun ist das gebräuchlichste nordische wort für schneeschuh,
skiö, buchstäblich identisch nicht nur mit unserem deutschen
3*
36 MUCH, ULLS SCHIFF.
scheit, sondern auch mit kelt. sketo- (aus skeito-), ir. sciath, eymr.
ysgwyd, älter scuit, bret. scoet "schild. Die grundbedeutung
dieses wortes ist jedenfalls ‘abgespaltenes stück holz’ im all-
gemeinen. Daraus konnte sich aber auch im germanischen die
bedeutung von schild ergeben.
Es scheint somit ursprünglich der schneeschuh, das skid,
skip, askr oder far Ullar geheissen zu haben, und diese ken-
ning — etwa in einer gegend, in der schneeschuhe nicht ge-
bräuchlich waren — irrtümlich auf skiö ‘schild’ übertragen
worden zu sein, wofür man dann ein gangbareres wort skjoldr
einsetzen konnte. Die bezeichnung des Ullr als skjaldar dss
hätte dieses misverständnis schon zur voraussetzung.
Daneben besteht übrigens die möglichkeit, dass auch skjoldr
selbst einst ebenso doppelsinnig war, also ‘schneeschuh’ bedeuten
konnte wie skiö. Denn wie Kögel, IF. 4, 319 gezeigt hat, ist
auch die grundbedeutung von skildus eigentlich ‘brett’.
WIEN, 23. december 1894. RUDOLF MUCH.
ETYMOLOGISCHES.
1. Bägan.
Adh. bägan, pägan ‘streiten’ geht auf indog. *bhegh- (viel-
leicht *bAhögh-) zurück und ist bekanntlich mit air. bäyim “ich
streite” verwant. Das @ von bäyim kann sowol indog. ö wie
indog. @ repräsentieren, und Brugmann (Grundr. 2, 1002) meint,
dass bäyim ein indog. *bhögh- enthalte. Man bedenke aber, dass
im indog. auch ein bisher unerklärter wechsel von 2 mit @ vor-
handen ist, wie aus skr. caru-: got. hörs, lat. cärus; ahd. siem,
stäm : dor. ioräuı und ähnlichen fällen (Noreen, Urgerm. lautl.
56 f.) hervorgeht. Von dieser frage abgesehen, glaube ich ausser
air. bagim auch einen arischen verwanten von ahd. bäyan nach-
weisen zu können, nämlich skr. bähate ‘drängen, drücken’, das,
falls diese combination richtig, nicht mehr vähate (Böhtlingk und
Roth) zu schreiben ist. Für die bedeutungsentwicklung ist ags.
beadu ein schönes analogon, das aus urgerm. *Ddadud, älter
*5udua entstanden ist (Sievers, Ags. gramm. 44.117) und mit
skr. badhate ‘drängen, verdrängen, vertreiben, verjagen’ ver-
bunden werden kann.
2. Brülogü.
Östhoff (Morph. unters. 4, 215) hat aksl. brü-l/ogü ‘wildlager’
mit brüvi? *braue’ verbunden und als ‘brauenlager, kluft oder
loch mit augenbrauenartigem rande darum’ zu erklären ver-
sucht. Begrifflich iet diese etymologie wenig ansprechend, pho-
netisch aber ist sie geradezu unmöglich, denn brülogü ist nur
eine schlechte schreibweise für *brslogu aus *birlogü, wie wir
aus russ. berlöga (*birloga) lernen. Weil russ. berloga ‘bären-
lager’ bedeutet, meint Dahl im Wörterbuche, dass es aus dem
deutschen entlehnt sei. Obwol dieses nicht gerade wahrschein-
38 UHLENBECK
lich ist (denn aus bärenlager oder einer altgerm. form desselben
lassen sich slav. *birlogü, *birloga nicht gewinnen), so hat Dahl
doch jedenfalls richtig in ber- (*bir-) ein wort für ‘bär’ erkannt,
das m.e. mit ahd. bero, ags. bera, an. bjyrn, bersi, skı. bhalla-,
bhallaka-, bhalluka-, bhallüka- urverwant ist. Vgl. Kerns aufsatz
über beer im 5. bande der Tijdschr. v. nederl. taal- en letterkunde.
| 3. Hrup.
Nslov. hrup ‘tumultus’ und Arupeti ‘rugire’ sind wol von
russ. chrupnut’ “rumpi’, womit Miklosich 91 sie vergleicht, zu
trennen und eher als entlehnungen aus got. hröps, hröpjan zu
betrachten. Germ. 5 wird in alten lebnwörtern stets durch
slav. u vertreten, z. b. aksl. buky aus germ. *b0%0, aksl. chlu-
Jati aus germ. */flojan (siehe mein verzeichnis der germ. lehn-
wörter im altslavischen, Arch. f. slav. phil. 15, 481 f. f.).
4. Kardamomen.
Kardamomen heisst die aromatische körnerfrucht von ver-
schiedenen amomum-arten, welche in Malabar, Sumatra, Java,
China und Madagaskar vorkommen. Dass der kardamomen in
Vorderindien einheimisch ist, geht schon aus den zahlreichen
namen der Alpinia cardamomum im sanskrit hervor (bahula,
prthvikä, candraväla, elä u.s.w.). Eine besondere art ist der
rote kardamomen, welcher der Alpinia galanga oflicinarum ent-
stammt und, unreif genossen, abtreibende wirkung haben soll:
er hat einen bitteren geschmack und wird als gewürz zu fleisch
und fisch gebraucht (Hirth, Chinesische studien 1, 88). Weit mehr
bekannt als der same ist aber die wurzel dieser pflanze, der
galgant, eine ingwerartige drogue, welche schon seit vielen jahr-
hunderten eine grosse rolle in der mediein gespielt hat. Bevor
ich dem ursprung von kardamomen nachzuspüren versuche, will
ich das über galgant bekannte zusammenstellen, weil dieses
uns die richtung weisen wird, in welcher wir die etymologie
von kardamomen zu suchen haben.
Ahd, galangan, galgan (Graff 4, 184), mhd. galgan, galgant,
yalgent, galgen, im 16. jh. auch yaligan (Grimm 4, 1164f. Wei-
.gand 158f.), mnd. galligan, galigan, mnl. galiyaen, galigae, ga-
lange, galanga (Verdam 2,899 f.), nl. galigaan, eng. galangal,
galingale, galanga stammt aus dem romanischen: aspan. garingal
ETYMOLOGISCHES. 39
afranz. galange, garingal, ital. sp. port. franz. galanga (Diez5 152),
welche aus arab.-pers. chalandjän entstanden sind. Aber dieses
chalandjan ist noch weiter vom osten gekommen und entstammt
der in Ostasien verbreiteten wortsippe von skr. kulanja-, ku-
larjana- (Nl. wb. 3, 177), kulayoga- (das gewiss nicht aus kula-
und yoga- zusammengesetzt ist, aber volksetymologisch um-
gedeutet scheint; bei Sugruta für Alpinia galanga, Hessler 3, 176),
malab. kelengu (Stappers 651), chines. ko-leung-keung (Hirth a.a.o.
1,87). Das vaterland dieser wörter ist wahrscheinlich Indien,
und ich wage es, sie auf den volks- und landesnamen XAalinga-
in der nähe von Koromandel zurückzuführen, wofür auch ka-
linga- “Caesalpinia Bonducella’ zu sprechen scheint. Hierbei
bleibt freilich unerklärt, warum man im sanskrit kulafija-, ku-
lanjana- und nicht kalinga- für Alpinia galanga findet; aber
man bedenke, dass bei entlehnung aus einer dravidischen
sprache leicht verstümmelung durch volksetymologie oder an-
dere ursachen eintreten konnte. Die von Hirth (a.a.o. 1, 218 f.)
gegebene deutung des wortes ist mir nicht wahrscheinlich.
Auch für kardamomen werden wir indischen ursprung vor-
aussetzen dürfen. Mhd. kardamome, kardemuome, cardemöme,
cardamöm (Grimm 5, 209), mnl. cardamome, cardomome, carde-
monie (oft neben galigaen genannt, Verdam 3, 1196) beruhen
alle auf lat. cardamömum, gr.xapdauouov. Ich halte zapdaumuon
für eine zusammensetzung von xapdauo- (xapdauov, woraus lat.
cardamum) und aumyuov: aus *xapdauaumuo» entstand es durch
silbendissimilation wie nuedıuvov aus *nuuediuvov, zoumdıdao-
xalo; aus *xwumdodıdaoxalog, OTöuepyos aus *oTououapyoc
oder *orouauapyos (Brugmann 1,484). Aumwov lassen wir für
dieses mal beiseite (vgl. darüber jetzt Lewy, Semit. fremdw. 37),
doch für xapdauov, cardamum meine ich ein indisches etymon
nachweisen zu können. Skr. kardama- bat nämlich nicht nur die
bedeutung von ‘schlamm, bodensatz’ (dasselbe ist päli kaddamo,
Childers 173), sondern kommt bei Sucruta nach dem PW. auch
als ‘eine bestimmte pflanze’, ‘eine bestimmte körnerfrucht’ und
‘eine bestimmte giftige knolle’ vor (den sanskrit-text des Su-
gruta habe ich leider nicht zur verfügung, wol aber Hesslers
übersetzung desselben). Es ist kaum zu bezweifeln, dass mit
diesem kardama- (kardamaka-) die Alpinia (cardamomum und
galanga) gemeint ist, denn von dieser pflanze wird sowol der
40 UHLENBECK
same wie die wurzel zu medicinischen zwecken gebraucht.
Dass ihre knolle ‘giftig’ genannt wird, darf uns von dieser an-
nahme nicht abschrecken, denn unter den giften finden wir
auch sarshapa- ‘senf’ erwähnt! Nach dem gesagten wird man
jedenfalls zugeben müssen, dass xapdauov sehr wahrscheinlich
aus skr. Aardama- entlehnt ist (vgl. Prellwitz 138).
5. Malz.
Ahd. maiz, mhd. nhd. malz, as. an. malt, ags. mealt, eng.
malt, nl. mout wird kaum, wie Grimm 6, 1514 und Kluge> 246
annehmen, mit dem adjectiv ahd. mhd. malz “hinschmelzend,
weich, schlaff’, an. maltr ‘verfault’ identisch sein und zu ags.
mellan, gr. ueAdo u.8.w. gehören. Eher werden wir an zu-
sammenhang mit mahlen denken müssen, welchenfalls germ.
*malta- ‘malz’ jedoch durch sein suffix befremdet, denn man
erwartet eine partieipiale bildung auf indog. -io-, germ. -ba-,
-da-. Dieser schwierigkeit können wir aber entgehen durch die
annahme, dass *malta- ein lehnwort aus dem slavischen ist,
wo wir slov. mlato, czech. mldto, poln. mioto, klruss. motot in
derselben bedeutung vorfinden (Miklosich 200, der die slavischen
wörter aus dem germ. herleitet). Kulturgeschichtlich ist hier-
gegen nichts einzuwenden, denn die Slaven haben ja auch ein
einheimisches wort für ‘bier’ (»ivo; vgl. Hehn® 125f.),. Der vo-
calismus von slav. *molto- gibt ebenfalls keine schwierigkeit,
denn das slavische hat sowol *mol- wie *mel-. Russ. molöt
‘mahlen’ ist nämlich = lit. malti, lett. malt, nicht aber mit aksl.
mieti gleichzusetzen, denn slav. el wird im russischen durch
ele vertreten, wie aus folgender liste hervorgeht: russ. peleva,
aksl. pleva ‘spreu’ aus *pelva (daneben russ. polöva aus *polva);
russ. pelesyj ‘bunt’, perepelesyj ‘gestreift’, ablautend mit russ.
polosa, aksl. plasa ‘streifen’ aus *polsa (aksl. pelesü statt *plesu
ist nur als russieismus begreiflich); russ. pelend, aksl. plena
‘windel’ aus *pelna (aksl. pelena neben plena ist wie pelesü
zu beurteilen); russ. se/ezend (selezenka), aksl. si&zena "milz’
aus *selzena; russ. oZeledi, oZelöda ‘regen mit schnee’, vgl. aksl.
zledica, also *zeld-; russ. belend, ezech. blen, blin ‘bilsenkraut’
aus *belna, *belnü. Wo wir russ. olo gegenüber aksl./& finden,
müssen wir ablaut annehmen; so in russ. molöt’ : aksl. mieti
‘“mahlen’; russ. polöt’ : aksl. pleti “jäten’; russ. polon : aksl. plenü
ETYMOLOGISCHES. 41
‘beute, gefangenschaft’; russ. volokd : aksl. viökg ‘ziehe’; russ
26lob (dessen Z statt g schwierigkeit bietet) : aksl. 2/&bü ‘dach-
rinne. Für russ. molokd : aksl. mi&ko und russ. $oldm : aksl.
siemü siehe Arch. f. slav. phil. 15, 489. 491 f.
6. Orkan.
Kluge5 276, Franck 707, Diez5336, Ogilvie-Annandale 2,538,
Skeat 277, Littre 3, 881, Stappers 658 halten hd. orkan aus nl.
orkaan, das mit eng. hurricane, hurricano und franz. ouragan,
houragan auf span. huracan beruht, für ein fremdwort aus dem
fernen westen und suchen seinen ursprung im karaibischen.
Schon Brandt, Leven van de Ruyter, ausgabe von 1687, s. 369,
nennt orkaan ein karaibisches wort: ‘men zagh een orkaan te
gemoet. Dit onweer, bij d’ inboorlingen der karibische eilauden
ouragan genoemt’ u.s.w. (v.d. H., Nieuw nederl. taalmag. 3, 276).
Offenbar hat Brandt hier aus einer französischen quelle ge-
schöpft, welche ich in der Histoire naturelle et morale des lles
Antilles de ’Amerique (A Rotterdam. Chez Arnout Leers. Mar-
ehant Libraire 1058) gefunden zu haben glaube. In diesem
huche (243) lesen wir nämlich ‘D’une tempeste que les Insu-
laires appellent Ouragan.’ ‘Ce qui est le plus & craindre, est
une conspiration generale de tous les vens, qui fait le tour du
compas en l’&space de vingt-quatre heures, et quelquefvis en
moins de teme.’ Und weiter (244): ‘Cette tempeste que les
insulaires appellent Ourayan, est si etrange qu’elle brise et de-
racine les arbres’ u.2.w. ‘Cet Ouragan, ne fait pas seulement
ses ravages sur la terre, mais il &meut encore une telle tem-
peste sur la mer, qu’elle semble se mäler et se confondre avec
l’Air et les Cieux. Ce tourbillon impetueus’ u.s.w. Endlich
lesen wir im karaibischen glossar (526): ‘Tempeste, Youällou,
bointara, ourogan: qui est le nom le plus commun.: Man ver-
gleiche die beschreibung eines schrecklichen wetters mit über-
schwemmung in Guatemala bei Linschoten, Beschryvinge van
America 11, wo jedoch das wort orkaan nicht genannt wird.
Chronologische schwierigkeiten gibt die herleitung des
wortes aus dem karaibischen nicht. Im englischen findet es
sich nach Kennedy (Essays ethnological and linguistie 161) zu-
erst bei Shakespeare, in der form hurricano mit der bedeutung
‘wirbelwind, wasserhose’ (‘The watery spout which sailors
42 UHLENBECK
hurricanoes call’ ‘Blow winds and crack your cheeks, your
cataracts and hurricanoes spout.). Weiter gibt Kennedy noch
ein citat aus Dampiers Voyages: ‘I shall speak next of hurri-
canes, these are violent storms, raging chiefly among the Ca-
ribbee islands’ und aus Huberts Travels: ‘We believed a herocane
was begun, a vast or unwonted tumor in the air.’ Im französi-
schen ist das wort in 1677 in der form houragan belegt (Littre).
Im holländischen fehlt es noch bei Kilian, und bei Linschoten
(Voyage 1596, Reys-gheschrift 1595) habe ich es vergebens ge-
sucht. In der aus dem spanischen übersetzten Conqueste van
Indien (1598) wird (fol. 8) von tempeesten gesprochen, aber das
wort orkaan habe ich auch hier nicht gefunden. Nach Lexer
(Grimm 7,1350) ist Hoffmann von Hoffmanswaldau der erste,
welcher orkan im deutschen gebraucht.
Sicher ist der karaibische ursprung von orkan aber keines-
wegs, denn im glossar der Histoire naturelle werden verschie-
dene wörter als karaibisch angeführt, welche europäischer her-
kunft sind, z.b. rakabouchou (sp. arcabuz), kaloon (sp. canon,
franz. canon), echoubara (sp. espada), cowloubera (franz. couleuvre),
pisket (aus der roman. sippe vou lat. piscis oder aus einer germ.
sprache?), choucre (franz. sucre), kanarou (wol aus irgend einer
ableitung von sp. cana), boutella (sp. botella), arka (sp. arca),
kaboya (sp. cable), ankouroute (sp. ancora oder eher dessen aug-
mentativum), beya (franz. baie), kanabire (franz. navire?), mouche
(sp. mucho). Dieses kann ja auch sehr gut mit orkan der fall
gewesen sein und dann müssten wir in Europa ein etymon für
dieses schwierige wort suchen, was freilich schon von Larra-
mendi 2,62 und Kennedy a.a.0. — leider mit wenig glück —
versucht ist. Unmöglich ist baskischer ursprung von orkan
aber nicht, denn auch der Bizcaische meerbusen ist wegen seiner
orkane bekannt (siehe u. a. Histoire naturelle 245 f,, wo solch
ein orkan im südlichen Frankreich nach dem zeugnis eines. ‘ho-
norable marchand’ aus la Rochelle beschrieben wird), und die
ursprüngliche bedeutung ‘wasserbose’ würde für zusammenhang
mit bask. ur sprechen, obwol in anderer weise als Larramendi
und Kennedy sich diesen gedacht baben.
Leider müssen wir diese untersuchung mit einem non liquet
beschliessen.
ETYMOLOGISCHES. 43
7. Scheur.
Nl. scheur ‘riss’ aus and. *skuri-, an. skor, meng. eng. score
werden von Franck 845 zu ahd. sceran, ags. sceran, an. skera
gestellt. Das u von *skuri- braucht aber nicht ein aus dem
stimmton des r entwickeltes zu sein und man kann es deshalb
auch als tiefstufe von eu betrachten, welchenfalls man an
folgende litauische wörter anknüpfen kann: kiduras ‘durch-
löchert, entzwei’, kidurinti ‘durchlöchern, löcherig machen’, skiaure
‘durchlöcherter kahn als fischbehälter. Für das sogenannte
parasitische 7 im baltoslavischen vgl. lit. sziaurys ‘nordwind,
norden’ : aksl. severü ‘norden’: got. sküra ‘schauer’; lit. riaugmi
‘rülpse’ : aksl. rygati ‘ructare’ : gr. &pevyo : ahd. itaruchen; lit.
kidune : aksl. kuna ‘marder’; lett. liaudis, aksl. Yudu : abd. liut;
aksl. Yubü : got. liufs; russ. djuzij : duzij ‘kräftig’, lit. daug ‘viel’,
got. daug u.s.w. (vgl. Wiedemann, Lit. praeteritum 186). Aus
dem sanskrit ist bei nl. scheur ‘riss’, scheuren ‘reissen, zerreissen',
lit. kiauras u.8.w. noch cordyaii ‘stehlen’ heranzuziehen, falls
dessen bedeutung sich aus dem begriffe des reissens entwickelt hat.
8. Silber.
Got. silubr, ahd. silbar, silabar, mhd. hd. silber, ags. siolufr,
seolfor, eng. silver, a8. siludar, nl. zilvcr ist ein schwieriges wort,
dessen ursprung noch immer unbekannt ist. Lapp. silbbu und
bask. zil/ar sind wol entlehnungen aus dem germanischen und
können uns deshalb bei der geschichte des wortes kaum dienste
leisten, und dasselbe gilt von den baltischen formen lit. sidäbras,
apr. sirablan, lett. sidrabs, sudrabs aus ahd. silabar, und apr. sira-
plis aus abd. silapar, denn diese lassen sich wegen des «a in der
mittelsilbe nicht aus aksl. sirebro erklären. Kluge: 348 meint,
dass die Germanen es auf ihrer wanderung von einem nicht
indog. stamme entlehnt und es den Slaven übermittelt hätten,
welche vermutung aber aus phonetischem grunde abzulehnen
ist. Es ist ja von vornherein wahrscheinlich, dass aksl. szrebro
mit seinen beiden r eine ältere lautgestalt darbietet als die
germ. formen, welche das eine r durch dissimilation in / ge-
ändert haben, und auch geographisch liegt es näher, die Ger-
manen als entlehner zu betrachten, weil das wort doch wol
im orient zu hause ist. Die Germanen haben schon früb mehrere
wörter von den Slaven übernommen, nänılich:
44 UHLENBECK
Ahd. *hamastro (es ist wol ein hamastro belegt, aber in der
bedeutung ‘ceurculio, kornwurm’, ebenso as. fem. hamstra aus
*hamastra, Kluge5 154), aus aksl. (aruss.) chomestarü, vgl. russ.
chomjak, poln. chomik, klruss. chomyk ‘hamster’ (Hehn: 381, 501.
Miklosich 88).
Got. plinsjan aus slav. *ples-ig, aksl. plesg, plesati ‘tanzen’
(Miklosich 249).
Got. puggs, ahd. pfunc 'beutel’ aus aksl. pggy ‘corymbus’
(Miklosich 257).
Got. siponeis ‘jünger’, m. e. eher aus slav. Zupanü ‘herr,
Junker’ (vgl. Miklosich 413) als aus dem keltischen, wie Much
annimmt.
An. tulkr, mnd. folk, tollik aus slav. *unlkü, aksl. tükü “inter-
pretatio’ (lit. tüulkas ‘dolmetscher’ ist naeh Brückner 148 russi-
sches fremdwort; könnte aber auch aus dem nd. entlehnt sein),
tlükovati ‘erklären’ (Miklosich 368. Franck 1019: eng. talk ist
ferne zu halten), wie später mhd. folmetsche aus irgend einer
westslav. form von aksl. tlümac? entlehnt wurde.
An. torg ‘handel’ aus slav. *türgü, aksl. trügü ‘markt’ (wo-
raus auch lit. furgus stammt, Brückner 148), wozu noch vielleicht
lliturgis, Illiturgi, ortsname im alten Baetica (iii = bask. iri
‘stadt’ + *urgi ‘markt’?) zu vergleichen wäre.
Got. intrisgan, intrusgjan "Eyxevroißsıv’ aus slav. *iresk- (ur-
verwant mit got. briskan), aksl. tresnati, ırestiti ‘ferire’, Ireska
‘sarmentum’ (Hehn: 354. Krek, Einleit. in die slav. literatur-
geschichte 134).
Ferner noch wol ahd. malz (siehe oben no.5) und got. stikds
aus aksl. söklo : die beziehung von got. stikls zu stechen ist
keineswegs einleuchtend, denn aksl. stiklo bedeutet die materie
‘glas’, welcher begriff natürlich ursprünglicher ist als der des
trinkbechers oder trinkglases (vgl. aber Miklosich 328).
Ich glaube also, dass sörebro ursprünglicher ist als silubr,
silabar und zu den wörtern gehört, welche früh aus dem slavi-
schen in das germ. drangen. Dann ist es aber unmöglich, an
der von Hehn 462 vorgeschlagenen und von Schrader! 261
acceptierten deutung festzuhalten, dass silber aus dem namen
der pontischen stadt AAvPr (nach Hehn aus #*3aAvPn) EaEande
sei, bloss auf grund von Ilias 2, 857:
ETYMOLOGISCHES. 45
avrap Alıkavwv Odios xal Enioteopos joxov
ınhoBev £& Akvßns, 69EV agyvoov Earl yevediAn.
Wie man aus *2aAvßn ein slav. söirebro gewinnen könnte, ist
mir ganz unklar, nicht nur wegen der beiden r von särebro,
sondern auch wegen des 2. Eher möchte ich mit Brunnhofer
(Urgesch. 2,7 f.,, wo aber viel überflüssiges herangezogen wird)
an zusammenhang mit dem flussnamen Zißposg, Ziußgog denken
(der ebenfalls silberreich ist: Zißow 2x apyvodo notauo, Pa-
nyasis), denn Z{ßoog und Ziußeog lassen sich sehr gut durch
dissimilation aus * ıoßoog (nicht aus ZuAßopog, wie Brunnhofer
will) erklären. So wäre der nord-europäische silbernamen doch
von den südlichen ufern des Schwarzen meeres gekommen.
AMSTERDAM, dec. 1894, C. C. UHLENBECK.
ETYMOLOGIEN. II.
1. Stüren, stören und ihre sippe.
Der indog. w. tuer-, die auch im germ. vertreten ist, z. b.
durch ahd. dweran ‘schnell herumdrehen, durcheinander rühren’,
geht im germ. eine gruppe mit anlautendem s zur seite, wie
im gr. orvoßatoo neben tvpßaLo (vgl. Curtius, Grundz. 695), zu
der folgende wörter gehören:
1. Ags. styrian “in bewegung setzen bez. sein, verwirren,
aufregen’, bedeutungsentwicklung wie in lat. turbare; an. styrr
‘verwirrung, aufregung’, dann ‘tumult, krieg’, wie ahd. werra
‘verwirrung und krieg’ (vgl. W. Grimm, Kl. schriften 3, 531—35),
eng. war, franz. guerre.
2. Deutsch stüren ‘in etwas herumstöbern, herumwählen',
die bedeutung ergibt sich aus ‘durcheinander rühren’. Abd.
beispiele: euertit irsturit Ahd. gl. 1, 726,21 (Vulg. everrit), er
irsturte al ire gemant Wien. Gen. Hoffm. Fundgr. 2, 46, 13. Milst.
hs. 62, 16. — Mbd. stürel ‘werkzeug zum stüren”.
3. Ahd. (ga-, ar-, zi-) stören, = *staurjan. Der ablaut dweran
— styrian — *sltaurjan ist wie ahd. swethan — ahd. gasotan —
got. saubs, oder wie ahd. swelli (— *smalli ‘schwelle’) — ags.
an. syl, mhd. sol-boum, sol-stücke, got. gasuljan — got. sauls.
Bedeutung: 1. ‘zerstören, vernichten’, 2.‘zerstreuen’, mhd. sieren
auch ‘in verwirrung bringen’, wie nld. ‘stören’. Der begrif
‘zerstören’ ist mit dem des ‘drehens, wendens’ verknüpft wie
bei lat. turbare — disturbare ‘zerstören’, vertere ‘drehen’ —
evertere ‘zerstören’, lit. vartyti ‘wenden’ — got. frawardjan (Brug-
mann, Grundr. 2,2, 1151), ahd. werfan (wie verto von w. uer-
‘drehen, wenden’, vgl. Persson, Wurzelerweiterung 164) — ahbd.
ziwerfan ‘destruere’; s. auch zerrütten, unter 10). Ahd. und mbhd.
hat steren auch den sinn von ‘zerstreuen’, vgl. lat. disturbare
7
ne
ETYMOLOGIEN. 47
‘zerstören’ und ‘zerstreuen’, ebenso ahd. ziwerfan, mhd. zer-
werfen, die ziemlich häufige verwendung von ahd. stören zur
glossierung von ‘dispergere, ventilare’ hat jedoch zum teil ihren
grund darin, dass die übersetzer ‘dispergere’ mit ‘disperdere’
verwechselten (vgl. Diefenbach, Glossar 186°), — Schon Froehde
hat KZ. 18, 261 stören mit w. tuer-, lat. turbare zusammengestellt.
4. Ahd. sturz ‘casus, sturz’, stürzen ‘(e-, per-, sub-) vertere”.
Die zu grunde liegende vorstellung ist “‘herumdrehen, herum-
wenden’, vgl. Schmeller-Fr. 2, 786 f. unter ‘stürzen’: ‘wesentlich
ist dabei der begriff des umwendens, so dass das untere zu oberst
kommt.’
5. An. stormr, ags. storm, ahd. sturm hat schon Curtius,
Grundz. 5 695 mit gr. tüpßn, (o)rvoßado verglichen, und Franck,
Woordenb. s. ‘storm’ sowie Kluge in der neuesten auflage (5)
des Wb. halten zusammenhang mit nl. storen bez. ags. styrian
für wahrscheinlich. Bedeutung: ‘eine bewegung, verwirrung, auf-
regung’, entweder der elemente, vgl.lat. turbo; oder von menschen,
‘tumultus, strepitus, kampf, ansturm, angriff’;, auch von innerer,
von gemütsbewegung (z. b. ags. des mödes storm Alfred, Greg.
Past. Care, Sweet 59, 4), wie lat. perturbatio ‘gemütsstörung, leiden-
schaft. Die anwendung von sturm für ‘kampf’ ist nicht eine
metapher, übertragen vom sturm der winde oder wogen, son-
dern beide vorstellungen gehen unabhängig von einander auf
den gedanken an ‘verwirrung, bewegung’ zurück. Auch mbhd.
werre, eng. war, franz. guerre (s. oben) sind ohne vermittlung
eines von naturerscheinungen hergenommenen bildes zur bedeu-
tung ‘aufruhr, krieg’ gelangt; ebenso gr. uodog ‘schlachtgetüm-
mel’ aus w. me(n)th- ‘umdrehen, quirlen’, Grassmann, KZ. 12, 98.
Brugmann ebenda 24, 292f. (schweiz. ist sturm auch ‘schwin-
delig’, stürmi ‘schwindel’ [Stalder 2, 416. Schild, Beitr. 18, 375],
so viel als ‘sich drehend’, ‘drehung’. — Sturm verhält sich
begrifflich zur w. tuer- wie an. ags. hriö ‘sturm’, an. auch ‘an-
sturm’, zu w. greit- ‘drehen, sich hin und herbewegen’ (vgl.
Persson, Wurzelerweiterung 166, der wol richtig an. hriö ‘stunde’
davon trennt; anders Liden, Beitr. 15,511), — Zu sturm vgl.
bes. W. Grimm, Kl. schr. 3, 549 ff.
6. Nesselmann, Thes. ling. pruss. 178 f., führt an siurgel,
stur] mit den zwei bedeutungen: 1. ‘ein zur fischerei dienendes
instrument, ein stab mit zuckerhutförmigem knopfe, der zum
48 EHRISMANN
aufscheuchen der fische gebraucht wird’, wozu stürlanke ‘hamen,
um die fische aufzuscheuchen’; 2. ‘der stab im butterfasse”.
Auch Bezzenberger (Bezz. Beitr. 17,215) hält diese wörter für
preussisch. Sie sind jedoch deutschen ursprungs. Die erste
bedeutung findet sich in bair. stork ‘fischerstange’ (Sclimeller-Fr.
2, 782), oberlausitz. stirgeln ‘herumstöhren, durchsuchen’ (Diefen-
bach, Vgl. wb. 2,335), tirol. stürken (Schöpf, Id. 726); vgl. auch
henneberg. störer, stürer ‘arbeiter, welcher in einem kahne mit
einer langen, eisengespitzten stange das hängengebliebene scheit-
holz losreisst (Spiess, Beitr. zu e. henneberg. idiot. 245). Die
zweite bedeutung ‘stab im butterfasse’, also ‘rührstab’, kehrt
wider in den zur s-losen gruppe iuer- gehörigen an. hvara, ahd.
dwiril ‘quirl, rührstab’, vgl. gr. ()ropvvn ‘trua, rührkelle’. Ur-
sprünglich ist unter diesen substantiven ein drehstab zu ver-
stehen, wie er schon in indog. zeit zur feuer- und milchbereitung
diente, vgl. Kuhn, Herabkunft des feuers? 15 ff. 35 ff. u.ö. Nessel-
manns sturgel ist also — deutsch *sturgil, aus stork und stirgeln
zu erschliessen, stur! ist = sturü (s. oben 2). Zu der guttural-
sippe passt auch gr. orvpas, origax-osg “das untere ende des
lanzenschaftes’, dann ‘lanze’, mit einer hedeutungsübertragung
wie an. brynbvari ‘lanze’ aus Dvara 'quirl’. Andere etymologien
bei Curtius, Grundz.5 213 (zu oregeog ‘starr’), Prellwitz, Et. wb.
306 (zu orvm ‘aufrichten‘, w. st(h)u@-), Persson, Uppsalastud.
tillegnade S. Bugge 185 (zu oravpog ‘pfahl’, also ebenfalls zu
w. st(h)w-). |
7. Bekannt ist der übergang des begriffes ‘sich herum-
drehen’ in ‘sich herumtreiben, umherschweifen’, z. b. gr. oro&po
— cTpEPOHEAL, OTEWPAO — orpmpaouaı, BEuß® — deußouaı,
lat. vertere — se vertere, verti, versari, ahd. hwerban ‘sich drehen
— hin und hergeben’, ahd. windan — ahd. wantalön und mhd.
wandern, franz. rouler ‘wälzen’ und ‘sich umhertreiben’, tour
‘umdrehung’ — faire un tour ‘einen spaziergang machen’, it.
girare ‘sich drehen’ und ‘herumlaufen’, aggiratore ‘laudstreicher',
a en
m - - -
.—
u.a. Ebenso gehören zur w. s-wer- ‘herumdrehen’: stören ‘im |
lande herumfahren, auf die stör gehen’ (Schmeller-Fr. 2, 779f.
Gradi, KZ. 17,17 f. Germania 22, 369. Nd. korrespondenzblatt
10, 45. 74—76. 13, 59), siörer (Lexer s, v.), mit gutturalsuffix (vgl.
oben sturgel): storgen ‘sich im lande herumtreiben’ (Weigand .
8.v. Schmeller-Fr. 2, 781 f.), storger ‘landfahrer, hausierer', störzen
ETYMOLOGIEN. 49
(= *störgezen) 'müssig herumfahren', störzer ‘vagabund’ (Schmel-
ler-Fr. 2,786. Du Cange-Favre 7,596®); über die formen sierzen,
sterzer von der hochstufe aluert s. unter 9.
8. Mhd. gaffelstirne,. DWb. 4, 1, 1136. Mhd. wb. 2, 2, 644.
Lexer 1,1017. 1043. Schmeller-Fr. 1, 874. Edw. Schröder, Ingolds
Gold. spiel 63, 11 u. anm. Alemannia 13, 50. Brants Narrenschiff
ed. Zarncke 2. Das von Schmeller angeführte citat: vbi modo
sunt vnser gafelstirnen ubi modo currentes per vicos et
plateas, sowie: die vagierenden stfirner und stosser, stirn-
stössel, stürnenstosser ‘landstreicher’ (Schmeller-Fr. 2, 784 f.
Lexer 2,1201. Zarnckes, Goedekes und Bobertags anmerkungen
in ihren ausgaben des Narrenschiffs zu 63, 12) zeigen, dass der
zweite teil von gafelstirne zu der vorigen sippe stören, siorgen
gehört und demnach als stürne (wol = *sturini, also eigentlich
*stürin) aufzufassen ist, als “eine die sich auf den strassen berum-
treibt’; störne ist umdeutung an stirne ‘frons’ oder dirne (vgl.
die variante bei Lexer 1,1017 aus Sibotes Frauenzucht; in
gimpelstirne, gampelstirne |Lambel, Erzählungen und schwänke !
3, 25,427] ist statt ga/fel das schwerzwort gimpel, gampel ein-
gesetzt). Gaffel wird vom DWb. als ‘mädchen, die neugierig
gaffend herumläuft oder am fenster liegt’, also zu ya//en ‘hiare,
oseitare, spectare’ gestellt. Es hat jedoch vielmehr den sinn
von ‘plaudertasche, geschwätziges mädchen’, wie sich aus fol-
genden belegen ergibt: gafel und raffel; ga/jeln (verb.), ein guten
geschwatz ufrichten (DWb.4, 1,1135); Brants Narrenschifi 32, 27 f.:
Vnd nit hoffwort mit yederman Tryben, und yeden gäj]len an Noch
hören alles das man jr seitt; geffels mul (Murners Narrenbeschwö-
rung, vgl. Zarncke, Narrenschiff anm. zu 62,7. Alemannia 19, 2);
noch mundartl. gefele ‘klappermaul, vorlauter mund’ (Schweiz.
id.2,128). Demnach ist in ga/fel die obd. vertretung zu sehen
von ags. zaf *turpis, vilis, loquax’, zafetunz ‘a scoffing’, zezaf-
spr&c ‘idle, wanton, scoffing speech’, zaffellan, zabbian (Beitr. 9,
164.165),. an. gabb, gabba, nl. gabberen.
9. Für mehrere germ. wörter, deren bedeutungen sich mit
einem teile der angeführten decken, ist eine germ. wurzel siert-
vorauszusetzen (vgl. Kluge Wb. unter ‘stürzen’). Stert-, start-
sind m. e. die hochstufen der germ. w. sturt- (no. 4), also indog.
als stwerd- stuord- anzusetzen mit ausfall des x nach dem an-
a}
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 4
50 EHRISMANN
laut si.!) Hierher gehören: 1. engl. to start (Skeat, Dict. s. v.)
‘sich rasch bewegen’ (bedeutung wie no. 1), auch ‘aufjagen’
starter ‘hund, der das wild aufjagt’, vgl. mhd. steren auch so’
viel als ‘aufscheuchen’; ags. steartlian ‘mit dem fusse stossen,
ausschlagen’, wie schweiz. stirzen, der stirz (Stalder 2, 399), zu
dessen bedeutungsentwicklung vgl. w. sp(h)er-, sp(h)erg- ‘(sich)
unruhig bewegen’ und lit. spırti, ahd. spornön, an. sparka (Pers-
son, Wurzelerweiterung 17); engl. io startle ‘stutzen’, startle ‘be-
stürzung’, wie mhd. nhd. bestürzen. 2. schwed. stjärta ‘zweck-
los herumrennen’ (Rietz 693), nd. sterten ‘fliehen’, mhd. sierzen
‘sich rasch bewegen, umherschweifen’, sterzer ‘vagabund’, vgl.
n0.7. — Unverwant mit dieser sippe sind: 1. obd. sterz, starz,
storz, stürzel ‘strunk’, von w. s-ter(e)d-, einer variante der von
Liden, Uppsalastudier 84 behandelten w. s-tere(n)g- ‘stossen, ab-
stossen, abhauen’. — Ferner 2. sterzen ‘steif emporragen, starr
aufwärts richten, aufrecht einhergehen, stolzieren’ (Lexer s. v.
Schmeller-Fr. 2, 785 f.), an. stertr ‘stattlich, prächtig, stolz’; und
schwäb. siratzig “grosstuerisch’ (Schmeller-Fr. 2, 821), stranzen
‘grosstun’ (ebenda 817; in der bedeutung ‘sich müssig umher-
treiben’ sind siranzen, strenzen, strenzeln, strunzen [Lexer 2, 1225.
Vilmar, Id. 405. v. Pfister, Nachtr. zu Vilmars Id. 290] ganz in die
begriffssphäre von no. 7 gezogen), von w. ster(e)d-, st(e)red-, st(e)-
rend-, einer weiterbildung zu der von Persson, Wurzelerweite-
rung 63 besprochenen w. ster- ‘starr, fest sein’, neben welcher
eine variante sferud- anzusetzen ist gemäss nd. strutt ‘gespreizt,
starr, steif’, engl. to strut ‘to walk about pompously’, wozu auch
wahrscheinlich an. strütr ‘a sort of hood jutting out like a horn’;
in engl. strut tritt dann vermischung ein mit s/rotzen, d.h. einer
wortgruppe, welcher die vorstellung ‘anschwellen’ zu grunde liegt.
— Endlich 3. sterz ‘schwanz, pflugsterze’, dessen grundvorstel-
lung zweifelhaft ist (vgl. zuletzt über dieses wort Persson, BB.
19, 273).
10. Aehnliche bedeutungswandlungen wie die w. /ver- hat
ı) Indessen ist wol schon indog. ein wechsel zwischen anlautendem
fu und ? anzunehmen in der w. {ueng-, teng- ‘zusammenziehen’ (Fick 1*,
59. 64. 224. 230. 442. 449), und ebenso bei w. tuer-, ter(g)- ‘drehen’ (Fick 1,
60.64), wozu var. (rep- ingr.roenw u.a. Vielleicht beruht der wechsel
auf indog. accentverhältnissen, wie Pedersen, IF. 2,290 vermutet. Vgl.
jetzt auch Strachan, BB. 20, 18 anm. 1.
i
ETYMOLOGIEN. 51
die w. ger- ‘drehen, hin und herbewegen’ durchlaufen: zu deren
erweiterung gret-, in lit. kretü, kreczü ‘schütten’, kratau ‘fortgesetzt
schütteln’, gehört zerrütten (mhd. rütten!), vgl. Franck unter
‘reuter’. Eine wurzelvariation von ger- ist auch greu- mit den
erweiterungen greud-, greup- und greus- (entsprechend grei-
mit den weiterbildungen greit-, greip- und greis- bei Persson,
Wurzelerw. 165—167), wovon an. hrjota ‘plötzlich und mit hef-
tigkeit weg springen, fallen, stürzen’, an. hreyfa ‘to stir, to move’,
und ags. hreosan ‘stürzen, zu grunde gehen’ (an. hrjosa ‘schau-
dern’). Ferner gehören wol hierher schwed. rusa ‘ungestüm
hervor dringen, stürmen, stürzen’, engl. to rush ‘stürzen’, mhd.
der rüsch "anlauf, angriff’, rüschen, riuschen ‘stürmen’ (engl. rush
und mbhd. rüsch aus grüs-k- oder aus gräd-sk-); für diese
wörter nimmt Persson (Wurzelerw. 161) eine w. rus- an, aber
engl. rush ist nicht wol von ags. hreosan zu trennen. An. ags.
hriö s. oben unter 5).
2. Schulter.
‘Hüfte, schenkel’ und ‘schulter, (ober)arm’ werden in den
indog. sprachen mehrfach durch etymologisch verwante wörter
bezeichnet, z.b. an. er ‘schenkel’, lat. /acertus ‘(ober)arm’, an.
leggr ‘bein, sowol am arm als am fuss’; ahd. mhd. buoc “bug,
obergelenk des arms, achsel’ und ‘obergelenk des beins, hüfte’,
‚ aind. bähu ‘arm’, beim tier ‘vorderfuss’; got. arms ‘arm’, aind.
irmas ‘arm, bug, vorderschenkel eines tieres’, lat. armus ‘ober-
arm, schulterblatt, vorderbug bei tieren’; aind. kakshas ‘achsel-
grube’, lat. coxa ‘hüfte, mhd. hahse ‘hächse, kniebug’; ksl.
krakü ‘hüfte’, lit. karka ‘oberarm’ (Brugmann, Curtius’ Stud. 7,
277 f. KZ. 23, 94 f.); acymr. morduit und ahd. muriot ‘diech, dick-
bein’, langob. murioth “brachium super cubitum’ (Bezzenberger
bei Fick 2,202 und in seinen Beitr. 19, 303); gr. xwAea, xoAn,
xoAn» “hüftknochen, beim schwein der schinken’, xwAn» auch
‘knochen des oberarms’; vgl. auch cuptis, Fick 14,46. Bezzen-
berger in seinen Beitr. 1, 341. G. Meyer ebenda 14, 55 und Alba-
nes. wb. 396. — Unter voraussetzung dieser bedeutungsverhält-
1) Rutschen, mhd. rutschen, rütschen, rutzen, rützen, welches Kluge
s. ‘rutschen’ für vielleicht mit rütfen wurzelverwant hält, gehört gewiss
zu mhd. rucken, rücken, ahd. rucken, rucchan ‘schiebend fortbewegen ’
(Kluge 8. 'ruck’), = ruckezen.
4*
52 EHRISMANN
nisse darf man wol auch folgende wörter für verwant ansehen:
aind. katas, kafis, kati “hüfte”, — *kaltas u.s. w. (Persson, KZ.
33,288 anm. 3), gr. 0x82og ‘schenkel’, oxeAlg ‘hinterfuss und hüfte
eines tierer, beim schwein der schinken’, und ags. sculdor, ahd.
scultirra, scultarra, sculdra ‘schulter’, mhd. auch ‘geräucherter
vorderschinken beim schweine’. — Die stammbildung der ger-
manischen wörter ist schwer sicher zu stellen, besonders da
casus des duals mit im spiele sein können, deren endungen für
das germ. nicht genügend bekannt sind (vgl. Platt, Anglia 6, 175.
Kluge, Pauls Grundr. 1, 384 ff. [$ 46 eingang und B2]). Aus
einem neutralen es-stamm lassen sich die verschiedenen germ.
formen erklären; ahd. sculfirra (iö-stamm) kann voni n. a. dual
germ. *skuldez! ausgegangen sein. *Skltos ntr. ist dann eine
vermischung von einem einen dental enthaltenden stamm (vgl.
aind. katas u. 8. w., gr. 0xeAid-) und einem es-stamm (gr. 0xE&Aoc).
Als wurzel liegt zu grunde s-kel- mit der vorstellung ‘biegen’
(vgl. u.a. Bugge, KZ. 32,57. IF. 1,448. Johansson ebenda 2, 26).
Die bezeichnungen für glieder des körpers werden mehrfach von
den begriffen ‘(sich) biegen, krümmen’ hergenommen (Brugmanı,
Curtius’ Stud. 7, 277. Johansson a.a.0.). Andere beispiele für
diese begriffsentwieklung sind: w. leg- ‘biegen’, wozu lat. /acertus
‘arm’, an. leer ‘schenkel’, Zeggr ‘bein’, engl. leg (Persson, Wurzel-
erweiterung 186. Johansson, BB. 18,21. Liden, Beitr.15, 517), ferner
langobard. Zagi ‘schenkel’ und ags. leower “pernas, glieder’ (Sie-
vers, Beitr. 9,254); w. kek- ‘(sich) biegen’, wozu aind. kakshas
‘achselgrube’, lat. coxa ‘hüfte’, ir. coss ‘fuss’, ahd. kahsa ‘knie-
bug’ (Fick 14, 22.381. Bezzenberger in s. Beitr. 16, 246); w. geu-
*biegen, drehen, wenden’, wozu gr. yvIov 'glied, gelenk’, ahd.
kiulla ‘oberschenkel’ (Bezzenberger in seinen Beitr. 4, 322); w.
keug- (oder keub-?) ‘sich biegen’, wozu gr. xußog ‘höhlung vor
der hüfte, beim vieh’, xußırov, xöBwAov, lat. cubitum ‘ellen-
bogen’, got. hups ‘hüfte’ (Fick 1, 380); w. keup- ‘wölben’, wozu
lit. kumpas ‘krumm’, kumpis ‘vorderschinken’; w. enk-, eng-
‘biegen, winden’, wozu aind. anukas “biegung zwischen arm und
hüfte’, ved. ankasd ‘weiche’, gr. «yxav, ayxolvn, ayxdAn “ellen-
bogen’, got. halsagga ‘nacken’, ahd. ancha ‘anke, nacken’, und
encha ‘beinröhre, knöchel’, mhd. enkel ‘knöchel’ (vgl. Fick 14,8.
Kluge, Wb. s. ‘enkel’. G. Meyer, IF. 3, 64). — Die grundbegriffe
für diese gliedernamen sind zum teil ‘was gebogen ist’, also
ETYMOLOGIEN. h3
‘wölbung’ (vgl. Brugmann, Curtius’ Stud. 7,277) oder ‘höhlung’,
zum teil ‘was sich biegt, sich biegend bewegt, dreht’, also =
'gelenk”.
Eine gutturalableitung der w. (s)kel- ist w. keleg-, wozu
gr. <oAng “hüftknochen’, und nasaliert w. A(e)leng-, mit media g
für tenuis gq nach dem nasal, wozu ahd. hlancha *hüfte, lende’,
it. Aanco 'flanke’, an. hlekkr, age. hlenca oder hlence, engl. link
‘glied (einer kette)’, ‘gelenk’ gehört (vgl. Johansson, Beitr. 14,
298). Unverwant mit ahd. hlancha ist ahd. /ancha ‘weiche,
lende’, welches wol mit gr. Aayo» ‘weichen’ zusammenhängt.t)
Im anschluss an das vorhergehende gebe ich noch einige
erklärungsversuche bedeutungsverwanter wörter:
Mhd. geliune n., nhd. geleune ‘gliederbau, knochenbau’ (DWb.
4,1,2, 3012. J. Peters in den Mitteil. d. vereins f. geschichte d.
Deutschen in Böhmen 28, beil. 8 gehört zu der oben mehrmals
genannten w. /eg- ‘biegen’, zu der es sich lautlich verhält wie
got. siuns zu W. seg-.
Ahd. gileih n. ‘artus’, mbd, geleiche n., geleich f. ‘gelenk,
glied’ (DWb. 4, 1,2, 2978f. Kögel, Beitr. 9, 336 anm. 13), dazu
mhd. sich Zeichen ‘sich biegen’ (vgl. dazu bes. DWb,. 6, 617),
geleiche, geleichic wie lenken, gelenke, gelenkig zu lancha oder zu
hlancha, ist eine ableitung der w. Jei- ‘biegen’, einer variation
von w. leq-, vgl. Persson, Wurzelerweiterung 187, zu welcher
mit diesem gelehrten auch g.libus, an. limr, ags. lim zu stellen
sind. Hier sind wol auch einzureihen got. leik, ags. lic, ahd.
ih ‘leib’ und an. ags. if, ahd. fip 'leib’, beide collective neutra,
so viel wie ‘gliederbau’.
Unter annahme von anlautendem sog. beweglichen s lassen
sich ags. sceonca, engl. shank, ahd. scinco, scinca, mhd. schinke,
schunke, schenkel mit hanke ‘hüfte, schenkel (DWb,. 4, 2, 455),
ı) Zu Aayov vgl. Persson, Wurzelerweiterung 234 anm. Mit ahd.
lancha wurzelverwant scheinen nl. des ‘unterleib, schoss’, grundform
*leuskio-, 8. Franck, Woordenb. unter ‘lies’ (*eus aus einem es-stamm,
*letz)wes- mit übertragung des w» in die stammstufen -os bez. -us =
*lewos, *lewus (schwed. liuske, liumske ist damit nicht identisch, s. Rietz
410. Noreen, Pauls Grundr. 1, 465); ferner *agön in ags. /undlagan 'nieren’
(leuintiega Ahd. gl. 1,340, 4), ahd. lebarlago ‘uterinus’. Dann sind zwei
wurzelvariationen, /eg- (Aayav) und legq- (*eus, -lago) leng- (lancha) an-
zusetzen; vgl. Persson 2... 0.
54 EHRISMANN
afranz. hanche, nd. hanke (Diez s. ‘anca’. Bugge, Romania 3, 152.
G. Meyer, IF. 3, 64), tirol. kenkel ‘schenkel’ vereinigen. Weiterhin
lässt sich verwantschaft mit gr. xvnun ‘unterschenkel’, xvnuis
‘beinschiene’, w. ken-, kne- bei Fick 24,95, vermuten. — Davon
trennt Kluge (Wb. s. ‘schienbein’) ags. scie, sceo, scinu ‘shin',
ahd. scina ‘schienbein’ und ‘nadel’, mhd. schine auch ‘schmale
metall- oder holzplatte, -streifen, schiene’, und legt als wurzel-
silbe sk?’- zu grunde. Und in der tat lassen sich aus der indog.
w. sk(h)ei- ‘spalten’ (vgl. Persson, Wurzelerweiterung 43. 176.
Prellwitz, Et. wb. d. griech. spr. s. ‘0yi5o’) diese wörter lautlich
uud begrifflich, = ‘schmales stück’, erklären, vgl. gr. oyıvdaAuos
‘gespaltenes und zugespitztes holz, pfahl’, oyidn, oxidas, oyita
‘gespaltenes holz, splitter, scheit, schindel‘; lit. sk&da, skeara ‘span’;
ahd, scit ‘scheit”. — Ags. scie, sc&o entspricht formal dem mhd.
schie schw. m. ‘'zaunpfahl’, schweiz. scheie (DWb. 8,2418) ‘ zaun-
pfahl, stacket’, scheieli ‘ein geschnitzeltes langes, schmales und
dünnes brettchen’. Schie verhält sich zu schine wie mhd. bie
zu bine, d.h. in schine ist wie in bine das n der schwachen
decl. in den nominativ eingedrungen (vgl. Kluge, Wb. s. ‘biene’).
Die zusammenstellung von schie mit gr. xi’o» ‘pfeiler’ (Bezzen-
berger in s. Beitr. 1,333) ist unhaltbar, da xi@®» nicht zu xeio
gehören kann.
3. Got. ahd. skuft, an. skopt, mhd. schopf ‘schopf,
haupthaar'.
Die geschichte dieser wörter erhält nähere aufklärung durch
beiziehung verwanter germanischer formen, als welche anzusehen
sind: an. skauf, ags. sceaf, nl. schoof, ahd. scoub, mhd. schoup
‘bündel, strohbund, garbe’, an. skufr *troddel, quaste’, ahd. scubil,
mhd. schübel ‘büschel von haaren, wolle, stroh u. dgl., haufen,
menge’ (Schmeller-Fr. 2, 362). Schopf ist also = ‘haarbüschel',
wie noch jetzt schweiz. /Säp (vgl. Beitr. 14, 314. 341), und es er-
gibt sich aus den verglichenen wörtern, sicherer als aus der
blossen und allgemein gehaltenen ableitung von schieben, eine
bestätigung der ansicht, dass darunter eine germanische haar-
tracht wie die in büschel, knoten geflochtenen haare der Sueven
zu verstehen sind (Feist, Grundr. d. got. etymol. 103). Uebrigens
passt die bezeichnung ‘büschel’ auch auf die haartracht des
königs Theodorich und der Ostgoten (Holtzmann, Germ. altert.
ETYMOLOGIEN. 55
249)1): aurium legulae (sicut mos gentis es!) crinium superjacien-
tium flagellis operiuntur — also die ohrläppchen werden be-
deckt von den herabwallenden haarbüscheln; und schliesslich
überhaupt auf das lange, in locken herabfallende haar der freien
germanischen männer und frauen (ags. /ri wif locbore, Grimm,
RA. 286); skuft ist bei Ulfilas das haar der Maria Magdalene,
die des herrn füsse trocknet. — Der bedeutung von schopf =
‘haarbüschel’ entsprechen auch die mhd. glossen: coma: vlehte,
zopf, schopff am pferd, schup an der stiren; cirrus: kroll, zopf,
lock, harscopff (Diefenbach, Gloss. 134. 123).
Mit schaub nun ist weiterhin verwant ahd. scobar, mhd.
schober ‘schober, haufe bes. von getreide, heu’, ‘eine zahl von
60 büscheln’ (Schmeller-Fr. 2, 361 f.; daselbst auch ein schober
har ‘ein büschel haar’, also wie schopf). Die bedeutung von
schober ‘heuhaufen’ führt zu aussergermanischen beziehungen:
lit: kupeta ‘ein kleiner heu- oder strohhaufen’, kaupas ‘ein ge-
schütteter oder zusammengescharrter haufen’, kupti ‘auf einen
haufen legen’, ksl. kupü ‘haufe’, ezech. kupa ‘schober’. Mit
diesen widerum ist längst ags. heap, ahd. hRfo, houf (= *kupn-)
‘haufe’ zusammengebracht (kaufe eigentlich ‘zusammengeschich-
tete menge von gegenständen irgend welcher art’, mundartlich
speciell auch ‘heuhaufen’, Schweiz. id. 2, 1043; mhd. hüste ‘auf
dem felde zusammengestellter haufen getreide, heu’, Kluge s.
‘hauste’, also so viel wie schober; zu hauf binden ‘zusammen-
binden, z. b. reisig in büschel’, Schmeller-Fr. 1,1056, kommt
wider dem begriff von schopf nahe).
Schopf, schaub und schober sind somit auf die sippe von
haufen (zu ‘haufe’ neben ‘haarbüschel’ vgl. aind. stüpas ‘schopf’
und ‘haufe’, gr. x0p9vg ‘haufe’ und xopvußog “haarbüschel’)
zurückgeführt. Fick 14,380 stellt diese letztere zu der w. geup-
bez. geug- ‘sich krümmen, wölben’. Die bedeutungsentwicklung
der eben behandelten wörter führt jedoch eher zu der grund-
vorstellung ‘zusammenfassen’. So gehen lett. köpa ‘haufe’,
köpina ‘garbe’, kapole ‘*kornhaufe’, kapet *anhäufen’ (Prellwitz,
Et. wb. d. griech. spr. s. 'xanerog’, ‘'xonn’), sowie nslov. kopa
‘schober’, czech. kopa ‘haufe’ u. a. (Miklosich s. ‘kopra’) auf w.
!) Zu der haartracht der Sueben vgl. bes, Herm. Fischers artikel im
Philologus 50, 379 f.
6 EHRISMANN
köp-, kap- ‘fassen’ zurück (Fick 1* 387), zu welcher die den
oben angeführten wörtern zu grunde liegende w. keup- eine
variation sein kann (beispiele ähnlicher wurzelvariationen s. bei
Persson, Wurzelerweiterung bes. unter cap. II]).
4. Nhd. schelle.
Nhd. schelle ‘manica, compes, numella’ (DWb. 8, 2496),
auch in handschelle, fussschelle, ist ein ganz anderes wort als
schelle ‘campanula’. Der älteste beleg ist /uazscal ‘pessulum’
(DWb. 4, 1,1040 f. Ahd. gl. 1,553, 6), schelle ist iö-ableitung zu
scal. Pessulus, pessulum bezeichnet einen hölzernen pfahl oder
pflock, der als verschluss bez. als riegel verwendet wird, und
wird anderweitig übersetzt mit ahd. plochili, crintil, Ahd. gl. 2,
466, 31. 2,517,37, mhd. nd. mit rigel, grindel, klinke (schlag-
baum), Diefenbach, Gloss. 431. Demnach ist /uazscal ein höl-
zerner pflock als verschluss für den fuss, fessel. Etymologisch
gehört scal zu lit. skala ‘span’, gr. 0x@Aog, ksl. korü ‘pfahl’, w.
s-gel- ‘spalten’ (zu dieser w. vgl. Persson, KZ. 33, 285). Verschie-
dene beispiele der verwendung von ‘pflock, holzklotz’ für ‘fessel’
gibt Liden, Uppsalastudier 83; vgl. auch an. knefill ‘pfahl, stock’
und ahd. knebil ‘knebel, fesselndes querholz, fessel’ (Kluge, Wb.
s. ‘knebel’), — Zu scal (w. s-gel-) stehen noch mehrere mund-
artliche oder als technische ausdrücke gebrauchte wörter in ver-
wantschaftlicher beziehung, z. b. schale ‘im bergwerke hinter der
verzimmerung eingeschlagene pfähle’, schalbreit (DWb. 8, 2064.
2059), schalen ‘einfassung von brettern’, ofen-geschäl ‘stangen-
werk um den ofen’, verb. (ver)schalen und anderes mundartliches
bei Schmeller-Fr. 2, 394.
5. Engl. scall grind.
Engl. scall, me. scalle ‘grind, bes. kopfgrind’, scald, me.
scalled ‘grindig’, schwed. skä/ “ausschlag um den mund’ (Rietz
613), hess. schelle ‘'hauiblase’ (Vilmar 345. DWb. 8, 2492. 2496:
‘eine art ungeziefer?’), bair. schelde ‘grind’ (Schmeller-Fr. 2, 406)
— aind. kandu ‘das jucken, kratzen’, gr. xeiepog ‘aussätzig”,
xelepia "aussatz’. Wurzel ist, wie Persson schon für aind. kandü
festgestellt hat (Wurzelerweit. 38), s-gel-, gr. 0xaAAo ‘scharren,
schürfen’,
ETYMOLOGIEN. 57
6. Schweiz. helm.
Schweiz. helm ‘weisser fleck des viehs auf der stirne’, helme
‘name einer kuh mit weissgeflecktem kopf’ (Schweiz. id. 2,1204),
kärnt. helm ‘ochsenname’, helma ‘kuhname’ (Lexer, Kärnt. wb.
138), schwed.hjelm, hjelma, hjelmig (Rietz 280. Nordlander, Svenska
landsmälen 1, 396) — gr. xniag ‘blässig’ (al& nrıs xara ro ue-
Torov onuslov Eysı tvAoesıdes), lat. cälidus ‘weissstirnig’ (vgl.
Bezzenberger in seinen Beitr. 16, 246. Froehde ebenda 3, 290).
7. Abd. stiura.
Ahd. stiura, mhd. stiure f.t) ‘steuerruder’ und ‘steuer, ab-
gabe’ ist ursprünglich, wie anerkannt, ‘pfahl, stab, stütze’ (w.
st(h)eu- ‘stehen’), so z. b. in ahd. glossen als übersetzung von
‘baculum, fuleimen’; (ga-)stiuren ‘fuleire, sustentare’. Die bedeu-
tung ‘abgabe’ wird aus ‘stütze’ abgeleitet, indem dieses in ab-
stractem sinne als ‘unterstützung’ gefasst worden sei. Die ent-
wicklung der bedeutung von ‘stütze’ zu ‘abgabe’ ist indes m.
e. nicht eine unmittelbare ideenverbindung, sondern beruht auf
folgender zwischenstufe: lat. stips ‘geldbeitrag, spende, gebühr’
und stipes ‘pfahl, stock’ werden im mlat. durcheinander ge-
worfen, vgl. Du Cange-Favre 7,600 a. b. Diefenbach, Gloss. s.
‘stipes’ und ‘stips’”. Ahd. gl. 1, 252,5.6: stipis elimosina sliura
alamosä, ebenda 8.9: stipendia munera stiura meta. Stiura ist
eine wörtliche übersetzung von ‘stipes’, wie von ‘baculum, ful-
cimen’, und tritt, da ‘stipes’ — ‘pfahl’ zugleich für ‘stips’ =
‘geldbeitrag’ galt, auch für das letztere und ebenso für das
davon abgeleitete ‘stipendium’ ein.
8. Ahd. swirön. Mlat. adhramire.
Das verhältnis von ahd. swirön ‘firmare, den besitz eines
grundstückes bestätigen durch einen symbolischen act als wider-
holung und vollendung der tradition’ (Schade 917) zu mhd. swir,
schweiz. schwirren ‘pfahl’, ags. swer ‘columna’ (Fick, BB. 2, 341.
Bugge ebenda 3, 110 ff.) erklärt sich aus dem gebrauch des szabes
bei der traditio. Eine verwantschaft mit got. swaran ‘schwören’
(Grimm, RA.115) ist nicht anzunehmen.
Auf dieselbe weise ergibt sich mlat. ad(c)hramire, adframire,
1) Ags. sidor, ahd. auch stior-ruodar, Sievers, Beitr. 18, 415; an. styri.
ale) EHRISMANN
achramnire, afranz. a(r)ramir ‘festmachen, gerichtlich zusichern,
zusagen, bestimmen’ (Schade 422. Graff 2, 504. Grimm, RA. 123,
844; Kl. schr. 8, 260. Müllenhoff bei Waitz, Das alte recht der
sal. Franken 276 f. Michelsen, Ueber die festuca notata 16. Schrö-
der, D. rechtsgesch. 57, anm. 46) aus ahd. (k)rama ‘säule, stütze’,
das begrifflich mit ‘stab’ gleich ist; vgl. adramire stabön (Müllen-
hoff a.a.o.), per festucam adhramire (Michelsen a.a.o... Wenn
got. hramjan ‘oravooon’, woran kein zweifel ist, mit recht zu
ahd. (h)rama gezogen wird, vgl. Kluge s. ‘rahmen’ (kramjan von
*hram- ‘pfahl’ wie gr. sravpom von otaveoc), dann ist J. Grimms
zusammenstellung von adhramire und hramjan in formaler hin-
sicht gerechtfertigt, aber begrifflich kann das fränk.-mlat. wort
nicht direct in ununterbrochener ideenverbindung aus der goti-
schen bedeutung abgeleitet sein. Dass dem adhramire ein sym-
bolischer rechtsact zu grunde liegt, wie er oben nachzuweisen
versucht wurde, deutet Müllenhoff a.a.o. an: ‘jedenfalls ist achra-
mire ein terminus und zwar von sinnlicher bedeutung, der noch
auf irgend einer symbolischen handlung beruht.’ — Deutsch
anberaumen, zu mhd. berämen, ahd. rämen, ist wegen des anlauts
mit adhramire nicht zu vereinigen.
9. Mhd. dopfe, topfen.
Mhd. nhd. dopfe, topfen *quark’, d.i. ‘die feste substanz von
saurer milch’ (Schmeller-Fr. 1,615. DWb. 2, 1259) ist abzuleiten
von der in gr. orupo ‘zusammenziehen, dichtmachen’ auftreten-
den w. s-iuep-. Dass diese bewegliches anlauts-s hatte, geht
aus der variation /ueg-, Iueng- in gr. oarro und ags. bwinzan
‘zwingen’ (— ‘zusammenziehen, zusammendrücken’) hervor (vgl.
Prellwitz, Et. wb. d. griech. spr. s. ‘sarro’). Dopfe, aus *tubhn-
zu stamm *tubhen- ist die zusammengezogene, geronnene sub-
stanz der milch (vgl. Grimm, GDS. 1007 f.). Zur bedeutungs-
entwicklung vgl. lat. coagulum zu cogo; ir. gruth ‘geronnene
milch, quark’ zu ags. crüdan ‘drängen’, engl. curd, me. crud
‘quark’ (Fick 2*, 119); gr.yaAa Tgegpeıv ‘die milch gerinnen lassen’,
eigentl. ‘fest, dicht werden lassen’, $g0ußog ‘geronnene masse,
auch von der milch’, toogaAig ‘das geronnene, frisch gemachter
käse’,
ETYMOLOGIEN. 59
10. Ahd. top/, kreisel.
Ahd. topf, topfo, tof, mhd. topf, topfe!) ‘topf, kreisel’ ist
gleichen stammes wie ahd. (ga-)iubili, mhd. tübel, bair. düpel
(Schmeller-Fr. 1, 529), mnd. dovel, nl. deuvik, engl. dowel ‘döbel,
pflock’2): der kreisel ist ursprünglich ein kleiner, zugespitzter
pflock, vgl. mhd. zo/ ‘cylinderförmiges stück holz, klotz’, auch
‘ein spielzeug’, nl. to/ ‘kreisel’ (102 j. dop ‘trochus, troperillus,
turbo’ Hoffmann, Gloss. belg., Hor. belg. 72, 110), ahd. zeilo
*turbo’ Ahd. gl. 2,660, 3, ist offenbar ein schreibfehler für z0llo;
tirol. dözn ‘kurzer dicker holzschuhnagel’ und ‘kreisel’ (Schöpf
87), sonst ‘kugel’ wie bair. dotz, andötschen (Schmeller-Fr. 1, 558),
— dem mhd. in den wörterbüchern fehlenden totz, einer variante
zu klöze im Cato ed. Zarncke S.32 (zu v. 95.96), aus *dockeze
zu docke ‘walzenförmiges stück holz, zapfen’ (DWb. 2, 1211);
dazu auch schweiz. tüsi ‘ein abgeschnittenes oder abgesägtes
stück holz’ (Schild, Beitr. 18,323 anm. 2).?) Aehnlich ist auch
düpel selbst ein kinderspielzeug (den düpel schlagen Schmeller-
Fr. 1,529); und schliesslich sei noch auf schweiz. horniggle ver-
wiesen, ein spiel, ‘wobei ein kleiner pflock emporgeschnellt wird’
bez. ‘wobei eine kugel auf dem erdboden mit stecken getrieben
wird’ (Schweiz. id. 1, 151—153), von nickel ‘zugespitzter stecken,
pflock’, sowie auf Edw. Schröders reichhaltige anmerkung zu In-
golds Gold. spiel 74, 26.
Mit iopf zusammengesetzt ist /opfeben, von einem platze,
der so eben ist, dass ein kreisel sich gut darauf drehen kann.
1) Ags. engl. {op hat das anlautende / wol durch verwechslung mit
iop ‘spitze’ bekommen.
%2) Dasselbe mit nasal. wurzel ist schwed. dymbel ‘nagel, dünner
runder holzpflock’ (Rietz 108), dymmel in dymmelvecka (Tamm, Et. svensk
ordb. 111), an. dymbildagar, dymbildaga-vika ‘charwoche’, genauer don-
nerstag, freitag und samstag vor ostern, so genannt nach dem dymbil,
dem holzschlegel (‘a wooden tongue’, Cleasby-Vigf. s. v., ‘en träkläpp’,
Tamm a.a.o.), der in der charwoche an die stelle der glocken tritt, vgl.
F.H.Schmid, Kultus der christkathol. kirche 2,504: ‘nach dem gloria der
donnerstagsmesse bis zum gloria der osternachtsmesse vertreten hölzerne
rätschen, die man dreht, hölzerne kläpperlein auf die man klopft’ [mhd.
schnatertafel, Schröder, Ingolds Gold. spiel 68,3], ‘oder überhaupt ein holz
mit dem man lärm macht, die stelle der glocken und schellen.’” Anders
Kluge, Pauls Grundr. 1, 785. 3) Schwed. docka ‘kleiner pfahl’,
Tamm, Ordb. 93, wozu noch an. dock, docka ‘a windlass’,
60 EHRISMANN
Die etymologie von tübel s. bei Fick, BB. 12, 162 und Vergl.
wb. 1%, 466 f.
11. Ahd. dola röhre.
Ahd. dola ‘röhre, abzugskanal, dole’ steht im ablaut zu
gr. 00Anv ‘rinne, röhre, kanal’ — *tuölen, und zu aind. tünas
‘köcher’, fünavas 'flöte’, ksl. tulü ‘köcher’, nsl. tuljava ‘rohr am
giessschaff’ (zu aind. (ünas — ksl. tulü vgl. Bartholomae, IF.3,
186 f.). Der köcher ist, ebenso wie die flöte, ein röhrenförmiger
gegenstand. So ist gr. oügıy& ‘jede röhre’, auch ‘speerbehälter’
und ‘flöte’ (Bezzenberger in seinen Beitr. 13, 299). ‘Röhre’ und
der davon abgeleitete begriff ‘flöte’ sind ferner vereinigt in aind.
nädi (Fröhde, BB. 3, 131), in gr. @vAog und in lat. fstula (Bugge,
BB. 3, 97); vgl. auch aind. sushiras ‘hohl’, *höhlung', ' blasinstru-
ment’; nl. pipe ‘pfeife’, auch ‘röhre, wasserleitungsröhre’, Som-
mer zu Flore 2021. Nd. jahrb. 19, 31. afranz. trompe, ahd. and.
trumba ‘posaune’, it. tromba ‘wasserröhre’, Mackel, Die germ.
elemente in der franz. u. prov. sprache s. 24.
12. Ags. dolz wunde.
Ags. dolz, dolh, afries. dolg, dol(i)ch, dulg, dul(i)ch, ahd. tolc,
mnd. do/k ‘wunde, schmarre’, afries. und mnd. auch ‘verwun-
dung’ führt mit mundartlichem, hess.-nassauischen dalgen, talken
‘prügeln’ (DWb. 11,100. Vilmar 65. Kehrein 1,401) auf eine in-
dog. w. dhelgh- (oder dhelk-) ‘schlagen’. Dieses ist eine wechsel-
form zu w. dhelbh- ‘graben’ |‘einschneiden, einschlagen’], vgl.
Fick 14, 464, in ags. delfan, ahd. (bi-)telpan, mhd. telben ‘graben’,
schweiz. tülpen ‘schlagen, prügeln’ (DWb. 2, 1509. Diefenbach-
Wülcker, Hoch- u. nd. wb. 374. 878), nd. dölben ‘schlagen’, tirol.
dalfer ‘ohrfeige, schlag auf den kopf’, wozu auch das von Lexer
aus Langensteins Martina belegte aber nicht erklärte zolben (er
wil si minne tolben = ‘er will ihnen die minne einbläuen’). Die
begriffe ‘(ein)schneiden, (ein)graben’ finden sich auch sonst inner-
balb ein und derselben wurzel nebeneinander, z. b. gr. xoAarto,
lat. scalpo, sculpo neben gr. xoAagog ‘ohrfeige’, lit. kalti “schmie-
den, mit dem hammer oder der axt schlagen’; w. bAher- “mit
einem scharfen instrument bearbeiten, schneiden etc.’ und lat.
ferio, an. berja ‘schlagen’ (Persson, Wurzelerw. 18 f. 104); w.
s-ger- (Persson 29, 167); w. sik- (Prusik, KZ. 33, 157).
ETYMOLOGIEN. 61
Ags. dolz u.s.w. ist also zunächst eigentlich ‘schlag’, dann
‘eine durch einen schlag hervorgebrachte verletzung’ mit dem
metonymischen bedeutungswandel von der handlung des schla-
gens zu der daraus sich ergebenden beschädigung wie bei ‘hieb’,
'stich’, ‘schnitt’, ‘dutz’ (‘stoss und beule‘, DWb. 2, 1773); mhd. schröt
(‘hieb, schnitt, wunde’); mhd. büsch (‘knüttel’, ‘schlag der beulen
gibt’, ‘wulst, bausch’, vgl. KZ. 31, 281); mhd. kraz (‘einmaliges
kratzen’ und ‘dadurch entstandene wunde’), ags. ben ‘wunde’ zu
w. bhen ‘schlagen’, u.a. — Die in 1b. gemachte unterscheidung
zwischen tolc und wunta: ulcus suo sponte nascilur tolc. Uulnus
ferro fit et dicitur uunta Ahd.gl.1,295, 8--10 (vgl. Isidor, Or. 4,
8,19), ist rein willkürlich: 7olc gilt auch für wunden, die durch
äussere umstände veranlasst sind, es wird damit z. b. auch ‘livor’
übersetzt, ags. dolzbot (Schmid, Gesetze d. Angelsachsen, ÄBlfr. 23
82) ist busse für verletzung durch hundsbiss, ags. dolzian, afries.
doiga ist ‘vulnerare’ und ags. dolhslege ‘a wounding blow’, dazu
vgl. noch die afries. compositionen bei Richthofen unter ‘dolch’.,
13. Obd. dollfuss und verwantes.
Obd.dollfuss, dolschenkel ‘angeschwollener fuss bez. schenkel’,
dölsch, dölschicht ‘geschwollen’, dölsche ‘geschwulst’ (DWb, 2,
1228. 1233. Schmeller-Fr. 1,501. Schöpf 86; im schwäb. ist doll-
fuss zum ‘stelzfuss’ geworden, Schmid 132. Birlinger, Schwäb.-
augsburg. wb. 119; mhd. folvuoz ‘vatrax, vatricosus’) — zu gr.
tuAn, ToAog ‘jeder wulst, wulstige erhöhung, schwiele, aufgeschwol-
lene baut’, w. teu- ‘schwellen. Mundartlich gehen noch ablei-
tungen wie tölzel, dülzel ‘beule, geschwulst’ (Vilmar 413), verb.
dolzen ‘schmerzen bei eiterung in folge von quetschung’ (Schöpf
86), schwäb. wochentölpel ‘geschwulst, die eine woche dauert”.
Eine andere zur w. ieu- gehörige bezeichnung für ‘beule,
geschwulst’ ist obd. düppel, dippel (DWb.2,1199.1567. Schmeller-
Fr. 1,529. Lexer, Kärnt. wb. 77. Schöpf 95), zur wurzelvariation
teubh- [teub-], Persson, Wurzelerw.55, lat.’über; da das deutsche
wort nur auf eine w. teu- + labialsuffix zurückgehen kann, so
gewinnt die nämliche voraussetzung Perssons für lat. iuber an
wahrscheinlichkeit gegenüber der annahme, dass dieses aus
*umr- zu tumor entstanden sei; zu letzterer vgl. jetzt besonders
Osthoff, MU. 5, 85. 86.88 f. 111. 120.
Gr. tvRoc bezeichnet auch ‘einen hölzernen pflock oder nagel',
62 EHRISMANN
— dazu tUAapogs —= uavdarog ‘türriegel’ —, womit im germ.
in der bedeutung übereinkommen an bollr ‘balken, hölzerner
pflock’ und ‘ruderpflock, dolle’, welch letzterer sinn in den neueren
germ. sprachen allgemein ist, dän. to/, ags. boll (doll ‘scalmus',
Wright-Wülker, Voe. 1, 289, 9), engl. thole, thow!, nl. dol, deutsch
dolle, dule (DWb. 2, 1227.1509. Diefenbach-Wülcker 356. Nd.
korrespondenzblatt 17, 13), dazu die lehnwörter finn. tuwlla, lit.
tulis, dıles, dullai, franz. zolet, toulet; im tirol. ist {w! ‘stumpfer
nagel’. Zu der einschränkung des begriffes ‘pflock’ auf ‘dolle’
vgl. Lid&n, Uppsalastudier 89; vgl. auch preuss. kalmus ‘stock,
gr. oxaAuog ‘pflock, dolle’. Eine collectivbildung zu germ. *Dulaz
ist m. e. mbhd. daz tülle 'pfahlwerk, zaun von brettern oder palli-
saden’, mit anlautendem ? wie füsent, tiuisch, täht u.a. — Ob
tvRos ‘pfloek’ und TvAog ‘wulst’ ursprünglich identisch sind
(Prellwitz 8. tvAn), ist fraglich, da die die bedeutungsverschie-
bung vermittelnden zwischenglieder fehlen; ein ähnliches ver-
hältnis besteht zwischen mnl. konk ‘pfahl’ und fläm. hunke, engl.
hunch ‘buckel, höcker’, vgl. Liden a.a.o. Jedenfalls sind die
im DWb. 2, 1226 f. unter no.1—8 zusammengestellten wörter von
‘dolle’ zu trennen, ebenso wahrscheinlich auch mhd. fülle ‘röhre'.
14. Deutsch schnurren.
Nach Lenz, Der Handschuhsheimer dialekt, nachtrag s.17 nennt
man narr, narren solche blumenkohlpflanzen oder zwetschgen,
welche im wachstum teilweise oder ganz zurückgeblieben, daher
meist hohl und zusammengeschrumpft sind,!) dazu bair. ernarren
‘stumpf, starr, empfindungslos werden’ (Schmeller-Fr. 1, 1754).
Narr, ernarren stehen im ablaut zu nhd. schnurren, schnorren
== 'zusammenschnurren, zusammenschrumpfen’, welches ein von
dem ein geräusch bezeichnenden schnurren etymologisch ganz ver-
schiedenes wort ist. Ernarren, schnurren sind, wie ags. sneorcan,
ahd. (in-, pi-)snerahan, snerfan ‘zusammenziehen’, mhd. snerfen
bes. ‘einschnurren’, an. snerkja ‘runzeln’, schwed. snurken (Jo-
hansson, Beitr. 14, 329), norweg. snerpa ‘eintrocknen, zusammen-
schrumpfen’ (Fick, BB.5,173) u.a. Ableitungen der w. s-ner-
‘drehen’ (Fick 1, 503.575. Persson, Wurzelerw. 63), und zwar
1) Auch schweiz. narr ‘kleine frucht, bes. von kleinen zwetschgen',
Beitr. 18, 370.
ETYMOLOGIEN. 63
wahrscheinlich aus einer wurzelerweiterung s-ner-s, ähnlich wie
marzjan, abd. merren zu w. mer-s. ‘Narr’, ahd. narro, mhd.
narre, und snürrinc schliessen sich an eine andere sippe an
(Persson, Wurzelerw. 32). Zur bedeutungsentwicklung von narr
zu ‘zusammengeschrumpftem kohl, obst’ vgl. das verhältnis von
gr. xoaußos ‘ein fehler des obstes, wenn es vor der reife ein-
schrumpft’, zu deutsch schrumpfen, engl. shrink, bei Prellwitz,
Et. wb. d. gr. spr. s. ‘xoaußog’, von w. s-g(e)remb und s-g(e)reng-,
erweiterungen zu w. s-ger- ‘drehen, krümmen.
15. Ags. sceolu schaar.
Ags. scealu, sceolu, engl.shoal, a8. scola ‘schaar’ — zu aind.
külam, ksl. koleno ‘familie, gemeinde’, gr. r&Aog ‘schaar’ u.a.
bei Fick 1*,26.386 f, wozu auch lat. celeber ‘volkreich, zahl-
reich’ aus *celes-ro-. Mit der einreihung von scealu in diese
indog. sippe ist wol die ableitung von w. s-gel- im sinne von
‘spalten’ aufzugeben (Persson, Wurzelerw. 107, anm.6) und scealu
zu verbinden mit aind. carami ‘sich bewegen’, gr. nEio, n&louaı
‘sich bewegen, sich an einem orte aufhalten, befinden, sein’,
wozu Prellwitz gr. reAog, aind. kulam u.s. w: stellt.
16. Md. häl trocken.
Md. nd. häl, hel, nl. haal ‘trocken, dürr, mager’ (DWb.4,
2,159, Schmeller-Fr. 1,1082. Franck 327, u.a.) hat eine neben-
form mit anlautendem s: schal ‘trocken, dürr, leck’ (DWb,S,
2056), schwed. skäll ‘mager’ (vom acker, von der erde, Rietz 614,
wie haal auch in der Pfalz vom boden gesagt wird, s. Lenz,
Handschuhsheimer dialekt, nachtrag s.8). Die bedeutung stimmt
genau zu gr. 0xEAiom, Eoxnia ‘trocken, dürr, mager machen’,
6xAngog "trocken, dürr, mager’ (y7, Aesch. Pers. 311), oxeAupgog
‘trocken, dürr, hager’, 0xAnpoos ‘schmächtig’, w. s-kel-, s-klE-,
während lat. calor, mit dem Franck a.a.o. haal zusammenstellt,
im sinne weiter abliegt, aber doch verwant sein kann.
Zu häl stellen Schmeller und das DWb. a.a.o. mbd. hellec,
mundartl. obd. hellig ‘abgezehrt, abgemattet, müde, mit blödem
magen, hungrig und durstig’, welche bedeutung wol eine spe-
cialisierung aus der von Ahädl sein kann, vgl. bes. H. Sachs: das
elend hat sie gemachet hager, ungstallt, hellich, dürr und mager.
Eine solche findet dann auch statt in mhd. re ‘schwach, matt’,
64 EHRISMANN
wozu hellhungrig (Schmeller a.a.o.), an. helgradr ‘voracity'.
Neben Ahöl gehen formen mit anlautendem s: schwed. skäll
‘dünn, schwach, klein’, me. scheald ‘tenuis, depressus, bassus’,
engl. shallom ‘seicht, untief; schwach, matt (a. sh. sound)’.1) In-
dessen liegt es auch nahe, die mit s beginnenden wörter, also
skäl u.8.w., und somit indirect auch Ahellig, hel mit alban.
hote ‘dünn, fein, zart’ (Persson, KZ. 33, 235) zu verbinden. —
Von dem zu hellig gehörenden verb (be-)helligen ist zu trennen
helken ‘necken, foppen’ (DWb. 4, 2, 961.974), schweiz. heichen,
helken, nach dem Schweiz. id. 2,1173 so viel wie ‘mit worten
necken, hänseln, foppen, reizen, sticheln’, ‘plagen, von körper-
lichen schmerzen’, ‘einen zur pflicht antreiben’, verwunden, ins-
bes. ritzen, von dornen, nadeln, nägeln’ (heichen, schlan oder
stossen), welche bedeutungen sich auf den grundbegriff ‘stechen’
zurückführen lassen, wonach das verb mit ksl. Akoljg ‘stechen’
zusammen zu der von Persson, KZ. 33, 284—290 behandelten w.
gel-, bez. zu deren weiterbildnng s-gelg- (ebda.290) gehört.
17. Mnl. sporkel februar.
Mnl. sporkel m., mfr. nfr. westfäl. sporkel, spörkel, spurkel,
spürkel m.f. 'februar‘, nl. sprokkelmaand, vgl. Weinhold, Deutsche |
monatsnamen 56f. J. Grimm, GDS. 84—91. Franck, Et. wb.
947. Kisch, Beitr. 17, 365. 366 f. — Gegenüber den erklärungen
von J. Grimm (aus lat. spurcalia) und Weinhold (die springende, .
berstende, d. i. die winterdecke durchbrechende, also die kraft
des sich regenden lenzes, zu nl. nd. sprock ‘springend, brechbar,
spröde’) scheint folgende etymologie den vorzug zu verdienen:
sporkel u.8.w. ist eine ableitung (-al, -i, -w) zu lit. spüurgas
‘pflanzenauge, spross’, gr. aonapayog ‘der erste pflanzenkeim,
ehe die blätter sich entwickeln’, zend. cparegha ‘sprosse’, vgl.
Fick 1,149.337.573. Bezzenbeıger in seinen Beitr.17,214. Spiegel,
KZ.5,393f. Leskien, Bildung d.nomina 39[189]. Persson, Wurzel-
erw. 128.169. Sporkel, februar, ist der monat, in welchem die
1) Ob deutsch schal ‘matt, kraftlos, fad’ hierher gehört oder, mit
mhd. schal ‘trübe’, schaln, verschaln ‘trübe werden’ identisch, auf den
grundbegriff ‘trübe’ zurückgeht, ist kaum zu entscheiden. Schal ‘trübe’
stelle ich zu ksl. kali ‘kot, schmutz’, nslov. kaliti ‘trüben’ und den bei
Fick 1*, 26. 378 angeführten wörtern. Verwantschaft mit gr. 0x0%7 (Franck,
Et. wb. 8. ‘schelm’) ist nicht wahrscheinlich.
ETYMOLOGIEN. 65
bäume und sträucher die ersten keime und ansätze treiben.!) Einen
ähnlichen metonymischen bedeutungswandel hat das ebenfalls
auf die w. sp(h)ereg- zurückgehende engl. spring ‘the time, when
young shoots spring’ durchgemacht.
1) Auch im februar wird der winter ausgetrieben, vgl. Zs. fda.
25,315.
HEIDELBERG. GUSTAV EHRISMANN.
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 5
TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN.
1. Zur Krone Heinrichs von dem Türlin.
Den verdorbenen und ungenügend herausgegebenen text
hat Singer, Zs. fda. 38, 250—269 in einer menge von fällen
richtig gestellt. Eine erneute lectüre des gedichtes hat mir
noch eine anzahl von besserungsvorschlägen ergeben. An einer
reihe von stellen bin ich von den conjecturen Singers ab-
gewichen, was in jedem einzelnen falle zu bemerken ich jedoch
unterlassen habe.
47 power (P.) ‘arm’. — 92 für toubem (P und Scholl, toben-
dem V, tobem Singer) spricht touben koln 104: ein feuer, das
brennt, aber nicht leuchtet; vgl. Barlaam (Pfeiffer) 348, 26 f.
des kleinen liehtes kleinen blic erleschen unde betouben. —
129 Ziugei (Singer Zöuget) ‘legt zeugnis ab, beweist’, wie 109.
132—136 Diu (lön 131 ist neutr.) ziehent näch der werlde kröne:
Der sol man einez fliehen Und zuo dem andern ziehen, Daz im
(V) daz werde bereit. Daz was min site von kintheit u.8. w.;
man mit darauf bezüglichem pron. pers. (im) s. Haupt zu Erec?
5238. Lambel zum Steinbuch 346. — 476—489 Artus sendet die
boten in seine länder zu den Zuntväürsten ("vasallen’, vgl. bes.
Seemüller, zu S. Helbling 1, 898. 2,419 u.ö. Kröne 3216 f. 5455.
22492), die garzune anderthalben, d.b. in fremde, unabhängige
länder; 486 ist mit Scholl die lesart von ? diu lant beizubehalten.
Für diese auffassung — Singer nimmt das umgekehrte verhältnis
an — spricht der gegensatz lantvrürsten — anderthalben. —
743—46 interpunction: Vier gelate scharroten Brähten Artüses
boten Üf den anger, von lanzen, Grözen unde ganzen u.8. W.;
geladen von belegen das Mhd. wb. und Lexer aus Wigamur,
dazu Warnatsch, Mantel s. 100; vgl. vol von, leere von, Haupt zu
Erec? 7122; vol gestözen von 8. unten zu 17704. — 834 f. inter-
TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 67
punction: Ziner jeite, der ander vlöch, Disen der her wider
zoumet (oder nach V: Der disen wider zoumet); ähnlich 12120
Dirre disen hin swanc. — 880 1. Jemer. — 948 ranc (ranch V)
ist in den mhd. wörterbüchern nicht belegt, aber offenbar —
dem jetzigen bair. rank ‘schmal, dünn, schlank’, Schmeller-Fr.
2,122; zu den etymol. verwanten s. bes. Franck, Etym.woordenb.
unter rank (2). — 9i6 isvar (P) ist doch wol das ursprüng-
lichere, nicht isenvar (V und Singer), gemäss isgrä 965; vgl. auch
14169. — 983—986 interpunction: Näch einer merphossen (so
Singer) Was ez vor salel gelän; Höch sam ein castelän Hinden,
als ein delphin: hinter dem sattel war das ross hoch, wie die
misgestalt 19836 f. ez was hinden satels höch, dar gein was ez
nider vor.
1336 verreit (V) zu verriden ‘abwenden’; riden auch 14303.
14630. 19665, entriden 24892. 27300. — 1496 f. Und sol niht
mit der rahen In stundelichen wider slahen, vgl. 78 und hät
in schiere wider geslagen; zu stundelichen vgl. Beitr. 18, 216 f.
— 1560 das richtige hat V: Wan (oder niwan gemäss P) ir
schöz naz, nach 1559 komma statt strichpunkt. — 1574 mit
alle nach V. — 1699 zu ze väre (ze vorn Singer) vgl. 1944,
28025. — 1715 dä vor. — 1830 f. in klammer, tilge komma
nach 1830 und punkt nach 1831. |
2109 ]. unkünde ‘unbekannte gegend”. — 2135 statt niht
enbern 1. lihte enbern; 2136 lambarie hat schon das Mhd. wb. 1,
930® richtig —= lampride erklärt, demnach ist auch ster der
fisch stör, sturio, wie das Mhd. wb.2, 2, 619® und Lexer angeben;
interpunction von 2134—37 wie bei Scholl. — In 2175—78
sowie 1559. 2665 f. und 2680 f. hatte schon Hahn die bessere
interpunction gegeben (Wolf, Ueber die lais 378 ff.); 2177 ist
entweder mit Singer zu lesen Künt ir baz siechen laben oder,
unter verschmelzung des textes von V und P, Aünt ir baz iuch
siechen laben,;, 2116—78 sind wol, wie 2173—75, eine anspie-
lung auf Erecs abenteuer, nämlich auf die tollkühne gering-
schätzung seiner verwundung, — 2255 Dupple (P) ist so viel
wie franz. double ‘platierung mit silber oder gold, oder mischung
von gold und andern metallen, unechtes gold’, also etwa gleich-
bedeutend mit dem nachher genannten contrafeit, hier demnach
ein unedles metall, überzogen (vermacht, 2254) mit einer gold-
schicht, vgl. bes. Roethe zu Reinmar v. Zweter 81,1. Germ. 33,
5*
68 EHRISMANN
376 f. — 2481 kost V, kuorent P, 1. kort. — 2037 ff. Müllenhoffs
ansicht über diese stelle und einzelbesserungen s. bei Niedner,
Das deutsche turnier 16—18. V liest anders als Singer angibt,
die Österherren fehlen hier überhaupt gänzlich. Es scheint mir
doch am wahrscheinlichsten, dass diese verse von Heinrich
selbst verfasst und dass unter Österherren die ritter aus Österreich
zu verstehen sind. Während in 2968—70 einige entfernter
liegende landschaften nur flüchtig aufgezählt werden, wird von
den Baiern und Friaulern ein specieller zug berichtet; zwischen
diese hinein, 2980, stellt der dichter seine landsleute (hie ze
lande),. und Kärnten passt örtlich gut in die nachbarschaft von
Baiern und Friaul. Schon der umstand, dass auf das entlegene
Friaul überhaupt im einzelnen eingegangen wird, zeigt ein in-
teresse für diese gegend, welches wol bei einem manne aus
Kärnten, dessen ritterschaft mit der von Friaul in regem ver-
kehr stand (man denke an Ulrichs v. Lichtenstein brief, ge-
richtet an die ritter, die ze Langparten und ze Friül und ze
Kernden u.8.w. gesezzen sint, Ulr. v. Lichtenstein 162, 22—25)
eher begreiflich ist als bei einem vom Sande. Die herren vome
Sande sind hereingebracht aus Wigalois 8422—33 (Niedner
2.2.0... Dass Denemarke 2945 hier nicht am platz ist, hat
schon Müllenhoff (s. Niedner a.a. 0.) ausgesprochen; einen sinn
gäbe Wan die von der Marke, wobei die Mark = Steiermark
(vgl. Haupt zu Neidhart 102,32). V hat, wie schon Diemer (Kl.
beiträge, Wiener SB. 11,249) vermutete, die stelle wahrschein-
lich absichtlich weggelassen.
Nach 3024 punkt; 3025 N läzen schenkel vliegen! — 3073
Unz (V). — 3082. 83 umstellen; 3082 Der —= daz er. — 3323
Wart von dem starken sliere: slier ‘schlamm’; das wild ist
in die gewate, 3315 und 19, ‘lache’ (vgl. Bech, Germ. 24, 142)
eingebrochen. — 3581 müez ez (d.i. sin geverte). — 3753 Smwie. —
3759 erchenr V, merckener P, 1. erkomener ‘erschrocken’. — 3889
Zuo sö ritterlichen schanzen; der unreine reim geslanden :
schanzen ist, zumal bei einem fremdwort, dem dichter wol zu-
zutrauen; schanze auch 10813. — 3923 Ich erbiut ez iu sö wol
(erbeitez ivch V). — 3960 mit iuwern (V) wehen (wehen P) spein.
4003 Gegenüber Singer’s erklärung von wende = ‘schande’
ist zu verweisen auf Müllenhoff, Zs. fda. 11,268 f. und die daselbst
angegebenen eitate. — 4013 Ald daz ez schiere teite; teile =
TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 69
tagete auch 13138. — 4255 Vil garbe V (fehlt P) meint wol
einfach vil gar w£, im ursprünglichen text wol nur gar we; mE
von vrost, sneE auch 3344. 4328. 5370. 5377. — 4342 Smwaz de-
heiner unwirdet —= unmwerl ist, was einem weib unangenehm
ist, worüber sie ärgerlich ist; zu unwert ete. vgl. Bech, Germ. 8,
472f. — 4438 das schwierige volde V, wuld P hat schon Lexer
8. wulde mit den varianten zu Freidank 92, 9 /ullende, wulenden,
wulleden u.s. w. zusammengestellt. Es ist wol zu lesen vflde,
== vüllede, vülende, substantiviertes part. praes., oder eine direct
zu vül gebildete dentalableitung; weiterbildungen von väl, faul
sind in volkstümlicher rede häufig, vgl. bes. das Schweiz. id. 1,
790 ff., z. b. /ulät ‘fauler mensch, faulpelz’ (vielleicht = fülaht?).
Letztere bedeutung passt bes. an der obigen stelle im Freidank
besser (der vülde im gegensatz zu än arebeit 92,7) als ‘zage,
feigling’ (John Meier zu Iolande 5032). Dieses vAlde ist also
etymologisch zu trennen von falten, wozu es J. Meier stellt. —
4549 komma nach mir; der sinn von 4546—49 ist: ‘ihr erreicht
mit der frage nichts weiter, das wisset, wie sehr ihr euch auch
bemüht, glaubt mir, mit leichtfertigem gerede (mit lihter sage);'
dann punkt, wie Scholl hat. — 4952 1. Des hät si lange wilen
vor Sö vol enzündet Amor (oder enzendet wegen endet in V);
die var. enzundte es P, endet ez V entstand wol dadurch, dass
das original enzundz; (enzend;) hatte mit der abkürzung 3 = et,
welche für ez gelesen wurde.
5321 u/ ein wege V, uf einen wec P, 1. öfm wege; die hss.
haben öfter ein oder einen, einem statt angehängtem m = dem,
z.b. 2968. 6236. 9485. 9492. 9894. 11486; vgl. auch die ände-
rung Singers zu 15304. — 5788 f. Do begunde er in verwäzen
Denne er € tet verre baz;, zur stellung vgl. 15554 f. — 5791
näher strichen: mit unrecht wird näher von Singer bezweifelt,
vgl. zu diesem näher die reichlichen belege von Bech, Germ. 17,
294—96, und jetzt auch Zs. fdph. 27,45. Der gebrauch hat sich
noch mundartlich im schwäb. erhalten, wo z.b. geh näre so viel
ist als ‘geh weiter, geh weg’, vgl. Birlinger, So sprechen die
Schwaben s. 136. Zur erklärung des auffallenden bedeutungs-
wandels geht Bech von ndch ‘post, pone, post tergum’ aus, Wo-
nach näher so viel wäre als ‘hinter, weiter nach hinten, mehr
zurück, beiseit, fort, weg’. Aber als comparativ zu ndch würde
man nächer erwarten statt näher. Zieht man die scheinbar
70 EHRISMANN
sinnwidrigen volkstümlichen redensarten ‘komm doch weiter
her, rück doch weiter her’ u. dgl. in betracht, so wird man
in näher wirklich den comparativ zu nähe schen müssen. Die
ursprünglich materiellen bedeutungen von näher, weiter, die
richtung zum redenden hin bez. von ibın weg bezeichnend, sind
abgeblasst und dann ganz geschwunden, geblieben ist nur der
comparative begriff der relativen entfernung. Der sinn des ent-
fernens (oder näherns) wurde ursprünglich genügend durch das
verb bezeichnet (näher strichen, wichen, triben, nemen)
oder durch adverbien bez. präpositionen (hin näher von....),
was gelegentlich durch eine begleitende gebärde verdeutlicht
wurde — 5930 es ist fraglich, ob mit Singer ein schwaches
verbum freiben anzusetzen ist; 5936 ist iriben, also das starke
verb, in derselben bedeutung durch den reim gesichert; treibet
beruht hier wol auf dem gerade im bair. belegten übergang
starker in schwache conj. im conj. prät., vgl. Weinhold, Mlıd.
gr.2 8424 8.460. Bair.gr. 8323. Schmeller, Die mundarten Bayerns
8 960. Schönbach, Zs. fda. 20, 187 f.
6149 I. Da (V). — 6478 Gämein sin kraft gevienc, so viel
als 6646 Sin kraft wider gewunne. — 6550 eigentlich gesweich
(versweich V), vgl. Singer zu 6630; umgekehrt gesweich für ge-
sweic 3555. — 6762 zufolge V: Dez entvon ich niht ist berzu-
stellen: Z&z entohtl in niht; entoht ist in enivon eutstellt, indem
ht als n gelesen wurde, vgl. die Hochzeit V 62 niuwen statt ni-
weht, Ed. Schröder, Anz. fda. 17,298. helfen wird von P statt
fugen eingesetzt auch 7748. 8024. 8154.
7630 ff. interpunction: nach 7631 komma, nach 7632 punkt,
nach 7635 doppelpunkt. — 7724 u. 26 das verbum, mas, ist
zweimal gesetzt: es ist das erste mal zu tilgen, vgl. unten zu
9577—79 u. 16323— 25. |
8028 statt sines 1. si des; komma nach pflac. — 8077.
mit V Swer stahel an blie ie gesleif; den stahl schleift man,
niclit blei. — 8413 die lesart von VP, und, das Singer in vand
ändert, widerspricht dem sinn nicht. — 8560 auch bier scheint
mir die correctur Singers nicht nötig: ‘sobald Gawein siete
sein wird wie bisher, so werden ihm Amurfina und das schwert
gewähr leisten.” — 8798 pover V, paumwer P, 1. pour: pour pärät
‘zum zeitvertreib, zur kurzweil, nach belieben’.
Nach 9124 komma, nach 9125 punkt. — 9160 daz un-
TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 71
kunder ‘das untier’, vgl. 19629. 28704. 28708. — 9163 Die
besserung Singers an den z&hen ist nur unbedeutend zu ändern
in zen z&hen (zesehen V, zuo an den zehen P). — 9164 illich V,
eislich P, 1. ellich, adv., = aäche ‘durchgängig’. — 9230 Wes
‘weswegen. — 9286 s. Jänicke zu Biterolf 6413. — 9401 statt
vil wirs 1. unwirs = unwirdesch ‘schandbar, hässlich. — 9577
—9579 Und sin swester vor im, Diu hüsvrouwe Behalim, Saz in
dem sal u.s.w.; zur tilgung des ersten saz in 9577 vgl. oben
71724. — 9790 1. rotsche (P).
10425 Von mir. — 10612 man erwartet bei /iu/ eine nähere
ergänzung, wohin das volk lief; desbalb wird doch wol an die
wer (Singer än) zu lesen sein: sie gehen nur an die brustwehr,
nicht vür daz tor (10592).
11002 f. wichen (so beide hss.): erblichen. — 11133 erber-
miclich P, hertzenleich V, 1. bermecliche, vgl. barmekeit 11229.
— 11205 vreiden “im übermut’. — 11290 gewehen (P) weist auf
geruochen; hatte der grundtext gervchen, so konnte rv leicht
als » und c als e verlesen werden. — 11346 leidechlichen V,
trostmuoticlichen P, letzteres führt auf vrasimuntliche ‘freimütig,
herzhaft. — 11724 gebaer V, berc P, 1. geberc, vgl. vrouwe
Minne und ir geberc 8416.
12548 Ze Karidöl unde az vgl. 16743, oder unde gaz;, das
ungeheuerliche Karidohrebaz entstand wol zunächst dadurch,
dass im urtext für und eine abkürzung, etwa 3 = lat. et, ge-
braucht war.!) — 12855 wider, das Scholl streichen will, ist
notwendig, vgl. auch 12930.
12898—13505 und 14116—725 sind in D erhalten, wodurch
die in P fehlenden reimverse (vgl. Reissenberger, Zur Krone 10 f.)
413111®. 13215*®. 13464 °®, 13500* (in die lücke in D ergänze state).
14156°. 14194 ®b, 14299, 14318° (14318 statt besühte D. 1. be-
süfte) ergänzt und einige stellen gebessert werden, nämlich 12990.
13248 (‘ohne einzuhalten’; tilge da in D). 13397. 13461 f. (wo-
nach Scholls interpunction zu ändern). 14190.14254. 14480. 14526.
14610 (l. wan er in kant). 14630—33.
13205 f. Gäwein der vermezzen Sprach: ‘ich wil’ u.8.w. —
13246 f. zeil (= zagel): geil; andere besserungsvorschläge machten
Scholl, Reissenberger und Weinhold (Reissenberger, Zur Krone
ı) [Wo gibt es aber eine solche in mhd. hss.? E. S.]
12 EHRISMANN
8. 7 anm.2). — 13327 doppelpunkt, 13328 komma; statt selege
l. mit D solch, vgl. Singer zu 15407. — 13410 u. 13 tilge die
klammern. — 13461 komma statt strichpunkt; er ist in 13462
zu streichen (D). — 13797 verhiezet. — 13810 statt Die beide
l. Die bet. — 13839 ze rehter diner & — 13896 näch statt
noch. — 13971 statt alrerst |. schierest.
14149 statt Zr vant (PD) 1. Zehant; 14151 Sach er. —
14211—13 Smwaz er iemer moht erstrichen Und jenem moht ent-
wichen, Daz tet er ime vliehen (vgl. Strickers Dan. 3387 f.). —
14315 schuorte P, schut D, 1. schurgte. — 14438 unden ist druck-
fehler, P hat fonden (D vunden). — 14668 komma statt punkt;
der sark kam herab an der stelle, wo er sein gebet verrichtete.
— 14722 punkt statt komma; 14723 f. 1. Dä gie Üf und ze tal
Vrumer ritter diu burc vol; zu dieser construction von vol vgl.
Haupt zu Erec? 2038. Lucae, Zs. fda. 30, 368. Zupitza zu Virginal
311,9. — 14767 Ab dem halse. — 14783 f. Uz dem sal sie wider
sigen, Dan(nen) sie wären gegangen.
15355 punkt oder strichpunkt. — 15420 statt Mit. Mir.
— 15430 ein sin kann bleiben, vgl. 18224. — 15681 mäze ist
wol so viel wie ‘'masswerk’, nn eine abgemessene figur, das
nämliche wie forme in der Erlösung 456 (wozu Bartsch in der
einleitung 8. IV).
16020 f. geschrei hat schon Bech, Germ. 7,494 in geschrä
gebessert, ebenso 16021 wäzen in rezen. — 16323—25 Und
doch beider reele Beidenthalben sint gelich Sunder schande tugent-
lich; vgl. oben zu 7724. — 16337 zem andern. — 16376 enburte
statt in burte. — 16382 1. schrä mit der hs. — 16468 tilge Und.
— 16471 komma, 16472 Diu in wart geboten an. — 16505
doppelpunkt statt punkt. — 16526 tilge er. — 16536 absatz,
— 16538 gevüer ist nicht zu ändern: Gigamecs nutzen (sin
gevüer) wurde es, dass Aamanz (er, 16539) von ihm (sin, 16539,
d.i. Gigamec) abgelenkt wurde. Die undeutlichkeit der stelle
beruht auf der verwendung der fürwörter statt der eigennamen,
einer gerade bei Heinrich v. d. Türlin öfter zu bemerkenden
stilistischen unart; so ist z.b. gleich darauf 16544 er der neu
hinzugekommene ritter Zedoech, 16545 ist in Aamanz und er
Gigamee; ähnlich in derselben episode 16673 ff., wozu Singers
bemerkung (zu 16678); ferner 5584 ff. 8884 ff. 11499 ff. 18839 ff.
21481 ff. — 16640 geuvmere (P) ändert Scholl in unmere, nahe
TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 13
liegt göumeere, das allerdings in den wörterbüchern nicht be-
legt, aber eine leicht begreifliche zusammensetzung ist: es be-
deutet ‘bäurische märe’, ‘yöumwische’, wie sie ein vilän führt.
‘Daz geu sind die bauern’, Seemüller zu S. Helbling 2, 93 (s. auch
zu 8, 858), ferner Haupt zu Neidhart 77, 18. Pfeiffer, Germ. 6, 458.
Schmeller-Fr.1, 853 ff. DWb. 4, 1, 1521 f. — 16689 Waz ime hin
z’in gewar. — 16922 Unter annabme von Singers besserung von
nöt zu not ist doch die interpunction Scholls vorzuziehen.
17076 gebinde. — 17155 statt nieman ]. niuwan. — 17159.
—62 Ir keiniu sich dar an beirouc Noch der senelichen klage:
Enstrit wären sie in bejage Dirre klage mit vlize. — 171167 statt
wann ie (P) I. wen ie. — 17185 hie P, ie Scholl, 1. nd. — 17372
—17375 etwa: Und kört gein einem castel Enbor, daz (nomi-
nat.) ein rotsche sinwel, Diu Of was gedozzen, Het umbeslozzen.
— 17431 Bi den vroumwen von (oder an) äventiure; interpunction
8. bei Singer. — 17434—40 interpunction: wan ir kel Und ir
zunge sint vil gezal Und prüevent dicke gelehters schal (Des sint
sie ungehirme), Als in ein kleine wirme Gähes an dem libe ent-
springt. Einiu sagt u.s.w. — 11651—55 DA häten mit schalle
Die lantvürsten alle Heide unde trat, Ouch castel unde stat Be-
vangen u.8.w. — 17697 statt balgen 1. bulgen. — 17704 statt
wol 1. vol; die ledertaschen und säcke sind voll gestopft. —
17885 statt iemittes 1. under diu, vgl. 11747.
18210 u. 11 gehören zusammen, also nach 18209 strich-
punkt, nach 18210 komma, nach 18211 striehpunkt. — 18224
Gein dem kinne, vgl. Niedner, Das deutsche turnier 55 f. —
18442 statt niergent |. nider. — 18754—58 interpunction: Und
sint abe gangen Der künic und diu künegin Und die gesellen mit
in Ir vröude (gen.), die sie sollen haben; Diu ist sö gar begraben
u.8.w. — 18892 Als nu Angaras daz mere Umb sins bruoder
(öt geseit (P).
19037 Und lie ir harte wesen we. — 19053 Der si wol
was ze prisen. — 19157 statt gewesen |. gewisse. — 19165 Und
sie des gewissen kempfen hät, vgl. getriuwer kempfe 12636. —
19188 zu mordes gat vgl. schon Haupt zu Erec? 2109 und Bech,
Germ. 17,50. — 19497 statt sinic P (sinnec Scholl) ist wol zu
lesen vinnic *finnig’. — 19585 statt nu 1. ie. — 19616 Smwenne
ez spricht ‘sobald seine zunge es ausspricht’. — 19623 statt an
linder rede |. Under der rede. — 19643 erniumet part. zu er-
74 EHRISMANN
niumwen, niuwen ‘zerdrücken, bes. auf der stampfmülile enthülsen’;
erniuwen ist im Mhd. wb. und bei Lexer nicht belegt. — 19682
äne gedrange, vgl. äne gedrenge 19718. — 19724 streiche und
vür. — 19162—64 Und häten michel riuwe erliten Von stelec-
lichem antragen Was in der nutze gar erslagen, ar xoıwoV. —
19779—82 Dd man wilunt menscheit Vil wol mohte kiesen an;
Der menscheit doch an gewan Den sige ein valscher schin. —
19800 statt satel 1. zadel, vgl. Singers besserung zu 19822. —
19829 Diu schüle ist hier ebenso wie in dem von Lexer 8. v.
angeführten eitat aus Mynsinger eine geschwulst, denn diu
schüle wird an dieser stelle der Krone ebenso durch ausbrennen
curiert, wie es Mynsinger vorschreibt. Verwant mit mhd. schüle
ist schwed. skylirur ‘auswüchse an den kinnladen beim vieh’
(Rietz 611) und skaul ‘desgl. beim pferd’ (Rietz 581), ferner
ohne anlautendes s: an. haull, ags. heala, ahd. höla, ksl. kyla,
lit. kuilä, kuile “bruch am unterleib’. Uebrigens stimmen die
verse 19828 f. Dar under was im dicke gebrant Diu schüle, und
mwangevleisch gesniten auffallend überein mit der beschreibung
von Cundries mül, Parz. 312,9 nasesnitec unt verbrant, und es
liegt die vermutung nahe, dass mit diesen beiden bezeichnungen
ausgedrückt werden soll, das tier sei entstellt durch eben die
in der Krone genannten operationen, schneiden des fleisches an
der nase bez. wange und ausbrennen der kiefergeschwulst. —
19854 Diu mang entstellt aus diu müch, müche, vgl. Lexer s.v.
Jähns, Ross und reiter 1, 105. — 19856 Wurdic ändert Bech,
Germ. 35, 343 in würbic ‘wirblicht, schwindlicht’, was gewiss
einen passenden sinn gibt; da aber 19823 dem ross die be-
zeichnung mort beigelegt wird, so ist hier vielleicht eher mürdic
zu lesen ‘mit dem mort behaftet‘, das in houbetmürdec belegt
ist (Lexer ®. v. Jähns 1,104). — 19860 kellic ist, wie ich ver-
mute, — gallinc ‘mit der galle (beulen) behaftet’ (Lexer s. v.
Jähns 1,106. Pfeiffer, Das ross im altdeutschen 12, 30); % statt
g wie in kal für galle, 21847. — 19931 ez statt er. — 19983
in statt im.
20046 ie statt hie; 20047 Genuoge statt Das glück. — 20059
— 20064 sinn: mancher brave mann kommt durch unglück dazu,
dass er bloss aus mangel (niwan durch unrät) ein ding wert-
schätzt, daz er von deheiner (statt reiner P) missetät hät, d.h.
in dessen besitz er durch einen schlechten streich gelangte, der
TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 75
ihm gespielt wurde; so muss nun Gawein, nır weil er kein
anderes pferd hat, das runzin wert schätzen, zu dem er durch
Lohenis schlechtigkeit gekommen. — 20136—39 Unde wären
ouch begarwe Enmitlten (oder Da enmilten) alumbe Üf gezogen
Armbrust unde bogen, Von kunst dar under bestall, vgl. 20710 f.
— 20364 f. Daz kleine was vergezzen, Sie weeren schöne und
wol gekleit,; der satzzusammenhang geht über den abschnitt
hinaus. — 20415 statt hie niht I. niene. — 20771—15 Smwie er
sin niht enweste, Doch was sin triuwe veste; Daz er sin hete
michel reht, Des west doch niht der guot kneht: Triumwe gelihen
gelt speht.
21118—21 Daz ir ie mohtet bejagen Dise gröze äventiure
An valscher mere stiure. Waz obe mir ist gelogen iht? —
21140—44 Sie ist clär unde smal, Von diu mügen die bluomen
val Niemer werden ze deheinen ziten, Wan sie den anger witen
Alle tage übervert. — 21154 also merre heisst ‘gleichgiltig, das
eine so lieb wie das andere’, vgl. jetzt bes. Bech, Zs. fdph. 27,
a6f. — 21283f. Der (wenn einer) sö gar näch Eren vert, Dä
ist diu reise ane gewert. — 21437 Wie wenig P, tilge Wie. —
21545 f. Daz ist unter guoten knehten Sprüche, daz wizzt ir
wol. — 21599 f. etwa: Swer sus wollt erkennen Mich und mit
minnen nennen, vgl. 21053 f. — 21658—60 Unz ich dem kampfe
nähen bi Si, den wir beide hän Gelobet üf solhen wän, Daz ich
iuch dä ze rehte beste. — 21155 Dan sie vor heten gesworn.
22086 Zehunt ir süeze leichen, vgl.:22090. 22123. — 22355
statt enwizzen diu kint l. gewizzeniu kint. — 22355 statt sie l.
sich. — 22479 sinem geswien, d. i. Giremelanz. — 22682 Ich
solt es E sille dagen, 22680—82 stehen gleichsam in paren-
these. — 22686 punkt statt komma, 22691 komma statt punkt.
— 22747 Sin selbes art, gemeint ist sin swester Soreidöz, 22750.
— 22852 statt Der I. Dä. — 22956 Dar an guol vermilen wart.
23015—20 Si sprach: Künec, sol ich hän Urloup miner sage,
Daz iu dar an iht missehage, Ob ich ir © beginne, E die vrouwen
al hie inne Mit (Singer) der künegin kumen dar zuo. (punkt statt
fragezeichen). — 23232 f. Als noch genuogen Von minne wider-
vert. — 23298 ein site. — 23465 unter annahıne von wal statt
mä, wie Singer schön gebessert hat, ist wol zu lesen: Seht ir,
daz mal geroumel; seht, seht ir 23279. 23884. 23917. 24008
2.ö. in dem abschnitt der handschuhprobe. — 23819 statt in
16 EHRISMANN
niht 1. niene. — 23884 statt wes I. wie si. — 23923 Das lob
Keiis ist ironisch, darum ist wider mich, das Singer für unwahr-
scheinlich hält, nicht anstössig. — 23979 Zonen P, loben Scholl,
l. leben; 23978 f. Und dä muoz mite gewert Sin, daz man leben
sol besagt dasselbe wie die stelle Neidhart 44,14 dä mit wir
unser mennescheit beruochen.
24281—86 Wan daz mibes güele weiz, Daz nieman mac er-
kennen Guoter noch entar nennen Übel und argez dä bi.
Daz einz dem andern wider si, Daz ist der werlde kunt. —
24361 —66 Den ir mit valschem gruoze Fimbeus nämt mit strä-
zenroube Von der künegin urloube; Ob ir nu daz erarnet (Nü
sit des gewarnet!) Wir müezen ez an sehen. — 24491 f. Deswär
ir mwoene sunt (= sundei), Daz irs in kurzer stunt. Singer hat
in der bemerkung zu 1559 einige reime mit ‘überschüssigem ?’
angenommen. Das wären, vom sprachgefühl des dichters aus,
unreine reime. Die fraglichen formen, lauter 2. plur. des schw.
prät., lassen sich aber aus der eigenheit der mundart, die starke
synkopen liebt, erklären, also -tei >-t >-t. Diese reime sind
1812—14 tät (= tätlet)) : spät : rät; 6189 f. seit(et) : diser arebeit;
17265 f. tätleı) : rät; 19594 f. wolt(et) : solt; 21531 f. möhtlet) :
töht; vgl. bes. Schönbach, Zs. fda. 20, 174, ähnlich Schönbach,
Ueber Andreas Kurzmann, Wiener SB. 88, 812. Weinhold, BG.
$ 284 und $ 302 (e. 304 unten).
24613 Daz er des niht getichet Sö kintlicher missetält,
dass er darum (weil ihn die tugend so ausgezeichnet hat) nicht
büsst für so kindlichen fehltritt. — 24877 statt bi im 1. di mir.
25710 iuch hete holden; einen holden haben vgl. 26085.
— 25926 Her Parziväl, sö iu got!, vgl. 24573.
26083 statt enzit |. emzige vder emzigen. — 26281 Wan
daz muost et wesen. — 26330 statt Daz 1. Dö. — 26420 f.
Sie mohten niht sin versparl, Ein teil ie offen wart; 26423 tilge
Dä. — 26463 statt Die banekie 1. Durch banekte, vgl. 13724.
20363. 25876. 29163. — 26469 etwa Daz ich dar (ge)tar ge-
denken. — 26565 tilge komma, dxo xowov.
27289 statt herze 1. herren; der umgekehrte fall in P, s,
Singer zu 29664. — 27395 seige “tälchen, durch welches das
wasser abfliesst, schlucht’ passt in die schilderung der örtlich-
keit, also von ieiwederr seigen; zum reim i:: ei vgl. Reissenberger
8.20. Seige s. Grafl’ 6, 131. Mhd. wb. 2, 2, 268. Schmeller-Fr. 2, 236.
TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 17
Lexer, Kärnt. wb. 230 (‘wasserscheide, bergrücken’). Buck, Obd.
flurnamenbuch 256; seige zu sigen wie das in der bedeutung
naheliegende gevelle (Haupt zu Erec ? 7876) zu vellen. — 27430
statt Qznämen 1. vernämen. — 271432 f. Ich vermute Unde doch
ermwunnen Sie nie an dem muote erwunnen trägt den sinn von
erwunden ‘sie liessen ab, liessen nach’; es liegt entweder ein
unreiner reim auf brunnen vor, oder es haben sich im sprach-
gefühl des dichters die beiden lautlich einander naheliegenden
präterita erwunden und erwunnen verwechselt; es gehen ja auch
die bedeutungen von überwinden und überwinnen, verwinden und
verwinnen in einander über; spec. zu erwunden — erwunnen
(part.) vgl. Lexer 1, 701 f. Iwein, lesarten zu 6611. — 27508 f.
Of sin spor Üf disem stege gemein punkt. — 27609 an daz
(oder den) stat ‘ufer”. — 27636 Jeman ane hern ‘mit heer über-
ziehen’; der reim ist hern : verwer(r)n. — 27669 Swaz an zouber
gehört.
28036 ninder ist entstellt aus vind ie, also: Als vind ie ir
vinde tuont. — 28111 Jä kunde sie erweichen Einen stein od
einen herten stäl, Daz si in erblicie z’einem mäl : Daz muost
er haben unde Iragen ‘sie konnte einen stein oder harten stahl
erweichen, im fall dass sie ihn nur einmal anblickte: das
musste er haben und ertragen, d.h. das musste er sich gefallen
lassen. — 28189 statt näch 1. nähe. — 28605 Manbur (P) bes-
sert Krüger, Ze. fda. 32, 144 in man dar; noch näher liegt man
Dir. — 28638f. ‘die nackt waren, wie sie ihre mütter zur
welt gebracht’; 28640 ist abhängig von schensten in 28635,
zwischen hinein ist in 28637—39 ein anderer gedanke ge-
schoben. — 28932 statt Zie 1. Je, zu ergänzen ist nichts: ‘wenn
je irgend einmal, so hättet ilır bei meiner herrin bereitwilligst
gute aufnahme gefunden”.
29158 ein gevilde ist adverb. accus. des raums zu schehen,
ein gevilde schehen wie ein gevilde riten u.dgl., vgl. Haupt zu
Erec? 3106 und Zs. fda. 3,268. Roediger, Anz. fda. 4,273. —
29326—34. Klar wird diese stelle, wenn man niht in 29329
streicht und die interpunction von Scholl beibehält: “der durst
tat ihnen so weh, dass sie tranken, obgleich er es ihnen vorher
verboten hatte; davon sanken sie in tiefen schlaf’ u.s.w. Der
schreiber fasste fälschlich die worte daz sie trunken als von
verbolen abhängig auf statt von sö harte we. — 29593 —96
18 EHRISMANN
Und nieman getörste erbarn Den gräl von gotes vorhte, Von
diu er gar verworhle Daz goteliche tougen. — 29655 —59 Den
beidiu ende noch zil Übel ieman künde geben — den verzigen
wer daz leben Und die lebendic weren — Von allen ir swe-
ren. Die vröuten sich von den meren. — 29718 komma statt
punkt. — 29729 in.
2. Der name des dichters des Schlegels
(zu Germania 37, 181).
Die belege für den heimatsort Rüdegers hat K. Roth in
Herrigs Archiv 7,340 zusammengestellt. Beweiskräftig sind nur
die urkundlichen schreibungen, nicht auch die der schreiber des
Schlegels und der Heidin. Es ergeben sich die formen Hünk-
hofen und Hunkhofen. Beide könnten zur zeit des dichters in
gebrauch gewesen sein; die erste ist regelrechte entwicklung
aus Hüninc-, die andere, wenn überhaupt die umlautsbezeich-
nung nicht einfach weggelassen ist, ebensolche aus Hünunc,
welches in Meichelbecks Hist. Frising. belegt ist (Förstemann,
Namenb. 1,758). Ausschlaggebend aber ist, dass sich ein zeuge
in einer Regensburger urkunde (1290—1293) mit eigener hand
Rudg’ Huenchovaer £chreibt (Schmeller-Fr. 1, 1230), und dass der
bairische weiler jetzt Zinkhofen, Hinkhof heisst (K. Roth und
Schmeller-Fr. a.a.o. Bavaria, topograph.-statist. handbuch des
königr. Bayern 5, 1,2, s.566). Der sicher beglaubigte name für
Rüdegers heimatsort ist also Zünkhofen, wofür sich schon K.
Roth und Goedeke (Grundr. 12,224) entschieden haben.
Dass Haupt den dichter R. v. Yunk hofen nennt, war mir
nicht entgangen, wie Sprenger, Germ. 37, 181 annimmt; ich habe
ja Germ. 35, 403 u.a. gerade auf den artikel Sprengers (Germ.
26, 104) hingewiesen, in welchem er auf jene schreibung Haupts
aufmerksam macht.
3. Zu Hermann von Sachsenheim.
Mörin 340 Du magst dehaimm wol büchin sin ist für büchin
zu lesen begin. Begein (begine) ist nach Schmid, Schwäb. wb.
8.53, typisch geworden für ‘weinerliche, eingedumpfte weibs-
person, die bald da bald dort aushelfend auch das geschäft
der klatscherei treibt’. Der sinn ist also: ‘daheim kannst du
wol ein rechtes klatschweib sein. Ueber begin vgl. noch
TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 79
Zarncke, Narrenschiff zu 102, 47. Kuhn, KZ. 11,59. Kummer,
Anz. fda. 6, 342. J. Meier zu lolande 3133. — Die Strassbg. hs.
hat statt begin beggari eingesetzt, wonach der vers nahezu über-
einkommt mit 363 Ich main, du megst ain beghart sin. — 392
hoczengail. D und druck haben richtig heizengeil. Heize ist
‘elster’ (DWb,. 4, 2,1270), hetzengeil also ‘ausgelassen, üppig
wie eine elster’, vgl. 891 schalkhafter dann ein aglaster, 4611
aglaster mag ir springen nit lon. — 1050 f. Ich main üch, göltin,
us der vest Der Sperberburg in Kriechen lant. Damit ist die
sagenhafte sperberburg und ihre herrin in Armenien gemeint,
vgl. Maundeville cap. 13, dazu Riegel, Die quellen von W.Morris’
dichtung The earthly paradise (Erlanger beitr.9) ».33—36. Schilt-
berger hg. v. Langmantel 8.55 ff. — 4218 Studenrusz, |. Studen-
vusz, der Stuotfuchs der heldensage als personenname bei Bac-
meister, Germ. kleinigkeiten 46.
Grasmetze 135 (Hätzl. 280°) wird erzählt, Petrus habe zu
Rom einen krüppel geheilt. Dies beruht nach Martin (Mörin
8.16) auf einer verwechslung mit der heilung des lahmen im
tempel zu Jerusalem. Der grund zu dieser vertauschung der
örtlichkeiten liegt wol in folgendem: Freidank stellt dieses
wunder Petri der habsucht des pabstes gegenüber in dem capitel
Von Röme (149, 5ff.) und aus dem zusammenhang dieser dar-
stellung entstand bei H. v. Sachsenheim das misverständnis, dass
das ereignis in Rom und nicht in Jerusaleın geschehen sei. Frei-
dank war dem dichter bekannt, vgl. Martin, Mörin e. 26.
HEIDELBERG. GUSTAV EHRISMANN,
ZUM DEUTSCHEN VOCALISMUS,.
2. Umlaut des iw
Behaghel hat Germ. 34, 247 ff. eine von mir ebda. 34, 245 ff.
mitgeteilte, aber nicht verstandene erscheinung — verschiedene
mhd. formen für ahd. iu — aufs beste erklärt, indem er zwi-
schen unumgelautetem iu (mhd. iu, schwäb. wi) und umgelautetem
(mhd. &, schwäb. 35) unterschied. Seine entdeckung hat, wie mir
scheint, nicht genügende beachtung gefunden. Bachmann hat
sie z.b. in seiner mhd. grammatik nicht verwertet. Er steht
noch auf dem alten durch Lachmann geschaffenen alemanni-
schen standpunkt. Für Baiern-Oesterreich und Schwaben wüsste
ich jetzt viel mehr belege für den umlaut des iu zu geben als
früher;!) auch Ostfranken hat den umlaut besessen. In urkunden
aus verschiedenen jahrzehnten des 14. jh.’s aus Eschenbach in
Mittelfranken wird üö für umgelautetes iu, für unumgelautetes
aber ui geschrieben, in Würzburg noch 1363 neu, aber zur. In
der schriftsprache ist allerdings in Ostfranken das & mit iu
bald zusammengefallen (in Würzburg wird schon 1289 für
beide u 1299 ü, 1309 eu geschrieben; das gleiche gilt für Bam-
berg). In der mundart geht aber die trennung noch heute über
Östfranken hinaus. So ist in der Rhön das umgelautete iu ü
(Arch, f. Unterfr. 7,164 ff.: Züthe, bedüt), das unumgelautete eu
(eu, euch, yezeug); im Hönnethal (Sauerland, Humperts progr. 1, 28
und 2, 20) ist das alte iu erhalten (und mit 2 zusammengefallen):
ik kliufe kliebe, kriupe krieche, 2. pers. kluifest, kruipest; vgl.
ferner gesuine gesicht, Zui leute; ferner dürften im Siegerländi-
schen (Heinzerlings octavprogr. 8. 43) ning neun, {7 leute, ditsch,
1) Die ältesten sind wol die von Braune als belege für ü aufgefassten
formen (Ahd. gramm. $49a.1) der glossen K, Ka, des Tatian.; so auch
Sievers’ Tatian ? $ 68.
ZUM DEUTSCHFN VOCALISMUS. 81
dittlich neben zuch zieh, für feuer als umlautsprodukte gelten
trotz sdir steuer und zick zeug,!) da ning neun (ahd. niuni)
neben nungze, nungzich doch kaum bloss analogie von 5, 15, 50
sein wird.
Die schreibung iu entstammt wol alemannischer gewohn-
heit; bei den Alemannen ist iu und ü bald vollkommen .zusammen-
gefallen. Es wäre recht interessant zu wissen, ob die nach-
ahmung der alemannischen schreibung damit zusammenhänge,
dass etwa die aussprache als & für feiner, höfischer galt. Sicher
ist sie nicht so verbreitet, als es gewöhnlich angenommen wird.
Leider ist auch Zarncke in seiner Nibelungenausgabe dem Lach-
mannschen kanon gefolgt anstatt dem klaren lautverhalt in C.
C scheidet nämlich iu und & aufs sauberste; ersteres ist iu,
letzteres & oder u (d.i. ü, auch der kurze umlaut ist in der regel
u geschrieben!).. Beispiele nach Lassbergs ausgabe (aus den
ersten 15 aventiuren s. 1—219): 1) unumgelautes iu: feminin-
endung -iu, diu (artikel), /riunde, triwen, iwer, urliuge, fiur, tiufel,
hiute (heute), stiure,?) ich biute u.8. W.; — 2) 4, d.i. ö als um-
laut des 0: irutinne (v. 7180 trutinne, 11718 trüten!), hute (dat.
sing. 8.24), huten (dat. pl. 8.88), cruce, husir; — 3) u als um-
laut. von iu: Zute(n) (plur. etwa 18mal, einmal im reim mit
huten, der sing. steht wol 2.93 v. 3145: Ziut unde lant; hier ist
iu natürlich am platze); aus späteren teilen vor allem Zunen,
hunisch, gebuze, tvsch (Klage 4422), er enbutet (v. 10060). Er-
wähnt mag werden, dass im text (v.2749) auch auenture (in
den tiberschriften nur einmal, sonst mit iu) steht. Nicht ver-
wendbar als beispiel ist iuch, da es zweifelhaft erscheint, ob
umlaut hier möglich war; dass er: in /riuntlich fehlt (minde-
stens an 4 stellen), mag auf rechnung des den begriff beher-
schenden stammwortes zu setzen sein. Ob /uhte (öfter) als
!ühte oder lühte zu lesen ist, lässt sich nicht entscheiden;
in. beiden fällen bestätigt es die Behaghelsche regel; auch wenn
es den umlaut entbehrt: denn nur wenn das wort im praes,
[') sdir kann aber doch vielleicht umgelautet sein, vgl. ahd. siiura
aus *stiurja, as. heristiuria, neben steora; entstehung aus der letzteren,
seltenen form ist weniger wahrscheinlich. Für giziuc fehlt es allerdings
an hinlänglichen grundlagen flir die annahme eines umlauts. E.S.]
[?) Vgl. jedoch anm.1; kann, wie der herr verf. vermutet, das r
den umlaut verhindert haben? E. $.] u a:
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 6
82 BRENNER
ganz mit sümen, vulen, truten zusammengefallen war, konnte
es im praet. sich ihnen anschliessend iw durch 2 ersetzen; ziugen
(8. 200) ist ahd. ziugön, also regelmässig.!) In den namen Ziude-
gast und Ziudeger erwartet man umlaut; und in der tat erscheinen
sie an der stelle, wo sie in das epos eintreten als Zudegast,
Ludeger (v.1227 u. 1131) und später der letztere noch einmal
so (v. 1339); sonst aber immer mit iu. Bei den — nicht ein-
mal in oberdeutscher gestalt verwendeten — eigennamen möchte
ich das schwanken nicht so schwer nehmen.?) Jede klare
stichprobe beweist für den umlaut des iu in C mit ausnahme
einer anzahl gleich zu nennender; nämlich (Avent. ı—xv sind
wieder völlig ausgenützt): du ziuhest (2.4 u. 197), niwe (oft),
tiure, getiuret (s.96. 168. 196 ö.), tiwrer (197. 198), ungehiure
(8.157), er enbiutet (s. 131, auch 298. 289. 297 ö.), du biutest
(8.205), si geniuzet (8.206), er vliuset (209), in späteren teilen
auch kiuset u.a.; vielleicht wäre auch bei diu (dienerin) umlaut
zu erwarten, doch ist hier sein fehlen leicht erklärlich. Die
sicheren ausnahmen sind also 1) worte mit der verbindung zum
und iur-, 2) zweite und dritte personen der starken verba.
Ich habe in der 5. aufl. des Englmannschen Lesebuches
die scheidung von C durchgeführt, aber formen wie tiure zu-
erst für schreibversehen oder eigentümlichkeiten des schreibers
von C gehalten und in täre u.s.w. geändert. Ich würde es
jetzt nicht mehr tun, da sich die gleichen ausnahmen weit ver-
breitet, ja in Oberdeutschland als regel zeigen und bis zur
gegenwart sich fortsetzen. Vgl. biutet (: laut) Regensbg. urk.
1281, Wiener he. des Heinrich von Freiberg betrewgt (chraütz,
naün, taütsch, erlaücht, faücht, Pfeiffers Uebb.), Klosterneuburger
Bertholdls.: ziuhet (wie fur, aber läut, chäusch, täülsch, bedäui);
Pfründeordnung von Geisenfeld (Oberbaiern, 13. jh.) begeuzzet
(aber Zeute, gereutt, vgl. chreutern), noch in einem Weistum
von Winhering 1401—50 peutt (gegenüber läut :säw).®) Es
ist begreiflich, dass der umlaut hier in den isolierten formen
[") Vgl. jedoch 8. 81 anm.1. E.S.] |
[?) Es liegt nahe anzunehmen, dass die namen zunächst in der echt
nd. form (as. Ziudi-) aufgenommen, dann aber in der überlieferung halb
den hochdeutschen parallelen (ahd. Ziut-) angepasst sind. E.S.]
s) Schwäb. belege bei Bohnenberger, Schwäb. mundart s. 116 ff.
B. scheidet aber umgelautetes iw nicht vom alten.
ZUM DEUTSCHEN VOCALISMUS. 83
aufgegeben wurde (wie in er fallt, wascht), aber ebenso be-
greiflich, dass er vereinzelt sich erhielt: vgl. z.b. oben in C
butet, Ernauer urk. (oberbair.) von 1329 peut. Würzburger
polizeiverordnung v. 1372 verbütet.!) In den mundarten der
gegenwart herscht bei weitem die unumgelautete form vor:
bair.-Öst. froist, floigt, vadroisst; kruicht, valuist, guisst, schwäb.
guisst, fruirt u.8.w.; der schriftsprache dürfte das mir einmal
(bei Pailler, Weihnachtsspiele) aus dem Salzkammergut begeg-
nete vabeit entstammen; wirklich umgelautet sind die oben aus
dem Hönnethal beigebrachten formen, zweifelhaft die vogtlän-
dischen (Hederich, Schönecker ma.) er bat bietet (wie Fachd
feucht neben kraiz, daitsch).
Vor r fehlt der umlaut des iu (aber nicht des 2!)?2) auch
2.b. in der Klosterneuburger Bertholdhs. (tiurern), in der Wiener
Titurelhs. (Pfeiffers Uebb.: riure, gehiure gegenüber küsch,
lüten).. In den bairischen und schwäbischen maa. ist tuier, toier
von Villach bis Ellwangen zu belegen; g’ruir wenigstens bai-
risch; in der Sieggegend dagegen ist dir wol umgelautet, ebenso
im südwesten in Reutlingen (Wagner, Lautbestand =. 100) und
Münsingen (Bopp ». 60): dair, doch ist hier einwirkung des hoch-
deutschen nicht ausgeschlossen. Nicht zu fiure gehört der orts-
name Teuerling, der in den bair. urbarien Tiwerling, Taewerling,
Teuwerling, Teevrling geschrieben ist.
Vor w erscheint iu regelmässig in niuwe, niuwelich (aber
neulich Regensbg. urk. 1283) und spriuwer; auch iuch darf wol
hierhergerechnet werden; ich kann mich darauf beschränken,
auf die mundartlichen formen nui, noi (noila neben nala), spruier,
ui hinzuweisen, denen allerdings auch vereinzelt bairisch nai
zur seite steht (bei Pailler in stücken aus Lienz und Villach;
in Oberkärnthen); aber ich glaube hier bestimmt hochdeutsche
einwirkung annehmen zu dürfen, da daneben auch irai treu
(also ai für unumgel. iu) vorkommt. In Schwaben herscht nui
und spruier. Wo ai erscheint, beruht es auf einem processe,
der vom umlaut unabhängig ist, und z.b. auch bei aiber euer
erscheint (Kauffmann, Schwäb. ma. s. 83. Fischer, Germ, 36, 418).
1) Möglicherweise schon bezeugt in den Ker. glossen, wo dreimal
zuhit steht, s. Kögel 8.22. Braune, Ahd. gr.8$ 49 a. 1.
2) Vgl. aber für, gsprür, süd ne ma. (oberamtsbeschr.) für ___—---
fuir u.8.w. en
or TIER
*
6 IV
84 BRENNER
Dass r und » die wirkung eines i hindern können, ist
bekannt.
Die regel lautet also: ahd. iu wird durch folgen-
des i umgelautet in 4 ausser vor r und », der umlaut
wird in Oberdeutschland beim starken verbum 2. kl.
durch ausgleich beseitigt.
3. Der umlaut der praeteritopraesentia.
Oben ist wez ih, meg ih erwähnt. Dass hier, wenigstens
im letzten wort, die enklisis den umlaut bewirkt hat, wird zu-
gestanden; auch in deist aus daz ist wird umgelautetes dez
stecken. Der umlaut durch enklitica geht aber weiter, und ist
an anderen stellen viel besser bewahrt als in den angeführten
verbalformen, die schon mhd. schwinden. Man nimmt, so viel
ich sehe, allgemein an, dass wir künnen, müezen, dürfen, mügen,
süllen, türren u.8. w. ursprünglich conjunctivformen seien. Auch
Osthoff, Beitr. 15, 212 ff. ist der meinung. Nun ist der um-
gekehrte ausgleich häufig: bair. /rois, schweiz. früs- durchs ganze
praes., ebenso kum- bair., fränk.; der conjunetiv siegte aber,
so weit ich den stoff eben überschaue, nur in verbindung mit
anderen modi, also z.b. mit dem plural des indicativs und
dem infinitiv; so bei hochd. fliegen, kommen. Warum sollte
auch nur der plural den plural, nicht auch der singular den
singular ergriffen haben (ma. i därf ist sicher nicht dem con-
jJunctiv nachgebildet). Ich halte den umlaut für lautgesetzlich.
Alle drei personen des plurals haben pronomina mit ö bei
sich: wir kunnum, ir kunnut, sie kunnun oder kunnu(m)-wir,
kunnut-ir, kunnu(n)-sie; das pronomen vermochte sich wol so
eng im bewusstsein mit dem verbum verbinden, dass es auf
den stammvocal des verbums wirken musste. Natürlich be-
stehen aus den verbindungen her, in denen das pronomen mit i
nicht folgte (zumal der 3. pl.) die unumgelauteten formen fort.
Aber in wirklichkeit ist zwischen 1200 und 1300 der sieg der
umgelauteten (ü-)formen entschieden. Unsere texte bieten in
dieser richtung kein getreues bild, da ihnen hss. ohne genaue
umlautsbezeichnung zu grunde gelegt sind. Am wenigsten ist
süln, sültl durchgedrungen; es mag /f auch hier den umlaut
gehindert haben; aber selten ist @ hier durchaus nicht. Ich
habe mir belege für süm (schüln) notiert aus dem 13. u. 14. jh.
ee (aa TU |
ZUM DEUTSCHEN VOCALISMUS. 85
aus Kärnthen, Oberösterreich, Oberbaiern; Regensburg, Augs-
burg, Bamberg, Nürnberg, Würzburg, Bayreuth, Vogtland, Frei-
burg i.B., Argau, Elsass; Naumburg; Prag. Wie weit heute in
den mundarten unumgelautetes su/n geht, wird der sprachatlas
feststellen. Im bair.-öst. herscht vu; aber dieses u ist wol aus
ü entstanden: sü- wurde allgemein zu sü; der diphthong ü
scheint durchweg unbequem gewesen und (wie öö&) durch wi er-
setzt worden zu sein.!)
Ich erinnere bei der gelegenheit daran, dass auch der
conj. praet. kunde umgelautet gut belegt ist; das verschwinden
des % in den bajuw. maa. mag durch lautliche momente unter-
stätzt worden sein; mächtiger war aber wol die analogie der
conj. wie Zuss, blub u.8. w.
Wie in den ausgaben die hilfsverba den umlaut häufiger
zeigen sollten, so auch das verb. komen; kömen und küme sind
viel besser bezeugt als es scheint; xe ist eben nicht o, son-
dern ö, ui nicht u, sondern ü geworden; dass das isolierte
paradigma nicht überall sich so rein erhalten hat wie im bai-
rischen, darf nicht wunder nehmen; Aimt ist aber heute z. b.
noch in der Rheinpfalz und im sächs. Vogtland, im Altenburgi-
schen erhalten.
4. Die aussprache des &
W. Nagls regel?) — wo & im Bair. zu ö (geschl. e) ge-
worden ist, muss in der folgenden silbe (altes oder neues) ö
gestanden haben — löste die frage für das bairische aufs
einfachste. Wenn nur die jüngeren i so sicher wären! Dass
die unbetonten vocale zumal nach hellen stammvocalen eine
färbung annehmen konnten und oft wirklich annahmen, die als
i aufgefasst wurden, haben vor allem Heinzel (Wortschatz des
Wiener Notker) und Laistner (Zwiefalter Benedictinerr., Beitr.
7,453 6.) erwiesen. Dass die als i geschriebenen laute aber
wirkliche i waren und die wirkung von solchen ausübten,
glaube ich aus zwei gründen nicht: 1) weil nur ein teil der
hss. und diese nicht durchaus die auffassung als i zeigen, wäh-
rend alte ö übereinstimmend so erscheinen, 2) weil sich sonst
1) Ob nicht auch der auffällige umlaut des verb. (uon aus Iuon-ich,
tso-mwir, tuot-ir stammt?
2) Beitr. 18,262 ff,
86 BRENNER
keine wirkungen nachweisen lassen;!) weder in der heutigen
aussprache (wo die infinitive z. t. auf -n, z.t. auf -a ausgehen
und -äri zu -4 wurde, vgl. wöba weber), noch in irgend einer
umlautähnlichen erscheinung; der jüngere umlaut des a z.b.
ist von den jüngeren ö nicht bewirkt worden. Nagl glaubt
das zwar, aber sein system, wonach im bair. die erhaltenen «
altertümlich, die e (ö) dagegen erst jüngeren ursprunges und
gerade durch die jüngeren ö hervorgerufen seien, widerspricht
den klaren überlieferungen und der parallele des @-umlauts
so entschieden, dass noch ganz andere gründe dafür beigebracht
werden müssten, um es nur einigermassen annehmbar zu machen;
Nagl muss die orthographie in Baiern und Oesterreich völlig
isolieren und z.b. den vom 8. jlı. ab geschriebenen e in Baiern
die bedeutung d aufzwingen, um mit seiner theorie durchzu-
kommen.
Aber auch zugestanden, die ; z.b. der infinitive Jesin, gebin
hätten assimilierende kraft geäussert, so wären damit die bai-
rischen formen ös = ‘er’ und ‘ihr’ (ahd. &z) nicht erklärt, ebenso
das adverbielle wök = weg, auf das man wol nicht die dativ-
theorie Nagls wird anwenden dürfen, da das wort seine eigene
geschichte auch in quantität und auslaut hat; auch bei öpps
‘etwas’ wird das ‘jüngere’ i kaum beigezogen werden dürfen.
Zu dem allem kommt, dass in dem neuen bairischen vocal
vielleicht gar keine ;-wirkung steckt; mir scheint gerade die
charakteristische hebung der vorderzunge zu fehlen, der eigen-
tümliche laut ist nach meinem gefühl eine mischung aus d
und o mit derselben verschiebung der zunge nach rückwärts
und verlängerung des mundcanals, wie ich sie für das bairische
ö und ü in Baierns mundarten 1,300 ff. beschrieben habe.
Zur entscheidung der frage, von der wir noch weit ent-
fernt scheinen, ist es nötig, die bair.-Ööst. untermundarten genauer
zu durchforschen. Sie weichen nicht unbeträchtlich von einander
ab. So lautet z.b. gerade das von Nagl angeführte bedin in
Kärnten bedin (Lexer); im Innviertel heisst es glegn, brett, im
Traunviertel glögn, brött (Fellöcker, Gsanger 2,xxıv), im Nord-
gau der fleg, pl. di flek.
ı) Nagls neuerdings in diesen Beitr. 19 vorgebrachte ansicht, dass
ai durch die unechten ; beeinflusst worden sei, kann ich nicht als beweis
ansehen; 3. Beitr. 19, 4721.
ZUM DEUTSCHEN VOCTALISMUR. 87
Ohne der untersuchung eines meiner ehemaligen zuhörer vor-
zugreifen, möchte ich den eindruck, den mir das material macht,
so angeben: die veränderung von & in e (ö) ist die regel, er-
haltung des offenen lautes ist durch hindernisse bedingt, nicht
umgekehrt der übergang durch besondere förderung. Bei den
von Nagl einander gegenüber gestellten worten scheg, z&chad,
bedin : speg, dreg geben die ahd. formen skecho, zehanto, betalön :
spek, drek viel bessern anhalt als die mhd. mit den problemati-
schen dativen auf i.!) Uebrigens wären die ahd. formen ebenso
unbrauchbar als die mhd., wenn die laute einer sehr behutsam
geschriebenen Münchner urkunde von 1328 (hl. geistspital), die
auch sonst nicht ganz unerhört in Baiern sind: & nicht bloss
in gelten, empfälhen, sondern auch in geben (partic.) als all-
gemein bairisch gelten dürften, wenn also die geschlossene aus-
sprache erst nach jener urkunde aufgekommen wäre. Liegt
hier vielleicht anlehnung an schwäbische schreibweise vor, wie
umgekehrt in Augsburg 1282 p/oeffer, soehen sich finden, die
bairisch aussehen, aber allerdings in den hunderten von bairi-
schen urkunden der zeit, die mir durch die hand gegangen sind,
nicht ihres gleichen haben?
WÜRZBURG. O0. BRENNER.
ZU BEITR. 19, 467 ff.
Auf den wunsch A. Heuslers teile ich mit, dass ich seine
ansicht über die entstehung der ‘4-hebigen’ halbzeile in der
Nibelungenstrophe unrichtig dargestellt habe. Sein satz (s. 123
seiner abhandlung): ‘aber auch die Nibelungenstrophe mit ihrer
schlusszeile von vier hebungen war nicht von allem anfang an
vorhanden’ sagt nicht: die vier hebungen waren eine spätere
entwicklung, sondern: ihre ausschliessliche verwendung in
der 8. halbzeile ist nicht das anfängliche. Ferner hat Heusler
1) Auch auf den unterschied der consonanten in söks, zöni einer-
seits, sexzen, zexad andrerseits ist aufmerksam zu machen.
88 BRENNER, ZU BEITR. 19, 467 ff.
nirgends ausgesprochen, dass er sich die 4. hebung ‘angeflickt’
denke. Offenbar aber denkt er sich in den s. 134 ff. aufgezählten
fällen!) z.b. den vers *von zweier frouwen nit durch hinzuthun
einer vierten hebung in von zweier edelen frouwen nit und sit
von zweier frouwen nit gewandelt. Wenn bei ihm hier der volle
ausgang | xx aus dem stumpfen |x gemacht wird (s. 133 ff.),
so heisst das doch: die veränderung ist durch verlängerung
um einen halbtakt vollzogen worden; das halte ich aber für
unrichtig; der ausgang, der letzte takt ist gleich geblieben | _ |
nit; der rhythmus des ganzen verses — bis auf das stück vor
der ersten (haupt-) hebung — ist gleich geblieben. Will man
den unterschied durchaus in den letzten takt bringen, dann
muss es heissen: aus | 7 ist | xx geworden.
1) Andere 4hebige "strophenschlüsse sieht er für alt auch im Nib.-.
an, nicht bloss überhaupt wie ich. .
WÜRZBURG. O0. BRENNER.
Amin le ie — —— ARE EEE a _ il
TE TJSVwYVYVY JE — —
-_ ETYMOLOGICA IL.
(Fortsetzung von Beitr. 13, 395 ff.)
16. Got. frasts.
Das got. /rast-s ‘kind’ kommt in den zwei belegen /rasti-m
dat. plur. 2.Cor.6, 13 und frasti-sibja comp. Röm. 9, 4 vor, wo-
durch die zugehörigkeit zur i-deelination feststeht, nicht jedoch
das grammatische geschlecht; dass das letztere ebensogut das
feminine, wie nach gewöhnlichem ansatze das masculinum,
gewesen sein könne, bemerken Pott, Etym. forsch. 12,529, 22, 2,
1322 und Kluge; RZ, 25, 313,
Was die etymologische herkunft des wortes betrifft, so > sind
mir vier verschiedene deutungsversuche bekannt, die heute der
widerlegung wert erscheinen können, zum teil übrigens auch
einen richtigen kern enthalten.
Pott, Etym. forsch. 11, 214 f, 12,529. 22,2,1322 f. nimmt
vergleichung mit dem aind. pra-sß-ti-sh f. ‘das erzeugen, gebären,
werfen, kalben, eierlegen, geburt, entstehung’, ‘erzeuger, erzeu-
gerin’, ‘kind, nachkommenschaft, progenies’ vor; darnach würde
also got. /ra-s-t-s auch mit su-nu-s ‘sohn’ wurzelhaft zusammen-
kommen. . Aber ‘den ausstoss von u’ wird heute niemand mehr
glauben. Verwertbar jedoch bleibt, wie wir sehen werden, der
gedanke Potts, dem auch schon Diefenbach, Vergl. wb. d. got.
spr. 1,400 f. bei sonstiger polemik gegen die ‘scharfsinnige,
aber gewagte’ Pott’sche erklärung die anerkennung nicht ver-
sagen konnte: dass auch in got. fra-st-s das praefix indog. pro-
‘vor, hervor’ = got. fra-, aind. pra-, avest. apers. /ra-, griech. rgo-,
lat. pro-, air. ro-, abulg. pro-, lit. pra- begegne; und es sind da-
für passende begriffsparallelen die meist auch von Pott selbst
namhaft gemachten lat. prö-genies, prö-säpia, prö-creätio, pröles,
pro-pägo pro-päges, aind. pra-j@ f. ‘nachkommenschaft, kinder,
90 OSTHOFF
familie’, auch unser fremdwort pro-duct und der entsprechende
gebrauch seines quellworts lat. prö-dücere.
Nach Kluge a.a.o., dem Stolz, Iw. Müllers Handbuch d.
klasse. altertumswiss. 22,292 und Conway, IF. 2, 157.166 sich
anschliessen, soll frast-s seine nächste entsprechung in lat.
pröles f. ‘sprössling, kind, nachkomme’ haben; pröles beruhe auf
einem *prödi- aus *prozdi- — got. frasti-. Dagegen schon Froehde,
BB. 16, 208: lat. pröles hat unmöglich ein aus -d- entstan-
denes -/-, denn daran, dass es in alter weise aus *pro-ales,
richtiger nach Lindsay, The Latin language 345 aus *pro- oles,
zu deuten und sammt den gleichgebildeten sub-oles und ind-
oles zu alere ‘gross ziehen, nähren, füttern’, ad-olöscere ‘heran-
wachsen’, got. ags. alan ‘wachsen’, aisl. ala ‘gross ziehen, er-
nähren’, ‘gebären, erzeugen’, air. no-t-ail ‘alitte’, gr. homer.
av-aAro-s ‘unersättlich’ zu beziehen sei, ist gar nicht zu rütteln.
Mit Pott berührt sich in der annahme des praefixes pro-
— got. fra-, mit Kluge aber in der aufstellung desselben laut-
lichen requisitums *prozdi-s für frast-s Feist, Grundriss d. got.
etym. 37 f.: sein *pro-zd-i-s soll ‘das in die welt gesetzte’ sein,
die wurzel sei das indog. sed- von got. sitan ‘sitzen’ und satjan
caus. ‘setzen’. Das ist begrifflich zu gekünstelt; ein ausdruck
für den vorsitzenden, lat. praeses, gr. ne0oedpos mochte wol 80
entspringen, nicht ein solcher für den begriff ‘kind, nachkomme”.
Eine mehrzahl von gewährsmännern tritt für eine vierte
etymologie von /rast-s ein. Leo Meyer, Die got. spr. 75. 9.
284 vergleicht lat. par-io, parere ‘'gebären’, ebenso James Byrne,
Origin of the Greek, Latin, and Gothic roots 144; ebenso, nur
noch mit weiterer herzuziehung von lit. per-iü per-e'ti “brüten,
hecken’, per-a-s ‘brut der bienen’, gr. xög-ı-s und Rop-Tı-g
‘junges’ von tieren und menschen, ‘junges rind, kalb’, ‘junges
mädchen, sohn’, roo-tT-a& ‘junges rind, kalb’, auch von mhd.
md. mnd. verse, mnl. vaerze f. ‘färse, junge kuh’, ahd. /ar (plur.
farri ferri), ags. fearr m. und alıd. farro, mnl. mund. varre, aiel.
farre m. ‘(junger) stier’ u. äbnl. mehr, O. Schade, Altdeutsch.
wb.2 161°. 220%, Fick, Vergl. wb. 1,480, Froehde, BB. 17, 304
und Prellwitz, Etym. wb. d. gr. spr. 260. Froehde und Prell-
witz sind sogar geneigt, unser /rasi-s und gr. xoprı-g für ein
und dasselbe wort zu halten und xoprı-s auf ein *ropo-rı-c
zurückzuführen, was lautlich allenfalls zulässig erscheinen
ETYMOLOGICA. 91
könnte (vgl. Joh. Schmidt, KZ. 27, 319, Brugmanı, Iw. Müllers
Handbuch d. klass. altertumswiss. 22, 71, Solmsen, KZ. 29, 117),
aber schon allein wegen der das -o- nicht kennenden griechischen
nebenform röp-ı-s sich als misslich erweist. Mich bedünkt,
dass diese ansicht von got. /rast-s sich nur so zur not recht-
fertigen liesse: germ. */rasti-z sei in */r-as-ti-z = indog. *pr-os-ti-s
zu zerlegen, dieses eine mit secundär angewantem suffixe -ti-
vollzogene ableitung aus einem alten -es-neutrum *p(e)r-os “her-
vorbringung, erzeugung’ gewesen; und für die annahme des
letzteren könnte man einen stützpunkt in der -s-bildung der
genannten germanischen wörter für färse und farre als ent-
wickelungen aus *fär-s-jo- und *far-z-ü-, *far-z-en- zu finden
meinen. Eine derartige bildungsweise nach art des voraus-
gesetzten *pr-os-ti-s gibt es ja im indogermanischen, und ver-
einzelt ‘mögen stämme auf -es-ti- -os-ti- in die zeit der idg.
urgemeinschaft hinaufreichen’, wie nach Brugmann, Grundr. 2
8101 8.289 f. $ 132 8.396 die beispiele abulg. g20sti f. ‘enge,
beengung’, ahd. angust f. ‘angst’ : aind. dmhas n. ‘angst, be-
drängnis, not’, avest. @z6 n. dase,, lat. angor, angus-t U-S, UNX-iU-S,
lit. kalbesti-s £ ‘rede’ : kalbes-i-s m. 'redensart’, kalbes-e f. ‘rede’
u.a. mehr annähernd wahrscheinlich machen können. Aber
einfach wäre, wie man mir zugeben wird, solcher weg der
vermittelung des got. frast-s mit der wurzel per- von lit. per-iu
per-& ti, lat. par-io u.8.w. immerhin nicht.
Wenn wir vielmehr den von Pott gewiesenen weg des ver-
ständnisses von /ra-st-s, dass darin gemäss den analogien aind.
pra-sü-ti-sh, lat. prö-yen-ie-s u.s. w. das praefix indog. pro- und
eine nominalbildung aus einer ‘erzeugen, gebären’ oder ähn-
liches bedeutenden wurzel stecke, inne zu halten suchen, so
kann man auf zwei verschiedene neue auffassungen der ety-
mologischen herkunft des gotischen wortes kommen, die beide,
wie mir scheint, allem bisher vorgebrachten vorzuziehen sind,
zwischen denen selbst aber mit aller bestimmtheit die entschei-
dung zu treffen ich nicht ohne weiteres wagen möchte.
Erstlich, Pott erinnert, Etym. forsch. 12,529. 22, 2, 1323
bei erörterung unseres got. /ra-st-s auch an aind. s-iri ‘weib’,
‘eig. genitrix’; freilich in dem sinne, als sei dieses ‘für den
ausstoss von u [in der wurzel s@- von aind. pra-sü-ti-sh, got.
su-nu-s) .... ein sicheres beispiel. Nun hat aber den wahren
92 OSTHOFF
ursprung des aind. s-ir- und avest. s-tr-i ‘weib’ meines er-
achtens überzeugend Joh. Schmidt, KZ. 25,29 (vgl. auch ebend.
8.36 anm.?2) aufgeklärt: es gehört zusammt dem aind. ved.
sä-tu-sh m. *mutterleib’ zu der wurzel sö- ‘säen’ von lat. se-ro,
se-vi, sa-tu-s, air. si ‘same’, got. saia, abulg. sejg, lit. se’-ju
‘ich säe’, lat. semen, asächs. ahd. sämo, abulg. söme ‘same, saat’,
lit. se'men-s plur. ‘saat’, aisl. sad, ags. sd, asächs. säd n. ‘saat’,
abulg. na-setü ‘besät’, got. mana-se-b-s f. ‘menschensaat, mensch-
heit, welt’, ahd. sät f. ‘saat’, abulg. seti-ba f. ‘das säen’; und
formal -ist aind. s-tr-i, avest. s-tr-i moviertes feminin zu einem
aind. *si-td(r-) masc. — lat. sa-tor ‘säer’, poet. ‘erzeuger, her-
vorbringer, vater”. So über s-/r-” auch Hübschmann, Das indog.
vocalsystem $ 99 8. 75 und Brugmanı, Grundr. 1, 8 315 s. 256.
2, 8 110 ». 316. 8 122 s. 362. Dieser wurzel s2- ‘säen’ scheint
die metaphorische übertragung auf animalische, besonders
menschliche zeugungs- und fortpflanzungsverhältnisse frühzeitig,
vielleicht schon ‘proethnisch’, so widerfahren zu sein, wie im
griechischen sprachleben dasselbe ganz geläufig an oneloeo,
OXapTog, Ortpue, 0R0E% vor sich gieng.
Bei dem aind. s-ir-i, avest. s-tr-i ‘weib’ nun können wir,
insoweit wenigstens dem Pottschen deutungsvorschlage folgend,
das got. fra-s-I-s ‘kind’ wol belassen: es war dann eben germ.
*fra-s-ti-z = indog. *prö-s-ti-s f. in seinem ursprünglichen
verstande ‘das hervorsäen, hervorgesätes’, d. i. ‘durch säen her-
vorgebrachtes’; vgl. lat. prö-serere ‘säend hervorbringen’, prö-
satu-s part. ‘hervorgebracht, entsprossen, erzeugt’, auch prö-
seminäre ‘hinsäen, aussäen’, ‘fortpflanzen‘.
Formal repräsentiert das indog. *-s-ti-s f. ‘saat, säen’ von
se- als schlussglied einer composition einen uralten bildungs-
typus, sowie das indog. *-d-ti-s f. ‘gabe, geben’ von dö- in den
altindischen compositen päri-t-ti-sh ‘“übergabe’, bhaga-t-ti-sh
‘glücksgabe’, magha-t-ti-sh ‘das geben und empfangen von ge-
schenken’ und väsu-t-ti-sh ‘empfang von gütern, bereicherung',
worüber man Joh. Schmidt, KZ. 25, 56. Verf., Morphol. untere. 4,
vorw.8.xIı und in diesen Beitr. 13, 427. Hübschmann, Das indog.
vocalsystem $ 3 8.15. $ 143 ».99 und Brugmann, Grundr. 1,
8 317 8.258. 2, 8 100 2.278 vergleiche. Und es gilt genau der
morphologische parallelismus: got. fra-s-t-s : lat. sa-ti-o : got.
mana-se-b-s, ahd. sd-t, abulg. se-t-ba —= aind. pari-t-ti-sh : aind.
BE EEE EEE Fogetai. — „Eiinen en ee PBEREA
ETYMOLOGICA. 093
di-ti-sh ‘reichtum, besitz’, gr. do-ou-c, lat. da-ti-o : aind. dä-ti-
vära-s ‘das geben liebend, freigebig’, gr. do-tı-s Hesych., do-
ti-v-n, lat. dös aus *dö-ti-s, abulg. da-i, lit. dü-ti-s f. ‘gabe,
geschenk.
Zweitens. Es kann das got. /ra-st-s auch, indem es auf
einem indog. *pro-s(p)-ti-s beruhen würde, mit lat. prö-s@p-ia
‘sippschaft, geschlecht, familie’ in beiden bestandteilen der
composition sich zusammenschliessen.
Lat. prö-säp-ia, auch prö-säp-i2-s und in dieser form genau
wie das synonyme prö-gen-i2-s gebildet, dürfte zunächst im
lateinischen selbst einen verwanten haben an dem söp-io ‘penis’,
über welches ausführlich mein college F. Schöll, Fleckeisens
Jahrbb. 1880, 8.488 anm.30 und 8.495 f. handelt. Es ist söpionibus
im sinne von ‘penibus’ als die überlieferung bei Catull. 37, 10
nach dem cod. V zu betrachten und darnach dasselbe auch bei
Petron. 22 anstatt der hier überlieferten lesart sopitionibus her-
zustellen. Als dritte stelle kommt eine solche des Marius
Plotius [M. Claudius] Sacerdos in betracht, wo die ausgaben,
nämlich Analecta gramm. ed. Eichenfeld et Endlicher p. 38, 14
und Gramm. lat. ed. Keil 6, p. 462,2, zweimaliges ropio lesen,
Schöll dagegen die emendation in sopio nach massgabe der
form mit s- bei Catull und Petron für notwendig hält. Dies
letztere wird glänzend bestätigt durch eine erneute vergleichung
von Cod. Pal. Vind. 16 fol. 123 ve ]. 2 sqq., welche auf meine
durch herrn hofrat ritter von Hartel gütigst vermittelte bitte
herr dr. Alfred Göldlin von Tiefenau, custos der k. k. hof-
bibliotbek zu Wien, vornahm: darnach hat der codex, ein
solcher des 7.—8. jahrhunderts aus dem kloster Bobbio und
mit langobardischer schrift, in der die zeichen für s und für r
einander sehr ähnlich sehen, geradezu sopio sopio, und ‘diese
von den beiden citierten drucken abweichende lesung steht
ausser allem zweifel’, wie dr. Göldlin von Tiefenau seiner
freundlichen mitteilung (14. febr. 1895) hinzufügt. Ausser durch
seine textkritischen erwägungen hat Schöll das söpio auch be-
sonders dadurch glücklich zu retten gewusst, dass er a.a. 0.496
auf meine veranlassung hin die altindischen im Taittiriya-bräh-
manam und in Äcraläyana’s crautasütren vorkommenden sdp-a-s
m. ‘penis’ und säp-ayant- part. ‘etwa futuens’ (vgl. Böhtlingk-
Roth, Sanskrit-wb. 7, 656) vergleichsweise heranzog; und neuere
94 OSTHOFF
Catullherausgeber haben sich darin Schöll angeschlossen, näm-
lich A. Riese, Die gedichte Catulls, Leipz. 1884, ». 74, Baehrens,
Catulli Veronensis liber, vol. 2, Leipz. 1885, 8. 215 und Schwabe,
Catulli Veronensis liber, Berlin 1886, s. 26.
Es wird hier eine gemeinsame wurzel indog. sap- er-
scheinen, die diesen ihren normalstufigen vocalismus in dem
aind. sap-a-s darbietet; dazu a-dehnstufig lat. prö-säp-ie-s, prö-
säp-ia, ö-dehnstufig lat. söp-io; o-hochstufig oder @- oder ö-dehn-
stufig aind. sdp-dyant-; aber schwächst-tiefstufig eventuell, seine
zugehörigkeit vorausgesetzt, das got. fra-st-s aus *pro-s(p)-ti-s.
Dem begriffe nach mag indog. sap- sowol ‘zeugen, gignere'
als auch ‘futuere, coire’ ausgedrückt haben. So gehören ja
auch zusammen gr. plrv, pirüua “keim, spross, sohn, nach-
komme’, gitvsw ‘säen, pflanzen, erzeugen’ und lat. /uiuere “be-
schlafen, geschlechtlich beiwobnen’. Ferner würden sich begriff-
lich lat. prö-säpies, -sapia und got. /fra-st-s auch genau so zu
aind. sapa-s, säpayant- und lat. söpio verhalten, wie ahd. fasal
‘fetus, semen’, mhd. vasel n. ‘junges, nachkommenschaft’, ags.
fesl ‘nachkommenschaft, nachkömmling, kind’, aisl. fosull m.
‘nachkommenschaft, brut’ zu mhd. visel, viselfin ‘penis’, lat.
peni-s aus *pes-ni-s, gr. n&os, aind. pds-as n. ‘männliches glied’
und zu lit. pis-u pıs-ti ‘coire cum femina’. Beiläufig hier die
frage an meinen freund Kluge: warum gibt er nicht Etym.
wb.5 99b unter faselschwein diese letzterwähnte in jeder hinsicht
untadelige, auch sonst allgemein anerkannte zusammenstellung
mit mhd. visel, lat. peni-s u.s. w., sondern statt dessen die laut-
lich unhaltbare anknüpfung an lat. par-io ‘gebäre’, dessen -r-
wegen par-tu-s und der ausserlateinischen bezüge (s. oben s. 90 f.)
nicht auf -s- beruhen kann?
Wenn got. /ra-st-s in einem ursprünglichen *pro-s(p)-ti-s
wurzeln sollte, als derivat von indog. sap- und verwanter von
lat. prö-säp-ie-s u. 8. w., so würde es in diesem falle hinsichtlich
der tiefstufengestaltung der wurzel bei der an zweiter compo-
sitionsstelle stehenden -tey-bildung sich mit aind. sd-gdhi-sh f.
‘semeinschaftliches mahl’ von aind. ghas- ‘essen, verzehren’
passend zusammenhalten lassen, da hierfür ein ideelles *sm-gAs-
ti-s, d.i. ur-indo-iran. *sa-gzdhi-sh oder ähnlich, die vorausliegende
basis war, worüber näheres bei Joh. Schmidt, KZ. 25,57 und
Brugmann, Grundr. 1, 8 591 s. 450.
ETYMOLOGICA. 95
Welche unserer beiden erklärungen des got. frast-s als die
ansprechendere erscheinen werde, mag dem geschmack des
kundigen lesers überlassen bleiben. Die erstere aus der wurzel
se- ‘säen’ dürfte das vor der anderen voraus haben, dass bei jener
das gotische nomen anknüpfung an eine auch im germanischen
selbst, sowie aussergermanisch, reichlicher vertretene wurzel-
sippe findet, dass ferner bei der zweiten auffassungsweise es
sich um eine eben erst deutlicher eruierte wortfamilie von
minderem umfange ihres historischen zubehörs handelt. Auch
eine lautgeschichtliche voraussetzung mehr erfordert die her-
leitung aus der wurzel sap-, doch dürfte die annahme des ur-
indogermanischen oder urgermanischen ausfalls des -p- in der
gruppe -spt- von *pro-s(p)-ti-s. oder germ. */rd-s(p)-ti-z, wenn-
gleich nicht weiter zu stützen, an und für sich unverfäng-
lich sein.
17. Got. fraim.
Mit frast-s ‘kind’ zusammen hat man auch got. /raiw n.
‘same’, ‘nachkommen, geschlecht’ = ajisl. fr&, frjö n. ‘same’,
dazu mengl. fri, nengl. /ry ‘“fischbrut, rogen’ als skandinavische
entlehnung, an die sippe von lat. pario, lit. periu, gr. rogı-s,
zogprı-s, ahd. far, farro, mhd. verse anschliessen zu dürfen ge-
glaubt; so, jedoch nur zweifelnd, Fick, Vergl. wb. 13,665 (nicht
widerholt 1,480), desgleichen so Byrne, Origin of the Greek,
Latin, and Gothic roots 144. Anders aber Leo Meyer, der KZ.
8,248. Die got. spr. 73.284. 381.680 dem got. fraiw seine ver-
wantschaft vielmehr an gr. onslgow ‘säe’ — dies lehnte schon
Diefenbach, Vergl. wb. d. got. spr. 1,398 ab — und an lat.
spargere “ausstreuen’ gibt. Uns darf heute keine dieser beiden
auffassungen mehr befriedigen.
Dass /raiwa- mit fra-sti- etwas gemein habe, ist und bleibt
bei ihrer ähnlichkeit der äusseren und inneren sprachform aller-
dings durchaus wahrscheinlich. Und das gemeinsame kann
dann schlechterdings nur das praefix /ra- gewesen sein; also
werden wir auch für /raiw auf die suche geleitet nach einer
composition mit indog. pro- ‘vor, hervor’, sowie es /ra-st-s aus
aus pro- + wurzel sö- oder pro- + wurzel sap- ist.
Die sache erscheint mir einfach genug: germ. *fra-iwa-n
same’ dürfte — indog. *pro-i-wo-m ‘“hervorgehendes, hervor-
kommendes’, die wurzel des schlussgliedes also ein guter alter
96 -OSTHOFF
bekannter, nämlich ey- ‘geben’ von aind. e-ii, avest. a£-iti ‘geht’,
gr. el-wı lEvaı, lat. eo ire, lit. einüu eiti, abulg. idg iti ‘gehen’,
gewesen sein; zu ihr stellt man ja mit sicherheit bekanntlich
die praeteritalform got. iddja ‘gieng’, age. eo-de, ferner das
nomen mhd. jän m. ‘fortlaufende reihe, strich’ (vgl. O. Schade,
Altdeutsch. wb.? 462° f. Kluge, Pauls Grundr. 1,371), um von
anderem, discutablerem germanischen zubehör hier abzusehen.
im lateinischen wird pröd-tre bei den landbauschriftstellern
vom ‘hervorkommen, hervorwachsen, aufkeimen’ der saaten und
pflanzen gebraucht: prödit seges Varro, prödeuntia semina Colum,,
folia ex rädice prödeuntia Plin.; vgl. Freund, Wb. der lat. spr.
3 (1845), 8. 1013. Nächstdem ist mit dem falle got. fraim aus
*pro-i-wo-m vergleichbar: lat. ex-ire ‘hervorkeimen, aufgehen’
in exit hordeum, trilicum Varro, exeunt seömina E& terrä in früges
Plin., ui vix Zla herba exeat Colum., exit lens sata Pall., exit
messis Val. Flacc. u. dgl. mehr (Freund a.a.o. 2, 414 ); gr. Gv-Eup,
av-ıdvaı ‘herrorwachsen’ von der saatfrucht in unz’ &g0Tov avrolz
yis avıevar rıvd Soph. Oed. Rex 270 (vgl. Pape-Sengebusch,
Griech.-deutsch. handwb. 13, 220®); russ. vzo-iti ‘aufgehen’, z. b.
in vü takuju pogodu posevu legce vzoiti ‘bei solchem wetter ist
es der saat leichter aufzugehen’.
Analogien für die nominalstammbildung mit -wo-suffix aus
der wurzel ey- bei unserem /raiw bieten das altindische und
das litauische, sowie vielleicht das germanische selbst, dar. Ich
meine: aind. ved. e-va-s adj. ‘eilig’ (?), m. ‘lauf, gang, weg’, plur.
‘handlungsweise, gewohnheit, sitte, weise’; lit. -ei-m-ja- ‘gänger',
nom. sing. -ei-m-i-s, ‘-eiwis in zusammensetzungen, at-eiwis fe.
-we ankömmling, per-eiwis landstreicher, kar-eiwis krieger, kel-
ezwis wandrer : eiti’ (Leskien, Die bildung d. nomina im lit. 348,
vgl. auch Schleicher, Lit. gramm. $ 45 ».109). Hiernach kann
aber auch in frage kommen, ob nicht got. fraiw, aisl. /r&, frjo,
anstatt dass ihm ein indog. *pro-i-wo-m zu grunde liege, viel-
mehr im urgermanischen aus einem */ra-i-wa-n = urspr. Fpro-
ey-wo-m herausgebildet sei; bei der bekannten verlockender,
jedoch noch nicht völlig einwandfreien hypothese, dass unser
verbum gehen selbst die wurzel ey- in zusammensetzung mit
dem praefix za- berge, pflegt man ja die formen wie ahd. gem
1.sing., ag8. ze&s(l) 2.8ing., zEd 3.sing. auf *za-imi, *za-isi,
*za-tpi = gr. eluı, el, eicı, aind. emi, Eshi, eti zurückzuführen
a -_ u.
ETYMOLÖGICA. 97
(Kluge, Etym: wb.5 131®, Pauls Grundr. 1,371. Franck, Etym.
woordenboek d. nederl. taal 259). |
Nun nimmt jedoch an der ableitung mit dem -w-suffix das
germanische, abgesehen von got. fraiw, wol wahrscheinlicher
weise noch teil durch asächs. &o m. ‘gesetz’ und aga. &, &w f.
‘gesetz, ehe’, die auf einem germ. *ai-w-i-z beruhen (Sievers,
Angelsächs. gramm.? $ 269 =. 123), sowie durch das feminin ahd.
Ewa ‘gesetz, ehe’, mhd. £&, Ewe ‘gewohnheitsrecht, recht, gesetz,
ehe’ und das der n-declination folgende afries. &we f. ‘gesetz’,
für welche wol *ai-w-iö- und *ai-m-iön- die vorauszusetzenden
urgermanischen themenformen waren (van Helten, Altostfries. gr.
822, anm.1 8. 24. 8 86 8.76. 8 185 8.150); über ihre beziehung zu
dem aind. ved. e-va-s masc. und zu lit. at-eö-m-i-s u.2.w. handeln
Fick, Vergl. wb. 13, 27.506. 3°,30 und Kluge, Etym. wb.5 83»,
Es könnte darnach wol sein, dass die durch -w- vollzogene
nominalstammbildung eigentlich den o-hochstufenvocalismus .der
wurzel gehabt hätte und aind. e-va-s —= indog. *oy-wo-s zu
setzen wäre; lit. -ei-w-i-s in af-eiwis und genossen mag ja leicht
für ein älteres *-ai-m-i-s oder *-&-m-i-s aufgekommen sein, in-
dem bei klar gebliebenem zusammenhange mit dem verbum
eiti von diesem das ei- übertragen wurde. In diesem. falle
müsste denn auch hinter dem got. /raim vielmehr das indog.
*oy-wo- gesucht werden, und es ist tatsächlich: in lautlicher
hinsicht kein zweifel, dass selbst ein ursprüngliches germ.
*fra-ai-ma-n kaum zu etwas anderem, als der historischen form
/raiv hätte führen können. Da aber /raim nicht den eindruck
einer erst auf germanischem boden zu stande gekommenen
compositenbildung macht, so bleibt wol am wahrscheinlichsten,
dass ein altes erbgebilde indog. *pröymwo-m aus urindog. *pro-
oy-wo-m in /räiw ausmündete, indem auch hier das bekannte
von mir nachgewiesene gemeineuropäische, aber nicht ureuro-
päische gesetz der langdiphthongenverkürzung (vgl. Noreen,
Abriss d. urgerm. lautl. $8 8.27f. und die dort eitierte lite-
ratur, ausserdem Brugmann, Giundr. 1, $ 614 s. 465 f. Bremer,
IF.4,9 anm. H. Möller, Anz, fda. 38, 127 ff.) seine wirkung übte.
Das adj. aisl. frer fruchttragend’ setze ich mit Kluge LE
lich) = got. *ya-fraiw-s.
HEIDELBERG, 17. februar 1895. H. OSTHOFF.
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXX. 7
ANGLOSAXONICA. II
| Genesis.
1405. Statt edmonne liest Grein ednioune, was aber einen
katalektischen vers und keinen rechten sinn gibt. - Dennoch
glaube ich, dass wir Greins besserung acceptieren müssen, aber
mit ausfüllung des mangelnden versgliedes; denn die heilung
ist einfach genug: lies a i ednioune (typus 0) ‘sich immer er-
neuernd. | | |
Exodus.
efnzedilde ist richtig in beziehung auf, SEN
ee aber mit deormddra sid verbunden, denn dies verlangt
efne zede&lde, was sich auch mit heuhbeznunga verträgt. Zu
sammenteilen und ‚genau teilen ist nicht identisch.
98. ba ic on morzen zefreezn, wie im B&ow. 2484. - Con-
struiert man: (bes) mödes röfan (gen. sing.) herebyman (acc.
plur.) hlddan stefnum (instr. plur.) hebban wuldres mwöman (acc.
sing., object zu hebban), so ist alles klar; aber der erste ein-
un ._
druck jedes unbefangenen lesers kann kein anderer sein, als °
dass der mödes röfa, d.h. Moses (oder plur,, Moses und seine '
heerführer) die Aerebijme (oder plur.) hebt (oder heben) u. s.w., °
woraus ich keinen sinn gewinnen kann. Der ganze passus ist
verworren: sie lagern sich und marschieren dennoch darauf
los: eine wahre schlafwandererepisode, von Strobl, Genau
20, 292 f. leider nicht benutzt.
129. füs on foröwez. Ich verweise ‘auf ähnliche unflee-
tierte formen, ohne etwas zu praejudicieren: Crist 19 dadza us
sizes öbrum formwyrned; ibid.81 ne we b@re wyrde wenun burfon
Töweard in tide; Sat. 341 hweorfan zeond helle, häte ondled;
ibid. 308 soöfeste men, sunnan zelice, feezre zefretewod;. Men. 205
herfest (acc.) forste zefeterad; und unten Exod. 140 wean wi-
tum fest.
ANGLOSAXONICA. 99
139. Ob die conjectur Öhtnied das richtige trifft, bezweifle
ich: oht ist ‘verfolgung’, nicht “tribulatio. Was folgt, bezieht
sich auf Gen. 47, 14—26; Grein übersetzt unrichtig ‘für seine
schätze’: denn nachdem die Egypter all ihr geld ausgegeben
hatten, mussten sie ihr yrfeland (possessiones Gen. 47,20) dem
könige verkaufen, gegen korn eintauschen, wodurch dieser so
zu sagen ihr yr/eweard ward, nach erwerbung ihrer mdöma
(‘omnis pecuniae’, vgl. Gen. 47,14): swa micles zebah. Curios
ist was folgt: edles bes forzeton! als wäre diesen proletariern
durch solch eine bloodsucking die grösste woltat bewiesen!
150. Det feorhlean, die todesstrafe als sache für ihre
brüder, die primogeniti.
152. Zeode ist doch wol zeniin und Moyses nom. mit be-
zug auf he.
154, bd him eorla möd ortrijwe weard. Or trjwe hödeniet
hier nicht ‘diffidens’, sondern ‘despairing’ (e. ee) Him eorla
= eorlum heora.
157. oferholt wezan fasse ich als parallele mit \ ford oN-
zanzan. Kluges ‚geistreiche conjectur ist mir darum unwahr-
scheinlich, weil, wer ofer holtwezan anrückt, verborgen bleibt:
scildas wezan und dergleichen bedeutet einfach ‘marschieren’.
Freilich bleibt auch mir oferholt dunkel.
158. zäras trymedon. Dem zusammenhang nach muss hier
{rymedon intransitiv sein. ten Brink (Anz. fda. 5,57) verglich
Vergils hastas horrentes und erklärte es mit ‘dicht sein, starren”.
Reflexir habe ich es in Earles Sax. Chron, 8.184 in der be-
deutung ‘sich in geschlossene schlachtreihe aufstellen’ gelesen.
Hier bezieht es sich auf die geschlossenen glieder der anrücken-
den speerträger.
165. Die wölfe und y.200 die Juden singen ein atol &fen-
16od; die näherung des egyptischen heeres ist noch sichtbar
(v.178); dennoch ist v. 168 von mitternächten die rede im plural,
also iterativ! Wülker macht den text noch schwieriger da-
durch, dass er hinter /u! = /y! komma statt punkt setzt.
166. carleasan deor (gegensatz cearfullan) ist deutlich: die
tiere sind froh @tes on wenan. Steckt v. 169 in zeh@zed viel-
leicht ein zexzed? jedenfalls ist es gegensatz zu dem bekannten
folc wes on salum (106.564), weshalb es mir eine variante von
ezesan stödon (201) zu sein scheint.
7*
100 | COSIJN
176. Welhlencun sceoc ‘sprengte mit todesmute’. So Grein
der alliteration zu liebe; ähnlich heisst es im B&eowulf syrcan
hrysedon v.226. Dort rüstet sich der könig zum kampfe, hier
kleiden sich die Goten. Nach EI. 24 sind die wridene welhlencan
panzer; unten v.218 werden die hlencan mit searo erklärt.
180. mezan in der bedeutung ‘se movere’ bezweifle ich:
zreiion wird wol in zeaiwe zu ändern sein, ‘wie im Reimlied
Aelven in frelwe.
184. Nach Groth bestand die ganze egyptische armee hier
bloss aus zweitausend kriegern; beim anblick dieses häufleins
wurde das an 600,000 mann starke jüdische heer ‘von einer
heillosen angst überfallen’; sogar Moses nennt dann diese 2000
mann side herzas, eorla unrim! Ein dichter der sich so etwas
vorstellen könnte, würde in Bedlam ein passendes unterkommen
finden; aber er berichtet ausdrücklich, dass mehrere tausende
(196) das eorp werod ausmachten. Die mengl. Exodus nennt
600 wagen, 50tausend reiter und 200,000 fussknechte.
197. .:t06 bdm megzenheapum; man streiche 10.
198. 10 Dim drdwgze. Dem widerspricht der AUEMarEch
v. 172 und v. 203 ff.
207. Mid him tösomne ‘zwischen ihnen’, vgl. Anglia 4, 143
2.94 mid b&m cristallum ingemong. Ist zeldde richtig (zeldde
ist Jedenfalls zu ver en so ist zescon hier reflexiv wie im
Beowulf. 2 Br |
209. hetlend vom merestream? a
225.. fedan twelfe, die 12 stämme,. Warum ist hier an
brittischen einfluss zu denken (Groth 19, note)? Vgl. Judisc feda
v.312 und die mengl. Exod. 3252.
249. beama beorhtost, lies beacna beorhlost, N 320 und
Beow. 2777 sezn ec zendm Beacna beorhtost. Solche sezn' oder
beacn werden ahafen, ärc«red; leider verbietet die liebe metrik
uprad in uferad (vgl. geuferod Aelfr. Hom. 1, 362) zu ändern.
Sievers upzerad (nach v. 172°). Aber man marschiert noch nicht.
251. drec im indieativ muss eine licentia poetica metri
causa sein, wenn bulon richtig in bidon geändert ist. |
253. beohäta, falls richtig, kann nur ‘held’, nicht ‘dux’
bedeuten. Ueber behät vgl. Toller, adde Aelfr. Hom. 1,380. 466
und Saints 7,370. Charakteristisch für unsern dichter, dem
Sievers m.e. summo jure die verfassung der dürren Genesis
ANGLOSAXONICA. 101
abspricht, ist die verherrlichung dieser flüichtlinge, welche als
wahre helden, sogar als tüchtige seewicinzas vorgestellt werden
(in der flucht vergessen sie kein stück, nehmen ganz gemütlich
alles mit) — wahrscheinlich weil sie nur fliehen auf gottes
und Moses’ befehl. Sogar das durchziehen des schilfmeeres
wird wie ein heisser kampf (mit wem? Dracu wes on öre 326,
d.h. der verfolger war weit hinten!) vorgestellt.
255. monize ‘die volksmengen’, vgl. v.552 menezum 'catervis’.
265. cznian; man vgl. Judith 184 bet he mid 1&ödum üs
ezlan möste und Cura Past. Cır 198, 13 ezlize statt ezle.
280. Ex. 14,16 heisst es: ‘Tu autem eleva virgam tuam
et extende manum tuam super mare.’ Ic ond beos swiöre hond
findet wol nur so seine erklärung.
283. ond welfesten, lies on welfesten. Vgl. Gen. 1879
(Beitr. 19, 451) und Ex. 296 unten.
288. in dce. In ecnesse bezieht sich sonst auf die zukunft.
Vielleicht iu @r ece; vgl. Aelfr. Hom. 1, 318.
259. Thorpes sealte s&zrundas wird durch v. 333 ofer
seallne mersc gestützt; doch liegt side s&z. näher (s/de, daraus
selde mit ‘anlehnung’ an s&zrundas). Die lesart s&@lde ist
jedenfalls verdächtig: der frost bindet das wasser, aber das
wasser den grund nicht. Suödwind fornam ändre ich in sund
(object) wind fornam, und bedwezes blest deute ich als ‘see-
wind’. rim is arcafod muss wol übersetzung sein von abstwit
ilud dominus Ex. 14,21?
293. «rzlade. Ueber erzöd hat bekanntlich Bugge sart
delt (Tidskrift for philologi 8, 67). Ist hier erzlade (adv.?) auf
miltse zu beziehen, so fragt es sich, ob in diesem «@r nicht ein
altes verstärkendes praefix stecken kann: vgl. das wunderliche
eret Auglia 11, 102.88. 12,514. 10. Wulfstan 135,2. 290, 32 =
oferi;, eine beiform @r- zu or-? vgl. das tonlose @- aus az-.
297. ba foreweallas. Das wort begegnet auch Zs. fda. 9,499
(Glosse. Aldh.) foreweal[!] propugnaculum.
307. Vgl. Dümes d2zZ70 bonne he zehyrweö fuloft halze lare.
312. ofer zrenne zrund, als wäre es die grüne erde. Oben
v.287 heisst es /aze feldas (fämze Grein; das sind aber die
wellen). |
313. an onorelte; an öre önelte? an (on onette) deiktisch
zu deuten und auf zeläd zu beziehen wage ich nicht.
102 COSIJN
318. ofer cynericu. Ofer cynrynu? ‘supra gentes’ Ps. 46,8;
bier sind die stämme gemeint: vgl. cneowmaza bldd.
323. Ich interpungiere hier wie Wülker: der löwe ist der
herewisa, über ne lange ‘keinen augenblick, gar nicht’ «. meine
Aanteekeningen zum B&eowulf v.446; Zenze zu vermuten (Aant.
zu v. 2423) ist unnötig.
328. 1. wepna welslihtas parallel mit heard handpleza, wie
wizend unforhte mit haezsteald(as) modze.
340. Nach Der ergänzt Grein richtig ford, was Wülker
nicht angibt.
342. 1. bridde beodmezen (büfas mundon Ofer zärfare)
zudcyston branz. Vgl. für Dranz Jud. 249. Güpläc 868. Der
stamm Simeons hatte natürlich auch fiftiz cista.
345. Kluge ergänzt zrund. Aber auch deop oder stream
ist möglich, denn die sonne geht in der weltsee auf und unter:
vgl. Güpl. 1265 oöbei dastan cwom Ofer deop zelad dezredwoma,
und Andr. 241. Vgl. auch die folgende note.
346. morzen meeretorht wird gestützt durch morzen mere-
torhine der Metra 13,61. Aber der dezwöma von 344 wird
schlecht illustriert durch zodes beacna sum, denn letzteres ist
die sonne selbst: vgl. Andr. 241 ba com morzentorht Beacna
beorhlost ofer breomo sneowan Haliz of heolstre, heofoncandel bläc
Ofer lazoflodas. Und dann ändert sich die sonne widerum v. 346
in den morgen. Die überlieferung scheint fehlerhaft; viel-
leicht ist zwischen 345 und 346 ein vers ausgefallen oder
aber — dieses schnelle aufeinanderfolgen von tagesanbruch,
sonnenaufgang und morgen ist absichtlich vom dichter dar-
gestellt.
348. isernherzum (vgl. folca bridum und smweotum v. 340.
341) erinnert an das örenbreat im Beowulf. Die wörter folc
bis cynne gehören, wenn Greins ergänzung for v.350 nicht das
richtige trifft, zu /ör von v.347; dann aber bilden die wörter
dan wisode — on forÖwezas eine parenthese, denn wisian c. acc.
erscheint erst spät, z. b. Wulfstan 304,18; beon mwissod ‘regi’
Aelfr. Coll. bei Wülker-Wr. gl. 99,7. Aber Greins einfügung
bessert eine sonst harte construction. |
352, Vgl. Ebert, Anglia 5, 409; aber seine conjectur edel
scheint mir weniger glücklich, weil es sich gerade um die ab-
stammung der Juden handelt: kim wes an feder folgt unmittel-
ANGLOSAXONICA. 103
bar. Als ächtes gottesvolk (onriht zodes folc) hatten sie das
landriht von Abraham ererbt. Es folgt eine gewis ächte epi-
sode, in welcher durch Abrahams opfer gottes gnade begründet
wird. Noahs plötzliche einführung 362—380 befremdet, aber
v.377—379 verbietet uns, die authentieität dieser verse zu be-
zweifeln. |
364. lies drenceflöda nach Gen. 1398.
368. maömhorda mest ist nicht ein ‘store-house’ d. h. nicht
die arcbe, sondern deren inhalt, der schatz der ganzen erde.
373. mismicelra. Wülker vergleicht die nämlichen stellen,
welche in meinen Aanteekeningen zu v.30 angeführt sind, fügt
aber ein Orosiuseitat (Anglia 1,185) hinzu, das einen positiv
pro comparativo erhalten soll. Interessant wäre es, aus einer über-
setzung dieses citates zu lernen, wie W. dann diese stelle versteht.
379. feder Abrahames, sc. Thare, nach Gen. 11, 10—27 der
neunte nach Noah.
384. Vor siööan komma: he on wrece lifde ist parenthese.
399. fyrst ferhöbana nö by f&zra mes gehören offenbar
zusammen; es fragt sich aber, ob ddfyr onbran damit eine
parenthese bildet, denn wolde setzt den satz zel@dde Abraham
Isaac fort. Dann wird der scheiterhaufen hier zum ersten
lebenstöter; quod absurdum. Also folgen hier zwei parenthesen.
Ist es erlaubt, f&zra in fezenra zu ändern? ist vielleicht der
fyrst ferhöbana der feorhbana xar' 2&oynv, der teufel, und der
sinn dieses dunklen passus dieser: Satan brauchte sich nicht
zu freuen, denn Abraham blieb gott gehorsam? Aber das ist
nur eine vermutung, die auch mich nur halb befriedigt.
401. beorna selost, neutr. wie Jud. 325.
404. Die interpunction trennt widerum zusammengehörendes:
vor da acc. sg. auf fröfre bezogen, komma! swa forö ‘so sehr’
wie Boeth. Fox 44,27 (Card. 68): swa forö swa swa dnezu Ze-
sceaft fyrmesi mez hiere sceppendes onlicnesse habban; ebenso
ibid. 120, 33.
407. folcc4d kann leider nicht mit Grein auf /äfe bezogen
werden; es ergäbe sonst eine hübsche parallele zu B&ow. 1145.
409. Vgl. Beow. 793.
413. Wülker verwirft Greins metod, weil hier doppelreim
stehen soll. Eine erklärende note zu dieser fussnote wäre doch
erwünscht. Wir folgen Grein bis auf weiteres.
104 COSIJN
426. be- in behwylfan hat dieselbe bedeutung wie in be-
fedman, nämlich ‘um’: “umwölben’.
430. & beos zeomre Iyft. In verzweiflung wage ich £& Dbeos
eormenlyft (eo : jo, 8. Sievers, Beitr. 10,195). Die ‘seufzende’
luft Greins bringt uns nicht weiter und gerade auf die aus-
gedehntheit des luftraums kommt es hier an. |
462°. fezum siefnum gehört zu cyrmdon und /yft up ze-
swearc ist parenthese = welmist ästah 450. Auch cyre (cyrm?)
swiörode ist einzuklammern. Aber 457 interpungiert Wülker
besser als Kluge, der Der &r mwezas lagon und mere mddzode
scheidet; dass diese zusammengehören, zeigt das resultat mezen
mes üdrenced, weil die früheren wege durch das wütende meer
bedeckt waren. |
4620. flod blod zewöd. Im grunde lächerlich, aber der
dichter denkt sich die mit tod und vernichtung drohende wasser-
mauer als eine feindliche armee. Das macht die deutung von
randbyriz mwd&ron rofene schwierig; das durchbrechen der scild-
burh durch den cuneus d.h. ord des anstürmenden feindes war
gleich fatal wie das sprengen einer carrdee in unserer zeit.
Aber ich beziehe hier die randbyriz nicht auf die Egypter, son-
dern auf die anstürmenden wogen; die formierung einer scild-
burh bei belagerungen durch die sturmlaufende heeresmasse
ist ja bekannt. Wizbord scinon heah ofer heledum gilt auch
unten v.466 von den aufgetürmten wogen.
470. searwum üsdled ist offenbar widerholung von feste
zefeterod. Was ist dann aber forÖzanges nep, das man so gerne
mit meresiream modiz verbinden und mit se de feondum zendop
‘qui hostibus viam interelusit’ vergleichen möchte? vgl. auch
oben v.454 him onzean zendp, das zwar einen sinn (v.450®),
aber doch keinen recht befriedigenden sinn gibt. Jedenfalls
ist modiz v.468 in der gotischen bedeutung aufzufassen; vgl.
auch Boeth. Fox 192,18 done unzemetlice mödezan d& yrsiendan
‘irae intemperantem’ (4, 3).
474. nacud nijdboda; der fah feöezast ist wie Grendel ohne
waffen und rüstung. Im vorigen vers habe ich @flästungewuna
‘der noch nie hinweggeströmt war’ conjiciert; vielleicht dass
dieses ungeheuer einen auf den wahren weg bringt.
477. biddezesan hweop wie oben v. 121 belezsan hmweop.
ANGLOSAXONICA. 105
Ueber blöd- s. meine note zu v. 462; vielleicht hier mit an-
spielung auf die rote farbe des meeres?
481. flöd famzende?
482. Ich lese wie Wülker lazu land üe alliteration wegen
für sand) zefeol.
488. manezum, allen ohne ausnahme. Litotes.
491. mwitrod als witerdd ‘zuchtrute’ zu fassen ist nicht
erlaubt, denn Moses’ stab fiel nicht hoch vom himmel. Heah
gehört zu handweorc zodes, die wassermauer: mwilrod ist wol
acc., vgl. 482, aber was? | .
493. flöd weard zesiöh? Dann nach fämizbösma stark inter-
pungieren; esidh aus islöh der vorlage?
497. flödbläc erkläre ich wie wizbldc v.204, bleich vor
dem schreeken den /flöd und wiz verursachen. ‘Bleich wie das
meer’ und ‘mit glänzender rüstung’ passen nicht in diesem
context: vgl. die antithese feond—anmdd v.203°.
509. Vgl. Or. 206,9 Det der nän tö läfe ne weard het
hit (6 Röme gebodode.
514. Gzeal zyip wera. Vgl. Wulfst. 263,7 se bittera dead
bet tod«eleö eal; bonne biö se zlencz ägoten etc. Hie wid zod
wunnon, vgl. B&ow. 113.
515. Danon temporal, wie Beow. 224? Der ganze passus
bis 548 stört den zusammenhang; auch ist er nicht im einklang
mit der Vulgata Ex. 15,1: tunc cecinit Moyses ete.; erst mense
tertio (19,1) verkündet M. doma zehwilcne, welche man noch
jetzt on zewritum finded.
517. hälze spr&ce instrumental wie Gen. 2165, nn also
das komma nach spr«&ce.
518. dezmweorc nemnad, das werk eines tages: prima die
mensis loculus est Moyses ad flios Israel omnia quae praeceperat
ii dominus ut diceret eis Deut. 1,3. Also ist hier nicht der
dekalog gemeint, sondern die Zegis explanatio von Moses selbst.
520. Döma zehwilcne, bara Öe him drihten bebead, vgl.
Deut. 6, 1 praecepta ... alque judicia quae mandavit dominus
deus, und, mit variationen wie mandata statt praecepta sonstwo.
524. zinfesten zöd. Dass nicht god, sondern zöd zu schreiben
ist, beweist die constante verbindung von zin/est mit zifu, wenn
man wenigstens die änderung zinfestan acceptiert: ‘die unver-
gäuglichen güter, das ewige heil’. Der ‘interpres salutis’ kann
106 COSIJN
doch schwerlich etwas anderes sein als subject, also nominativ.
Beorht ist dann acc. plur. zu zinf. zöd; aber bei dieser inter-
pretation muss bänhüses weard in b. wearde = Ödm zäsle ge-
ändert werden. Das aber erlaubt die liebe metrik meines
wissens nicht. Was bleibt uns dann übrig, als banhuses weard
als apposition zu lifes wealhstod aufzufassen ?
- 531. Mit Zy/twynne aus dem B&eowulf haben wir hier nichts
zu tun: dies bedeutet ‘ba mwynlican Iyft’. Hier ist Zenzran lif-
mwynna ‘ewiges leben voller wonne’ zu schreiben.
5865. Vgl. El. 123 Da wes büf hafen Sezn for sweotum,
sizeleoö zalen.
572. ealle him brimu blodze' RuBlon: vgl. Saints 6, 165 he
fleow eall blöde.
575 ist einzuklammern.
576. meras ‘Moyses et filii Israel’ Ex. 15,1: wif on 6örum
(sweote?) “Maria prophetissa ... (et) omnes mulieres’ ibid. 15, 20.
Das ‘carmen’ wird hier ein /yrdieoö, das, obgleich das volk
on salum wes (v.564), doch aclum stefnum gesungen wird; die
‘Juden waren offenbar durch den schrecklichen untergang der
Egypter impressioniert: meazlum stefnum mezenwundra fela
würde hier passender gewesen sein.
579. ba was eöfynde (in grosser anzahl). Afrise meonle,
hier zweifellos die jüdische meomwle, welche sich [mit zyldenre
halswurdunge (vgl. breostweoröung im B&eowulf)?] putzt. Das
gold ist aber egyptisches gold, welches hier zum herereaf mit-
gerechnet wird, und als Josepes gestreon den Juden on riht
zufiel. Sc@läfe wird v.584 wol nom. plur. sein und von den
Juden gelten; vgl. hereläfum Apelstan 47 (Grein, Prosa 3, 102,12
beweist nichts); aber sicher ist dies nicht.
585. on ydlafe = on zeofones stade v.580 und s. Bugge,
‚Beitr. 12,88. Das anspülen der egyptischen schätze wird auch
‚in der mengl. Gen. and Ex. berichtet: v. 2381 and here welöe
is io londe w(r)eken Wepen and srud, siluer ‘and gold. Wir
brauchen also Greins seznum — ‘netzen’ nicht.
Daniel.
5, wiz für wizsped nur hier: letzteres wird mit /orzifan
verbunden und das metrum verbietet nicht, auch ‚hier wizsped
zu lesen. Ist Beowulf 1083. wiö Henzeste wiz zefeohtan die
ANGLOSAXONICA. 107
richtige lesung, so würde dies ein zweiter beleg sein; aber
dann würde nicht »iö, sonderh on stehen müssen.
16. herizes helmum : heledö under helmum (vgl. Jud. 203)?
herzas under helmum schliesst sich der überlieferung näher an.
Unwillkürlich denkt man an Be&ow. 4 und 5. |
17. ei winpeze; vgl. 753 und Jer. 25,15 f. sic dicit domi-
nus exercituum, deus Israel: sume calicem vini furoris hujus de
manu mea et propinabis de illo cunclis gentibus, dd. quas. ego
mittam te etc. Ä
22. ba zeseah ic. Es ist als ob Widsid spräche: oben
heisst es zefrezn ic. Stand vielleicht im urtext ba .zefreah ic?
Das wäre eine curiosität! Ä Ä |
25. läre. Besser {0 läre.
30. bet hie ece r&das Et sidestan sylfe forlston?
33. . lies rice Öeoden, Unhold drihten, d.h, gott.
35. lies wisde him fremde (sibi alienos).
37. dugoda demend?
38. Mit Holthausens herepad rihtne wird nichts gewonnen.
Wisöe ist kein wisode und: auch letzteres gibt keinen sinn.
Etwa herepad t@hte? Aber. wie kann man mit genügender
sicherheit eine solche lücke ausfüllen?
40. Salem, ra isoa ZaAnu? aus Tossa: Vgl. ‚aber
v.2 und 708. Eine alte interpretation. von Salem Gen. 14, 18 ist
‘Jerusalem’.
41. Gegen Sievers’ wizan möchte Wiülker warden: ‘dass
witzan in der hs. steht’. Das bezweifelt niemand, wol aber ist
zu bezweifeln, dass N, mit magi statt mit ‘kriegern’ eine stadt
belagerte. In der fussnote ist die besserung von Sievers tunzel-
creftcum (Anuglia 13,325) nachzutragen. Dass man kein recht
hat, texte ‘aus metrischen gründen lustig drauf los’ zu ver-
bessern’, wird uns Anglia, Beibl. 5,265 gelehrt. Warum darf
aus grammatischen gründen gebessert werden, nicht aus metri-
schen? Sind es eben nicht die texte, aus welchen man seine
grammatik und metrik schöpft?
5l. zuman? aber das ganze volk wird später mitgeführt,
Dicht omnes fortes exercitus decem milia von 4 Reg. 24,14. Ist
vielleicht Gudan, ‚Giudan dafür einzusetzen? Dan. 1,2 wird Jo-
akim rex Juda genannt und oÖprinzan wird sonst mit sach-
lielem object construiert; entweder mit ealdor, feorh oder mit
108 COSIJN
eard Rä. 85,11, was sehr gut mit Judan ‘Judaeam’ stimmen
würde, '
53. lies zewät west faran Herize h&dencyninz t0 beere hean
byriz Israela, denn Nabuchodonossor belagert höchstselbst Jeru-
salem, vgl. Dan. 1,1. 4 Reg. 24, 11.
56. ‘Lufan will Ho. in /ucon ‘verwahrten’ ändern! So
Holthausen, Anglia, Beibl. 5, 231. Meine kenntnis der deutschen
sprache ist leider zu gering, um den wert dieses ausrufszeichens
zu begreifen: ist es gegen Hofer oder gegen Wülker gerichtet
oder & double usage? Jedenfalls erlaube ich mir, li/dan zu
lesen, weil lö/fwenan — lifwynnum ist und mwynnum, dreamum
lifdon bekannt genug ist: doppelschreibungen (ii statt ;) findet
man auch in Millers Beda. Entweder eöelweardas — melod in
parenthese, oder vor eöelweardas ber einfügen.
58. ba mwizan ne zelüfdon sc. on god? vgl.106. In der
prosa sind zeljfed und zelyfed on zod identisch.
60. Vgl. 4 Reg. 24, 13.
66. Man vgl. Beow. 1155: eal inzesteald... smwylce hie «t
Finnes ham findan meahton: dem 16 scypon feredon 1154 ent-
spricht hier v. 65 zehlödon; him ist mit (6 hüde zu verbinden
(vgl. 72 him tö mweorcbeomwum) ‘als ihre kriegsbeute’; anders
Grein. Aus /reos ‘pelzwerk’ zu machen ist gewis verfehlt;
Gen. 2130 kommt feoh & fretwa vor: das würde hier recht
gut passen.
83. creft: lileras ei linguam Chaldaeorum Dan. 1,4, denn
sie waren schon erudili omni sapienlia, cauli scientia et docti
disciplina = zleawost böca bebodes v. 81. Der drei jahre ihrer
bildung, Dan. 1,5, geschieht keine erwähnung, und die ordnung
von Dan. 1,5 und 18 ist hier umgekehrt: v. 93 kommen sie
‘zum fürsten hin’, um ihr (ebräisches?) wissen zu verkünden,
und erst v.99 befieblt dieser, dass ‘ihnen kein mangel wäre an
gewand und speise”.
88. ba in der hebung wie v. 104; to ist in ein zahlwort
zu ändern; anfangs deutete ich es als /F, aber in abweichung
von Dan. 1,6 werden hier und unten v. 93 nur drei genannt;
folglich steckt in f6 ZI]. und ist nach /reazleawe einzusetzen,
vgl. Az. 58. Dan. 462. Gen. 1334. El. 847 u. s. w.
90. in zodsede = de semine regis et tyrannorum Dan. 1,3.
zöd ist hier der positiv vou se/ra ‘ansehnlicher' B&Eow.2199.Rä.13,4,
ANGLOSAXONICA. 109
95. corÖres zeorn = ul postea starent in conspeclu regis
Dan. 1,5: cneordneszeorn zu vermuten, ist unnötig. &
101. be feore, vgl. Dan. 1,10 condemnabitis caput meum
regi und Saints 11,6: swa bei le cristen mann sceolde be his
azenum feore bam hd&lende wiösacan. Be (minre)-cynzes ofer-
hürnesse übersetzt Schmid (AEpelst. leg. 1,8 5 2. 128, und 6,$ 4
8.166) ‘bei strafe des ungehorsams gegen den könig’. Dede
bet —, vgl. Aelfr. Hom. 1,184 200 bet bet folc sitte.
113. Das im Daniel mit einer s/afua grandis verglichene
gebiet des fürsten erschien den menschen (yldum) unzelic 0d
edsceafte, denn dem regno .aureo folgen ein regnum argenteum,
aereum, ferreum etc. bis rices zehwes ... sceolde ende wurdan,
vgl. Dan. 2, 44: regnum caeli ... consumet universa regna haec. :
118. swefnes möma kann unmöglich ‘parallel mit sorh’
stehen. Im folgenden vers ist mit Dietrich meted-= mdted zu
lesen. Dass m&tan vorkommt, auch c. dat. pers., beweist Toller:
Holthausens Aine zgem&ied ist unnötig.
125. Ist word. hier der sermo von Dan. 2,5? anzin stimmt
scheinbar mit ör von v. 133, bedeutet hier aber. wol ‘gang’, nl.
‘beloop. In v. 133 wage a ne — or als ‘sogar den anfang
nicht’, d. h. ‘gar nichts’ zu deuten: Thorpes ‘its beginning’ muss
doch wol heissen ‘at least its beginning’, denn man kann die
erzählung des königs nicht als ‘den anfang’ auffassen, die con-
jeetura der magier als ‘das ende”. Man lasse sich daher nicht
durch ord & ende von v.162 irre machen.
138. lies bet ze cudon wel || Mine aldorleze.
141. lies nd, wie oben v. 136 nearon. Findan im ZUnESL
vers bedeutet ‘erfahren’ wie v. 656.
160. Wie v.192 on beriz statt on byriz (end herize) sieht
steckt in diesem wereda nur werda d.h. wyrda, denn ‘der völker
geschick’ interessierte gewis den könig weniger als sein eignes los.
172. smwd, aus bus? aber ba ist nicht Rn peeru Dan. 3,1
in campo: Dura provinciae Babylonis.
181. heriz und herz verhalten sich zu hearz wie weriz,
werz (biö ‚him weriz noma = mwerli)gz, wearz hätte Wy.42) zu
wearz. Man hat wer(i)z und weriz "moestus, defessus’ strenge
zu scheiden. Se weriza zast ist der ‘spiritus malignus‘, weriznes
ist ‘malitia’ (Matth. 6, 34 unter dem lemma weriznes angeführt
bei Cook), werzewedan: ist “maledicere’, werzcn'eodulnis “male-
110 COSIJN
dietio’ V. Ps.: aws. wierzan ist ‘maledicere’, got. wargjan KOTU-
xolveıv U.8.W.
185. fremde lies fremede. |
192. lies on beriz (statt on herize) nach v.179,
194, meron lies weras.
202.. mihte zebeedon. Das richtige bietet ler die fuss-
note mit Greins besserung.
206.. Die heftas sind die hedenan heflas von v. 967. und
parallel mit Deznas, wie hearran dat. sing. mit Deodne. Nach
hearran doppelpunkt: die. direete rede fängt an.
207. pa deiktisch. , Pis h&öengylt ist sehr ainassand im
munde der heidnischen. diener; das einzige wort, das mit h-
anfängt und zu hezan (vielleicht zehezan!) passt, Er a.
aus v. 203 geht hervor, dass sie Dider hweorfan [no/don]: s
weigerten sich, der versammlung beizywohnen; dann folgt ne
(und auch nicht )) bysne wiz wurdizean.
219. pet, lies bet hie. :Ich glaube Weniräcnn, dass diese
einfügung hier unerlässlich ist, In manchem Beowulfpassus
würde ich bedenken hegen, das pronomen einzufügen: auch in
der -prosa fehlt es manchmal, ‚worüber ich: später: zu handeln
gedenke.: | Br Ä Er
». 221. lies n2 Dan md zehwurfe in hedendom.
225. he he eft sona ofn onhelan?-
240. zemwemman: 6wiht? vgl. 345.
247. molde bis &feste muss eine parenthese s sein. de
sinn ich leider nicht verstehe), denn oöhet gehört zu beeron
brandas on bryne bläcan fyres. |
258. dydon: lies djrdon.
‚263. @ldten. Vgl. Orosius 180, 17 Ba bei fi A ale.
Also, ist diese construction wol bekannt. .
266.. lies ac bei fyr ba. Aeunda Das folgende bildet die
wei vershälfte
272 und 273 bilden zusammen einen Sehwellsere:
. 2977, lies & deawdriaronz .on deze weorded Winde zeond-
säwen und vgl. v.349. Deawdrearung (vgl. mhd. des taues trör,
tou der nidertrörte Lexer 2,1526) bedeutet. hier ‘der. fallende
tau’, conceretum pro abstracto; geondsdwen = zeondsprezden. .
281. Ist es ein spiel des zufalls, dass uns auch Ps. 77, 38
ein paroxytonon Purhhätne begegnet? ist burhhätne hyze .dort
A Be
| QW wvarıı 3
IINIV TTS
De
ANGLOSAXONICA. Er
die übersetzung von iram als object, so ist eall ne in eallne ne
zu ändern; und an unserer möchte ich areaz vor deda
zeorn einfiigen.
289. lies swa bu edac N eart 1ödft melod Auch 333,
311. hlizad, 8. Cura Past. 367, 19 und Tijdechrift voor ned.
taal- en letterkunde 1, 152. i
317. Ich möchte“ lesen in rn (gehört - zu: zehete)
bet pu frumcyn hira ete. :Letzteres subst. wird widerholentlich.
mit /romeyn verwechselt und umgekehrt; erklärend fügt der
dichter Dette efier him — cenned wurde hinzu.
322. Was auch im had v.321 stecken möge, jedenfalls
schliesst sich sw@ heofonsteorran an swä unrime (diese zeile im
Az. darf im Daniel nicht fehlen) an. Darum. lese ich 322:
pe biüzad brädne hwyrft, odde brimfaropes (gen. sing.), Sewa-
roda sand zeond seallne w&z. Nur die sidnas on eordan von
Ex. 440 Teblen hier, und die yöe sind aus dem Danieltext ge-
raten und finden sich im. Az. wider. Zu bemerken ist, dass
Dan. 3,36 und Gen. 22, 17 nur.die. stellae caeli und. die arena
(in littore maris) genannt werden.
329. Der lateinische text lautet et scianı quia m es ; dominus
deus solus cet. Berechtigt uns das, (bei bec En) Ben hahban
zu lesen? 331 ist & gewis zu streichen. Rn
.350. Nach. ‚eyst, punkt! Smyle \ V. ‚351 ist in se zu ı ändern,
vgl. Az.
342, löswende berechtigt Hofer nicht, Anglia 13, 164° ein
töswendan anzusetzen. Vgl. Zupitza, Zs. fda. 21,11. Verf, Alt-
ws. gr. 1,180 und ‚zende Beow. 1401 von zenzan, Geende Aelfr.
Hom. 2, i1s und Saints 7,48 von zezlenzan, burhstind Schmid,
Ges. 8. 6.8. AEpelbirkt 32. 53. 64, inbestind 8.8 (ebda. 64), von
burhstinzan, inbeslinzan; sirendu Leechd. 1, c, sogar ‚stronlice
Beda 2,7 (Wheloe: s. 126) anstatt strenzdu, na
371, 377, 393 hüte man sich, Add mit: Grein als ohorn
zu erklären; es werden die Addas oder ‘ genera lebendiger und
lebloser wesen aufgezählt, welche on häde ‘in as art! gott
loben sollen. Ä
413. hbeode mine. Dafür Hofer Dioden ea mei’!
Wir lesen wie die hs. Leider ist der kritische teil von Hofers
verdienstlicher arbeit nicht der wertvollste. en
414. byrnende: lies byrnendes, wie Az. 173 steht. Gerade
112 COSIJN
ändre ich in zebundne nach 229, 435 und Az. 173 (wo Aa
in seendon zu ändern ist).
424. on neod sprecad ist einzuklammern.
430. bonne bu burfe sc. on Ödm lade beon "ebensowenig
als du’; Dearf wird weder unpersönlich noch absolut gebraucht.
433. Smwd zecyded was bedeutet sonstwo ‘ut patuit’. Was
aber können wir hier lesen, als swd him zecjded mes ‘wie man
ihnen mitgeteilt hatte’ (sc. des königs befehl)?
437. Wröht: lies wldöh; vgl. Andr. 1473.
446. sieplon. Wenn man nicht mit Hofer septon schreiben
will’ (Anglia, Beibl. 5, 232), so schreibe man sepion, denn dies
rätselhafte verbum, dessen bedeutung feststeht, kann doch nur
entweder auf *söpjan oder auf *sappjan -(wit organischen: pp)
zurückgehen (sepjan und soppjan sind unwahrscheinlich). Für
den vers vgl. El. 530.
454. Man lese doch um gottes willen on oder in @ht eald-
feondum, und beachte nicht den gelehrtenkram der fussnote;
vgl. on «htzeweald Andr. 1112; vgl. auch Dan. 757. On «hl
sellan, zifan ist bekannt genug; hier wird es mit zel&@dan ver-
bunden, denn die Juden waren mitgeführt.
460. Zu ergänzen wyrd zewordne nach 471. Solche wider-
holungen oft der störendsten art sind in Daniel nicht selten;
aber füres 461. 463. 466 ist mir doch verdächtig: stand hier
(461) vielleicht belbryne oder balbiyse (232)?
470. Bebead. Nein: übead.
476. Läcende kz im acc. mit wechselnder rection von wid
befremdet: praedicativ sind solche ace. part. praes. auf -e nicht
selten (auch B&ow. 2841), aber attributiv kenne ich nur swinsi-
zende swez Gen. 1081 (Gen. 1407 ist unsicher). |
477. lies forpam he is ana, ece @lmihliz god, Duzoöa drihten
se„öe him ete. Vgl. 423 und 426.
483. sode lies s00, subst. c. gen. rei.
485. forbam, ergänze him.
506. dne «le lies es ele = et esca universorum in ea
Dan. 4, 9. |
512. lies £ ba mwildan deor oder Zu wildu deor .(ersteres
vorzuziehen). | |
513. lies swylce ba fuzolas eac.
ANGLOSAXONICA, 113
521. Von dieser höllenqual steht im buche Daniel kein wort.
Woher dies in sus! ddan?
528. Ich lese mit Sievers f. feran, streiche aber das n von
folctogan, weil der könig hier besser am platze ist, und sine
leode doch in erster linie die magier bedeutet. Vgl. v.725 ba
weard folctozga forht on möde.
937. E£ft. Nein: oft! daher des königs vertrauen in Daniel.
551. Greins besserung ist doch wol für jedermann über-
zeugend.
561. stille, worüber Heinzel in seiner schönen abhandlung
über die Walthersage 8.8. Vgl. auch v.582 unten.
557. foran...$& bonne,. Also nicht ‘vorwärts fallen’. Was
hilft uns hier die richtung ‘vorwärts’? Dies heisst ford. Locales
foran kann bloss bedeuten, dass nur die vorderseite des baumes
niederfallen würde.
571. mandreame, ‘der menschlichen gesellschaft’ (frei über-
setzt). Vgl. Beow. 1715.
572. Mit Beitr. 10, 486 lies wildra statt wildeora, metri
causa, und vgl. 663. Andre fehler wie 45 statt lized 563 sind
von Holthausen schon gebessert. Einige bleiben übrig, die
jeder, der jetzt ein metrisches ohr hat, leicht bessern kann.
574. Heorta hlypum fällt auf. Ist ersteres ein gen. von
einem u-stamme? Vgl. an. hjortr, hjartar.
577. Das metrisch falsche weceö des copisten bedeutet hier
‘benetzen’ wie Beowulf 2854 wehte hine welre und Gen. 1922
seo wes woelrum weaht.
585. anwloh. Sieh Beitr. 7,455. Lies anwalh (anwolh?) und
mit Beitr. 10,473 cymest.
591. Natürlich ist mit Hofer wommas zu lesen, auch aa) 24.
Monize öeode von 590 bedeutet ‘viele leute’.
592. fyrene festan lies fyrene etfestan. Dieses ist die
ursache des wommas wyrcean, das gott nicht verhindert bis —
u.s.w. Hie von v.591 ist hie hie (ii se) und bonne bedeutet
niemals zi/ (Sievers, Beitr. 9, 143).
600. Da he ceastre weold. Aber N. blieb bis zu seinem ade
könig. Da gehört zu zeseah und in ceasitre weold steckt eine
parallele zu Babilone burh. Es muss ein neutrum sein, denn
dies beweist heah v.603 und Dei; aber dann finde ich nichts
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache, XX, 8
114 COSIJN
als ceastra zeweorc; vgl. auch worhte v.604 und das bekannte
wreetlic weallstana geweorc Gnom. Cott. 3.
610. lies De ic me zeworhte 1ö wurömyndum; der dativus
commodi darf nicht fehlen.
622. lies on wildra westen, 624 wildra zemwita und v. 650
mid wildrum, vgl. zu 572.
629. herewösan. Das metrum beweist die länge des o.
Gen. 85 wird es von Lucifers genossen gebraucht: Greins ‘exer-
eitus dux’ ist gewis unrichtig und Tollers ‘warrior’ gilt nur
von here-. Ist wudumwasa ‘“faunus, satyrus’ zu vergleichen?
660. Das dreifache siödan hier, wie 662 und 665 ist schwer-
lich richtig und lässt sich nicht durch berufung auf 455. 456
und 457 (wo alles in schönster ordnung ist) verteidigen. Auch
oben 564 und 563 ist dreifaches swd nicht zu dulden. 658
swylce statt swa und 660 benden statt siödan? Aber solche
besserungen sind reines erraten!
675. hläford repraesentiert also den ‘pater, avus et proa-
v. 754 gilt aldor vom proavus.
687. Gehozode ... bet he wolde, eine der prosa sehr ge-
läufige construction: hizab ealle mezne bet he wolde bära bet-
stena sumes Öeawas & his creflas zefon Boeth. Fox 110,4; vgl.
weiter Or. 72,29 und 31, und Sweets Reader 1XCVI. Im Or.
212,28 ist darum @fter bem bet (tva) he bence bone soelestan
hmetstän on (‘davon’) lö zger&ceanne zu übersetzen, als ob he...
zercce im original stände: Dence ist für unser gefühl überflüssig.
693. lies buen (Beitr. 10,476) und bessere v. 694 nach
Bouterwek. |
699. Im ags. zer@de sind zwei wörter zusammengefallen:
mhd. gereite (ephippia, falerae’ Zs. fda. 31,22. Saints 25, 491.
Aölfr. gr. 317,16; weitere beispiele bei Toller) und mbd. ger.«ete.
Hereza zer&dum deckt sich vielleicht mit haleda zer&@dum El.
1054, aber gewis nicht mit El. 1108, wo ich Zupitzas inter-
pretation acceptiere, bis auf weiteres. Hier tibersetze ich “mit
truppenmassen, -mengen'.
704. on «ht beran würde hier Yedenten) dass der könig
die tempelschätze verschenkte; aber Dan. 5, 3 heisst es bloss
func allata sunt vasa aurea et argenlea 2... el biberunt in eis:
damit stimmt das on hand beran unseres textes, womit sich also
on hand (zifun, gehweorfan) ‘in den besitz’ nicht vereinigen lässt,
’
yus.
* ANGLOSAXONICA. 115
denn an unserer stelle bedeutet es bloss “in die hände’: ohne
on hand bloss etberan Be&ow. 624 in bezug auf den metbecher.
Lies also het b4 inn etberan und ändre auch v.748 in(n) et-
bere. Aber 751° lese man in &ht hefdon. Der könig besass
die heiligen schätze (vgl. 757), sündigte aber darin, dass er sich
deren bediente, sie profanierte. |
710. purh hleodorhlynn?
723°. morda zerjnu, ‘geheimnisvolle worte”.
119. ezeslic, T21 in ezesan, 726 for bam ezesan; 719: innan,
721 in, 722 in, 723 in. Entweder der dichter oder der verun-
stalter des textes ist hier und an anderen stellen ein maniacus,
der solche kakophonien leidenschaftlich liebt. Vgl. auch 729
und 733. z AN
730. 16 beacne bäm?
7135. drendbec ‘scripturam’., Warum also bier der plural?
Bec hat nicht die bedeutung von got. b6kös.
740. Hofers und Holthausens besserung pere burze ee
ist so überzeugend, dass wir die fussnote ruhig streichen.
Azarias.
77. lies sunne & mona. Leohte leoman ist apposition, wie
B&eow.95: heofenleoma Andr. 840 ist die sonne, morzenleoht B&ow.
604 die morgensonne. Schade nur, dass unser text nicht sunnan
$ mönan hat: dies wäre denn ein alter dualis wie bearnum &
broörum (s. Beitr. 16,549)! und die beispiele dieser art scheinen
selten zu sein: neulimburgisches gebroeders en gezusters ‘bruder
und schwester’ darf nicht verglichen werden.
84. trymmad in Irymed, 85 hleoö in hleowd zu ändern
scheint mir geboten, wenn man es wagt, das object morzenren
von v. 82 hier zum subject zu machen. Man darf doch die
drei verba irymmad, hleo(w)d und hluttraö nicht in die 2, pers.
sing. umsetzen?
102. Was soll hier bei? bet dreozan bedeutet zemwin
dreozan; vgl. Or. 134,7. 182,4. Auch Holthausen streicht Der.
108. lies djren, aber 116 breme.
113. wesad ist 2. pl. des imperativs, also hier falsch.
Vielleicht wridiad (mwridiad), welches verbum öfters mit weaxan
verbunden wird.
119». feder rice ist wie zodes rice Sat. 693 ‘coelum”.
g*+
116 COSIJN, ANGLOSAXONICA.
131. Vgl. Beow. 1426 sellice sedracan sund cunnian.
137. Lieber of clife cl@nu, be üs se cyninz zescöp ete.
150. Das ist in beas oder Deowas zu Ändern. r. Cooks
gloss. 191.
159. bearz lies gebearz.
160. lies wid für & feondas (feond?).
161. Grein wusste sehr guf, was er tat, als er bryne und
brözan zu einem worte verband. Man hat ihm zu folgen und
ihn nur zu verstehen.
164. ne metod wolde ‘auch wollte es gott nicht’. Vielleicht
nu metod nolde, wie im Beow. zweimal Da metod nolde.
165. enihta &, ist in cnihtas zu bessern: das kleine s der
vorlage scheint als & verlesen zu sein. Got. ahan ist sinnlos
und würde hier &an lauten müssen: man tötet wol menschen,
aber nicht deren geist oder sinn.
171. Lieber beoda wisa! pet we 111 sendon, vgl. Dan. 413.
189. lies zesizefeste und tilge das semikolon nach mon-
beamwum.
LEIDEN, 11. januar 1895. P. J. COSIJN.
ZUR BEHANDLUNG DES DURCH U
ENTSTANDENEN BRECHUNGSDIPHTHONGS
IN DEN ALTNORD. SPRACHEN,
In meiner schrift Fev. ljudlära 2,481 f. und in der Tidskr.
f. fil. NR. 8, 284 ff, habe ich gelegenheit gehabt, die frage nach
der behandlung des brechungsdiphthongs iu, io im altschw. zu
besprechen. Ich werde über das resultat dieser untersuchungen
hier kurz referieren, da ich es in diesem aufsatze als bekannt
voraussetze.
An jener stelle ist, wie ich hoffe, dargetan worden, dass
der brechungsdiphthong io und das durch v-umlaut von @ ent-
standene 9 im ältesten altschw. verschieden behandelt worden
sind, und zwar in der weise, dass der o-laut des brechungs-
diphthongs io vor r bleibt, während 9 vor r in # übergeht, z. b.
biorn, aber born (= isl. born) > bern. Hieraus ergibt sich, dass
der vocallaut vor r in biorn und der in born verschieden waren,
als die entwicklung born zu born eintrat; sonst wäre biorn zu
biorn geworden, gleichzeitig mit dem übergang von born zu
bern. Erst viel später gieng biorn in biorn über.
A.a.o. dürfte ausserdem dargelegt worden sein, dass der
brechungsdiphthong :u im ältesten altschw. nach folgender
regel behandelt worden ist: er ist is 1) unmittelbar vor 9g (z.b.
biug, nur dialektisch biog); — 2) wenn u oder i!) in der nächsten
silbe folgt (z.b. iughu, iurpriki); sonst ist der brechungsdiphthong
io (z. b. iorb, biorn) geworden. Auch im isl. blieb der breehungs-
diphthong iu vor u (vgl. Noreen, Altisl. gr.2 $ 90 anm.).
Im späteren altschw. dagegen bleibt der im älteren alt-
schw. entstandene brechungsdiphthong io in gewissen fällen
ı) Vgl. Brate, Aldre Vestmannalagens ljudlära s. 41. Tegner, Tidskr.
£fil. NR. 8, 288,
118 KOCK
lautgesetzlich; in andern fällen geht er lautgesetzlich in ie (6)
über. Ich formuliere jetzt die regel folgendermassen: das aus
e entwickelte io bleibt vor rö, rt, k(k), 99, gh (neuschw. jord,
hjort, tjock, 1jog, spätaltschw. dial. Diog; auch im jüngeren
altschw. miok), gelt aber sonst in is über (neuschw. björn,
mjölk ete.). Das erhalten von o vor k(k), 99, gh hängt von
der gutturalen natur dieser consonanten ab, das erhalten von
o vor rö, rt davon,!) dass der vocal vor rö und vor r/ +sonant
gedelint worden war (kaum davon, dass der r-laut in diesen
stellungen hoher supradental war). 2)
Auch der durch »-brechung aus ö vor ng, nk öhtwiekelle
brechungsdiphthong iu bleibt in der reichssprache vor dem
gutturalen nasal (siunga, siunka). Wenn er dialektisch zu :o
geworden ist, so bleibt dies (sionga, sionka) gewöhnlich und
wird nur selten zu is. Vgl. auch verf., Tidskr. f. fil. NR. 8, 289.
J. Zum wechsel io:is im isländischen.
Der isl. brechungsdiphthong io geht wie bekannt, wenn der
o-laut kurz bleibt, in der etwas jüngeren sprache in is über,
z.b. giof in giof. Dagegen bleibt der o-laut im brechungs-
diphthong :;o erhalten, wenn er vor gewissen consonanten-
verbindungen verlängert worden ist, z. b. miölk, hiölp, siölfom
(von siälfr). Dies ist auch im worte fiörir ‘vier’ der fall, wo,
wie wir unten erfahren werden, der brechungsdiphthong durch
ersatzdehnung verlängert worden ist.
Es ist schon von andern beobachtet worden, dass in ge-
wissen alten handschriften is früh neben io auftritt. Dagegen
ist nicht erwiesen worden, dass es eine regel oder wenigstens
eine tendenz zur regelmässigkeit bei der anwendung von io : ia
gibt in den fällen, wo das spätere isl. ö# hat.
Ich glaube aber darlegen zu können, dass dies im Cod.
645, 4° der fall ist. Durch eine musterung der betreffenden
formen in Larssons Ordförrädet habe ich die regel constatiert,
1) Vgl. Hultman in Finländska bidrag till svensk spräk- och folklifs-
forskning 8.120f.
2) Wenn neuschw. jo/ster (isl. iolstr) supradentales / gehabt hat, so
ist fo auch bei verlängerung vor supradentalem Z+ s geblieben. Noreen
hat IF. 4, 321 wahrscheinlich gemacht, dass vocale vor supradentalem /+s
gedehnt wurden. Später ist der vocal in jolster verkürzt worden.
U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 119
und die factischen angaben in diesem aufsatze über die frequenz
verschiedener schreibweisen im Cod. 645, 4° rühren überhaupt
aus jenem werke her.
Die in dieser hs. (wesentlich) durchgeführte regel ist mit
derjenigen verwant, nach welcher der wechsel io :is im jüngeren
altschw. (vgl. oben s. 118) normiert worden ist.
Für Cod. 645, 4° gilt folgende regel: io (io, i6) bleibt vor
rö, rt und vor kk (in biokkr); sonst kommt is öfter als io
vor (vor rn doch je 4 mal io und is). Das erhalten von io
vor rö, rt hängt wahrscheinlich von einer dialektischen deh-
nung des vocals vor diesen consonantenverbindungen, bez. vor
rö und vor rt +sonant (ebenso wie im altschw.) ab.
Ich teile das statistische material mit: wenn nicht bemerkt
wird, wie oft eine form vorkommt, so begegnet sie nur einmal.
iorp und ior)- zusammen 11 mal, sor> und iorp- zus. 6 m., för )ina.
Nur einmal ierbo — hiorb — Niorb — fiorbom (vom subst. florpr).
albiort — hiortom, [teinhigrto (von hiarta).
albioct.
[tiorno 8 m., [iornornar; [tierno 3 m., [liernor.
Dagegen: |
gief- und -gief zusammen 4 m., /kieldom 2m., [kisld — Gup/pioll
— tieldopo — bierg — algierfe — miec 34 m., miöc 17m., miec 2w.;
aber mioc 6 m., miog, midc 3 m., midc 2 m., iafnmidc — fiero 3 m., florvxi;
aber foro 2 m., — fierbrot; aber forröpom — fiollom, eyiafioellom; aber
fioll — fistrop — fielrar; aber fiolrana — giold — kiol — biorgom (von
biarg) — kidtäre — fiogor.
In den compositis flo/cunnegr, fioleynge, fiolmenne, fiolmepr findet
sich gewöhnlich io (io; fiol- 35 m, flol- 2m.; ausserdem fo- statt fiol-
2m., und zwar in fiokvna und fiokyne!); dagegen fiel- nur 4m.). Fiolpe
kommt sowol mit io (flolbe, -i Am., manxfiolba) als mit ie (fielbe, -i
2 m.) vor.
Dies ist in folgender weise zu erklären. Wenn der o-laut
des brechungsdiphthongs io im normalen isl. gedehnt worden
ist, so hat Cod. 645, 4° immer iö beibehalten: Aiolp, hiolp zu-
ı) Es ist nicht sicher, dass diese zwei formen ohne / als schreib-
fehler aufzufassen sind. Möglicherweise kann ! im isl. vor % (in relativ
unaccentuierter silbe?) verloren gegangen sein. In einigen dialekten in
Dalarna geht / vor k verloren: fo[l]k ‘volk’ ete., und in der altschw. schrift
Sielinna trost findet sich fokit ‘das volk’ 511,17, hwikom statt hwilkom
68,24; fukompnadhe statt fulkompnadhe 68,16 (die formen sind vom
herausgeber ‘corrigiert’ worden).
120 KOCK
sammen 4m. — miolc — fiolfom 3 m., fiolf (nom. sg. fem. und
nom. pl. neutr.) von sidlfr — fiora 2m., fiorvm. In den com-
positis fiolcunnegr, fiolcynge, fiolmenne, fiolmebr ist der brechungs-
diphthong vor / + guttural oder labial ebenso wie in hio/p etc.
verlängert worden, und der diphthong io ist deshalb in diesen
compositis in der regel erhalten. Eine musterung der in
Fritzners wörterbuch? angeführten composita mit fiol- lehrt,
dass in der mehrzahl ein guttural oder labial dem supraden-
talen / nachfolgt. Er verzeichnet nämlich 31 composita von
dieser form und nur 16 composita mit fol-, in denen ein andrer
laut dem / nachfolgt.!) Ausserdem musste der diphthong laut-
gesetzlich in den simplicia fiolga, fiolgan, fiolgr gedehnt werden.
Unter diesen verhältnissen ist es leicht begreiflich, dass im
Cod. 645, 4% fiolbe teilweise den diphthong io — durch an-
schluss an fo/- erhalten hat. Fiolbe ist die lautgesetzliche form,
von welcher is ausnalımsweise (2 m.) zu fol- (fel-) ist über-
tragen worden.
Wenn die entwicklung io > is vor rn im Üod. 645 wenig
vorgeschritten ist, so darf dies wol mit dem verhältnis in einer
altschw. hs. zusammengestellt werden. Im Cod. Palmısk. 405
(bg. von Kock und af Petersens in Östnordiska och latinska
medeltidsordspräk) ist die oben erwälnte spätaltschw. regelung
von io :is sonst durchgeführt. Vor rn findet sieh aber öfter io
(biorn no. 588, 1051, biorna hmwelpe 1053) als is (biorna 224),
Bekanntlich ist im altschw. der vocal vor rn gedehnt worden,
aber wenigstens in den meisten gegenden später als vor rd, rt
(Kock, Fsv. Ijudlära 2,404, Arkiv NF.5,242), Das erhalten
von io vor rn spricht dafür, dass die dehnung vor rn dialek-
tisch früher eingetreten ist, als der übergang io zu i#.
Auch die schreibung fogor im Cod. 645 und die dort ziem-
lich oft vorkommenden formen mioc (miöc, miöc), miog sind wol
damit zu vergleichen, dass io noch im spätaltschw. vor gk und
k lautgesetzlich bleibt (neuschw. tjog, noch spätaltschw. miok).
In fogor ist übrigens io erst spät aus iu entstanden (vgl. oben
8.117); altschw. hat Aughur.
Ein wort, das nach der gewöhnlichen auffassung brechungs-
1) Wenn vocale auch vor supradentalem + s lautgesetzlich gedehut
worden sind, so blieb zo lautgesetzlich auch in fiolskyldr etc.
U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 121
diphthong enthalten soll, ist oben nicht besprochen worden,
nämlich diofoll. Dies wort ebenso wie die ableitung diofolegr
und das compositum diofolöobr wird im Cod. 645, 4° normal
(38 m.) mit io, einmal dioflom geschrieben. Nur 4 mal erscheint
es mit io. Dies ist leicht erklärlich. Der diphthong io ist in
diesem worte nicht im isl. entstanden, sondern es ist mit diph-
thong aus dem ags. entlehnt worden; vgl. ags. deofol (und ahd.
tiuval). Der diphthong in diofoll hatte eine andere qualität als
der brechungsdiphtloong io. In der wurzelsilbe des altschw.
diawul, diemwul dagegen haben wir dieselbe vocalisation wie im
lat. diabolus, das mittelbar oder unmittelbar mit dieser vocali-
sation entlehnt worden ist, vgl. got. diabulus, diabaulus.
In diesem zusammenhang möge hervorgehoben werden,
dass im Cod. 645, 4° die diphthonge io : is in einer eigentüm-
lichen weise wechseln in solchen silben, die gewöhnlich als
‘unaccentuiert’ aufgefasst werden.
Der diphthong io erhält sich im Cod. 645, 4% gewöhnlich
in diesen silben unverändert, ebenso wie dies in andern isl.
handschriften der fall ist. In einem speciellen falle entwickelt
er sich aber zu is, und zwar wenn ihm ein langer n-laut in
der bestimmten form der femininen iön-stämme nachfolgt.
Eine musterung der femininen iön-stämme in Larssons
Ordförrädet gibt folgendes resultat. Wenn keine zahl nach
einer form angeführt wird, so kommt sie nur einmal vor.
dat. sg. feriene, ferie ni, aber dagegen ferio 6 m. (von feria).
gen. sg. flecienar, aber iarn!/ecio, fleciona (von sleggia).
dat. sg. huffreyione, gen. sg. huffreyiöxar, aber freyio, hvffreyio
4m,, auch einmal hv/freyioxe.
gen. sg. /yigiexar, gvllfylgiexar; auch einmal /ylgiena!) (acc.) von
sylgia.
. Ausserdem kommen von rekia dat. sg. rekioNe, rekione (je 1 mal)
und dat. acc. sg. rekio (6 m.) vor.
Fernerhin ofdrykio, fylgio, ahycio, vanlıycio, qvepio, viptekio, venio.
Man findet also vor nn in bestimmter form is 7 m., io im,
io 2m. In unbestimmter form und in bestimmter form vor
kurzem n aber io 26 m., io nur 1 m. (in den angeführten acc.
[ylgiena).
1) Kann leicht durch einfluss von /yigiennar, /[ylgienne erklärt
werden.
122 KOCK
Die entwicklung von ferionne zu ferioenne kann als ein
progressiver umlaut aufgefasst werden; vgl. altnorw. altschw.
hiarta > hierta, altschw. biorn > biern etc. Der wechsel /er-
ionne : ferio, feriona kann von der accentuierung abhängen.
Denn es ist leicht begreiflich, dass die zweite silbe von
ferionne > ferionne, welche durch position lang war, einen stär-
keren accent (semifortis oder starken levis) hatte, als die zweite
kurze silbe von /erio, feriona (mit schwachem levis). Diese be-
tonung wird durch das altschw. bestätigt. In dem altschw. Magnus
Erikssons landslag heisst es krono aus älterem kronu, während
kronunna den alten x-laut beibehalten hat, weil der stärkere
accent (starker levis oder vielleicht semifortis) der zweiten silbe
den «-laut conservierte; vgl. Kock, Sv. landsm. 13, no. 11, 8.9.
Vielleicht könnte man sieh alternativ auch eine andere
erklärung von ferienne : ferio (feriona) denken, und zwar so,
dass (ebenso wie im älteren dän,, siehe Vill. Thomsen, Forhand-
linger paa det fjerde nord. filologmede 205 ff.) der lange n-laut
im isl. (dialektisch) praepalatal war. In diesem falle ist die
entwicklung von o zu # durch zusammenwirken des vorher-
gehenden ;-lauts mit dem nachfolgenden praepalatalen »-laut
eingetreten. Als eine stütze dafür, dass der lange n-laut (sowie
n + cons.) praepalatal war, sei an den anorw. übergang des & >e
in Dreennr > brennr etc. erinnert (vgl. germ. bind- < bhendh- ete.).
Man dürfte übrigens im Cod. 645, 4° eine tendenz zu regel-
mässigkeit auch bei der entwicklung von o (u-umlaut von ö)
in # finden. Der alte o-laut tritt in dieser hs. gewöhnlich als
o auf (vgl. Larssons ausgabe s. Li). Nach dem halbvocal »
steht aber in der regel o (0) : dvol (acc. sg.), dvolbofc (3 pl. praet.
von dvelia), aNd/vor, acc. pl. /vor, [vor, [vor, gvolbo (3 pl. praet.
von gvelia) 2 mal, gvo/ (nom. dat. sg.) 4 mal, gvolom (dat. pl.
von gvol), guodo (pret. von gvehia), pret. von svara : [voropo,
svorobo |[/voropo, svoropo kommen wol nicht mit in betracht];
nur einmal #: hvoso (dat. sg. von hvass). Nach dem consonan-
tischen (bilabialen oder dentilabialen) v im anfang der wörter
(vgl. L. Larssons ausgabe von Cod. 1812, 4° 8.xv mit fussnote 2
und Kock, Arkiv NF.1, 93 ff.) kommt dagegen # oft vor, z.b.
voco (dat. von vaka), von (neben von, nom. sg. fem. von varr),
valn (nom. pl. von vatn). Das erhalten von 0 (0) nach w ist
leicht zu erklären: der g-laut stand dem »-laut näher, als dies
U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 123
mit dem #s-laut der fall war; deshalb hat der w-laut den o-laut
vorläufig conserviert.
Hiermit ist zu vergleichen, dass im späteren isl. e nach Av-
in o (u) übergegangen, aber sonst nach v zu ö geworden ist,
2.b. kveld > kvöld, aber hvert > hvort (Björn Magnüsson Olsen,
Germania 27,266. Boer, Orvar Odds saga [1888] «. 1; vgl. auch
Noreen, Altisl. gramm.? 8 75).
Die verschiedene entwicklung von e ist ohne zweifel damit
zusammen zu stellen, dass man in gewissen gegenden von Is-
land den alten w-laut nach A (Avitr ete.) noch erhalten hat, ob-
gleich der w-laut sonst labiodentales v geworden ist. Nach Ölsen
hat ö den übergang von e zu o vermittelt. Wenn dies richtig
ist, so war der w-laut wahrscheinlich noch erhalten sowol bei
der entwicklung kweld > kwöld als bei der von hwert > hwört.
Nachdem kwöld aber zu Avöld (mit v, nicht w) geworden war,
wurde hwört weiter zu hwort entwickelt.)
II. Die behandlung des brechungsdiphthongs iu, io
im altgutnischen.
In seiner abhandlung Forngutnisk ljudlära 8.27 hat Söder-
berg die altgutn. wörter miel ‘mehl’, smier ‘butter’, mielk ‘milch’
und diern ‘bär’ besprochen. Er ist der meinung, dass in diesen
wörtern beispiele des brechungsdiphthongs ia vorliegen, der im
altgutn. zu ie entwickelt sei; er trennt also diese altgutn. wörter
von den altschw. miel, smior ete. Vgl. auch seine abhandlung
‘Nägra anmärkningar om u-omljudet i fornsvenskan’ s.9 anm. 1
(in Lunds universitets ärsskrift, bd.25). Nach Noreen in Pauls
Grundr. 1,477 8134 ist dies altgutn. ie ‘unaufgeklärt”.
Meines erachtens können die altgutn. smier etc. nicht von
den entsprechenden altschw. smior etc. getrennt werden, sondern
ie repräsentiert die lautgesetzliche altgutn. entwicklung des
1) Die conjunction b&>i ‘so wol’ hat im Cod. 645, 4° gewöhnlich die
form bepe, bepi (viele beispiele in Larssons Ordförräder und in der ein-
leitung zu seiner ausgabe). Ich sehe in ba,)e im vergleiche mit dem
normalen isl. b&be, ba&bi eine dialektform. Der Übergang von @ zu #
ist dadurch veranlasst worden, dass ein labial (6) vorhergieng, und dass
diese conjunction in der regel relativ unaccentuiert war. Vgl. dazu den
übergang des unbetonten praefixes be- zu be- im späten altschw., in beholla
> beholla etc. (Kock, Svensk spräkhist. 8. 30).
124 KOCK
brechungsdiphthongs io. Dies dürfte aus einer musterung der
altgutn. wörter mit dem brechungsdiphthong iu, io überhaupt
unwidersprechlich hervorgehen.
Wir finden altgutn.
1. iu in übereinstimmung mit dem altschw., wenn ein u
in der nächsten silbe folgt: altgutn. altschw. zZiughu, altgutn.
fiug(g)ur, fiugura : altschw. fughur, fiughura (nom. acc. neutr. pl.
und gen. pl. von fürir). |
2. io in übereinstimmung mit dem jüngeren altschw., wel-
ches io im neugutn. (auf der insel Färö) als :@ bleibt, in alt-
gutn. altschw. öorp, neugutn. järd; neugutn. ärd (altschw.
giorp); neugutn. Ljäkkur (altschw. biokker).
3. ie in altgutn. miel, mielk, biern, smier, fielkunnugr.
Diesen unter no. 3 angeführten wörtern entsprechen im
Jüngeren altschw. wörter mit is bez. isl. und altschw. wörter,
die im jüngeren altschw. lautgesetzlich > gehabt haben müssten,
wenn sie da belegt wären: — altgutn. mie? : jüng. altschw. mio];
altgutn. mielk : jüng. altschw. mielk; altgutn. biern : jüng. altschw.
biorn; altgutn. smier : ält. altschw. smior, jüng. altschw. *smior
(vgl. neuschw. smör!); altgutn. felkunnugr : isl. folkunnigr, jüng.
altschw. *Aslkunnogher (vgl. isl. fol ‘bret’ : jüng. altschw. 4022).
Der altgutn. dialekt steht bekanntlich dem altschw. des fest-
landes sehr nahe. Aus dieser erörterung gebt ausserdem her-
vor, dass es besonders ein vollständiger parallelismus betreffs
der altgutn. und altschw. behandlung des brechungsdiphthongs
iu besteht, und zwar in der weise, dass das altgutn. is hat, wo
das altschw. iu, dass das altgutn. io hat, wo das jüng. altschw.
io, und dass das altgutn. ie hat, wo das jüng. altschw. io hat.
Da der brechungsdiphthong iu im altgutn. und jüng. altschw.
natürlich etymologisch identisch ist, und da dies natürlich auch
mit dem io der fall ist, so muss auch altgutn. ie mit jüng. alt-
schw. is etymologisch identisch sein, z.b. altgutn. mie! = jJüng.
altschw. miel. Dies heisst mit andern worten, dass der bre-
chungsdiphthong iu, der sich im jüng. altschw. unter den oben
1) Kann auch anders aufgefasst werden.
2) Es ist zweifelhaft, ob altgutn. hieldu (pret. pl. von halda) unmittelbar
mit jüng. altschw. hisldo (< hioldo < hiuldu < heldu) mit dem brechungs-
diphthong iu zu identificieren, oder ob es anders zu erklären ist.
U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 125
8.118 angeführten verhältuissen zu is entwickelte, im altgutn.
unter denselben bedingungen zu ie geworden ist. Der altgutn.
diphthong io hat bei der entwicklung zu ie vielleicht die mittel-
stufe @s passiert, also miol > miel > miel.
Die hier besprochene frage ist von belang auch für die
entscheidung über die richtige lesart im Gottlandslag 4. Der
überlieferte text hat mier fr] bubni, das keinen sinn gibt. Söder-
berg, Forngutn. Ijudlära 8. 27 schlägt deshalb vor, miec fr
bubni zu lesen; *miec wäre ‘sehr’, dem mikit der jüngeren hs.
entsprechend. Diese emendation spricht in mehreren beziehungen
sehr an. Es ist aber kein altgutn. *miec = altschw. miok be-
legt, und im jüng. altschw. bleibt io vor k in miok. Wenn eine
emendation in der von Söderberg vorgeschlagenen richtung vor-
zunehmen ist, muss also mier in mioc emendiert werden.
III. Isl. fiörir, altschw. fizrir.
Die geschichte des wortes förir ist noch immer nicht ge-
nügend aufgeklärt. So ist der wechsel 5:3 in got. fidwor,
altschw. Fiedhrundaland etc. : isl. fogur etc. noch nicht befrie-
digend erläutert worden; vgl. hierüber z.b. Brugmann, Grundr.
2,2,8. 472. Bugge in Vitterhets akademiens handlingar 31, no.3,
8.32. Auch der wechsel isl. förir, altschw. fizrir : isl. fiogur,
altschw. Aughur enthält noch eine weitere ungelöste schwierigkeit.
Nach Noreen, Arkiv NF. 2, 317 f. und Altisl.gramm.? $ 106°.
179 soll förir aus *fedwörer (vgl. got. Adwor) entstanden sein,
In *feöwörer mit fortis (hauptaccent) oder semifortis (starkem
. nebenaccent) auf der zweiten silbe wäre nach seiner meinung
das Ö lautgesetzlich vor w verloren gegangen, und nachher
wäre *fe(w)örer zu fiöorir entwickelt worden.
Diese auffassung dürfte nicht haltbar sein. Gegen sie
spricht schon, dass nom. masc. und fem. jiörir, fiörar, dat.
förum etc. ganz vom gen. fogurra, nom. acc. neutr. fiogur ge-
trennt werden. In diesen formen haben wir ja den z-laut,
aber nach Noreen wäre forir von einer grundform mit Ö aus-
gegangen.
Aber auch andere umstände sprechen entschieden gegen
diese meinung. Das von Noreen angenommene gesetz für den
verlust des ö ist nämlich sehr problematisch. Es wäre sehr
sonderbar, wenn Ö vor » nur dann verloren gegangen wäre,
126 KOCK
wenn die folgende silbe ‘starktonig’ war, d.h. fortis oder
semifortis hatte. Wenn z. b. *feömwörer fortis auf der ersten,
semifortis auf der zweiten silbe hatte, so würde man viel eher
erwarten, dass der einfluss der accentuierung auf den Ö-laut
der entgegengesetzte gewesen wäre. Der laut gehört nämlich
unter diesen umständen unbedingt einer relativ stark accen-
tuierten silbe an, aber in dieser stellung pflegen die consonanten-
laute zu bleiben, wenn sie auch in relativ unaccentuierter silbe
unter sonst gleichartigen umständen verloren gehen. Hierzu
kommt aber noch, dass Noreen als weitere stütze für das laut-
gesetz, ausser förir, nur noch einige personennamen hat an-
führen können. Deren etymologie ist aber zum teil unsicher,
und wenn auch in einigen von ihnen ein Ö vor w verloren ge-
gangen ist, so kann man daraus noch nicht ohne weiteres den
schluss ziehen, dass ein ähnlicher verlust des ö auch in appella-
tiven eingetreten sei. Es ist ja allbekannt, dass sich andere
und viel mehr lautveränderungen in vornamen als im übrigen
wortschatz der sprache vollziehen (vgl. z.b. Kock, Arkiv NF.5,
151 f. anm.). |
Was aber, so viel ich sehe, die auffassung Noreens unhaltbar
macht, ist der umstand, dass nach derselben das normale alt-
schw. fiarir unaufgeklärt bleibt. Wenn die entwicklung *fed-
wörer (mit fortis auf paenultima) > *fe(w)ö’rer > fiörir gewesen
wäre, so müsste auch das altschw. normalerweise io (nicht iz)
gehabt haben; vgl. got. bröbar : altschw. bröpir (nicht *oräpir).
Und auch wenn auf der paenultima von *fedwörer semifortis
ruhte, hätte die entwicklung dieselbe sein müssen, da ö mit
erhaltener länge in semifortissilben nicht anders behandelt wird
als in fortissilben., |
Es ist selbstverständlich, dass förir, wenn irgendwie mög-
lich, in einer solchen weise zu erklären ist, dass es nicht von
den übrigen casus desselben wortes (fogur, fiogurra) getrennt
wird. Diese haben aber z-laut und brechungsdiphthong; man
muss also erwägen, ob förir nicht dem entsprechend zu erklären
ist. Die forderung forir mit fogur zusammen zu stellen, wird
durch folgenden vergleich noch mehr gebieterisch:
nom. gamlir gamlar gamul (gomul)
gen. gamalla gamalla gamalla
dat. gamlum gamlum gamlum (gomlum)
acc. gamla gamlar gamul (gomul)
U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 127
und nom. fidrir fiörar fiogur
gen. fiogurra fiogurra fiogurra
dat. fiörum fiorum fiorum
acc. fiöra fiörar fiogur
Gamlir, gamlar etc. sind wie bekannt aus *gamaler, *ga-
malör etc, entstanden. Aus den angeführten paradigmen ergibt
sich also, dass sich bei dem zahlwort ‘vier’ f0-formen in allen
den casus und nur in solchen casus finden, wo gamall syn-
kopierte formen hat, während das zahlwort mit f0g- in allen
den casus und nur in solchen casus anfängt, wo gamall un-
synkopiert geblieben ist.
Diese übereinstimmung ist allzu gross, um zufällig zu sein.
Auch auf andern wegen gelangt man zu demselben resultat.
Die Rökstein-inschrift (von ca.900) hat in acc. pl). fiakura, in
dat. pl. fiakurum (Bugge, Vitterhets akademiens bandlingar 31,
n0.3, 8.32). Man hat diese formen fiazura, fiazurum oder viel-
leicht fezura, fezurum ausgesprochen (wenn ia auf dem Rök-
stein ebenso wie z.b. in nuruiak = ‘Norweg’ auf dem grösseren
Jallingestein!) den lautwert © haben kann). In diesem falle
haben wir vollständig die älteren formen, aus denen isl. föra,
förum entstanden sind; in jenem falle repräsentieren fiakura,
fiakurum die älteren formen von isl. föra, fiörum, wenn man
vom brechungsdiphtlong ia absieht.
Die annahme, dass isl. föra, fiörum, ebenso wie isl. fiogurra,
fiogur, auf ält. *fezur- (und nicht auf formen mit -wö- nach
dem endceonsonant der wurzelsilbe) zurück zu führen sind, wird
durch die entsprechenden formen im aind. bestätigt: aind. acc.
masc. calüras, dat. abl. masc. und neutr. catürbhyas (gen. masc.
und neutr. caturnäm). Bugge hat a.a.o. hervorgehoben, dass
fiakura, fiakurum auf dem Rökstein diesen aind. formen ent-
sprechen, aber er äussert sich eigentlich nicht über das verhältnis
zwischen fiakura, fiakurum und isl. /iora, fiorum.?)
Die isl. mit fio- anfangenden formen fiorir ete. sind also
ebenso wie gamlir etc. durch synkope entstanden. Wenn man
hiervon ausgeht, so werden die formen von fiörir erklärlich.
ı) Vgl. Wimmer, Die runenschrift 326.
2) Er sagt: ‘jeg er nu tilböielig til at holde formerne fiagura, fia-
gurum for oprindeligere end glsv. fiura, ‚Rurum, oldn. /jera, fjorum og
endogsaa got. acc. fidwör, dat. fidworim.'
128 KOCK
Es ist einmal flectiert worden:
*fezurai (*fezurer!) *fezurör *fezuru
*fezurirö
*fezurum-
*fezura(nn) *fezurör *fezuru
Vgl. die flexion *gamalai (*gamaler) ete. Als in *yamaler >
gamlir etc. der vocal synkopiert wurde, trat die vocalsynkope
und gleichzeitig die ältere brechung auch in den entsprechenden
casus von fidrir ein, also *fezurer > (*fe”zrer >) *feugrer etc.
mit dem stärkeren exspirationsdruck noch immer auf dem
ersten vocal des neugebildeten brechungsdiphthongs, während
-uz- eine relativ unaccentuierte nebensilbe bildete.
Aber wie sollte der z-laut in dieser relativ unaccentuierten
stellung behandelt werden? Nur in gewissen formen des zahl-
worts fiörir hat der z-laut vollständig diese stellung gehabt.
Wir wollen uns deshalb vergegenwärtigen, wie der z-laut der
älteren und neueren nord. sprachen in teilweise analoger
stellung lautgesetzlich behandelt worden ist.
Der z-laut ist im altdän. nach gutturalem vocal in » über-
gegangen (maghe > mame etc.), und diese entwieklung ist auch
in gewissen schwed. dialekten eingetreten. Im altschw. trat
er in relativ unaccentuierter stellung, wenigstens zwischen zwei
u-lauten, ein, z. b. brutiughu-meo > *brultu(m)u-me > bruttu-me
(Kock, Arkiv NF.7,150 ff). Nach o, u ist z in den ostschw.
dialekten zu »(>v) geworden (Hultman a.a.o. 8.145).
Im isl. ist fagrlikt in färlikt entwickelt worden (Mogk, Lit.-
bl. 1893, sp. 278); der verlust des z ist durch dessen stellung
vor r +consonant hervorgerufen worden, und beim verluste des
z wurde der vorhergehende vocal gedehnt. In ähnlicher weise .
ist altschw. leghardagher, ält. neuschw. lögherdagh zu neuschw.
*jöghrdayh > lördag geworden. In der neuschw. alltagssprache
ist nära ‘einige’ aus näghra entstanden, weil das wort meist
relativ unbetont war; dagegen vägra etc. mit fortis.
2) Aus dem i-umlaut des altschw. /yrir geht hervor, dass gewisse
easus facultativ die flexion von ?-stämmen haben konnten, was durch
den got. dat. fidwörim bestätigt wird (Kock, Sv. landsm. 2, no.12, 8.5).
Aber dieser umstand hat keinen eiufluss auf die synkopierung des u
oder auf die entwicklung der brechungsformen, und wir sehen deshalb
vorläufig davon ab.
U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 129
Der z-laut ist im altschw. vor ö in rel. unaccentuierter
silbe verloren gegangen, z. b. saghdhe, laghdhe > sadhe, ladhe
(vgl. Zäghahe in etc... Wahrscheinlich ist z zwischen u und Ö
im zweiten compositionsgliede (isl.) -Ruyö, -(h)zd gefallen, z. b.
iluö etc. (vgl. Bugge, Beitr. 13,508); auch hier ist der vorher-
gehende vocal gedehnt worden.
Eine noch bessere und fast vollständige parallele zur laut-
entwicklung in fiörir geben uns wol folgende (seltenen) wörter
mit den alten diphthongen au, eu. So viel ich sehe, ist in ihnen
ein zZ zwischen au, eu und folg. i verloren gegangen, und
wahrscheinlich in der weise, dass auz, euz zuerst zu aumw, eum
wurden.
Neunorw. traug ‘trog’ : isl. treyiu-sobull ‘trogsopull’ (ein
sattel in der form eines troges); also ält. *rrauzio.
Isl. iuga ‘gabel’, heytiüga "heugabel’ : heytyia “heugabel’,
eine j-ableitung; also ält. *euzid.')
Neunorw. irjüg ‘sneesko’, Irjüga, irygja ‘forsyne med sneesko’
: iel. iryiu-sopull ‘trogsgpull’; also ält. *ıreuziö "sneesko’ oder
ein gerät mit einer gewissen Ähnlichkeit mit einem ‘sneesko’,
Es bleibt zweifelhaft, ob auch isl. mygia : mijia ‘nieder-
drücken’ (ält. *meuzian?) hierher gehöre. Der wechsel 97 : 5
kann daraus erklärt werden, dass *meuzia zu *meu(w)ia > myia
wurde, während in praes. *meuzir der z-laut vor vocalischem i
stehen blieb (mygir). Die erhaltung des z in den verben beygia,
biygiask, drygia, reygiast etc. ist in dieser weise zu erklären,
bez. durch anschluss an biiüyr, driügr ete., bei denen die meisten
casusendungen mit vocal anfangen.?)
Aber wenn auch ireyiu-, iYia, tryiu- anders zu erklären
wären, so dürfte es in sehr guter harmonie mit den andern
oben angeführten lautentwicklungen sein, wenn ich annehme,
dass z in /iörir gemeinnordisch zwischen dem diphthong eu
und r zu w wurde, also */euzrer > *feuwrer. Nachher gieng
1) Anders Hellquist, Etymol. bemerk. 8.10. Seine deutung von -Iyia
scheint mir aber unbefriedigend, weil er genötigt ist, heyiyia von heyliüga
zu trennen.
2) Ist z nach der bilabialen fricativa zu m geworden in dem zweiten
rel. unaccentuierten compusitionsglied von nafarr, so dass die entwick-
lung die folgende gewesen ist: *nadagairar > *nabzärr > *nabwarr,
wonach dw zu d (nafarr) zusammenschmolz ?
Beiträge zur geschlohte der deutschen sprache. XX. y
130 KOCK
eumw durch verlust des » vor consonant natürlich in eu über,
das mit dem alten diphthong du in *beuda ‘bieten’ ete. identisch
war; also */eurer. Dies wurde lautgesetzlich altschw. fizrir
(vgl. altschw. bizba), isl. fiörir (vgl. isl. biöpa, biörr ete.); alt-
gutn. ist dat. fiaurum belegt (vgl. altgutn. biauba). In überein-
stimmung hiermit ist die isl. ordinalzahl fiörbi lautgesetzlich
aus *fezurda (> *fe”zröe) entwickelt. Dagegen blieb z natür-
lich lautgesetzlich vor vocal in nom. acc. neutr. *fezur > *feuzur
(mit jüngerer brechung), woraus isl. fiugur, fiogur, altschw.
fiughur, altgutn. fiug(g)ur. So auch im gen. pl. isl. fiogurra,
altschw. fiughura, altgutn. fiugura.
Die entwicklung von fiörir hat vielleicht wesentlich eine
parallele in isl. iur : iüyr, altschw. iügher : iuwer, neuschw. juver,
einem wechsel, der noch nicht befriedigend aufgeklärt sein dürfte.
Dies wort hat jedoch den ursprüngl. diphthong eu (nicht den
brechungsdiphthong), und ich hebe hervor, dass, wenn auch
meine auffassung von iär nicht die richtige sein sollte, die er-
klärung von fiörir davon nicht abhängt.
Man hat einmal flectiert *euzar (vgl. oö8ap, aind. Zdhart))
: dat. *eugre, pl. gen. *eugra, dat. *euzrum ete. Der z-laut in
isl. iägr stammt aus den nicht synkopierten casus *euzar etc.
Dagegen wurde *euzre ete. zu *eumre, *eure ete. (vgl. *feuzrer
> *feurer),; von diesen casus ist isl. iur ohne g ausgegangen.
Ehe das w in den synkopierten casus *eumre etc. verloren
gieng, wurde es aber in die nicht synkopierten casus eingeführt,
so dass man (neben *euzar) *euwar > *iudur bekam. Hieraus
erklärt sich der v-laut in altschw. özwer, neuschw. jJüver. Das
in (statt öö) im’ isl. @zr ist von der gewöhnlicheren form izgr
übertragen.
Wenn man das lautgesetz näher formulieren will, nach
welchem fiörir entstanden ist, so konımen folgende wörter mit
in betracht:
Der aus den Biskupa sögur einmal belegte pl. gyögrar
(nach Fritzner?2 zu einem sg. gjögr f.) und die in der Orvar
Odds saga einmal begegnende praet.-form gjegradir?) (Boers
1) Der wechsel von dental und guttural in diesem wort bleibt dunkel;
vgl. jedoch Bugge, Vitterhets akademiens handlingar 31, no0.3, 8. 32.
2) Ich erinnere auch an neuisl. gjögr neutr. ‘en sprekke, kleft i
U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 131
ausg., Leiden 1888, s. 165, in der hs. S; die hss. ABE haben
dagegen ygeisadir, M gnaggadir) machen es wahrscheinlich, dass
z nach dem brechungsdiphthong nur dann zu w wurde, wenn
dieser iu (nicht wenn er io) war. Dies ist auch sehr begreif-
lich: der x-laut steht ja dem w-laut viel näher, als der o-laut.
Die verschiedene behandlung des z in giograr und in fiörir
ist also ganz in der ordnung. Man hatte nom. acc. pl. neutr.
fiuzur, gen. pl. fiuzurra, dat. pl. *fiuzrum, also acht casus mit
u in der zweiten silbe gegen nur vier casus (später isl. fiorir,
fiöra, fiorar) mit andern vocalen in der zweiten silbe Durch
anschluss an die mehrzahl der formen blieb das eu in den vier
casus (*/euzrer, nom. und acc. fem. *feuzrar, *feuzra), so dass
das z auch in diesen nach dem eu verloren gieng (altschw.
fiarir, isl. fiorir etc). Uebrigens hatten auch diese casus in
der zweiten silbe facultativ i (*feuzrir etc.), da das wort facul-
tativ als i-stamm flectierte (vgl. s. 128 anm.), und nach i dürfte
auch gemeinnord. (ebenso wie im altschw.; vgl. s. 117) der
brechungsdiphthong iu geblieben sein.
Das sehr seltene altnorw. giognum (aus *giugnum) ‘durch’
hat keine beweiskraft für die frage, ob zZ zwischen eu und n
lautgesetzlich zu » wurde, da der z-laut in giognum auf jeden
fall durch anschluss an die gleichbedeutenden geynum, giagnum,
gegnum, gegn ete. hat stehen bleiben können.!)
Es ist also zweifelhaft, ob die lautentwieklung z > w nach
eu nur vor gewissen consonanten (darunter r) eintrat, oder vor
consonanten überhaupt. Aber sei es, dass man das lautgesetz
in dieser oder in jener weise formuliert, immerhin werden die
oben discutierten hauptformen des wortes fidrir erklärt.
Ich knüpfe hieran einige bemerkungen über einige un-
gewöhnlichere nebenformen dieses wortes. In einer hs. des Väst-
manna-gesetzes ist einmal der dat. fiugrum st. normalaltschw.
fiurom belegt (Siljestrand, Ordböjn. i Västm.-lagen 2,42). Der
klipper hvor bolgerne skylle ind’ und an isl. skjögr ‘svimmel, svindel’,
skjögra ‘swimle, vakle'.
1) Altnorw. stiugfader, altschw. stiugfapir, stiugbarn (söhes altnorw.
stiukfader, isl. altschw. stiupfapir, altschw..sityghfabir, stygbarn etc.)
mit dem alten diphthong eu kommen hier natürlich nicht in betracht.
Der z-laut ist hier vielleicht verhältnismässig jung (vgl. Kock, Sv. akcent
2,346). Uebrigeus kann siygh- auf süugh- eingewirkt haben.
g9*
132 | KOCK
Zlaut ist von fiughur, fiughura übertragen oder möglicher weise
durch anschluss an diese formen seit alter zeit stehen geblieben.
Umgekehrt finden sich /iur (1 m. im Södermanna-gesetz) und
fiuwr (wol fitur oder fiümwur ausgesprochen; 1 m. im Dala-gesetz)
st. des normalen fiughur. Durch einwirkung von fiurir etc.
(bez. von den ält. *feurer etc.) hat fiughur das z eingebüsst,
und fiüur wurde im Söderm.-gesetz nachher zu fiär. Wenn fiuwr
im Dala-gesetz fiüwur ausgesprochen worden ist, so ist nach
u dialektisch ein » entwickelt worden. Vgl. über fiuwr z. t.
Brate, Äldre Vestmanna-lagens ljudlära 81.
In den urkunden einer gewissen gegend (Västmanland und
Dalarna) kommen fiöri, fiöora neben fiüre, fiära vor.!) In der-
selben gegend begegnet tiöber staki (Västm.-gesetz) mit io gegen
altschw. tizber, aber in übereinstimmung mit dem isl. tiör.
Es ist deshalb wahrscheinlich, dass in dem betreffenden dialekt,
eben so wie im isl, der diphthong eu vor dental und inter-
dental zu :ö entwickelt worden ist.?)
Ich gehe zu den mannigfachen formen des wortes für ‘14’
über: isl. fiogortän, fiugurlän; fiogrtän, fiugrlän; fiörtän, selten
fiüartän — altschw. fiughurtän, fioghortän; fiughertän, fioghertän;
fiortän, selten fiartan — altgutn. fiugurtän; fiürtän.
Es könnte nahe liegen, isl. fiörtän, altschw. fiärtan in
übereinstimmung mit isl. fiorir, altschw. fiurir zu erklären, also
als mit fiörir, fiarir gleichzeitig aus ält. *feuwriän, *feuzrtän,
*fezuriän entwickelt. Aber bei dieser auffassung bleiben fol-
gende umstände dunkel: 1) das altgutn. hat fiartän mit iz,
ı) Belegstellen bei Siljestrand a. a.0. und Brate, Dalalagens böjnings-
Jära 28,
2) Neben *fezur- scheint man auch eine form fizur- gehabt zu
haben. Diese dürfte in dem seltenen isl. gen. figurra (Fritzuer?) vor-
liegen und ist ausserdem im ostnord. belegt: fighur (Söderm.-gesetz hs.
A 3.95, anm. 65), Fyghurtandi (Västg.-gesetz 4,14: 14), altgutn. fygura
(neben fiugura), altschw. fygher klowa (1 m. st. fughur kluwa). Die ost-
nord. formen mit y sind durch combinierten jüngeren v-umlaut ent-
standen (?<{y vor u, wenn ein labialer consonant vorhergieng; vgl.z.b.Kock,
Arkiv NF. 6, 296 f.). — Ausserdem kommen ostnord. formen mit ? in den
casus vor, wo das altschw. gewöhnlich s@2 hat: spätaltschw. /Tri, ält. und
jüng. dän. fire, neugutn. fäire (< fire). Es ist wol glaublich, dass der
i-laut in fri (fire) etymologisch mit dem in figurra verwant ist, aber
im übrigen ist das nebeneinander firi: figurra, figurra : ughura dunkel.
U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 133
aber (dat.) /iaurum mit iau; — 2) das isl. ffurtän mit iz (neben
fiortän), aber nur fiörir; — 3) das altschw. hat oft fiörtän,
nur selten fizriän, obgleich fiärir, fiürar die normalen formen
sind; — 4) isl. fiörtän ist nach dem Oxforder-wörterb. jünger
als fiogrlän, fiugrlän.
Folgende auffassung ist deshalb vorzuziehen:
Das aus */ezurtän entstandene */euzriän hatte a (nicht u
oder i) in der ultima; der brechungsdiphthong eu wurde des-
halb in gewöhnlicher weise zu eo (*/eozrtän), und zwischen eo
und r blieb das z (vgl. oben ».131). Man bekam also isl.
fiogriän, altschw. fioghertän. Neben *feuzrtän, *feozriän blieb
aber durch den einfluss von *feuzur (fiugur) immer *feuzurtän,
d.h, isl. altschw. altgutn. fiug(h)uriän. Es ist aber selbstver-
ständlich, dass fiugurtän und fiugrtän, fiogrtän sich sehr leicht
gegenseitig beeinflussen konnten. Durch anschluss an fiugurtän
(mit i« in der ersten silbe, weil « in der nächsten silbe folgte)
blieb fiugrtän mit iu und z facultativ erhalten, und man bekam
nicht ausschliesslich fiogrtän (oder *feurtän). In fiugrtän, fiogrtän
ist z in relativ später zeit, nachdem der brechungsdiphthong
ein steigender diphthong geworden war, vor r + consonant ver-
loren gegangen (vgl. iel. fagrlikt > füärlikt, schw. *leghrdagh >
lördag 2.128), so dass man isl. altschw. altgutn. /iärtan, iel.
altschw. fiörtän bekam (hieraus erklärt sich der gegensatz isl.
fiörir : fiurtän, altgutn. fiaurum : fiürtän ete.).‘) Durch einfluss
von fiugurtän, fiogortän wurde aber diese entwicklung nicht
vollständig durchgeführt, sondern das z blieb facultativ in
fiugrtän, fiogrtän stehen. Ebenso wie isl. fiugur zu fiogor
wurde, hat das isl. fiogortän neben fiugurtän; zur einführung
von fiogortän hat aber auch fiogrtän beitragen können.
Wenn sich im altschw. recht oft fioghortän (mit io in ante-
paenultima und o in paenultima), aber nicht (oder wenigstens
sehr selten) fioghor, nur fiughur, findet, so ist auch dies leicht
erklärlic.” Dem vocalbalance-gesetz gemäss blieb der v-laut
der ultima von fiughur mit kurzer wurzelsilbe und starkem
levis auf ultima, was widerum den diphthong iu der paenultima
ı) Natürlich existiert die möglichkeit, dass isl. förlän, altschw.
fiürtän auch zum teil aus dem vorgeschichtlichen *feuzriän (mit eu
durch einfluss von *feuzuriän erhalten) entwickelt worden sind. In
dieser weise kann aber altgutn. Adriän nicht erklärt werden.
134 KOCK
conservierte. In fiughurlan aber mit fortis auf der ersten,
levissimus (nicht starkem levis) auf der zweiten und semifortis
auf der dritten silbe gieng der u-laut der paenultima lautgesetz-
lich in o über, und davon hängt das io (st. iu) der ersten silbe
von fioghorian ab.
IV. Entwicklung des durch x-brechung entstandenen
dipbthongs zu ia im altnorw. und ostnord.
Es gibt im ostnord. und altnorw. einige wörter mit dem
brechungsdiphthong ia, in denen man nach der gewöhnlichen
auffassung lautgesetzlich den brechungsdiphthong io erwartet
hätte,
In einigen ist ia leicht erklärlich durch übertragung. So
hat man z. b, statt stiarna : *stiorno nach dem muster sagha :
saghu ete. die flexion stiarna : stiarno bekommen (Kock, Sv.
landsm. 12, no. 7, s.24).1) In ähnlicher weise ist im altnorw.
die flexion nom. sg. biorn : gen. biarnar : acc. pl. *biornu nach
der analogie von orn:: arnar : arnu so umgebildet worden, dass
man im acc. pl. biarnu bekam. Diese umbildung ist sehr
natürlich, weil man viel mehr v-stämme von dem typus orn
hat, als solche von dem typus biorn. Wimmers formenlehre
verzeichnet 28 appellativa jener, nur 6 dieser art. Die um-
bildung hat sich zu einer zeit vollzogen, wo der alte o-laut
und der o-laut des brechungsdiphthongs io im altnorw. gleich
geworden waren (oder sich wenigstens sehr ähnlich waren),
In mehreren altnorw. hss. werden diese laute beide mit o be-
zeichnet. Dass die beiden laute schon früh ziemlich ähnlich
waren, geht aus den reimen der skalden hervor; sie reimen
nämlich skioldu : old ete., vgl. Finnur Jönsson, Arkiv NF. 5, 376
und Kahles rimarium. Aus der orthographie der ältesten isl.
hss. ziehe ich aber (in übereinstimmung mit Noreen und L. Lars-
1) Dagegen darf nicht eingewendet werden (wie Hultman, Finländska
bidrag till sv. spräk- och folklifsforskning s. 96 anm. geneigt ist es zu tun),
dass der einfluss von solchen wörtern wie kona, koma, torva dieser über-
tragung entgegengewirkt habe. Zu der betreffenden zeit flectierte man
nämlich nom. kona: obl. casus kunu etc. (Kock, Tidskr. f. fil. NR. 8, 295 ff.
Arkiv NF.2, 14f.) und wol auch torwa: turwo. Aber dies paradigma
(mit %, nicht o, in der paenultima der obl. casus) konnte natürlich das
paradigma stiarno : *stiorno nicht beeinflussen, denn die wurzelvocale
der beiden paradigmen waren in keinem casus gleich.
U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 135
son) einen andern schluss als Finnur Jönsson. Da man hier
gewöhnlich skioldo ete. mit io, aber gld (avld) etc. mit 9 (lig. av)
ete. findet, waren die laute zu dieser zeit im isl. noch nicht
ganz zusammengefallen. Vgl. dazu den umstand, dass die
skalden wörter mit germ. e und solche mit & (= i-umlaut
von a) reimen lassen, obgleich diese laute im altnorw. noch
verschieden sind.
Im isl. hat man, wie bekannt, gewöhnlich is (nicht io) in
compositis der form biarndyr ete. (aber biorn), also in zusammen-
setzungen, deren erstes compositionsglied ein langsilbiger
ustamm ist (Burg, Die ält. nord. runeninschr. 58). Dies ist in
folgender weise zu erklären. Wenn fem. d-stämme des typus
iorrb als erste compositionsglieder auftreten, so haben sie ge-
wöhnlich den brechungsdiphthong ia, z. b. iarpriki. Es gab
mehrere wörter dieser art, z. b. biorg : biargkosir, hiorp : hiarb-
hundr, mioll: miallhuitr, biork : Biarkey. Die lautgesetzlichen
formen wären *berndyr, *erpriki etc. Nach der analogie von
gen. iarbar : gen. biarnar etc. hat man *erpriki, *berndyr etc. zu
iarbriki, biarndyr umgebildet, was um so viel leichter war, als
man auch mehrere composita z. b. mit dem gen. biarnar-
hatte; vgl. biarnarbäss : biarnbäss; biarnarhamr, -hold, - slältr
ete. : biarnfeldr, -giold, -hünn ete. Bei dieser umbildung haben
auch die masc. u-stämme des typus orn eine rolle gespielt,
obgleich im isl. der o-laut in biorn und der in grn nicht
ganz gleich waren. Der v-umlaut wurde in den langsilbigen
u-stämmen lautgesetzlich nicht durchgeführt, wenn sie als erste
glieder eines compositums auftraten: Arnmöpr, vallgongr etc.
Das nebeneinander grn : arnar : Arnmöpr hat zur durchführung
von biarndyr (st. *berndjr) beigetragen. Uebrigens kommt
auch der brechungsdiphthong io vor, zZ. b. skioldhlynr und skiald-
hlynr. Das io ist von skioldr übertragen worden.
Nur zwei kurzsilbige v-stämme mit brechung dürften als
erste compositionsglieder vorkommen: Aioir, miopr. Man hat
sowol kialvegr, Kialnesingr, neuisl. kjaltre, -sog, -siöur wie kiol-
vegr, kiolsyia u.a.1); sowol miabveitir, neuisl. miadurt wie miob-
drekka u.a. Wenn diese kurzsilbigen wörter als erste compo-
1) Die composita mit kiöl- sind nicht immer von denen mit kiöl- zu
unterscheiden,
136 KOCK
sitionsglieder öfter den brechungsdiphthong io haben, als dies bei
den langsilbigen der fall ist, so hängt das davon ab, dass sie
von den langsilbigen u-stämmen des typus grn : arnar : Arnmö)r
weniger beeinflusst wurden. Kurzsilbige v-stämme wie /ogr etc.
haben nämlich als erste compositionsglieder lautgesetzlich den
u-umlaut (/ogvellir etc.)
In andern wörtern aber kann man die ia-formen nicht
durch übertragung erklären, z. b. in altschw. *fialde, ficelde
‘menge’ (vgl. fiol- ‘viel’), während widerum das ia in andern
fällen (z.b. fiatur; vgl. die kaum befriedigende erklärung von
Kock, Sv. landsm. 12, n0.7, 8.24 anm.) nur durch allzu com-
plieierte (doppelte) übertragungen erklärlich ist.
Unter diesen umständen nehme ich an, dass der durch
u-brechung entstandene diphthong in einem speciellen falle laut-
gesetzlich zu ia entwickelt worden ist.
Der zweite vocal des brechungsdiphthongs e* hat über-
haupt eine tendenz, eine offnere aussprache anzunehmen: der
brechungsdiphthong e* wurde also gewöhnlich im isl. und alt-
schw. zu io (hiortr, hiorter etc... Der vocal der folgenden
silbe hat aber einen wesentlichen einfluss auf die behand-
lung des brechungsdiphthongs ausgeübt. Dieser bleibt als «
erhalten, wenn ein « oder ö in der nächsten silbe folgt (alt-
schw. Ziughu, isl. fiugur, altschw. iurpriki; vgl. 8.117). Man ist
deshalb a priori zu der vermutung geneigt, dass auch ein fol-
gender a-laut einen gewissen einfluss auf den brechungsdiph-
thong ausgeübt habe. Dieser a-laut muss aber wegen seiner
qualität die tendenz des zweiten vocals, im brechungsdiphthong
eine offnere aussprache auzunehmen, verstärkt haben.
Ich stelle also folgendes lautgesetz auf: im ostnord. und
wenigstens in gewissen altnorw. dialekten ist der
brechungsdiphthong e* lautgesetzlich zu ia geworden,
wenn ein 4!) in der nächsten silbe folgte. Die entwick-
1) Altschw. förtän spricht für die annahme, dass nur 4, nicht &,
diese lautentwicklung hervorgerufen habe; sonst würde man *fiärtan
(nicht fiortän) bekommen haben. Diese begrenzung des lautgesetzes ist
auch ganz natürlic. Schon im gemeinnord. waren ohne zweifel der
@-laut und der @-laut auch qualitativ verschieden, da jener im ostnord.
und neunorw. zu d, im neuisl. zu au geworden ist, während der kurze
a-laut immer bleibt. Dieser war also offner als der lange «-laut und rief
ne —— - di
Ü-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 137
lung dürfte schon zu einer zeit eingetreten sein, wo der- bre-
chungsdiphthong noch ein fallender diphthong war, also e* >
e>e’>ia.
Beispiele:
Altschw. fielde ‘menge’, von fiol- ‘viel’ abgeleitet. Man
erhielt lautgesetzlich ia, ie in den obl. casus im sg. *fe”Ida >
*fe Ida > fialda und in nom. gen. acc. pl. *fe"Idar > *feldar
> fialdar etc. Das altnorw. fiolde (in der Olafs zaga.hins
helga, 1849)!) ist vom nom. sg. *fe"Ide ausgegangen oder ist
an fiol- angeschlossen worden, aber altnorw. auch fialldi.
Neugutn. mjalke, altschw. mialke,?) neunorw. mjelke neben
neuschw. mjölke, altschw. *miolke. mialke ist von dem worte
abgeleitet, das in isl. mio/k, got. miluks, altsächs. miluk, ahd.
miluh etc. begegnet. Bei der flexion nom. *me"Ike (aus *meluka),?)
obl. *me”Ika erhielt man lautgesetzlich nom. miolke, neuschw.
mjölke, aber in den obl. casus mialka, wovon altschw. mialke
etc. ia bekommen haben.
Altschw. mielk (selten) neben miolk, miolk, isl. miölk. Im
gen. sg. (vgl. altschw. mielka flaska) entstand lautgesetzlich
®mialkar, mielkar. Ausserdem hatte man ein vom subst. miolk
abgeleitetes verbum isl. miölka, neuschw. mjölka. Auch hier
bekam man lautgesetzlich *mialka, *mieelka. Aus diesen formen
rührt das ia im seltenen altschw. mielk her, während das
neuschw. mjölka sich an die normalform miolk, mjölk ange-
schlossen hat.
Altnorw. fiatur (Ol.H.S. legg-fiatur 51,5; fiatri 37, 31), alt-
schw. fiatur, fietur. Im nom. gen. acc. pl. gaben *feturor etc.
lautgesetzlich *fertrar > *fe’trar > fiatrar ete, und ia wurde
nachher auch in sg. (/iatur) eingeführt. Dazu hat auch das
verbum altschw. fietra mit lautgesetzlichem ia, ie (fiatra,
*fertra, *fe*Ira) beigetragen.
Altnorw. iafur (Ol.H.S. iafur 49, 21 ete., iafrum 50, 21), alt-
deshalb eine offnere aussprache des diphthongs in der vorhergehenden
silbe hervor.
1) Unten Ol. H.S. verkürzt.
2) Mialcha als beiname in einer urkunde vom jahre 1268.
3) Obgleich man gemeingerm. vielleicht einen wechsel melk- : meluk-
hatte (vgl. Brate, Bezzenbergers Beitr. 11,185), ist es doch unbedingt
wahrscheinlich, dass mjalke etc. aus einem älteren "mel/uk- entstanden sind.
138 KOCK
schw. run. iafur neben altschw. Juuur (Dipl. 3, 8.89). Nom.
gen. acc. pl. *edurör etc. wurden lautgesetzlich zu iafrar etc.,
und ia wurde später zum teil in den sg. (altnorw. altschw.
iafur) eingeführt, während im sg. das lautgesetzliche :u (alt-
schw. Juuur) zum teil blieb.
Altschw. ietun. Nom. gen. acc. pl. *elundr > iatnar etc.
Von diesen casus und von dem gleichbedeutenden iette (pl.
und obl. casus sg. lautgesetzlich iattar, iatta) hat sg. iatun,
ietun das ia bekommen. Auch altnorw. iatun. |
Altschw. biepur. Nom. gen. acc. pl. *bedurör > biabrar
etc. Zur einführung des öa, ie in den sg. biebur hat auch
*biabar (tjädar im Degerforsdialekt nach Aström, Sv.landsm.13,
no. 2, 8.6) mit a in der ableitungsendung beigetragen.
Altnorw. giaflan (acc. sg. masc. in der Ol. H.S. 22,31; vgl.
isl. gioful!) kann demgemäss erklärt werden aus *gedwan- >
*Je”blan > *ge’blan > giaflan.
Altschw. miebm ‘hüfte’ (vgl. isl. miopm). Söderwalls wörter-
buch führt das wort auf; es ist jedoch nicht sicher belegt, weil
es an allen angeführten stellen entstellt ist.!) Wenn das wort
im altnord. einmal, ebenso wie got. miduma, ein ö-stamm ge-
wesen ist, so bekam man ia in gen. sg. und in nom. gen. acc.
pl. (*medumör > miapmar etc... Auch wenu es früher ö-stamm
war, entstand ia in gen. sg.
Durch das oben dargestellte lautgesetz wird auch eine bis
jetzt unerörterte altschw. ordinalzahl erklärt, und zwar
fiarbe. Wir haben von der oben besprochenen grundform
*fezur- auszugehen. In den obl. casus des masc. bekam man
lautgesetzlich *fezurdan- > *fe"zrda > *fe’zröa > *fiazrda und
nach verlust des zg vor r + consonant (vgl. oben s. 128) fiarpba,
fierpa. Da das ia in den drei obl. casus des masc., im nom.
fem. und im ganzen neutr., also unbedingt in den meisten
casus lautgesetzlich war, so ist es natürlich, dass der diphthong
ia den sieg davon trug. In Västmanland hatte man fiordi (im
Västm.-gesetz). In dieser gegend ist das betr. lautgesetz viel-
leicht nicht durchgeführt worden, ebenso wie wir erfahren haben,
1) Man hat vielleicht im altschw. neben miepm ein miepia (durch
einfluss von miia entstanden ?) in derselben bedeutung gehabt; vgl. die
velegstellen bei Söderwall.
U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 139
dass der westmanländische dialekt auch in der behandlung
des diphthongs iu von der altschw. reichssprache abwich
(fiorir statt fiurir). Das westmanländ. fiorpi kann jedoch sein
io auch analogisch von der cardinalzahl fiorir bekommen
haben. E
Ich füge einige bemerkungen zur beleuchtung des brechungs-
diphthongs ia in ein paar wörtern hinzu.
Der altdän. frauenname Diarund, Bieerund, von 0. Nielsen,
Olddanske personnavne angeführt, neben Tuko Bierunde fil. aus
dem 13. jahrhundert. In diesem Bierund haben wir die laut-
gesetzliche form des namens, der vom masc. namen altdän.
altschw. Biari, Bieri den diphthong ia (Ziarund, Bierund) be-
kommen hat.
Der altschw. personenname Jerunder, run. iarutr, dem alt-
norw. Jorundr (z. b. in Sv. dipl. 4, no. 2962, Ragunda, vom jahre
1333) entspricht, kommt in altschw. urkunden auch latinisiert
als Jurundus vor; Jurund(us) ist die lautgesetzliche form. Dass
man aber in diesem namen neben der ableitungsendung -und-
auch eine ableitung -and- gehabt hat, geht aus dem altdän.
ortsnamen Jarandalef hervor. Im isl. begegnet der zwergname
Jari. Da dieser aber nicht als eigentlicher personenname und
auch nicht aus dem ostnord. erwiesen worden, so wäre es un-
berechtigt, einen einfluss dieses namens auf Jerunder anzu-
nehmen. Jarundr hat ia von Jarand- erhalten.
Jatmundr in der Ol.H.S. wird in isl. urkunden Jatmundr,
Eatmundr (z.b. Eatmundar konungs d Englandi, Isl. sögur 1,34,
anm. 1), Zudmundr (ib. 1, 363) geschrieben. Es ist natürlich
der ags. name Zadmund, der die ausländische vocalisation be-
halten hat.
Altschw. fiedhur!) neben fieper (isl. fiobr). fiedhur (statt
*fiodhur aus *fedur aus *fedoru oder *fedaru; vgl. ahd. fedara,
1) Ich lasse dahingestellt sein, ob eu, eo auch in relativ unaccen-
tuierter silbe lautgesetzlich zu ic geworden ist. Vgl. jedoch run. stur-
biarn, purbiarn, uikbiarn, uibiarn etc. : appell. biorn; altschw. le perskipter,
-sketter, -tiugher, Fieprunda land (mit fortis auf dem zweiten compo-
sitionsgliede?) : Aobermeningi (mit fortis auf dem ersten compositions-
gliede? vgl. got. Adur-); pr. sg. ieer ‘ist’ < *eur mit ew vom pl. *euru
(vgl. altgutn. zeru), eru übertragen.
140 KOCK, Ü-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD.
altsäche. ferhara) hat ie (= i@) von gen. sg., nom. gen. acc. pl.
fieprar, fiepra bekommen, wo ia, ie lautgesetzlich war. Alt-
schw. fieber, isl. fiopr haben den u-laut der zweiten silbe (vgl.
fiedhur) durch anschluss an dieselben casus und an den dat.-
pl. (und sg.) verloren.
[Nachtrag zu 2.136. Es ist zweifelhaft, ob Hahagı: log-
vellir lautgesetzlich öo-brechung und u-umlaut haben. Kiolvegr
kann sein io von kiolr, sowie kialvegr sein ia von kialar be-
kommen haben. Ich hoffe in anderem zusammenhang auf diese
frage zurückzukommen. 4.4. 1895.]
LUND, 12. febr. 1895. AXEL KOCK.
ZEUGNISSE ZUR GERMANISCHEN SAGE IN
ENGLAND.
Das erscheinen von Rudolf Koegels Geschichte der deutschen
literatur!) hat der erörterung der frage nach der ursprünglich-
keit und originalität der altenglischen epik und heldensage einen
neuen anstoss gegeben. Eine möglichst vollständige übersicht
aller für die existenz germanischer sage bei den Angelsachsen
in betracht kommenden zeugnisse wird darum gerade jetzt nicht
überflüssig sein, da sie allein den grund zu einer objectiven
würdigung der zum teil! ganz neuen und überraschenden dar-
legungen Koegels abzugeben vermag. Sie wird um so not-
wendiger, als in sämmtlichen arbeiten, welche sich bis heute
mit dem studium der altenglischen sagen befasst haben, selbst
diejenigen Müllenhoffs nicht ausgenommen, ein gebiet, aus
dessen durchforschung sich doch gerade für diese fragen neue
entscheidungsgründe gewinnen lassen, das der ae. namen, nicht
systematisch genug berücksichtigt worden ist.
Neben den direceten schriftlichen darstellungen der sagen
in poetischer und prosaischer form, neben den erzeugnissen
der kunst oder des kunstgewerbes, welche irgend einen sagen-
stoff zum vorwurf nehmen, wie sculpturen, gemälde, stickereien
u. ä, neben den anspielungen bei dichtern, geschichtschreibern,
predigern, neben den heutigen volksttimlichen resten alter sagen
und mythen besitzen wir an den in urkunden, genealogien,
nekrologien, verbrüäderungsbüchern von klöstern u. s. w. verzeich-
neten personen- und ortsnamen eine für die geschichte der sagen
») Geschichte der deutschen literatur bis zum ausgange des mittel-
alters, bd.1. teili: Die stabreimende dichtung und die gotische prosa.
Strassburg 1894.
142 BINZ
höchst wichtige quelle, aus der aber freilich nur mit vorsicht
und unter gewissen einschränkungen geschöpft werden darf.
Heute noch pflegen manche fürstentreue untertanen aus ver-
ehrung für den regierenden landesherrn oder seine gemahlin
ihre kinder auf den namen dieser fürstlichkeiten zu taufen;
das vorbandensein eines solchen motivs zeigt sich besonders
deutlich in fällen, wo jenes vorbild einen sonst im lande nicht
gangbaren namen trägt (man vergleiche z.b. die namen Olga
und Vera in Württemberg). Andere übertragen die namen von
lieblingshelden oder -heldinnen aus einem roman oder drama
oder auch aus der geschichte auf sohn und tochter, eine sitte,
die besonders in Holland, England und Nordamerika in blüte
steht, so dass dort sogar die familiennamen der verehrten
persönlichkeiten als vornamen verwendung finden. Ganz ent-
sprechend war bei unseren altgermanischen vorfahren die ge-
wohnheit verbreitet, dass man den kindern namen von helden
und heldinnen aus mythus und sage beilegte, indem man ihnen
damit gleichsam eine anweisung auf alle die glänzenden eigen-
schaften, die man an jenen bewunderte, in die wiege zu legen
hoffte. Aehnlich verhält es sich mit den ortsnamen; diese sind
ausserdem auch noch darum wichtig, weil sie, im gegensatz zu
den den schwankungen der mode unterworfenen personennamen,
an der örtlichkeit, die sie bezeichnen, haften bleiben bis in die
neuesten zeiten und so oft noch die einzigen zeugen längst
untergegangener überlieferungen bilden.
Für die vorliterarischen perioden eines volkes ist also das
studium der uns aus jenen zeiten auf irgend eine weise erhal-
tenen namen ein wesentliches mittel, die lücken in der kenntnis
der bei demselben verbreiteten und beliebten sagen auszufüllen,
welche das fehlen direeter denkmäler lässt; für die literarische
zeit gewährt es eine willkommene controle und ergänzung zu
den uns von anderer seite her schon bekannten tatsachen, be-
sonders in bezug auf zeitliche und räumliche verbreitung ge-
wisser sagen. Doch muss man sich vor einer überschätzung
dieser art von zeugnissen hüten.!) Es versteht sich, dass nicht
1) In dieser richtung geht z.b. Holthausen, Beitr. 9, 451 ff. zu weit,
der aus westfälischen urkunden alle namen zusammenstellt, die uber:
haupt einmal irgendwo in der heldensage vorkommen.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 143
jedes vorkommen eines irgend einem sagenkreise angehörenden
namens für sich allein schon die bekanntheit jener sage voraus-
setzt. Denn sehr oft sind solche namen in ihrer bedeutung so
wenig charakteristisch und so weit verbreitet, dass ihrem auf-
treten keine beweiskraft beigemessen werden kann. Nur in
negativem sinne erlaubt ihr völliges fehlen bis zu einem ge-
wissen grade den schluss auf geringe verbreitung der sie be-
treffenden sage. Zwei fälle gibt es jedoch, wo ein einziger
name genügt, uns die existenz der an ihn sich knüpfenden
überlieferungen an dem orte zu sichern, wo er sich findet:
1) Wenn er einem der sprache seines fundortes fremden
idiom entstammt oder, was diesem gleich zu rechnen ist, wenn
er in einer form auftritt, welche die entlehnung aus einer andern
mundart erkennen lässt. Das vorhandensein der namensform
Kudrun in Oberdeutschland erlaubt uns so mit voller sicher-
heit den schluss auf niederdeutsche beimat der Kudrunsage
und ihre spätere verpflanzung in den süden (vgl. Müllenhoff,
Ze. fda. 12, 315 ff.).
2) Wenn die bedeutung des namens eine so specielle ist,
dass sie sich nur aus dem zusammenhang des mythus oder der
sage befriedigend erklären lässt, dem der träger oder die trä-
gerin desselben angehört. So zeugt ein Fizzilo oder Welisunc
ohne frage für die Welsungensage.
Klarer, aber immerhin nicht über jeden zweifel erhaben
liegt die gangbarkeit einer sage am tage, wenn in einer und
derselben gegend zur gleichen zeit eine grössere anzahl von
namen angetroffen werden, die dem gleichen kreise entstammen.
Darum bezweifelt fast niemand die localisierung des Beowa-
mythus in England, die sich aus dem vorkommen der namen
on Beowan hammes heczan und on Grendles mere in der gleichen
urkunde ergibt.
Ganz sicher erwiesen ist aber diese gangbarkeit da, wo
zwischen verschiedenen mit sagenberühmten namen ausgestat-
teten personen das gleiche oder doch wenigstens ein ähnliclies
verhältnis stattfindet, wie zwischen den vorbildern, nach welchen
sie benannt sind.!) Leider ist gerade dieser fall in England
viel seltener zu belegen als z.b. in Deutschland.
ı) Ein beispiel dafür, das freilich mit germanischer sage nichts zu
144 BINZ
Wenn, wie wir sehen werden, die zahl der aus englischen
eigennamen sich ergebenden zeugnisse im verhältnis zu der-
jenigen, die sich aus entsprechenden deutschen quellen für die
deutsche sage gewinnen lassen, eine auffallend geringe ist, so
wird dies vornehmlich dem umstande zuzuschreiben sein, dass
uns in englischen urkunden u.s. w. fast ausschliesslich angebörige
der höheren stände entgegentreten, die wol unter dem frühen
einfluss des christentums und der damit gebrachten höheren
bildung und aufklärung bemüht waren, alle erinnerungen an
heidnischen mythus und heidnische sage zu verwischen, und
sich darum auch der damit zusammenhängenden namen nicht
mehr bedienten im gegensatz zu den zäher am alten hangenden
unteren schichten des volkes, die wir in deutschen urkunden
in hörigen und freigelassenen zahlreich vertreten finden, wäh-
rend in England, besonders in der älteren zeit vor 1066, nur
wenige solcher namen überliefert sind.
Bei der besprechung der einzelnen sagenkreise werde ich
mein augenmerk hauptsächlich auf diejenigen punkte richten,
über welche die discussion noch nicht abgeschlossen ist; eine
ausnahme werde ich jedoch mit der Beowulf- und Finnsage
machen: da ein näheres eingehen auf die dort noch bestehenden
streitfragen geeignet wäre, den gegenstand einer besonderen
abhandlung zu bilden, so werde ich mich bei diesen beiden
sagen im wesentlichen auf eine aufzählung der zeugnisse be-
schränken müssen,
Literaturübersiecht:
1) Germanische mythen und sagen im allgemeinen.
J.Grimm, Deutsche mythologie, 4.aufl. besorgt von El. H. Meyer,
3bde. Göttingen 1875—78. — W.Müller, Geschichte und system der
altdeutschen religion. Göttingen 1844. — E.Mogk, Mythologie, in Pauls
Grundriss der german. philologie 1, 982—1138. Strassburg 1891. — F.J.
Mone, Untersuchungen zur geschichte der teutschen heldensage. Quedlin-
burg 1836; — Zeugnisse zur teutschen heldensage im Anz. f. kunde der
teutschen vorzeit 5 (1836), 141—145. 308—312. 6 (1837), 171f. — A.Rasz-
mann, Die deutsche heldensage und ihre heimat, bd. 1.2. Hannover 1857 f.
tun hat, das ich aber doch gerne anflihren möchte, weil es das oben ge-
sagte sehr gut zu illustrieren geeignet ist, bietet ein Petrus fllius Malci,
Palgrave, Rotuli 1,114, ein namensverhältnis, in welchem sich deutlich
die biblische geschichte von Petrus und Malchus widerspiegelt.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 145
— L.Uhland, Schriften zur geschichte der dichtung und sage, bd. 1. 6. 7.
Stuttgart 1865 f. — K.Müllenhoff, Zeugnisse und excurse zur deutschen
heldensage, Zs. fda. 12, 253—386. 413—436 mit nachlese von OÖ. Jänicke,
ebda. 15, 310 ff. — W.Grimm, Die deutsche heldensage, 2. ausg. (besorgt
von K. Müllenhoff). Berlin 1867; 3. ausg. bes. von R. Steig, Gütersloh 1889
(eit. nach 2. ausg.).. — W.Müller, Mythologie der deutschen heldensage.
Heilbronn 1886. — B.Sijmons, Heldensage, in Pauls Grundr. 2, 1, s. 1—64.
Strassburg 1893 (abgeschlossen 1888). — S.Bugge, Studien über die ent-
stehung der nord. götter- und heldensagen. Deutsche übersetzung von
Oskar Brenner. 1. reihe, heft 1—3. München 1881—89 (vgl. Müllenhoff,
Deutsche literaturzeitg. 2, 1224—1230. Edzardi, Literaturblatt f. germ. u.
rom. philol. 3, 1882, 2—8; 125—129).
9) Englische sagen.
J. M. Kemble, Ueber die stammtafel der Westsachsen. München
1836; — Die Sachsen in England, übers, von H.B. Chr. Brandes, bd. 1.2.
Leipz. 1853,54. Neue engl. ausg.: The Saxons in England. New edition
revised by Walter De Gray Birch. London 1876. 2 voll. — D.H.Haigh,
The Anglo-saxon Sagas; an examination of their value as aids to history.\
London 1861. — K.Müllenhoff, Ueber Tuisco und seine nachkommen,
in Schmidts Allgem. zs. f. gesch. 8, 209—269; — Irmin u. seine brüder,
Zs. fda. 23, 1—23; — Die deutschen völker an Nord- und Ostsee in ältester
zeit, Nordalbing. stud. 1,111—174; — Zur kritik des angelsächs. volks-
epos, Zs. fda. 11, 272—294; — Beovulf. Untersuchungen über das ags. epos
u. die älteste geschichte der german. seevölker. Berlin 1889 (vgl.G.Sar-
razin, Engl. stud. 16, 71—85. R.Heinzel, Anz. fda. 16, 264—275). —
H.Möller, Das altenglische volksepos in der ursprüngl. strophischen form,
teil 1. Kiel 1883 (vgl. A.Schönbach, Ze. f. öst. gymn. 35, 37—46. R. Hein-
zel, Anz. fda. 10, 215—239). — B.ten Brink, Altenglische literatur, in
Pauls Grundr. 2,1, 8.510—550. — 0.Haack, Zeugnisse zur altenglischen V
heldensage. Aus den geschichtswerken und urkunden der altenglischen
zeit gesammelt nach dem vorgange von W. Grimms Deutscher heldensage,
sowie Müllenhoffs Zeugnissen und excursen zur deutschen heldensage.
(Kieler diss.) Lingen 1892 (vgl. G.Binz, Lit.-bl. 14, 203 ff.). — Th.Siebs,
Zur geschichte der englisch-friesischen sprache, 1. Halle 1889. s. 7—26. —
L. Weiland, Die Angeln, ein capitel aus der deutschen altertumskunde,
in: Festgabe für G. Hanssen zum 31. mai 1889. (Tübingen 1889.) s. 119—158.
<
3) Hauptquellen:
Codex diplomaticus aevi saxonici opera J.M.Kemble. t.1—6.
London 1839—48. — Cartularium Saxonicum. A collection of char-
ters relating to Anglo-saxon history by W. De Gray Birch. vol.1—3. Lond.
1883—93. — Domesday Book seu Liber censualis Willelmi I. regis Ang-
lorum ... jubente rege Georgio III praelo mandatus typis, vol. 1.2. Lond.
1783. vol.3: Indices. vol. 4: Additamenta: Exon. Domesday. Inquisitio
Eliensis. Liber Winton. Boldon book. Lond. 1816. — H.Ellis, A Genera)
Introduction to Domesday Book accompanied by indexes of the tenants
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 10
146 BINZ j
in chief and undertenants, 2 voll. Lond. 1833. — Registrum Malmes-
buriense. '[he Register of Malmesbury Abbey ed. by J. S. Brewer
and Ch. Trice Martin, vol.1.2. Lond. 1879—81. — Vetus registrum
Sarisberiense alias dietum S.Osmundi episcopi ed. by W.H.R. Jones,
vol. 1.2. Lond. 1888f. — Liber vitae ecclesiae Dunelmensis nec non
obituaria duo eiusdem ecclesiae (ed. by Stevenson). Lond.1841 (Pu-
blieations of the Surtees Society 1841, no.2.) — The Oldest English
: Texts ed. with an introduction and a glossary by H.Sweet. Lond. 1885
(1886) (E.E.T.S.). — H. Hellwig, Untersuchungen über die namen des
nordhumbr. Liber vitae. I. Berlin 1888. — Libri confraternitatum
Sancti Galli Augiensis Fabariensis ed. Paul. Piper. Berolini 1884 (Monum.
Germ. histor.). — Rotuli curiae regis. Rolls and Records of the Court
held before the king’s justiciars or justices, vol. 1: from the 6th year of
King Richard I. to the accession of King John, ed. by Fr. Palgrave.
Lond. 1835. — Calendar of Wills, proved and enrolled in the court
of Husting, London, a. 1258 to 1688 ... ed. by R.R. Sharpe, part. 1:
1258—1358. London 1889. — Foedera, conventiones, litterae et cuius-
cunque generis acta publica inter reges Angliae et alios quosvis impera-
tores ... in lucem missa cura et studio Thomae Rymer. Denuo aucta
accurantibus Adamo Clarke et Fred. Holbrooke, vol. t, pars. 1. 1066—1272.
Lond. 1816. — R.C.Hope, Glossary of Dialectical Place Nomenclature.
2.ed. London 1883. — ''wo of the Saxon Chronicles parallel with
supplementary extracts from the others... by Ch. Plummer, on the
basis of an edition by J. Earle, vol.1. Oxford 1892. — Monumenta
Alcuiniana in: Bibliotheca rerum germanicarum ed. Jaff&, vol.6. Berl.
1873. — Asserius, Vita Aelfredi Magni rec. Fr. Wise. Oxon. 1722.
Widerholt in: Monum. histor. Britan. 1 (Lond. 1848), 467—498. — Ethel-
werdus, Chronicorum libri IV in: Scriptores rerum Anglicarum post
Bedam. Francof. 1601. — Florentius Wigornensis, Chronicon ex chro-
nieis ed. B. Thorpe, vol.1.2. London 1848f. — Simeon monachus,
Opera omnia ed. Th. Arnold, vol. 1.2. London 16882—85. — Willelmus
Malmesburiensis, Gestaregum Anglorum rec. Th.D. Hardy, vol. 1.2.
Lond. 1840. — Henricus archidiaconus Huntendunensis, Historia
Anglorum ed. by Th. Arnold. Lond. 1879.
I. Anglofriesische sagen.
a) Mythisch-epische stoffe.
1) Sceaf und seine nachkommen und die genealogien.
K.Müllenhoff, Sceaf und seine nachkommen, Zs. fda. 7, 410—419;
Beovulf 8. 7—12. s.60ff. H.Möller, Das ae. volksepos, 8. 40—45. G.
Sarrazin, Recens. v. Müllenhoffs Beovulf in den Engl. stud. 16, 73—80.
R. Heinzel, Recens. v. Müllenhoffs Beovulf im Anz. fda. 16, 264—275.
E. Sievers, Sceaf in den nordischen genealogien, Beitr. 16, 361—368.
O0. Haack, Zeugnisse, 8. 9—12. 8.23 ff. ten Brink, Pauls Grundr. 2, 1.
8.532f. Koegel, Literaturg., s. 104—106; Beowulf, Zs. fda. 37, 268 ff.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 147
Die anglische heimat, ja sogar die existenz des mythus
von Sceaf sind nicht allgemein anerkannt. Die neuesten, der
meinung Müllenhoffs sich anschliessenden darstellungen der sage
bei ten Brink und Koegel ignorieren freilich völlig die nament-
lich von Möller und Sarrazin geltend gemachten bedenken, und
doch scheinen mir diese, zum teil wenigstens, eine erwägung
wol zu verdienen. Der stand der frage ist kurz folgender.
Der dem 10.jh. angehörende Ethelwerdus und, ihm fol-
gend, Wilhelm von Malmesbury in den Gesta regum Angliae,
denen aber, da er offenbar nur die von ihm benützte erzählung
des Ethelwerd etwas weiter ausschmückt, eine selbständige be-
deutung als quelle nicht zugemessen werden kann,!) berichten
uns den bekannten mythus. Alle früheren quellen kennen die
figur -des Sceaf nicht: in den älteren genealogien wird die reihe
der vorfahren nur bis Scyld weiter geführt und auch im Beo-
wulf ist Scyld Scefing der held der geschichte; ebenso heisst
es in einer von Kemble, Beowulf s. vı erwähnten notiz von
Scyld: iste primus inhabitator Germaniae fuit. Ein anderes,
diesem letzteren scheinbar widersprechendes zeugnis bei Kemble,
Beow. 8. IV: incipit linea Saxonum et Anglorum descendens ab
Adamo linealiter usque ad Sceafeum, de quo Saxones vocabantur
(vgl. Müllenhoff, Zs. fda. 7,415) ist wertlos, da es offenbar auf
der späteren, unvolkstümlichen interpolation der genealogie in
der Chronik beruht, welche die reihe der angelsächsischen
könige bis auf Adam fortzusetzen unternimmt.
Mit rücksicht auf diese lage der dinge, mit rücksicht ferner
auf den umstand, dass der mythus nur für das erste glied der
genealogie einen riehtigen sinn gibt, nimmt Möller, im directen
gegensatz zu Müllenhoff, Seyld als den ursprünglichen träger
des mythus an. Scefinz ist = filius manipuli und erst später
wird aus dem beinamen Scefinz auf einen vater Sceaf ge-
schlossen. Eine ähnliche entstehung müssen wir auch für den
Sceafa des Widsiö voraussetzen, der an stelle eines früheren
Sceafinzg oder Sceyld getreten sein wird. Diese argumentation
scheint mir überzeugend; nur möchte ich Scefingz nicht als filius
1) Der bei ihm allein vorhandene zug, dass Sceafs haupt auf einem
manipulus ruhe, von den er den namen Sceaf erhalten habe, kann doch
ganz leicht nur einer von Wilhelm erfundenen etymologie des namens
seine entstehung verdanken.
. 10*
148 BINZ
manipuli auffassen, was kaum einen viel besseren sinn gäbe,
als der schwer begreifliche beiname Sceaf selbst: die ableitung
-ing bezeichnet vielmehr das versehensein mit etwas, den besitz
der mit dem stamme bezeichneten sache; analoge bildungen
sind Asdingi, ae. Heardinzas ‘leute mit (weibl.) haartracht',
Rondinzas Wids. v. 24; mhd. bertinc ‘mann mit langem bart’,
‘klosterbruder’, aisl. kyrningr “hornträger’.!) Somit ist Scyld
Scefing ‘Seyld mit der garbe’, er vereinigt also in sich die
beiden eigenschaften, die Müllenhoff dem Sceaf und Scyld ge-
trennt zuschreiben will, und widerspricht damit kaum dem
eigentlichen sinne des mythus. Eine gewisse schwierigkeit
bildet freilich das zeugnis des Wids. v.32 Sceafa (weold) Lonz-
beardum, aber mindestens mit demselben recht, wie Müllenhoff
bei unserem ältesten zeugnis im Beowulf eine übertragung
der sage von Sceaf auf Sceyld ansetzt, wird man für die
niederschrift des Widsid eine verdrängung eines früheren Scy/d
durch den später erschlossenen Sceaf zugeben dürfen. Sceafa
ist übrigens auch wegen der schwachen form sehr verdächtig.
Zudem verraten langobardische quellen ebensowenig wie die
langobardischen namen irgend welche kenntnis eines mythus
von Sceaf; die ähnlichkeit der Lamissiosage mit demselben ist
nicht sehr zwingend, die mit der Scyldsage ist grösser; vgl.
Koegel, Lit.-gesch. s. 106.
Auch die englischen namen scheinen für diese auffassung
zu sprechen. Scyld finden wir sicher in zwei ortsbezeich-
nungen vertreten: Scyldes treow a.956 in Wilts, Birch 3, 917,
in der gleichen landschaft wie Beowan ham und Grendeles mere,
was den zusammenhang dieser localität mit dem mythischen
Sceyld auffallend stützt, und ferner ein Scildes well in North-
ampt., DomB. 1,221®. Hier sind trotz Haack s. 11, der übrigens
nur Scyldes treom kennt, die genetive Scyldes absolut beweisend,
vielleicht ebenso die zusammensetzung mit den im cultus eine
rolle spielenden /reow und weil, während allerdings die übrigen
von ihm aufgeführten namen Scildford, Scyldmere, Scildwic kaum
hierher zu ziehen sind. Zweifel erregen auch, weniger wegen
des vocals (vgl. den Sceldwa der genealogien), als wegen des
sinnes der in die verbindung tretenden substantive Sceldesford
') Vgl. in anderem zusammenhange Much, Beitr. 17, 120.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 149
(Kent) a. 824. Bi. 1,380; on sceldes heafda (Worcest.) a. 1016.
K. 3, 724; Scheldinchope (Lincolns.) DomB. 1, 370®, denn daneben
stehen eine anzahl namen, die, mit Scealde- beginnend, kaum
davon zu trennen sind: Scealdeburna (Wilts) a. 904. Bi. 2,611.
612; 2.955. Bi. 3, 912; Scealdeburnanstoc (Wilts) a. 968. Bi. 3,1219.
Scealdedeninza zemere (Hants) a. 1046. K.4, 783; Scealdeford
(Kent?) a.821. Bi. 1,367; 2.1026. K.4,813 und Scealdenford,
Scealdanford (Dorset) a. 939. Bi. 2, 744. 758; Scealdaemeres ham
(Hants) a.909. Bi.2, 622. Man wird dieses Scealde zu dem
flussnamen Scaldis ‘Schelde’ stellen müssen oder zum deutschen
Schalde im personennamen Schaldemose. In ne. dialekten ist
noch shalder vorhanden, das eine binsenart bezeichnet (‘a broad
flat rush’ Halliwell 2, 727): das passt ganz gut zu den verbin-
dungen mit burna, ford, mere. So werden wol auch Scildford
a. 1005. K. 3, 714; Sceldmere a. 868. Bi. 2,523; Scyldmere (Berks)
a.916. Bi. 2,633; a. 931. Bi. 2,682; Scyldmere a. 1042. K. 4, 762
eher zu diesem *scald- ‘binse’, als zum personennamen Scyld zu
ziehen sein, schon wegen der art der bildung durch composi-
tion gegenüber dem genetivischen verhältnis in Scyldes treow,
Scildes well. Scyld muss dann durch i-umlaut aus einem
i-stamm *scaldi-, *scealdi (vgl. Scaldis) entstanden sein: sceld
ist die nichtwestsächsische, z. b. kentische oder mereische form
dafür.
Auch in personennamen treffen wir Scyld- als ersten be-
standteil: in keluintune VIII currucatas quas Sceldfrithe et
Frithegist magnus tenuerunt 13.saec.LV.p.77; ähnliche bildungen
mit namen göttlicher oder mythischer wesen sind Tiowulf, zu
erschliessen aus Tiouulfinzacester bei Beda, Frealaf, Freawine
der genealogien, Geatfleda femina a.970. Bi. 3,1254, vielleicht
auch Beomwulf.
Während wir also für Scyld eine ganze reihe von belegen
in namen besitzen, finden wir keine solchen oder höchstens
zweifelhafte für Sceaf. Ein Sceua, der in Hants erscheint,
DomßB. 54 nach Ellis, Introd. 2,210, den ich aber auf der an-
gegebenen seite nirgends zu entdecken vermag, entspricht viel-
leicht mit südl.-mittelengl. verschiebung des / zu v einem älteren
Sceafa, ohne dass diese gleichung für unumstösslich sicher gelten
dürfte. In ortsnamen aber begegnet nirgends das einfache Sceayf,
sondern nur die ableitung Scefinz : Scefinc nom. loci (Yorks.)
150 BINZ
a. 972. Bi. 3, 1278; Scevintune (Shrops.) DomB. 1,258? und in
Sciofinzden (Kent) a. 822. Bi. 1, 370 mit kentischem wechsel von
ia, io für ea. Dagegen gehört das e in on scheobanwerzthe
(Somers.) a. 842. Bi. 2,438 zum sc und dient zur bezeichnung
der palatalen aussprache desselben, wie aus den häufigen neben-
formen mit Scobban sich erweist: Scobban byryzels a. 990. K.3,
673. Scobban ora 2.956. Bi.3, 932. Sceobban ora a.985. K.6, 1283.
Scobbestan Bi. 1,356. Sceobbanstan 8.903. Bi.2,600. ruris por-
cionem in Baltheresberghe ei Scobbanwirth (Somerset) a. 744, Bi.
1,168, das. mit dem obigen scheobanwerzthe zweifellos iden-
tisch ist.
Wenn wir uns nun auch in der annahme eines ursprüng-
lieben Scyldmythus und streichung der figur des Sceaf an
Möller und Sarrazin anschliessen, so können wir darum doch
keineswegs den weiteren schlüssen des letzteren zustimmen,
dass der ganze mythus überhaupt nicht altangelsächsisch, son-
dern dänisch sei. Dass die von Sarrazin vorgebrachten gründe
nicht stichhaltig sind, ist von verschiedenen seiten nachgewiesen
worden und findet eine neue bestätigung durch die zum teil aus
früher zeit stammenden ortsnamen, die zusammengehalten mit
dem durch den Widsid jedenfalls gewährten zeugnis von der
verbreitung einer ähnlichen, wenn nicht der gleichen sage bei
den mit den Angeln nahe verwanten Langobarden es höchst
wahrscheinlich machen, dass der Seyldmythus altes eigentum
der ingväischen stämme ist.
Von den nachkommen Scylds werden wir dem Beomwa
weiter unten eine besondere betrachtung widmen müssen. Das
letzte glied der genealogie, Teiwa, scheint frühe dem gedächtnis
des volkes ziemlich fremd geworden zu sein. Denn während
namen mit 7at- im ersten gliede sehr gebräuchlich sind und
darum auch die kurzformen, Tata für das masculinum, Tate
für das femininum, sich oft belegen lassen, trifft man nirgends
eine spur von Tetwa.
Eine besondere reihe bildeten ursprünglich auch die in der
genealogie von Westsachsen genannten namen von Geat bis
Fripumwald. Auf die deutung dieser und der andern, rein mythi-
schen, genealogien, deren natur sich noch am deutlichsten in
der genealogie von Ostsachsen und derjenigen von Deira offen-
bart (vgl. Müllenhoff, Schmidts zs. 8, 249 ff.), gehe ich hier nicht
PT SEREGEREEG U nn
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 151
ein, sondern verweise auf ihre behandlung durch Miüllenhoff,
Beov. 8. 60ff. Nur einige zeugnisse seien angeführt, welche
für die verbreitung der mythen und der götterverehrung zur
zeit der einwanderung in England von interesse sind. Der alte
eponymos der ingväonischen völker, /nz, dem die bekannten
verse des ae. Runenliedes v. 67—70 eine ostdänische heimat
zuschreiben,!) muss ebenso wie Frea, mit dem er ursprünglich
identisch sein wird, schon frühe an bedeutung hinter Woden
zurückgetreten sein. Denn dass dieser bei der besiedelung
Englands die erste stelle einnahm, lehren die zahlreichen orts-
bezeichnungen, in denen sein name erscheint, wie Wodnesbeorz,
Wodnes den, Wodnes dic, Wodnes feld u.s.w. (vgl. Kemble, Sachsen
. in England 1,275ff.). Von /nz dagegen, den noch die genea-
logie von Northumbrien als /nzui kennt, ist es zweifelhaft, ob
örtlichkeiten nach ihm benannt sind: vielleicht ist dies der fall
mit Inczeburne (Essex) a.1062.K. 4,813, Inczheema gemero K.311,
Incsetena zemero K.511, Inzham K. 590, Inzedorp a. 664. Bi. 1, 22,
aber es liegt nirgends eine zu erwartende genetivform vor. Auf
späteres fortleben seiner sage scheint jedoch in der chronik des
Robert Brunne angespielt zu sein, fl. 85—85°: nachdem eine
fabel von Znzle, nach welchem England seinen namen erhalten
haben soll, erzählt ist, heisst es weiter:
This is that other skille I fond
Whi it is cald Inglond,
Bot of Inge sauh I neuer nouht
In boke writen ne wrouht:
Bot lewed man ther of crie
And maynten that ilke lie.
Es kann fast keinem zweifel unterliegen, dass aus dieser von
den /ewed men so beharrlich festgehaltenen 'lüge’ noch der alte
mytlus von /nz hervorschimmert.
Für Frea finden wir keinen beleg, nur noch als bestand-
teile von personennamen, in welchen die erinnerung an die
alten gottheiten nicht mehr lebendig zu sein braucht, treffen
wir Inz und Frea; z.b. Inzemund K.4,953; Inzulfus London.
episc. a. 716. Bi.1,135; Inzuuald episc. a.716. Bi.1,91; Ingold
minister 8.1055. K.4, 801; /Inzuburzg LV. (Sweet) 19. — Freo-
bern, Frebern, Friebern in Essex und Suffolk K.4, 813.845 und
ı) Vgl. Müllenhoff, Zs. fda. 23, 11.
152 BINZ
DomßB. b. Ess. 62.63. Suff. 411P; ZFrebertus, Friebertus ebenfalls
in Essex DomB. 5, 25. 57®; Framwinus, Freomwinus Suff. DomB. 23»,
343; Fremwinus Ess. DomB. 32®; ferner Fregistus, Frehelmus, Frio-
nd Freoric.
Geat dagegen, eine andere bezeichnung für den höchsten
gott Woden in seiner eigenschaft als schöpfer, ist bei der be-
siedelung im genuss hohen ansehens gestanden. Nicht nur in
personennamen als erstes compositionsglied, z. b. Geatfleda fe-
min. 2. 970. Bi. 3, 1254, ist sein name bewahrt, sondern auch in
verschiedenen ortsnamen: Getesbirie = Yatesbury (Wilts.) Vetus
registr. Sarisb. 2, 73; Geatescumb: süva quae vocatur Aedelea-
hinz et alia Colmonora et Geatescum a. 688. Bi. 2,844; Aeöe-
leainz uude, colmanora et Geatescumbe a. 955. Bi. 3, 906; terram
quae vocalur Gaetesdene (Hertfords.) a. 944. Bi. 2, 812; andlanz
wezes on subhealfe Gaetes hlemwe bat hit cymb to feower Ireo-
mwum : bonon banen nord andlanz herepades to zybrices wille
(Hants) a. 932. Bi. 2,697; Getinzes n. 1. a. 675. Bi. 1,34; a. 933.
Bi. 2,697. Ferne zu halten ist der flussname Gytincz (Worcest.):
of scyttan foen det on zZytinc ondlonz dcet . on Gylinczes emwylm
a. 974. Bi. 3, 1299,
Fribumulf und Fribumald hediiren eine zu wenig charak-
teristische bedeutung, als dass man aus ihrem isolierten vor-
kommen, wie es sich allein nachweisen lässt, irgend eine fol-
gerung für die geschichte der sie betreffenden sagen ziehen
dürfte. Der LV. kennt verschiedene Frioduulf, Friöuulf, Friu-
Öulf und Friduuald, Frioöuuald, ausserdem finde ich noch z. b.
einen Fridulf diacon. Bi. 2,616; Fribeuualdus subregulus von
Surrey a. 675. Bi. 1, 33.34.39. Fribuualdus subreg. a. 787. Bi.
1,251. Fridowaldus monachus a. 680. Bi. 1,51.
Aus der oben besonders hervorgehobenen essexischen ge-
nealogie nennt auch der Wids. v.112 den Beadeca im verein
mit HZeöca; daraus dürfen wir wol entnehmen, dass sie beide
einmal einem besonderen mythus angehörten. Für ein ähn-
liches paar hält Müllenhoff (Zs. fda. 11,292) den Secca und
Becca, Wids. 115, während Koegel, Lit.-gesch. s. 148 an ihre
identität mit Sifeca (an. Zikki) glauben möchte. Die vermutung
Sarrazins (Anglia 9, 202), dass Beadeca und Hedca mit Boövar
und Hottr gleichzusetzen seien, scheint mir in der luft zu stehen.
Als zeugnis für den mythus dürfen wir Badecan den (Hants)
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND.
2.976. Bi. 3,1307 und Bedecanlea, ibid.; Badecan well (Stafford.)
3.949. Bi. 3,884; Beaduchyll K.570 fast mit sicherheit in an-
spruch nehmen, da diese namen nicht einfach das eigentum
eines Zadeca (namen mit Beadu- im ersten glied sind sehr be-
liebt, auch Baduca selbst findet sich im LV. (Sweet) 217. 228.
353) bezeichnen werden, weil die zusammensetzung mit leah,
well, hyll eher zu gunsten der annahme der cultusstätte eines
heros sprechen.) Von Heöca zeigt sich sonst keine spur.
2) Beowa.
Literatur, soweit nicht schon unter a 1) verzeichnet: Kemble,
Sachsen in England, 1,343. H. Dederich, Histor. u. geogr. studien
zum ags. Beowulf. Köln 1877. K.Müllenhoff, Recension dieser schrift
Dederichs, Anz. fda. 3, 172—182; Der mythus von Beovulf, Zs. fda. 7,
4119—441; 2. E. VI: Zs. fda. 12,282 ff.; Die innere geschichte des Beovulf,
Zs. fda. 14, 193-244; Beovulf. Berlin 1888. L. Laistner, Nebelsagen.
Stuttg. 1879. 8.88 ff. 264 ff. G.Sarrazin, Beowulfstudien. Berlin 1888.
B.tenBrink, Beowulf. Strassb. 1888. (QF.62). R. Heinzel, Recen-
sion von ten Brink, Beowulf, Anz. fda. 15,153 ff. B. Sijmons, Pauls
Grundr. 2,1, 8.21f. R.Koegel, Beowulf, Zs. fda. 37, 268—276; Lit.-gesch.
1,109—111. O.Haack, Zeugnisse, 3. 11; 51 ff.
Dass ein mythus von Zeowa, dem Beam, Beowa der ge-
nealogien, den kern des Beowulfepos bildet, ist schon von Kemble
erkannt und durch den nachweis äusserer zeugnisse gestützt
worden. Die verschiedenen deutungsversuche, die mit dem
namen Beowa — Beomulf angestellt worden sind, übergehe ich
und weise nur kurz hin auf Koegels aufsatz Zs. fda. 37, 268 ff.
und Sievers’ bemerkung dazu Beitr. 18, 413.2) Nur eine kleine
berichtigung zu Koegels behauptung von der vereinzelung des
vollnamens BZeowulf sei gestattet. Zeomwulf ist nicht das einzige
[’) Z&ah jedoch wol nur unter der, auch von mir, Ags. gr.? 8 255,4
noch geteilten irrigen voraussetzung, dass eg ‘hain’ bedeute: das wort
heisst aber, worauf mich W.H.Stevenson aufmerksam gemacht hat, im
ags. nie etwas anderes als ‘feld’, weshalb es auch geradezu in urkunden
mit campus wechselt. Vgl. dazu dann benennungen wie Ceddan leah,
Godmundes leah Sweet, OET.613f. und vieles ähnliche sonst in den ur-
kunden. E.S.]
2) Die zusammenstellung von Sievers bestätigt meines erachtens die
frühere annahme der identität des engl. Beowulf <*Biwmulf mit nord.
Bjölfr <* Byolfr <*Bimmwolf (Noreen, An.gr.? $ 82,6; 1062 anm. I) und
ahd. Piholf (vgl. ae. Tiowulf und ahd. Ziholf).
154 BINZ
beispiel für eine zusammensetzung mit Zeow-, ich vermag wenig-
stens kein hindernis gegen die annahme einer gleichen bildung
in Beored (aus *Beowred'!)) zu erkennen: &! beoredes treowe a. 932
in Wilts. Bi.2,690; «et beoredes ...an a. 948. Bi. 3, 862; on beo-
redes treowe a. 918. Bi. 3, 863; Beoredes treomw a. 997. K.3, 698,
vielleicht auch on beorreding med (Dorset) a. 933. Bi. 2, 696.
Das doppelte r in beorredinz kann freilich stutzig machen,
zumal da Förstem. 1,227 einmal aus Goldast den hd. ent-
sprechenden namen Perrat citiert und da auch sonst im eng-
lischen namen mit Beor- im ersten gliede nicht unerhört sind,
2.b. Berhun, Beorlaf Hruschka 1,18; Beorsize minist. a.901. 902.
Bi. 2,595.599; Beorra a.725. Bi. 1,145. Aber angesichts des
umstandes, dass an vier von einander unabhängigen stellen
Beored geschrieben ist, bleibt nichts anderes übrig, als die
namen mit einfachem und mit doppeltem r von einander zu
trennen.
Ein anderes bedenken möge sich hier noch hervorwagen.
Bei allen aufstellungen von etymologien für Beowulf pflegt die
form Beaw der genealogien, die man für ursprünglicher hält
als Beowa, weil sie in den älteren quellen so belegt ist, ver-
legenheiten zu bereiten. Aber steht denn die grössere ursprüng-
lichkeit der form mit ea wirklich so sicher fest? Vielleicht
doch nicht; denn die recension der Sachsenchronik, welche sie
enthält, stammt aus Kent, dessen vorliebe für ea, ia an stelle
eines westsächs. eo, io bekannt ist (vgl. auch R. Wolff, Unter-
suchung der laute in den kent. urkunden, Heidelb. diss. 1893,
s.57 f.), und westsächsische quellen, welche nicht einfach die
chronik abschreiben, wie z. b. Ethelwerd, bieten wirklich eo,
Beowa. Der name Zeasfeld, den man etwa entgegenhalten
könnte, gehört ebenfalls Kent an; ein wirkliches hindernis für
eine solche auffassung bildet aber vielleicht Zeas droc (Bi. 2,730)
in Somerset, also auf durchaus westsächsischem boden. Ohne
[!) Der ansatz Beored < *Beomwred ist zwar wol möglich (vgl. speciell
hired), aber keineswegs für ganz sicher zu halten. Wenn in Beowulf,
altnorth. Biu-wulf doch wirklich altags. bie, gemeinags. beo ‘biene’
steckt, so kann dasselbe wort auch in Beored vorliegen (vgl. auch die
ahd. Zilj)o m., Bilj)a f.). Lautlich wäre das ganz correct, denn i+«@
ergibt, auch in der compositionsfuge, regelrecht altags. is, später do,
vgl. besonders bildungen wie Friumon LV., u. dgl., Beitr. 18,412 ff. E.S.]
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 155
selbst eine entscheidung zu treffen, möchte ich diesen punkt zu
einer erneuten erwägung empfehlen.
Gehen wir nun zu den zeugnissen für den mythus von
Beowa über, so bemerken wir zunächst, dass der von Müllen-
hoff, Beovulf s. 8 eitierte Beowa Kemble 1001 bei Birch 1, 145
zu einem Beorra geworden ist. Damit ist auch das einzige
beispiel von verwendung desselben als personenname dahin-
gefallen; denn die Beoba a. 704. Bi. 1,108; a. 727. Bi. 1,145;
a. 772. Bi. 1,211 (vgl. to Beofan stane a. 901. Bi. 2,596) oder
Befpha a.699. Bi. 1,101; Zefa a. 780. Bi.3, 1334 damit zu iden-
tiicieren, verbieten die consonantischen verhältnisse. Dass aber
doch der hauptinhalt des Beowamythus, der kampf mit Grendel,
den Angelsachsen bei der besiedelung Britanniens noch un-
beeinflusst von der gestalt des historischen Geatenhelden Beo-
wulf geläufig war, lehren uns verschiedene ortsnamen. Es
unterliegt kaum einem zweifel, dass namen wie Beas broc
(Somerset) Bi.2,730; Beasfeld, Beuuesfeld (Kent) a. 772. Bi. 1,207;
Beuesfel (Kent) DomB. 12®; Beoshelle (Warwick) DomB. 1, 238°;
Beueshoc (Cornwall?) DomB. 124®; Beusberg hundred vel wapen-
take in Kent DomB. 1. 9». 10®. 11° etc. sich von dem heros her-
leiten lassen. Heinzels aussetzung gegen Müllenhoff (Anz. fda.
:16, 267), Beas broc sei als beweis zu streichen, da Bea hier
‚wie anderwärts einen gewöhnlichen menschen Bea, Beawa, Beowa
bedeuten könne, berücksichtigt nicht genug den von Koegel,
Zs. fda. 37,272 mit recht hervorgehobenen umstand, dass die
starke flexionsform für ein göttliches oder mythisches wesen
spricht, vgl. Teowes born, Tyes mere, Scyldes treow. Die schwache
form Beowa liegt dagegen den folgenden namen zu grunde:
Beuedene (Sussex) DomB. 22°. 26°; BZeuedone a. 982. K. 3, 632;
on Beowan hammes heczan a. 931. Bi.2, 677.679; Beuelei (Chester)
DomßB. 1, 266®; Zeulei (Devon) DomB. 113°; Zemwintone (Cornwall)
DomB. 120°; Beuentreu (Essex) DomB. 2.3.9» etc.; von denen
Beuelei und Beuentreu ‘hain’!) und ‘baum des Beowa’ besondere
aufmerksamkeit verdienen. Ob die mit Zeo zusammengesetzten
ortsnamen auch hieher zu ziehen sind, ist fraglich, darf aber
wenigstens für Beocumb und Beodun wegen der nebenformen
[!) Vielmehr ‘feld’, s. oben 8.153 anm.1. E.S.)]
156 BINZ
Beuncumbe und Beuedone wol bejaht werden:!) Beobroc a. 940.
Bi. 2,753 (Kent); Beocumb a. 921. Bi. 2,633; a. 931. Bi. 2, 682;
Beucumbe 8.956. Bi. 3, 922; Zeuncumbe a. 987. K. 3,656; Beodun
a.914. Bi.2, 797; Beeford (Norfolk) Hope 8. 9; Beohyl a. 958.
Bi. 3,1027 (vgl. oben Beoshelle); Beoleah a. 972. Bi. 3, 1282; Be-
lahe a.1047. K.4,785; Belaugh Hope s. 10; Beomwyröe a. 938.
Bi. 2,731; a. 962. Bi. 3,1153; Bewholme in East Yorks. Hope
8.10; apud Beostokke Reg. Malmesb. 2,402. Beaneccer dagegen,
vielleicht auch Beansiede, enthalten eher bean “bohne”.
Auch Grendel hat seine spuren in verschiedenen namen
von örtlichkeiten hinterlassen. Auf den Grindles bec in Worcest.
a. 972. Bi. 3, 1282; Grindeles pyt ibid. a. 708. Bi. 1,120 und Gren-
deles mere (Wilts) a. 931. Bi. 2, 677 hat Müllenhoff, Zs. fda. 12, 282
schon hingewiesen. Es finden sich ausserdem: to Grendeles
gatan : on mwellinza stret, innan Äczes wer, efter stanburnan
on sulh, swa on yburnan, andlanz yburnan ob Iccenes ford, and-
lanz sihtre ob bone hagan andlangz hazan to zrendeles zaltan
eefter kinczes mearce innan brezentan (co. Midd.) Bi. 3, 1290. —
Grendels mere: in bone suderan holan bece andlonz beces wid
neowan eostacote, andlanz dices in grendels mere, of zrendels
mere in stancofan, of stancofan ündlonz dune on stiran mere
(co. Stafford) am Stour a. 958. Bi. 3,1023. — Grendeles pyt:
. of foczan izedum on landsceare hricz ... on luhan Ircow ....
on hazan zet ... on doddan hrycz, of doddan hrycze on zren-
deles pyt, of zgrendeles pytte on ifizbearo; ... on hrucz-
cumbes ford ... on earnes hricz ... on beornwune treow ... on
brunwoldes treow ... on cefcan zrefan, banon on caines @cer
. on ezesan Ireow (Devon) a.739. Bi.3,1331 und fast ganz
gleichlautend in 3,1332. — Grindeles syl: Dis sind da land-
zemere to Batrices eie: rest «ti hezefre, fram hezefre to ze-
tenes heale, fram zetenes heale to zryndeles syllen, fram
zryndeles sylle to russe mere, fram rysse mere to belzenham
. to bernardes byricles (Surrey) a. 957. Bi.3,994. Ein ein-
faches grendele als ortsnamen verzeichnet das DomB. in York-
shire 1, 299. 302%,
Man wäre bei allen diesen namen kaum eher als bei ähn-
[!) Auch hier scheint es mir viel näher zu liegen, im allgemeinen
wenigstens an beo ‘biene’ zu denken.. E. S.]
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 157
lichen deutschen geneigt, einen zusammenhang mit dem Beowa-
Grendelmythus anzunehmen,!) besässen wir nicht die schon er-
wähnte urkunde vom jahre 931,2) in welcher Beowan ham und
Grendeles mere in einer gewis nicht zufälligen weise zusammen
vorkommen, 3) was doch die localisierung des mythus in Wilts
mit sicherheit erschliessen lässt und sie darum auch für die
anderen gegenden wahrscheinlich macht. Auch in der urkunde
von Devonshire vom jahre 739 Bi. 3, 1331 vermag übrigens
vielleicht eine lebhafte phantasie in dem nebeneinander von
Grendeles pyt und ezesan treow, die recht gut zusammen passen,
noch beziehungen zum alten mythus ausfindig zu machen.
Weil im Widsidö auch nicht die geringste anspielung auf
Beowulf-Beowa und Grendel enthalten ist, hat man annehmen
wollen, dass das Beowulfepos, so wie es uns jetzt vorliegt, zur
zeit, wo die v.45—49 von Hrodzar und Hrodwulf gedichtet
wurden, noch nicht existiert habe: die sage selbst möge dem
Widsiödichter bekannt gewesen sein, habe aber jedenfalls noch
nicht die bedeutung besessen, die sie später durch das epos
erlangte.*) Dieser schluss ex silentio scheint wenig zwingend,
sind doch auch andere sagen, die schon früh bekannt gewesen
sein müssen, wie die von Hyzelac oder von Hredel und seinen
söhnen, von ganz gleichem schweigen betroffen worden.
Anm. Die behauptung Sarrazins (Engl. stud. 16, 79f.), die Beowulf-
sage sei nur eine angelsächsische umbildung einer nordischen sage von
Boövarr Bjarki, ist ungenügend begründet; einmal ist die ähnlichkeit
zwischen beiden nicht sonderlich gross und zum andern haben wir keinen
1) Grendel = ‘schlange’ (Koegel, Zs. fda. 37,275 anm.). Häufig wird
ein flusslauf mit einer schlange verglichen, Grendel liegt also als fluss-
name nahe und kommt auch engl. vor: on sicgan mores heafod, banon
on ba ealdan die, on zrendel, up andlanzg zrendel 2.963. Bi. 3, 1003.
?) Müllenhoff, Zs. fda. 12, 282—285.
8°) Der von 'Tb.Miller, Academy 12.mai 1894, p. 396 erhobene einwand,
Grendel sei kein eigenname, zrendeles mere entspreche einem fuzelmere,
mwudumere und bedeute ‘cesspool’ ist nicht stichhaltig, da eben die gene-
tivische bildung zrendeles mere im gegensatz zu den übrigen beispielen
von composition den charakter als eigennamen deutlich erkennen lässt.
[Aus dem genetiv wage ich so viel nicht zu folgern, denn auch nicht-
eigennamen erscheinen ganz gewöhnlich im genetiv: die oben angeführten
belegstellen gewähren ja allein schon z.b. of foczan igedum zu focze
‘füchsin’, earnes hricz zu earn ‘adler’, um von solchen wie Jandsceare
hricz, hruczcumbes ford, ezesan Irdow zu geschweigen. E.S.]
*) Müllenhoff, Beov. s. 92f.; vgl. auch Möller, Ae. volksepos s. 19 ff.
158 BINZ
anhalt, der uns erlaubte, das alter der Boövarrsage so hoch anzusetzen,
als man es tun müsste, wäre Sarrazin im recht. (vgl. Müllenhoff, Beov.
s.55f.). Es gibt freilich ein zeugnis für die existenz der Boövarrsage
auf englischem boden, aber auch Sarrazin wird es nicht zu gunsten
seiner theorie verwenden wollen, da es erst aus dem anfang des 12.jh.’s
stammt und, wie die umgebung, in der es sich findet, zeigt, eben nur
auf verbreitung der sage unter den skandinavischen einwanderern hin-
weist. Man hat dieses zeugnis bis jetzt ganz übersehen, obgleich es an
leicht zugänglicher stelle liegt: im north. LV. treffen wir auf 8.78 der
Stevensonschen ausgabe in einer durchaus nordischen gesellschaft von
- wohltätern der kirche zu Durham auch einen Bodumwar und Berki:
... Osbern Thrumin Aeskitil: Riculf Aeskyl Rikui Bodumwar Berki
Esel Petre Osbern. Die beiden namen gehören ganz offenbar zu einander
und Berki ist nichts anderes, als der aus der sage geläufige und mit
dem hauptnamen fest verwachsene beiname zu Bodumar.
Dem Beowa wurde vielleicht auch einmal der schwimm-
wettkampf mit Breca, Beanstans sohn, dem herrn der Brondinge,
zugeschrieben, den uns Beow. v. 506 ff. erzählt.!) Auf ein eigenes
lied über dieses ereignis scheint auch Wids. v.25 Breoca (weold)
Brondinzum hinzuweisen. Wenn die namen Breca und Beanstan?)
sich in altenglischer zeit nie belegen lassen, so wird man dies,
ebenso wie bei Zeowa, zum teil darauf zurückführen dürfen,
dass ihre mythische natur noch lange deutlich blieb und einer
verwendung für einen gewöhnlichen menschen hindernd in den
weg trat. Doch kommen auch keine ortsnamen vor, die mit
dem mythus in zusammenhang gebracht werden könnten (ausser ,
vielleicht Zricandun Herts. a. 959. Bi. 3, 1050; a. 973. [Cambridge]
Bi.3,1306; K.813), und das kann im verein mit dem eigen-
artigen unenglischen aussehen von Beanstan eine stütze für
ten Brinks vermutung (Pauls Grundr. 2, 1,533) abgeben, dass die
Angelsachsen diesen stoff von den Norwegern überliefert erhielten.
b) Historisch - epische stoffe,
1) Hyzelac-Beowulf.
a üllenhoff, Beov. 8.17 ff.; Zs. fda. 12,287 f. Koegel, Lit.-gesch.
1, 152 f.
In der uns erhaltenen gestalt des Beowulfepos ist an die
stelle des mythischen Beowa ein historischer Gautenkrieger
1) Ueber den Beowa-Brecamythus vgl. Müllenhoff, Beov. s. 1 ff., Zs.
fda. 7, 420 f. Koegel, Lit.-gesch. 1, 109.
| 2) Ueber den namen Deanstan vgl. Müllenhoff, Beov. 8. 2, Bugge,
Zs. fdph. 4, 198. Beitr. 12,55. Sievers, Beitr. 18, 583 f.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 159
Beowulf getreten, der sich auf dem zuge des Gautenkönigs
Hyzelac an die Rheinmündung durch seine tapferkeit beson-
ders hervorgetan hat, Beow. vv. 1203—15. 2355—73. 2502—9.
2912—22. Der bericht des epos über diese begebenheiten
schliesst sich auch im einzelnen eng an den gang der histori-
schen ereignisse an; dass Beowulf selbst keine angelsächsische
erfindung, sondern ein wirklicher Gaute ist, lehren uns die
namen seines vaters, Eczpeow, und seines geschlechtes, der
Wsgmundinge. Schon Beowulf ist ein bei den ags. stämmen
gar nicht verbreiteter name; nur zwei beispiele sind mir bekannt:
das erste, schon öfter erwähnte, steht im LV. fol. 34®, wo Sweet
(OE'T. p. 163, 1.342) Bifuluuif (d.h. Ziruuif, vgl. OET. vi) statt
des von Stevenson gegebenen Zrinulf liest, das im englischen
nirgends ein analogon fände. Das zweite beispiel glaube ich
in einem Beulf des DomB. Dorset 82 (Ellis, Introd. 2, 295) zu
besitzen. Die seltenheit dieses namens drängt die annahme
auf, dass er überhaupt unenglisch sei und deshalb sein vor-
kommen auf englischem boden schon an und für sich die ver-
breitung der Beowulfsage in den gegenden beweise, wo er sich
findet. Ebenso fremd sind Wsezmund und Ecezpeow. Dass
bei den seeanwohnenden Angelsachsen composita mit Wez- im
ersten glied einmal nicht unbekannt waren, zeigen die genea-
logien von Deira und Bernicia mit ihrem Wezdez und Wez-
brand; allein in historischer zeit sind diese bildungen äusserst
selten, und speciell ein Wezmund ist mir gar nicht bekannt,
während auf dem continent der name sich noch später findet,
2.b. Wacmundus Piper, Libr. confr. 2, 225, 30. Auch Zezbeow
ist eine unenglische zusammensetzung; ecz- freilich ist eines
der: fruchtbarsten elemente in der angelsächsischen namen-
bildung, vgl. Zczbeih, Eczbald, Eczberht, Eczburz, Eczfripb,
Eczheah, Eezheard, Eczhun, Eczlaf, Eczmund, Eczred, Eczric,
Eczsuith, Eczuini, Eczuio, Eczuulf meist im LV.; beow dagegen
ist, mit ausnahme des höchst sonderbaren namens von Hroözars
gemahlin Wealhbeow im Beowulf, besonders im zweiten teile
ganz ungebräuchlich, denn die vom 10.jh. an erscheinenden
Welpbeow = ahd. Walateo sind nordischen bez. normannischen
ursprungs; und widerum ist auf dem festland gerade Zckideoh,
Egideo etc. weit verbreitet. Die nichtenglische, d. h. also wol
160 BINZ
gautische (oder schwedische?) herkunft des Beowulf und seiner
familie kann somit kaum bezweifelt werden.
Anders verhält es sich mit dem zweiten zweig des ge-
schlechts der Wagmundinge, dem Zifhere, Weohstan und sein
sohn Wizlaf zugerechnet werden; ihre namen tragen alle drei
ein durchaus englisches gepräge. Äifhere ist so gewöhnlich,
dass ich mich mit einigen zufälligen nachweisen begnügen kann:
#lfhere dux a. 826. Bi. 1,393; Zlferius a. 929. Bi. 2,665; Zif-
here minister a. 931.934. Bi. 2, 674. 677. 682.689. 699 ete.; Zlfere
minister a. 934. Bi. 2, 701. 702. 705; Zifhere minister (zwei ver-
schiedene) a. 934. Bi. 2, 706; Zifhere dux a. 931. Bi. 2, 670. a. 933.
Bi. 2, 694. 721—724 etc; Alfer vicecomes a. 948. Bi. 3. 872. Weoh-
stan ist nicht ganz klar,!) eo neben i in weoh, wih bezeugt die
ursprünglichkeit des h-lautes; es ist also die möglichkeit, Wihstan
als jüngere schreibung für Wizstan aufzufassen und damit den
beliebten gleichklang im anlaut der namen von vater und sohn
herzustellen, gänzlich ausgeschlossen; wiewol sonst Wizstan
recht beliebt ist: Wizstan a. 863. Bi. 2,507; Wizstan dux a. 868.
Bi. 2, 520. 522; Wizstan abbas a. 946. Bi. 2,815. a. 949. Bi. 3, 882.
833; Wistan presbyt. a. 967. Bi. 3, 1203. 1207; Wistanestun DomB.
1,265® (Cheshire). 1,276®. 277° (Derbyshire); Ztolf( Alfstan) Wistan,
zweifellos Engländer bei Piper, Libr. confr. 2, 69, 40. Ebenso un-
zulässig aber, wie gleichsetzung mit »wiz, ist identification mit
wiht, welche Hruschka 2,50 sich erlaubt, wenn auch nicht ge-
leugnet sein soll, dass einige male Wirk- für Wiht- verschrieben
oder namentlich vor folgendem st assimiliert ist. Es bleibt also
nur noch der stamm Wih- oder W’eh- übrig, der auch dem Wehha
der genealogien zu grunde liegen muss, vgl. auch Wehinc leah
a. 958. Bi. 3, 1037; 10 weohles heale (Gloucester) a. 785. Bi.1,246.2)
Wiohstan ist mehrfach zu belegen: Wiohstan zusammen mit Wer-
mund und Befja a.780.Bi.3,1334; Wiohstan princeps a.801. Bi.1,282.
1) Vgl. übrigens Henning, Die deutschen runendenkmäler 8. 33—38;
dagegen Holthausen, Anz. fda. 16, 369 f.
[?) So viel ich weiss, gestatten die lautgesetze des ags. diese com-
bination, d.h. die annahme eines wel neben wiAh nicht. Stellt man unsern
namen einfach zu st. wrha- ‘heilig’, setzt ihn also — altn. Ve-steinn, 80
ist Wihstän (ev. verkürzt WThstän) die normale anglische, Wiohstan
bez. Weohstän (oder ev. verkürzt Wioh-,:Weohstän) die normale süd-
englische form. E.S.]
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 161
Withstan a.935. Bi. 2,640, ebenda aber auch Wiohstano. Wizlaf
findet sich ebenfalls häufig: Wizlaf test. a. 840. Bi. 2, 429. a. 845.
Bi. 2,450. a.848. Bi. 2,453; Wizlaf clericus a. 901—909. Bi. 2, 622:
Vizlaf LV. (Sweet) 395; Wilavestun DomB. (Cheshire) 1,266® (ibid.
Beuelei); Wilavestune ibid. 1,265P; Wilaveston ibid. oft; on Wilafes
treow (Wilts) a. 901. Bi. 2,595; Wilauestreu DomB. (Devon) 113°.
Dieser bedeutsame unterschied in den namen der beiden
zweige der Wasgmundinge ist geeignet, die zweifel in bezug
auf die historische berechtigung der im Beowulf vollzogenen
annahme eines zusammenhangs unter denselben, die Müllenhoff,
Beov. 8.16 laut werden lässt, zu verstärken. Vielleicht gehörte
dieser teil der Wasgmundinge ursprünglich einer anglischen
sage an — vgl. den Wehha der ostanglischen genealogie — und
ist erst später mit dem Beowulf in verwantschaftliche beziehung
gesetzt worden. So lange uns aber keine andern als die bis
jetzt bekannten zeugnisse zu gebote stehen, wird sich hierüber
schwerlich eine sichere entscheidung treffen lassen.
Dass die auf der geschichte beruhenden bestandteile des
Beowulfsagenkreises am meisten bei den Angeln verbreitet
waren, begreift man leicht. Nicht nur waren die Angeln in
der continentalen heimat die nächsten nachbarn der Gauten
und Dänen, sondern sie kamen auch zuletzt nach England
hinüber und bewahrten am längsten den zusammenhang mit
den festländischen Germanen und ihren sagen. So erklärt es
sich auch, dass wir mit einer einzigen ausnahme nur auf ang-
lischem boden den namen Ayzelac belegt finden: vier Ayzlac
erscheinen im LV. (Sweet) 122. 167. 229. 267.1) Die südlicheren
urkunden und quellen kennen diesen namen nicht; überhaupt
sind die bildungen mit Ayze- im süden sehr spärlich gegenüber
den verschiedensten beispielen im northumbrischen LV., wie
Hyzberct, Hyzburz, Hyzfrith, Hyzlac, Hyzmund, Hyzred, Hyzöryd,
Hyzuald, Hyzuini, Hyzuulf. Der oben erwähnte einzige fall des
vorkommens von Äyzelac in Südengland betrifft eine ortsbezeich-
nung in einer grenzbeschreibung eines landstückes bei Bristol:
... bonne of holan weze sud on ecze on Hyzelaces zet, bonne
on Tunnes treow, bonne on wrninghyrste... on horscumbes broc
1) Auf den reichtum des LV. an namen aus der Beowulfsage haben
Sievers, Beitr. 10,464, und ten Brink, Beow. s. 222 aufmerksam gemacht.
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 11
162 BINZ
... on Wodnes dic a.970. Bi. 3,1257. Wie aber Hucklecote bei
Gloucester und Hugglescote bei Charley in Leicestershire aus
Hyzelac sollen abgeleitet werden können (Haigh s.45), ist nicht
verständlich. Wenn sich also sonst der name Ayzelac im süd-
englischen als ungebräuchlich erweist, wird man mit der zurück-
führung jenes flurnamens auf eine erinnerung an die Beowulf-
sage nicht fehlgehen.
Es sind tibrigens auch noch die namen anderer mit Hyzelac
zusammenhängender personen, vor allem diejenigen seiner ge-
mahlin /yzd und ihres vaters Hered, sowie die der namentlich
angeführten gautischen krieger Zofor und Wulf, der söhne des
Wonred, dem englischen unbekannt. Für Ayzd und Hereö
bildet der Beowulf die einzige quelle. Ayzd könnte aber viel-
leicht doch ein englischer name sein, seine bildung spricht
wenigstens nicht gegen diese möglichkeit. Anders verhält es
sich mit Zereö. Warum man diesem gewöhnlich ein kurzes @
zuschreibt, weiss ich nicht.!) Das Ae- desselben darf doch
gewis von demjenigen in Hezyd?) (Hezyde born a.805. Bi. 1,318)
nicht getrennt werden; ebenso to herices hamme (Hants) a. 909.
Bi. 2,625 und heuuininzland (Kent) a. 923. Bi. 2,637. Die ver-
wendung dieses einem ahd. an. Hä- (vgl. Förstem. 1,580 HJamunt,
Hawald, Hawart, Hawin, Haulf) entsprechenden He&- zur bildung
englischer namen ist also gesichert.?) Zered ist identisch mit
[') Die kürze des & scheint mir metrisch völlig gesichert zu sein.
Aus dem verse Alfred kyninz — — |\x in der Cura past. 9,13 ergibt
sich (worauf mich auch Pogatscher aufmerksam gemacht hat), dass die
namen auf -red, was ich früber bezweifelte, ihren nebenton auf der schluss-
silbe und damit wol auch die alte quantität von deren vocal noch zu
Aölfreds zeiten bewahrt hatten. Das gleiche müsste dann doch auch wol
von namen auf -riö gelten. Wäre also Hereö wirklich = *H&-rid, so
ergäbe der zweimal widerkehrende halbvers Heredes dohtor Beow. 1929 a.
1982b das zumal im 2. halbvers verpönte schema _-X| x. E.S.]
2) Doch ist gerade dieser name nicht ganz zweifellos in seiner rich-
tigen form festgestellt; in einer andern handschrift der gleichen urkunde
liest man &t Heazyde borne und ein späteres document vom jahre 824
nennt offenbar dieselbe Örtlichkeit in Kent zuerst Zzgyde born, dann
kazyde porn.
[) Auch das kann ich nicht für ganz ausgemacht halten. Bedenken
wegen Hezyöe hat der herr verf. schon selbst geltend gemacht, und die
beiden andern namen erscheinen nicht in originalurkunden, sondern nur
in späten copien, die in der bezeichnung des vocalismus bereits stark
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 163
Harid, Harit Förstem. 1,637 und darf nicht verwechselt werden
mit einem öfters vorkommenden Herred: Herred a. 866. Bi. 2, 515.
a. 871. Bi.2, 533. a. 904. Bi. 2,609; Herredes leah (Hants) a. 935.
Bi. 2,707; Herrides leah a.920. K.3, 624; Herred snad (Berks)
a. 944. Bi. 2,802. Die ausnahmslose doppelconsonanz nötigt hier
zur zerlegung in Her-red. Was den zweiten bestandteil an-
belangt, so könnte man zunächst geneigt sein, mit rücksicht
auf das verwantschaftliche verhältnis von Zereö und Heardred,
das sich in der bekannten weise in der gleichheit des zweiten
compositionsgliedes äussern könnte, das Ö von Hereö für ver-
schrieben aus d zu halten, es ist aber in der handschrift zwei-
mal durchstrichen und also kaum folge einer schreibernachlässig-
keit; somit bleibt nur die möglichkeit, die zweite hälfte mit den
namen auf -rid, -rid zu vereinigen, die dem englischen fremd,')
im nordischen und gotischen aber beliebt sind.2) Aehnlich
steht es mit Zofor und Wonred, denen aus den urkundlichen
quellen aus England nichts an die seite gestellt werden kann.
Ein Wulfius abbas a.966. Bi. 3, 1178 heisst 3,1179 Wulfinus =
Wulfwine. Wulf a. 1066. K.953 erregt in seiner vereinzelung
mitten unter zahlreichen nordischen U/f den verdacht skandi-
navischer abstammung. Es erleidet also auch von dieser seite
her das resultat unserer betrachtung über die historischen be-
ziehungen der Beowulf-Hyzelacsage keine veränderung.
2) Hredel und seine söhne.
Müllenhoff, Zs. fda. 12, 260; Beov. 5.14.16. Möller, Ae volks-
epos. 8.113 ff. Koegel, Lit.-gesch. 1, 168 f.
Auf grund der inneren beschaffenheit der sage bezweifelt
Koegel, dass diese wirklich gautisch sei, wie sie im Beowulf
v.2426 ff. erscheint, sie macht ihm vielmehr den eindruck ang-
lischen ursprungs. Wie verhalten sich nun diesem ästhetischen
kriterium gegenüber die ergebnisse, die sich aus einer betrach-
tung der namen der in der sage auftretenden personen ge-
schwanken. Ich bin also geneigt, in Awrices, Heuuininz- verschreibungen
oder modernisierungen für Hearices, Heauuininz- zu sehen. Der austall
des A von Aeah in solchen namen ist ganz normal, 8. meine Ags. gr.
8222. E.S.]
1) Der leofrith des LV. (Sweet) 227 steht für leoffrith.
2) Bugge, Kuhns zs, 3, 26 ff.
11*
164 ! BINZ
winnen lassen? Die frage ist nicht ganz leicht zu beant-
worten.
Müllenhoff will Zs. fda. 12,260 die handschriftliche lesart
von Beow. v. 454 Hredlan und v. 1485 Hredles in Hredlan,
Hredles herstellen, wie es anderwärts im Beow. heisst: v. 374
Hrebel, 2430 Hredel, 2474 Hredel. Dieses Hreöla entspreche
einem ahd. ZHruodilo. Dem stehen aber doch jene handschrift-
lichen & gegenüber; es ist wol in den nichtwestsächsischen
mundarten häufig, dass einem westsächse. &, welche entstehung
auch dieses haben mag, ein E entspricht, für die vertretung
eines durch ö-umlaut aus 0 entstandenen E durch & finde ich
aber kaum ein beispiel ausser Cosijn $ 80 8.92. Wir werden
uns also nach einem andern etymon für diesen namen umsehen
müssen, welches dem & besser gerecht wird. Man denkt an
altnord. (auch ahd.) mit Zreid-, Hraid- gebildete namen, Hreidarr,
Hreiömarr, Reidulfr, ein element, das ausserdem in Hredzotan,
Hroeda here Wids. 120 zu tage tritt. Einem altn. Zreiö, ahd.
Hraid müsste ae. *Arad entsprechen, Ar&öla könnte also ächt
englische bildung aus *Hraiöila sein. Aber wir finden sonst
diesen stamm im englischen nirgends verwendet ausser in dem
zweifelbaften Zrethun abbas, Hredhun episcopus im 9.—10. jh.,
Hruschka 2, 27 f. Diese schwierigkeit räumt die annahme aus
dem wege, dass Areödel ursprünglich ein nordischer name!)
und von dort bei den Angelsachsen importiert sei; das würde
aber wol zur voraussetzung haben, dass die sage von Hredel
ursprünglich wirklich eine gautische, nicht eine anglische war.
Von den beiden namen der söhne, Herebeald und Hedcyn
(Hyzelac spielt in diesem zusammenhange keine rolle), kann der
erste für unsere frage nicht viel beweisen; beide bestandteile
sind im englischen zur namenbildung sehr beliebt, Zerebeald
speciell begegnet freilich nur auf nordenglischem, dem einfluss
der Skandinavier ausgesetzten boden im LV. (Sweet) 81. 203.
230.240. 273. 313. 371. 382;2) das kann immerhin blosser zufall
sein. Haöcyn dagegen verdient eine eingehendere betrachtung.
Man setzt, so viel ich sehe, ziemlich allgemein HZeöcyn mit
kurzem & an und fasst das ganze als eine verkleinernde kurz-
1) Einen nordischen beleg dafür kenne ich freilich auch nicht.
[?) Für den ältesten teil des LV. dürfte jedoch die annahme skan-
dinavischer beeinflussung nicht gerade wahrscheinlich sein. E. $8.]
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 165
form zu einem mit Habu- beginnenden vollnamen. Dies scheint
mir beides unmöglich. Einmal finden wir sonst im ersten glied
immer nur die volle form Hapu-, Heabu-, nie die im zweiten
glied so häufige, infolge der weniger starken betonung ganz
begreifliche abschwächung zu -hep; die deminutivbildung auf
-cin andrerseits verlangt i, nicht y, das in alter zeit nie will-
kürlich an stelle des ersteren gesetzt wird. Diese ableitung
ist zudem im englischen nicht so häufig wie im niederdeutschen;
gegenüber den zahlreichen belegen Förstemanns 1, 301 vermag
ich vorläufig nur den einen englischen Cynicin LV. (Sweet) 227
aufzustellen. AJeöcyn muss!) vielmebr ein richtiger vollname
sein, der sich nur in Z&Öd- und cyn zerlegen lässt. Ein solches
Hed- begegnet noch in Hadred minister zeuge a. 934. Bi. 2, 702;
vielleicht auch in Heöburze dene a.967. Bi. 3, 1200; doch ist
mit letzterem nicht viel anzufangen, da andere offenbar auf
Heaöu- zurückgehende formen daneben stehen: Hadeburze hlaw
a. 947.963. Bi. 2, 834. 3, 1125; Headeburhe weordiz a. 977. Bi.3,
1282. Ferner finden wir im LV. (Sweet) 171 einen Heöberct
und ZHaethi clericus 196, Haethi monachus 341. Da nun im
deutschen, gotischen und nordischen (Heiör fostra Haralds
harfagra, Heiörekr, Heiörun) dieses element sich in namen
findet, so war es im urgermanischen und wol auch im ags.
einmal vorhanden, es scheint aber im englischen früher als in
den übrigen sprachen ausgestorben zu sein, sonst könnte nicht
der Widsidö den Heiörek der Hervararsaga in einen offenbar
englischen ohren angemesseneren Heaboric umändern (s. unten).
Ist also die möglichkeit vorhanden, dass dem ersten bestand-
teil nach der name A/&Öcyn den angelsächsischen stämmen zu-
geschrieben werden dürfte, so ist dies mit dem zweiten teil
-cyn kaum der fall. Wol finden wir zu anfang häufig cyne-,
[) Auch dieses ‘muss’ wage ich zu bezweifeln, wenn ich natürlich
auch die möglichkeit der betreffenden deutung gern einräume. Ist
Haödcyn wirklich ein urspr. deminutivum, so kann das y auf volksety-
mologischer deutung eines überlieferten und nicht verstandenen -cin
beruhen (die Beowulfhs. gehört ja einer zeit an, wo schreibungen wie
cin, cininz und cyn, cyninzg bereits ganz gleichwertig waren); auch wäre
bei annahme einer grundform *Hapukin (zu *Hapbuca) das & der ersten
silbe von Hedcin gerade normal, da die lautfolge a&—u—i im ags. & etc.
ergibt, s. meine Ags. gr. $50 aum. 2, und auch die synkope des mittel-
vocals keinerlei schwierigkeiten macht. E. S.]
166 BINZ
cyn- verwant, dem mit einer ganz richtigen verkürzung (vgl.
heb : heapu, frip : fribu ete.) cyn im zweiten glied entspräche,
aber die schwierigkeit liegt hier darin, dass nirgends sonst
cyn am ende auftritt; aus dem ganzen namenschatz des ger-
manischen bei Förstemann findet sich ein einziges beispiel:
Zeizcuni im verbrüderungsbuch von St. Peter, Necrolog. German.
ed. Sig. Herzberg-Fränkel, MGH. t. 2,1, p. 42 (104,20); der norden
jedoch scheint solehe namen eher aufzuweisen, wenigstens findo
ich in dem mir zu gebote stehenden material einen Piökunnr
Jonsson FMS.7, 10.12. 48.1)
Die sache liegt also folgendermassen: sämmtliche personen,
die in der sage von Hredel und seinen söhnen auftreten, sind
im besitz von namen, die im nord. ihren bestandteilen nach
möglich, wenn auch nicht belegt sind, die aber im englischen
ähnliches entweder gar nicht oder nur in zeiten und an orten
neben sich haben, die vom nordischen einfluss stark durchsetzt
sind. Dadurch wird aber die wahrscheinlichkeit, dass die
helden der sage ursprünglich Angeln, nicht Gauten seien, stark
beeinträchtigt, ohne dass damit eine feinere ausbildung dieser
überlieferung durch die Angelsachsen ausgeschlossen wäre.
Wenn nun aber doch im jahre 939 in Kent eine ortschaft
Hredles stede sich belegen lässt (Bi.2, 744), so beweist dies
eben, wie auch Zedlingfield in Suffolk, dass zur zeit der be-
nennung dieser localitäten, deren genauere datierung leider
fehlt, die sage von Hredel in England noch lebendig war.
3) Onzenpeow und seine nachkommen.
Müllenhoff, Zs. fda. 11,283; Beov. 8.17.48 ff. Möller, Ae. volks-
epos 8. 15. 105 ff. |
Die berichte über die gewis grösstenteils historischen
kämpfe des Schwedenkönigs Onzenpeow und seiner söhne
Ohthere und Onela mit den Gauten HxÖdcyn, Hyzelae,
Heardred sind uns nur im Beowulf (v. 2472 ff. 2925 ff.) aus-
führlicher, andeutungsweise auch im Widsid v. 31 u.58 bewahrt,
während die nordischen quellen fast ganz davon schweigen;
nur über eine episode daraus, die empörung der söhne des
Onela, Eadzils und Eanmund, gegen ihren oheim Ohthere
(Beow. v. 2200 ff. 2379 ff. 2611 ff.) erhalten wir auch in nordi-
[!) Der jedoch offenbar zum stamm *kunpa- gehört. E.S.]
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 167
schen sagen verwirrte auskunft. Den v.58 des Widsiö (Ic wes)
mid Sweom and mid Geatum ziehe ich auch als zeugnis heran,
trotzdem dort kein name eines einzelnen helden genannt wird,
weil ich glaube, dass diese zusammenstellung der beiden völker
nicht nur dem geographischen verhältnis entspricht, sondern
von der erinnerung an die kämpfe zwischen Schweden und
Gauten hervorgerufen ist, ähnlich wie im vorhergehenden verse
diejenige der Hunen und Hredgoten; dort wird auf den gewal-
tigen zusammenstoss angespielt, der weiter unten v. 119 ff. ein-
gehendere behandlung erfährt.
Eine durchmusterung der eigennamen scheint zu ergeben,
dass in der späteren volkstümlichen überlieferung Hyzelac alles
interesse auf sich concentrierte; denn von allen namen der be-
teiligten Schweden finden sich auf englischem gebiete nur die-
jenigen der beiden rebellen Zadzils und Zanmund: Eadzis!
minister a. 801. Bi. 1,300; Zadzylses mub auf der insel Wight
a.826. Bi. 1,392; Zadzils LV. (Sweet) 219; Aedzils bei Beda.
Eanmund im LV. (Sweet) 8 mal und sehr oft in den urkunden.
Die namen Ongenbeow, Onela und Ohthere, wie auch derjenige
des geschlechts der Scylfinzas,!) dem sie angehören, sind ganz
ungebräuchlich. In einem von Haigh s.44 aus Northumberland
nachgewiesenen Shiülvingion werden wir eine ableitung von scy/f
— 'schilf’ (?) zu erblicken haben. Kluge will allerdings dieses
wort von allen germanischen dialekten allein dem hochdeutschen
zuerkennen, doch scheint mir, ne. shilf = ‘stroh’ setze ein
gleiches wort für das ae. voraus; es ist erhalten im ortsnamnen
Scylf (Kent) a. 963. Bi. 3,1097; Scylfes will pascua porcorum
(Sussex) a. 765. Bi. 1, 197; on scylfwege (Worcest.) a. 956. Bi. 3, 937.
Zu beachten ist jedoch, dass in den von Skandinaviern be-
setzten gegenden der name des eponymos Scylf' sich erhalten
hat: Saltetric (2) Hingeberh Goda Sculf Aelfgiua Aeiulf im 13. Jh.,
LV. p.49 und Gerolfus Aelfricus Scolfus Edeue .. ibid. p. 55.
Das gänzliche fehlen dieser namen wird man damit erklären
müssen, dass eben ihre fremde herkunft noch deutlich fühlbar
und doch die sympathie, welche ihre träger in der epischen
überlieferung einflössten, nicht stark genug war, um eine über-
windung dieses hindernisses zu begünstigen.
i) Vgl. Bugge, Beitr. 12, 12. Detter, Beitr. 18,80. Grimm, Myth.? 307-
168 BINZ
4) Heremod.
Möller, Ae. volksepos 8.100ff. Müllenhoff, Beov. 8.50ff. ten
Brink, Pauls Grundr. 2, 1,5386. Koegel, Lit.-gesch. 1, 167 f.
Den Heremod, dessen sage wir aus den beiden ihn be-
treffenden stellen des Beowulf (v. 902 ff. 1710 ff.) nicht ganz
deutlich zu erkennen vermögen, hält Möller für einen ‘histori-
schen fürsten, der gegen die coalition der Hocinzas und der
Seczen mit den Nordseestämmen fiel’ und dessen name im
epos durch den mythischen Finn verdrängt wurde. Die von
Möller vorgetragenen gründe sind aber gesucht und wenig ein-
leuchtend gegenüber der meinung Müllenhoffs, wonach im gegen-
teil Heremod eine mythische figur sein soll. Auch zweifelt kaum
jemand daran, dass der Beowulfdichter, indem er ihn zum
Dänenkönig macht, nicht den alten stand der sage darstellt.
Diese ist vielmehr anglisch, wie weniger aus den genealogien,
in denen Heremod erst später interpoliert scheint, als aus orts-
namen hervorgeht: Hermodes born a. 196. Bi.1,279 A; Hermo-
destune, Hermodestone in Lincolns. DomB. 1, 349®, 363°; ZHermo-
deston ibid. 1, 355®. 364®. 369° und ZHermodes word in Devon.
DomßB. 102° und in Middles. DomB.128®. 1292. Hermondes uuorda
Exon. Dom. 113 wird wol nur schreibfehler sein für Hermodes
uuord. Die namen dieser ortschaften für sich allein würden
aber als beweis kaum genügen, da Heremod als personenname
gar nicht selten ist und somit in jenen ortsbezeichnungen der
name eines gewöhnlichen menschen, des besitzers u.s. w. stecken
könnte: vgl. Heremod presb. a. 805. Bi. 1,319; a. 811. Bi. 1, 322;
a. 824. Bi. 1,381; a. 844. Bi. 2, 445; a. 862. Bi. 2,506; a. 863. Bi.
2,507; a.867. Bi. 2,516; a. 877. Bi. 2,543; Heremod clericus 2.909.
Bi. 2, 622; Heremod minister a.938. Bi. 2, 723; Heremod presbyt.
a. 948. Bi. 3, 872; Heremod LV. (Sweet) 190. Dass wir jene orts-
namen aber doch hierher ziehen dürfen, dazu berechtigt uns
meines erachtens vor allem das zusammentreffen mit anderen
mythischen namen in der gleichen gegend: in primis a loco
qui dicitur lortinzes bourne usque teowes borne el ab eodem
loco usque hermodes borne ... et ab eodem usque ad helnes
borne (Wilts) a. 796. Bi.1,279 A. Es hat noch niemand auf
diesen zusammenhang aufmerksam gemacht, und doch passt
nichts besser zusammen als Teow, der gott des krieges, und
Heremod, die personification des kriegerischen mutes.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 169
5) Sigehere und Alewih.
Müllenhoff, Zs. fda. 11, 282.284; Beov. s.52f. Möller, Ae. volks-
epos 8.23ff. ten Brink, Pauls Grundr. 2, 1, 536.
Ist vorhin Heremod als anglischer mythischer heros er-
wiesen worden, so sind dagegen die von dem Widsid v.28 und
35 ff, erwähnten Dänenkönige Sizgehere und Alewih, von denen
der erstere in nordischen quellen als Sigarr eine hervorragende
stellung einnimmt, während der zweite verschollen zu sein
scheint, wirklich dänische sagengestalten. Für die beurteilung
dieser verhältnisse sei auf Müllenhoff verwiesen. Was für eine
beziehung zwischen Offa und Alewih obwaltete, geht aus den
worten des Widsid nicht klar hervor, dass aber darin nicht nur
ein vergleich zwischen den tapferen leistungen der beiden
männer gezogen werden soll, sondern dass ein feindliches ver-
hältnis derselben zu grunde liegt, dürfte sich daraus ergeben,
dass unter den späteren nachkommen des Offa sich das an-
denken an diese sagenhafte beziehung zwischen Offa und Alewih
fortgeerbt zu haben scheint: wir finden nämlich, dass in der
mercischen genealogie der Sachsenchronik der sohn eines an
den berühmten Zomer erinnernden Zowa den namen Alewih trägt
4edelbald Alwinz, Alwih Eowinz bei Sweet OET. 3.170; Zbel-
bald wees K#lweoinz, #lweo Eawinz Sachsenchronik ed. Plummer
1,42, Dies ist wol kein zufall, denn der name Alewih ist sonst
ziemlich selten: Aluych LV. (Sweet) 165; Aluich ib. 173; Alouuich
episc. Lindisfar. Sweet OET. 8. 169; alle diese Aluich sind Angeln,
Südengländer dieses namens kenne ich nicht, und dies mag ein
weiterer grund sein für annahme einer verbreitung der sage
von Alwih unter dem anglischen stamme. Sizehere dagegen
kommt nur einmal als name eines mercischen königs vor: ob
. die beiden orte, in denen derselbe ausserdem erscheint, Sigeres
ac 3.959. Bi. 3, 1052 und Sizeres feld a. 869. (Bucks.) Bi. 2, 524,
nach ihm oder nach einem andern so benannt sind, lässt sich
_ nieht entscheiden; als zeugnisse für die sage vom alten Dänen-
könige Sizehere sind sie aber jedenfalls nicht ohne weiteres
verwendbar.
6) Offa und Drydao.
H. Suchier, Ueber die Offa-Pıydosage, Beitr. 4,500 ff. Müllen-
; hoff, Beov. 8.71ff. Koegel, Lit.-gesch. 1, 159 ff. 168.
Den ausführungen Müllenhoffs über diese sage wüsste ich
u,
An
170 BINZ
kaum etwas wesentliches beizufügen; ich beschränke mich daher
auf eine zusammenstellung derjenigen zeugnisse, welche ae.
namen gewähren. Dass das andenken an Offa und seine ge
schichte sich wenigstens unter demjenigen teile der Angeln,
welcher Mercien besiedelte, lange wach erhielt, zeigen uns die
zahlreichen belege von namen der sämmtlichen mit Offa direct
zusammenhängenden personen, die wir in merceischem gebiete
nachzuweisen vermögen.
In allen quellen ausser im Beowulf, wo der ührigene nicht
oft begegnende name Garmund (z.b. Garmund a. 1066. K. 897;
LV. [Sweet] 214) an seine stelle getreten ist, heisst Offas vater
Weermund. Dieser name ist anglisch nicht ungewöhnlich: Wer-
mundus antistes, ein Mercier, a. 772. Bi. 1,209.; Woermund zeuge
a. 780. Bi.3,1334; Wermund episc. orient. Anglor. Sweet OET.
168, 30; Uermund epise. Huiceiorum ib. 169,46. Der Weremund
presb, 2.969. K. 3,555 ist bei Bi. 3,1228. 1264 zu einem Bere-
mund, Bermund geworden. Auch in ortsnamen treffen wir Wier-
mund oft genug: monasteriorum in provincia Westsaxonum in locis
qui Vermundesei et Uuocchinzas vocanlur a. 708. 715. Bi. 1,133;
umgeben von anderen bekannten namen: ... deinde in Ceolferöes
mor, Öcet ymbe Ceolferdes &cer, utan det ufan in colle ... Öonan
in Heodenes sceazan fore weardne andlanz ridzes ... be sudan
Coenberhles zr&fe ... be eumban erne sudan ... lo Pendan wc,
donon up in enne widinz a bi Twize Öet hit cymö to Wermundes
erne weslan .... Oonon in une linde Byrnhelmes gemere, Oonon
ut in Creodan ac suein Tyes mere ... sue to Wylheardes trie
(Worcest.) a. 849. Bi. 2,455; ähnlich in einer grenzbeschreibung
von Peczanhum: .... super haec ad locum qui dicilur hylsan
seohlra et sic ad orientem in uuermundeshamm, hinc in uadan
hlaew ... el sic in brynes fleol a.680. Bi.1,50; in der gegend
von Twyford (Worcester): of dere byrnan on merÖorn, of meer-
Öorne on Weremundes lawe, onlonz furena on Weremodes
lawe, Öonon on Ezsanmore on Öe zrendic .... on Öa eÖenan
byrielse on Ealhmundinz weze K.6, 1368, und in der gleichen
gegend befindet sich ein Ofan pol. Ferner: ... andlanz mearke
on Wurmundes slan, of Warmundesstan on Foxslade wende
(Southampt.) a. 957. Bi. 3, 1000; Wermundes treow (Wilts) a. 940.
Bi. 2,756; a.984. K. 3,641; Warmundes trou (Chesh.) DomB. 1, 263.
265 etc.; Fermundinczford a.985. K.3, 649.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 171
Der name Offa erscheint widerholt im LV. (Sweet) 217. 228.
340 und noch später in Sussex, Suffolk und Norfolk, also vor-
zugsweise in anglischen landesteilen: DomB. (Sussex) 23; (Suff.)
434b, Ofo teinus Stigandi (Norf.) DomB. 186. Neben 0a ist
öfter Ofa, in älteren formen Oba, belegt. Sweet OET. s. 643
nimmt hierfür länge des vocals an; gegen diesen ansatz er-
heben sich zwei bedenken: einmal entspricht im deutschen Ubo,
nicht Uobo, was doch für das engl. kurzes ö erschliessen lässt,
und dann wird in einer urkunde vom jahre 723 Bi. 1, 153 ein
mann, der sonst Oba oder Ofa heisst, Offa geschrieben, was bei
länge des vocals unmöglich wäre. Die belege für Oba, Ofa
sind folgende: Ofa princeps als zeuge a. 674. Bi. 1, 32; ebenda
ein zweiter Ofa als zeuge. Ego Oba subscripsi a. 699. Bi. 1, 101;
ego Ofa patricius a. 742. Bi. 1,162. Im jahre 860 unterschreiben
ein Ofa und Ofe eine schenkung von land in Kent durch Ealh-
burz; derselbe Oba ist zeuge a. 863. Bi. 2,507; ein Oba minister
a.874. Bi. 2,538. In ortsnamen findet man mit zwei ausnahmen
(Obanleah 2.686 [Somerset] K.20 — Zobbanleah Bi. 1,61 und
Obantreow [|Worcest.] a. 963. Bi. 3, 1106) immer nur die form
mit doppelconsonanz; die mehrzabl derselben wird dem merei-
schen könig oder der erinnerung an den alten Angelnhelden
ihren ursprung verdanken: Offecolum Exon. Dom. 62; Ofecolum
ib. 57; Offecome (Devon) DomB. 111P; Offandic a. 854. Bi. 2, 475
u.ö.,; in O/feham a. 109. Bi. 1,125; Ofuham a. 942. Bi. 2, 779;
a.1050. K.4, 789; Ofenham DomB. 175’; Offanleze a. 944. 946.
Bi.2,812; Offelei (Herefords.) DomB. 132. 133°. 139; OyJelei
altera ib. 132; Offele Palgrave Rot.1,157: Offelau (Staffords.)
DomB. 1, 246°. 247° b, 248b, 250°; lib. tenementum in Offecherich
Palgrave Rot. 1,66; Offepol a. 709. Bi. 1,125 (ibid. Ofeham);
Offanpol a.949. Bi. 3,883. (Bucks); Offentone (Berwick) DomB.
99%; Offetune ib. 61°.61®; Offeluna (Suff.) DomB. 2, 285°. 3373,
104b, 437%; Ofintune (Sussex) DomB. 28; Ofitona (Slırops.)
DomB. 1,258; Offintone (Lincolns.) DomB. 1, 346°. 358°. 366;
Offintune ib. 1, 353°; Offinton Palgrave Rot. 1,199. 430; Ofa-
uuilla Ex. Dom. 293; Ofewille (Devon) DomB. 108; Ofeworda
(Suff.) DomB. 2, 343®; Uffeworda ib. 2, 324»; Offenorde (War-
wick) DomB. 1, 242%,
Ob Ua, Ufa, Uba mit diesem Ofa identisch und nur dia-
lektisch verschieden gefärbt ist, wird man als zweifelhaft an-
172 BINZ
sehen müssen, doch macht das schwanken in der schreibung
der ortsnamen die gleichheit wahrscheinlich. Wir finden: sign.
man. Uban a.765. Bi. 1,196; a.779. Bi. 1,227; a. 765. 791. Bi.
1,260; sign. man. Ubban a. 719. Bi. 1, 227; a. 789. Bi. 1, 257;
Ubba princeps neben Ofa rex a. 193. Bi. 1,265. Ufa minister
a.901. Bi.2,590; Ufa a. 973. Bi. 3, 1297. Ufa minister als zeuge
a. 901. (vgl. Ufa) Bi. 2,585. 589. 590. 595; a. 904. Bi. 2, 611; a. 909.
Bi. 2,620; Ufa clericus a.909. Bi.2, 622. Ufjaham (Worcest.?)
a.714. Bi.1,130; on Uffanheales a. 706. Bi. 1,116 (Worcest.);
K. 6, 1355; Uffanleah (Worcest.) 2.884. Bi.2,552; Uffentun (Berks.)
a. 931. Bi.2,687 (die überschrift lautet aber: Carta Aebelstani
senaloris de Offentuna und in der grenzbeschreibung mefae de
Offentona): Uffentun (Durham) a.931. Bi.2,685; Uffewylle broc
a. 995. (Oxf.) K. 6, 1289; Ufawyrö (Northampt.) a. 948. Bi. 3,871.
Von einem sicarius vocabulo Eumer berichtet uns Beda;
sonst finden wir diesen namen nur noch in ortsbezeichnungen:
andlanz hezes on Eomeres meduan of bam maeduan on Hodes
ac. of bere ac andlanz hezes to bem weze .... on Hereferöes
meduan ... &. 972. Bi. 3,1182; in der gleichen gegend im jahre
1002: ... of tittan dune west! on cealdan wyllan; Öanon on winter-
burnan, swa on Pidwyllan, of Pidwyllan on Eomeres maedwe.
K. 6, 1295.
Hemninzes mez ist Beow. v.1944 Offa, Heminges mez ibid.
v.1961 Eom&r. Es muss an einem von beiden oder an beiden
orten ein fehler stecken: die nächstliegende annahme, dass Hem-
ninzes für Hemminges verschrieben sei und in Heminzes fehler-
haft einfacher consonant für doppelten stehe, wird dadurch be-
stätigt, dass wir mehrmals namen wie Hemma, Hemmi, Hemminz
antreffen, nie aber etwas dem Aemninz der handschrift ähn-
liches: Hemma a. 868. Bi.2, 519; Hemma LV. (Sweet) 94. 100;
Hemmi L\V. 335; in engl.-nord. umgebung Gumor Osa Tiure
Trugiles Trugis Ketil Darri Alf Dola Hemming Zorth Esa Sporri
Thola im 12.jb. bei Piper, Lib. confr. 2, 672,1 ff.; Godricus Leou-
ricus Thurkilus Hemmingus Ulf Goduuinus Eduuinus 12./13. jh.
LV. p.14; Baldewine Turstanus Wältheuus Hemming Esi 13. Jh.
LV.p.71; Ida filia Guniti Heming’ Palgrave Rot. 1,92; Ricardus
de Hemminton ib. 1,304; Robertus de Hemiton ib. 1,227; Heming’
de Hendreö ib.1, 365; Hemminzford (Hunt.) a. 1042. K.6, 1330;
4,906; Heminzeford a. 1060. K.4,809; Heminzeton (North.) K.809.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 173
Die namen lassen also, ganz abgesehen von den übrigen
zeugnissen, keinen zweifel, dass die Offasage vorzüglich auf
mereischem gebiete lange lebendig blieb.
7) Inzeld und Hrodzar.
Möller, Ae. volksepos s. 27ff. Müllenhoff, Beov. 8. 27 ff. 40 ff.
Jänicke, Zs. fda.15,313f. ten Brink, Pauls Grundr. 2, 1,537f. Haack
8.17.49. Koegel, Lit.-gesch. 1, 152 ff.
An die besprechung der sage vom kampfe des Froda und
Inzeld gegen Hroözar knüpft Koegel folgerungen, die, wenn sie
sich als richtig erwiesen, für die geschichte nicht nur dieser
einzelnen sage, sondern auch des ganzen Beowulfeyclus von
tiefgehendster bedeutung sein müssten; es möge darum gestattet
sein, hier näher auf Koegels argumente einzugehen.
Saxo, so sagt Koegel, war, indem er den Froda und Ingeld
als Dänenkönige, als ihre Gegner die Sachsen nennt, über die
namen der mit einander in fehde liegenden volksstämme besser
unterrichtet als unsere angelsächsischen quellen, Widsid und
Beowulf, bei denen übereinstimmend jene als Headobarden-
fürsten im kampfe mit Hroözar und Hrodulf!) unterliegen.
Gegen diese grössere zuverlässigkeit Saxos in der bewahrung
der historisch richtigen namen wird man aber mistrauisch,
wenn man sieht, wie er sonst in seiner darstellung verschiedene
versionen der sage mit einander vermischt (vgl. Koegel s. 154);
er kann also ebensogut auch mit den namen der kämpfenden
völker vom ursprünglichen abgewichen sein. Es ist ja leiclıt
begreiflich, dass Saxo, der von anderen Frotho und Ingeld als
Dänenkönigen wusste, durch die namengleichheit veranlasst
wurde, auch diese beadobardischen Froda und Inzeld zu Dänen
zu stempeln, zumal da die Headobarden in den lange dauernden
kämpfen offenbar so sehr decimiert wurden, dass sie als selb-
ständiger stamm untergiengen und die erinnerung an ihren
namen früh schwinden konnte. Ganz unverständlich dagegen
wäre, warum in den viel älteren angelsächsischen quellen, die
ja auch sonst vielfach ein getreueres bild der historischen er-
eignisse des 5. u. 6. jh.'s bieten, als die nordische überlieferung,
1) Dem Hroözar und Hroöulf wird allerdings nur im Beowulf, in
welchem auch sicher anglische helden als Dänen erscheinen, dänische
nationalität zugeschrieben.
174 BINZ
an stelle der bekannten Dänen die Headobarden getreten sein
sollten, von denen man später ausserhalb der epischen tradition
gar keine spur mehr antrifft. Ich vermag wenigstens nirgends _
einen beweis für die von Koegel s. 156 aufgestellte hypothese
zu entdecken, dass die Headobarden ein teilvolk der Dänen
seien. Sie werden, wie doch ibr name vermuten lässt, ein mit
den Langobarden verwanter, ingväischer, auf den später däni-
schen inseln der Ostsee sesshafter stamm, also nachbarn der
Angelsachsen gewesen sein. Denn der name Froda, den Koegel
für specifisch dänisch hält, ist, so viel ich sehe, auch angel-
sächsisch und, wie /nzeld, zu einer zeit im gebrauch, wo von
dänischem einfluss keine rede ist: sign. manus Frod a.689. Bi.
1,73; sign. manus Frodi a. 697. Bi. 1, 97.98. Froda abbas a. 704.
Bi.1,108; Frood LV. (Sweet) 97. Der Frodo, bruder eines abtes
Balduin, in Suffolk DomB. 354®. 359® etc. dagegen ist wol, wie
sein und seines bruders name wahrscheinlich macht, ein Nor-
manne. Von ortsnamen rechne ich hieher: Arodsham (Cheshire)
— Frotesham (Cheshire) DomB. 1,263® bei Hope, Dial. Place-
Nomenclat.? s.30; Frodeshammes pend (Kent) a. 811. Bi. 1, 335,
in einer späteren abschrift zu Flothammespynd entstellt; Zrodes-
leze (Shrops.) DomB.1,259®; Frodesmwelle (Stafford) DomB. 1,247°.
— Inzeld ist namentlich im LV. ungemein häufig anzutreffen,
ausser einem /nzeld LV. (Sweet) 143 zählen wir nicht weniger _
als 15 Inzüld (Sweet, OET. p. 522); ausserdem in urkunden
fratribus in Christo Coengilso et Ingeldo abbatibus a. 729. 744.
Bi. 1,167; 4Aedelmundo filio Inzeldi qui fuit dux et praefectus
#öilbaldi regis a. 767. Bi. 1,202. a. 770. Bi. 1,203; Inzild Imes
brobur a. 718 Sachsenchronik ed. Plummer s. 42. Wol hieher,
nicht zu /nzwald, gehört auch /nzald (Leicest.) DomB. 231;
Inzaldes thorp (Hertfords.) Palgrave Rot. 1, 294. Dagegen ist
die behauptung Haighs, Anglos. sagas, s. 23, dass /ngleby, Ingleton
und /ngleborough seinen namen tragen, gänzlich von der hand _
zu weisen; das s des genetivs /nzeldes, das vorausgesetzt werden
müsste, kann nicht einfach wegfallen. /ngle ist vielmehr genetiv- _
plur. = Enzla ‘der Angeln. |
Wenn Koegel ferner meint, Saxo würde die unterliegenden _
nicht zu Dänen gemacht haben, wären sie dies nicht wirklich _
gewesen, so darf man zur erwiderung darauf hinweisen, dass
doch bei Saxo die niederlage des Froda völlig in den hinter-
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 175
grund tritt gegenüber der darstellung der rache für den er-
schlagenen vater, die Ingeld nach langem zaudern, aufgereizt
durch den alten Starkather, in glänzendster weise am mörder
des Froda und seinen volksgenossen vollzieht. Von dem schliess-
lichen völligen untergang des Ingeld dagegen erwähnt er nichts;
sein bericht enthält also nichts für die Dänen demütigendes,
was einer verschiebung der namen hindernd im wege stehen
könnte.
So wenig ich mich nun dem zweifel an der headobardi-
schen, nicht dänischen nationalität von Froda und Inzeld
anzuschliessen vermag, so wenig halte ich den weiteren
schluss für zwingend, dass Hroözar und seine leute west-
germanische Ingväen sein müssen. Denn auch der zweite
grund, auf welchen sich Koegel stützt, das anglische gepräge
der namen Aroözar und Hroömwulf, ist kaum sicherer als der
erste. Wol muss man zugeben, dass jene namen den lauten
und stämmen nach angelsächsisch ganz gut möglich sind, aber
die von Koegel als dänisch bezeichneten Heorozar und Heoro-
weard enthalten auch nur bestandteile, deren verwendung zur
namenbildung in den ags. mundarten nichts seltenes ist: z.b.
. Heorstan a. 925. 941. Bi.2,648; Heruuald LV. (Sweet) 162; Heorel-
: festun a. 1002. K.6, 1298; für -zar und -weard sind beispiele
überflüssig. Es ist also nicht einzusehen, warum man Hroözar
und Hroöulf für anglisch, Zeorogar und Heoroweard für dänisch
ausgeben dürfte; zudem spricht doch die gleichheit der bestand-
teile in den namen von Heorozar und Hroözar einerseits, Heo-
rogar und Heoroweard andrerseits für die echtheit des im
Beowulf angenommenen verwantschaftlichen verhältnisses; sie
gehören alle zusammen und sind Dänen so gut wie Healfdene
und Halza, deren namen nun allerdings den dänischen ursprung
ihrer träger unbedingt beweisen. In dieser meinung, dass der
Beowulf mit der angabe des Dänentums des Hrodzar und
seiner sippe recht habe, bestärkt uns der bei Koegels annahme
schwer oder gar nicht erklärliche umstand, dass von all den
namen dänischer helden aus der umgebung des Hroözar kaum
einer oder zwei sich bei den Angelsachsen widerfinden:
Healfdene tritt zum ersten mal ums jahr 930 auf, und man-
cherlei umstände drängen zu der Überzeugung, dass die träger
dieses namens immer unter den angehörigen der dänischen
176 BINZ
nationalität zu suchen sind: Healden dux a. 930. Bi. 2, 700;
Healfden dux a.930. Bi.2, 701; Helfden a. 935. Bi. 2,703; Half-
dene dux a.934. Bi. 2, 702; Haldene dux a. 944—946. Bi. 2, 812;
Halfden dux a.953. Bi. 3, 1044; Haldan und Haldan minister
a. 1019. K. 729; Halfden a. 1033. K.4,749; Healdene brodor
Ulfes K.4,953; Haldanus liber homo (Essex) DomB.78P; AHal-
deinus liber homo (Suffolk) DomB. 411.412; Halden (Cheshire)
DomB. 265®. (Nottingb.) 291®. (Yorke.) 298. (Berks) 61®. (Suff.)
318; Halden liber homo (Suff.) DomB,. 412®. 413; Haldene (Yorks.)
DomB. 317. 318. 327; Haldenus (Suff.) DomB. 399P; on haliz wylie
on healdenes ho, of dem ho on potta forda (Suff.) a. 970. Bi.
3,1269; Alfredus Ali Aldanus Ulfkillus Brunningus im 13. jh.
LV. p.60; auffällig nahe bei einem Heigi in Piper, Libr. con-
frat. 2,582,5 ff.: Tola Dorchil Endrugilis Azzer Terbirin Halden
Tieme Helige Zure Drugeno.
Heorozar und Hroözar sind in England nicht zu belegen.
Der name Halza dagegen findet sich bis ins 13. jh., aber nie
vor der zeit der Däneneinfälle, und die form, in der er fast
ausschliesslich auftritt, beweist nordische abstammung und teil-
weise zugchörigkeit zu den verschiedenen Helgisagen, die mit
dem Beowulf in keinem zusammenhang stehen (vgl. namentlich
das zusammentreffen mit Hordisa = Hjordis) : Alanus Osbernus
Elgi Adalici Radulfus 12.!13.jb. LV.p.16; Hailga in nord. um-
gebung 13. jb. LV.p.48; Asne Gamel Bethloten Ithbeorth Helga
Ornulf Leothulf ib. p. 49; Hordisa Steinar Goildara Aelga
Olafar Torston Beorn ib. p.49; Helge (Nottingh.) DomB. 286;
Helghi (Sussex) ib. 22.24; Helghinus ib. 25%,
Fast nicht nachweisbar sind die namen der söhne Hrod-
zars, Hreöric und Hroömund : Hrodricus abbas a. 1062. K.4, 813;
Hroömund in der genealogie von Ostanglien und in einer grenz-
beschreibung: ... of bam flitzaran on filelan slades crundel, of
pam crundele ... andlanz bes smalan wezes to rodmundes dene
on bes hlinces heafod (Wilts) a. 934. Bi. 2,705. Auch Freawaru
scheint nicht gebräuchlich, obwol sonst beide bestandteile zur
namenbildung verwendet werden, für -waru vgl. Berctuaru LV.
(Sweet) 35; Zezuaru ib. 38; Hrothuaru ib. 23; Sizuaru ib. 38.
Von den namen der neffen Hroözars, Heoroweard und Hro-
öulf, begegnet der erstere nicht; derjenige Hroöulfs dagegen im
9.jh. LV. (Sweet) 456. 459 und später, wo dann leicht nordischer
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 17:
einfluss im spiele sein kann: ierras de Suöwalsham quae fuerunt
Rodulfi stalre a. 1047. K. 4,785; Rodulfus dux laudavi ibid.;
Roluesbi (Norf.) DomB. 2, 201°; Rothlfuesbi ibid. 2, 272°; Rothol-
fuesbei ib. 2,129. 174°; Roöulfeston (Stafford) a. 942. Bi. 2,771;
Rooifestone (Yorks.) DomB. 1, 323%,
Die im Beowulf erwähnten mannen des Hrodzar tragen
auch zum teil namen, die in England wenig im schwange sind.
Bei #schere mag es zufall sein, wenn gerade diese zusammen-
setzung unter den zablreichen mit #sc- anfangenden personen-
namen (Zscbeorht, -beorn, -burz, -ferö, -heard, -mer, -red, -wiz,
-wine, -wulf, -wyn) nirgends überliefert ist; ein Nordländer
scheint Zscar steallere a. 1047—52. Bi. 3,980 zu sein. Ein
ähnlicher fall liegt vor bei Frmenlaf, ohne beleg gegenüber
Hirminhilde a. 699. Bi. 1,99; Aeormenhild a. 993. Bi. 3, 1289;
Eormenild a. 1022. K. 4, 734; Yrminredus a. 675. Bi. 1,40; Irmin-
redus 2.679. Bi. 1,45. Von den übrigen finden sich nur Zczlaf
und Wulfzar: Eczlaf episc. a.742. Bi. 1,162; scferd Eczlafes
bearn im liede vom Byrhtnoös fall v.266; Zczlaf comes a. 1022
= Azlaf comes a.1022. K.734 u. 1317; Ezlaf dux = AHgelaf
eorl a. 1023. K.737; Eczlaf minister a. 1044. K.4,772; Ezlafes
ford (Berks) a.960. Bi. 3,1058. — Wulfgar a. 889. Bi. 2, 560;
Wulfzar dux a. 926.927. Bi. 2,659. 660; Wulzar dux a.937. Bi.
2,721; for Wulfzares sawle and for Wulfrices and for Wulfheres
a.931. Bi.2,678; Wulfzar minister a.930. Bi. 2, 701. a. 943. Bi.
2,186; Wulfzar LV. (Sweet) 365.
Der einzige name, der auch in England sich einer ge-
wissen beliebtheit erfreut zu haben scheint, ist derjenige der
Helminzas und ihres eponymos Helm: Helminzaham (Norf.) DomB.
2,1962. 241°; Helminzham ib. 2,193®; Helminzheham ib. 2, 423°
ete.; feodum militis in Helminzham Palgıave Rot. 1, 79: Helminzton
(Northampt.) a. 948. Bi. 3, 872. Blackmoor near Helmsley Haigh,
Anglos. sagas 8.63; Helmes treow a.968. (Wilts) Bi. 1213 (... be
han wyrt walan to peedes pabe, bonone wiö helmes treowes,
bonne on @mbrihtes zet, bonne wid stet zetes, bonne on hundan
dene neobewearde, bone wiö hoces byrzels ...); Helmes welle
DonB. (Yorks.) 1,331®; (Lincolns.) 1, 338° b. 342°. 365°,
Diesem geschlechte der Helminge gehört Wealhpeow, die
gemahlin Hrodzars, an; sie kann, wie schon ihr name nahe
legt, angelsächsischem stamme entsprossen sein, wenn man sie
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 12
178 BINZ
nieht mit Müllenhoff, Beov. 8.26 für eine angelsächsische erfin-
dung gelten lassen will, und im ersten falle wäre auch der
angelsächsische name von ibrer und des Hroözar tochter Frea-
waru nicht so verwunderlich. Die erinnerung an dieses ge-
schlecht, die Helminge und Helm, wird auf einem rest alt-
angelsächsischer epischer tiberlieferung beruhen, auf welche
auch Wide, v.29 Helm weold Wulfinzum hinweist.
Die betrachtung der namen lehrt uns also eher das gegen-
teil von dem, was Koegel daraus folgern möchte.
Nun bleibt noch ein punkt zur erörterung übrig. Dene
soll im Beowulf collectivbezeichnung sein für die ingväischen
Westgermanen, welche die später dänischen gebiete bewohnten
(Koegel, Lit.-gesch. 1,157). Diese hypothese stützt sich im
wesentlichen auf die freilich auffallende tatsache, dass Angeln
und Sachsen im Beowulf gar nicht erwähnt werden. Allein
der innerste kern der Beowulfsage, der mythus von Beowa
und Grendel, wird ja von dieser wahrnehmung gar nicht be-
rührt; er ist ursprünglich überhaupt nicht an einen menschlichen
könig gebunden, dass er aber später in Heorot localisiert und
mit dem Dänenkönig Hroözar verknüpft wurde, wird weniger
unbegreiflich, wenn man bedenkt, dass die weitere entwicklung
der sage bei den zum teil bis ins 6. jh. in der alten heimat
verbliebenen anglischen stämmen vor sich gieng. Der alte
mythus wanderte schon früher mit den Sachsen nach England
hinüber, das lehren uns ja die verschiedenen oben erwähnten
ortsnamen wie Beowun ham und Grendeles mere. Die im Beo-
wulfliede zum ausdruck gelangte sage aber verdankt, so weit
sie auf historischer grundlage ruht, den Angeln ihre gestalt,
wenigstens können die zeugnisse für namen aus diesen teilen
der sage, die sich ja zum grössten teil nur auf anglischem
boden finden, in diesem sinne ausgelegt werden. Die Angeln
nun saben noch in der alten heimat mit eigenen augen das
mächtige aufblühen der dänischen herschaft, wol ohne dass sie
selbst direct in feindliche berührung mit ihr geraten wären;
da konnte bei ihnen das gleiche eintreten, was wir bei den
oberdeutschen stämmen den gotischen helden Ermenrich und
Dietrich gegenüber beobachten. Ein dänischer könig trat in
den mittelpunkt des interesses auch für die nicht dem eigenen
stamme angehörenden, aber doch verwanten nachbarn und zog
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 179
eine anzahl mythen und sagen, mit denen er ursprünglich gar
nichts zu tun hatte, an sich. Die unmittelbare anknüpfung des
Beowamythus an Hroözar mag dabei in erster linie vom locale
des kampfes gegen Grendel ausgegangen sein (vgl. Müllenhoff,
Beov. 8.26). Die möglichkeit, dass erst in England die Dänen
in die Beowulfsage eingetreten wären, halte ich für unwahr-
scheinlich; denn es ist kaum glaublich, dass die volkstümliche
tradition, nur um den widerspruch zwischen dem local der
sage und den geographisch -historischen verhältnissen der spä-
teren zeit zu beseitigen, die Dänen an stelle der Sachsen und
Angeln gesetzt hätte. Eine solche überlegung mag man bei
einem gelehrten mönche, wie dem verfasser des Waltharius
gelten lassen, nicht aber bei der gerade in dieser beziehung
viel weniger scrupulösen überlieferung des ungelehrten volkes.
Der hinweis auf den Waltharius scheint mir auch deswegen
nicht ausschlaggebend, weil doch gerade die spätere epische
tradition im Nibelungenlied trotz solcher bedenken zähe die
erinnerung an die Burgunden in der gegend von Worms
festhält.
Wir kommen also zum schlusse, dass der Beowulf in der
Ingeldsage die namen der beteiligten völker richtiger als Saxo
bewahrt hat und dass Hrodzar und seine sippe in der tat
Dänen sind.
8) Finnsage.
Möller, Ae. volksepos 8. 46—100. 151—156. Müllenhoff, Beo-
vulf 8.98. 105. ten Brink, Pauls Grundr. 2, 1,545ff. Koegel, Lit.-
gesch. 1, 163 f.
In der interpretation der verschiedenen quellen für die
Finnsage (fragment vom überfall in Finnsburg; Beow. v. 1069 ff.;
Widsiö v.26 ff.) ist man leider von einigkeit noch sehr weit
entfernt. Da ich es nun hier nicht als meine aufgabe betrachten
kann, die zahl der erklärer um einen weiteren zu vermehren,
80 beschränke ich mich auf eine anführung der in den zweifellos
zu dieser sage gehörenden namen enthaltenen zeugnisse.
Finn: Phin Essex DomB. 41; Phin Suff. 1%. 395®; hin liber
homo Essex ibid. 98° (Ellis, Introd. 2,200). Im 12. jh. in engl.-
nordischer nachbarschaft bei Piper, Libr. confr. 2, 673,3 ff.: Zore
Asagol Thola Crispin Fin Pero Stanchel Alle (ibid. lin. 7 f.: Donna
Gunner Hitilburgis [für Hitib.| Güta Rue). Im 13. jb.: Scot
12*
180 BINZ
Agumdes sune Siguit Fin borbern Olfin Walessi Oth Gunner
Seuriöe LV. p.51. Finsbury, Finesbery Sharpe, Calend. 1,531.
Fineberga Suff. DomB. 2, 285°. 303°. 382b, 403b, 448b, Finesford
Suff. DomB. 2, 387°. 405°, 427; vgl. Finlesford ibid. 2, 413*.
u
Rn —-.
423b; Finesham führt Haigh =. 31 aus Norfolk an. Finingaham :
(Suff.) DomB. 2, 309. 321°. 370®, 440®. Finesteda Suff. DomB.
2, 428°, Finnesthorp (Northants?) a. 972. Bi.3, 1130. Bei Fine-
mere erregt die form bedenken, auf der audern seite ist aber
nicht zu übersehen, dass an zwei stellen des DomB., wo sie
auftritt, jedesmal noch andere der Finnsage zuzuweisende
namen in nächster umgebung erscheinen: Finemere in Northants
DomB. 1,221* und nahe dabei Hocheslau, Nauesberie, Nevestund;
ein zweites Finemere in Shbrops. DomB. 1,259, in derselben .
landschaft DomB. 1,253® Nes/ham, das wol nur verschrieben
ist für Nefsham.
Folewald kommt einmal vor im LV. (Sweet) 163. Hnz&f
ist als personenname nicht nachweisbar, dafür aber mehrfach
in ortsnamen: Navesberie (Northants) DomB. 1, 225®. 226°; Ne-
veslund ibid. 1, 220°, 222=b, 225, 226b. 228°; Nesfham für
Nefsham s. oben. Haigh s. 27 will die beiden namen Naisbury,
eine meile südl. von Hart, und Neasham am Tees von Hnef j
ableiten, mit wie viel recht, ist in ermangelung älterer formen
schwer zu beurteilen, doch scheint die ne. gestalt der namen
gegen die richtigkeit seiner erklärung zu sprechen. In Hants
trifft man im jahre 973/974 in einer an erinnerungen aus der
heidenzeit reichen gegend auf eine localität Anefes scylf:
His melis rus hoc gyratur: Aerest of isanhyrste zate on slahöor
mwez, bonon on Öone norömestan wez, Öl on @eöeredes hazan...
andlanz mearce on zisteardes wylle ... Öonon on iceles cewilmas
lo w@Öelbrihles mearce, «@i ylfethamme, Öonon ut on Öone hed-
feld ... on bedecanlea . Öonon ofer ealne dere heöfeld up Io
hnefes scylfe... boet west to ceolbrihtes stane.... sma on Öone
hedenan byrzels; Oonan west on da mearce ber elfstan lid on
hedenan byrzels; bel on badecan dene, smwa forö on sibbes wez,
Öonan on mulfstanes mearce et wearze burnan ... Öon on hezlea
io ceoleazes treowe Bi. 3,1307 (vgl. J. Grimm, Kl. schr. 2, 262).
— Ein Navestock (= Hnefes stoc?) begegnet noch später Sharpe,
Calend. 1,493: Emma wife of John de Navestock. Vielleicht
darf man auch aus den beiden namen Anefleah und HAnwesleah
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 181
ein Anefs-, Hnefesleah als richtige grundform erschliessen: Dis
synt ba landzemara to Cifanlea: verest of catbeorge andlanz
wezes on Abelunes born, bonon ... on pa byrzelsas ... ponne
ber west andlanz hazan on Hnwefleage subewearde a. 951
(Berks). Bi. 3,892 und pis synd ba landzemera to Forda:
erest of Afene andlanz street on bone anne slan, of bam siane
on beonnan lehe ... of wibyrhi leaze on hnes leaze, of hnes
leaze on cunuce leaze, of cunuca leaze ut on afene (Somerset)
Bi. 3, 1001.
Dass der name der frau, welcher in der Finnsage eine
hauptrolle zukommt, nur einmal (LV [Sweet] 28 Hildiburz)
sich belegen lässt, ist bei der verhältnismässig geringen zahl
der uns überlieferten frauennamen nicht zu verwunderlich.
Mit dieser berühmten Hildeburg aber werden wir wol die orts-
namen Hildeburhwell (Norf.) DomB. 2, 167° und Aildeburhwrthe
in plaga Warewicensi a. 110. Bi. 1,127 in beziehung setzen
dürfen.
Der beliebteste von allen helden dieses kreises war jedoch
offenbar Hildeburgs vater Hoc; denn nicht nur ist das andenken
an ibn in zahlreichen ortsnamen erhalten, sein name ist auch
noch lange als personenname in lebendigem gebrauch. So
heisst ein presbyter et abbas ZHooc a. 692. Bi.1,81; a. 663. Bi.
1,82; a. 695. Bi. 1, 87; ferner Zoch im DomB. (Cambridge) 201P;
(Lincolo) ib. 358 (Ellis, Introd. 2, 147). Verdächtig ist dagegen
der diphthong in Hauc: Alnoth Guthrun Turkillus Hauc Eurethe
Thorger Simin im 13. jh. LV. p. 48; die form Hogge, die wir
unter anderen englischen (und keltischen?) namen im 12. jb.
im Lib. confr. Aug. antreffen, muss wol auf rechnung des
deutschen schreibers, der den ihm fremd gewordenen namen
nicht genau widerzugeben verstand, gesetzt werden: Piper, L.
confr. 2,639 ff.: Sigimund 639,6; Hogge 639, 16; Saswi 639, 23;
Saxe 639, 30; Foldei 640,1; Protohoc 640, 11; Gerverec 640, 12.
In ortsnamen: #rest of bedeuuindan to haran grafan nor be
uueardan ... bonone wiö helmes treowes, bonne on hundan dene
norbewearde, bone wiö hoces byrzels, bonne on hwilan hlinces,
bonon on abban crundel (Wilts) a.968. Bi.3, 1213. — Dis synd
Heahtunes landzemera : of bere ea in lo mwulfstanes fleote: of
nulfstanes fleote andlanz dices on hokes clif: of hokes clive
andlang meerces on snelles pitte,... on hafokes beorh ... of pem
182 BINZ
sclede on Echilde hleewe, of Echilde hlewe on henzstes earas, of
henzstes earas on litil healle andlang mearke on Wermundes stan
a. 957 (Southampt.). Bi. 3, 1000. — Undecim segetes prate in loco
ubi dicitur Hoceshamm a. 942. (Berks) Bi. 2, 778; Hochesham
(Devons.?) DomB. 114°; Hochesam Exon. DomB. 318; Aobertus
de Hoggesham Registr. Malmesbur. 2,207.— Hochesila (Devons.)
DomB. 115°. Exon. Dom. 384. — Dis synd da landzemera to
Wittanize : rest andlanz Ö@s streames on done maedham de
hyrnd into Scylftune ... of Öem were ofer Öone wezean mor
into hocslew, Öanon on Oa niwan dic, of dere dic on horninza
mere ... of @ceres felda Öcer da cnihtas liczad and fram ham
de da cnihlas liczad on melsez ... a. 1044 (Oxford?). K. 4, 775. —
Hocheslaumw (Northants) DomB. 1,220 °-b, 222°, 227°. 2288, 229,
— Banleuca Ramesiae incipit apud Homberdale .... et procedit
per medium Hokeslode attingens Buchmere et Ubmere (Hunting-
dons.) K.6,1364. — Hochestone DomB. (Middlessex) 128°;
(Bucks) 148b, ebenda auch Hocsaza 148°; Hoczestun 2.995. K.
3,694. — Hochesuuic (Yorks.) DomB. 1,3322. — Hochesuuorde
(Nottinghams.) DomB. 1 288®, dagegen Hocheorde (Devon)
DomB. 111P; Hocoorde ib. 107°. — Hoces wudu: Dis sind Ian
landzemere to aplune 00 zreotan andlanz bare ealdan strat be
nordan hoces wuda, of befre strat .... 8.958. Bi. 3,1348 —
3, 1029, wo die überlieferung noch verderbter ist. (Petrus de Ho-
kinges Palgr. Rot. 1,25; Hochinton [Gloucest.] DomB. 166°. 191®.
192. 201°. 201%. on Hocing meda [Hants] a. 909. Bi. 2, 624.)
Anderen namen muss die schwache form AHoca zu grunde
liegen: Hocheleia (Bedford) DomB. 1, 218°; Hochelai (Derby)
Domb. 1,276°; Hocheleia (Ess.) DomB. 2, 18°. 43° (aber AHoctei
[Surrey] DomB. 35°, wie Zocfelle [Berwicks.] DomB. 58°, Hochyll
a. 1050. K.4, 793, Hocton a. 957. Bi. 3, 997). — Hocan edisc an
der Themse a. 963. Bi. 3, 1123. — On Hoccan stize a. 964. Bi.
3,1134.. Ein solches schwaches Zocca, mit hypokoristischer
doppelconsonanz ist zweimal belegt: Hocca grafio a.605. Bi. 1,4;
Hocca comes a. 605. Bi.1,5.6. Hoica episcopus a. 1050. K.4, 792.
793 ist vielleicht ein anderer name.
Bei Henzest kann man schwanken, mit welcher sage man
ihn in verbindung bringen muss, denn neben dem helden der
Finnsage kommt auch der führer der ersten germanischen ein-
wanderer in betracht. Zudem ist die möglichkeit nicht aus-
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 183
geschlossen, dass in einzelnen mit henzest zusammengesetzten
ortsnamen gar nicht der name eines mannes, sondern ein appel-
lativum = ‘hengst’ steckt. Die belege sind, da Henzest als
personenname nicht nachgewiesen werden kann, die folgenden:
Henzestes broc in einer grenzbeschreibung: ... of turfhleo
efter heafdan eft andlanz fur on pyde wyllan: of pyde mwyliun
andlanz wezes to bam hbeofdene ... andlanz fure on henzestes
broc, andlanz brokes on füdene wyllan a. 967 (Warwicks.). Bi.
3,1201. — Haingheste cota Exon. DomB. 459; Enceste cote (De-
von) DomB. 102°. — HenzesÖes cumb: Dis synd da landzemeero
to Myclantune: ... of bere dic on Abulfes Ireow, on Öa stret,
andlanz strete on Hysemannes born ..... on HengesÖes cumb,
of öam cumbe on Oppan broc andlanz broces on Wulfzyde bricze
(Gloucest.?) a. 1005. K. 3, 714. — Henzestes dun (Wilts od. So-
mers.) 4.963. Bi.3,1127. — Henzestes earas in verbindung mit
Hoces clif 8. oben 8.181 f. — Henzestes zeat: ... of Suptu-
ninza lace on Leofsizes gemero on da hnotlan dic... on brembel
born... on Henzestes zeat, of Hencstes zeale on da ealdan
dune lo Brihtwoldes zemaera (Hants) a.985. K. 3,648. — on Hinc-
stes grefan: Dis synt ba landzemere to Meone: wrest on seoles
burnan, ... on clenan ford, of clenan ford on hincstes zrefan,
of hincstes zrafan andlanz ricwezes on bere lillan beorh
(Southampt.) a. 977. Bi. 3,1319. -— Henzestes heafod: land-
zgemere to Wendles clife .... andlanz Iyrl on meerbroc of pam
broce on bone ealdan wez ... of bere burhzes zete on Henze-
stes heafod, swa on pet sled to Cyppanhamme a. 769. 785.
(Worcest.) Bi.1,246. — Henzestes healh: landzemera into
actune: verest on horsa broc, of horsa broce in heafoc rycz ...
of clez willan in Höelstanes zraf, of Köelstanes zraue on Hen-
zestes healh, of Henzestes heale eft in horsa broc (Worcest.)
a.972,. Bi. 3, 1282 in einer gegend, wo auch andere volkssagen
localisiert sind; in der gleichen urkunde findet man on, Eomeres
mıeduan, on Hodes ac, of Grindles bece. — Henzestes hricz:
#rest of se up on henzestes ricz... swa suö on earnes hlinc,
of earnes hlince eft utt on se (Somerset) a. 737. Bi. 1, 158. a. 938.
Bi. 2, 727. — a.956 macht Eadred eine schenkung in loco qui
dicitur Henzestesrizg mit folgender grenzbeschreibung: rest
of horspoles heauede andlanz dich on ludenham ... Bi.3, 923;
Hengestes rich (Somerset) DomB. 91%. — Henzestesie locus
184 BINZ
perlinens ad Abbendoniam a. 821. (Berks) Bi. 1,366. Dis sindon
ba lundzemeero bes zeburlandes to abbendune: P is zadertanz on
breo zenamod $ is henzestes iz and seofocan wyrö and wiht-
ham ... to plumleaze $ on fridela byriz (Berks) a. 957. Bi.
3,1002. Zt henzestesize (Oxford) a. 969. Bi. 3, 1230, in dessen
umgebung u.a.: on tidredinzg ford, banon on occan slep ... on
horninza muere.
Henzest pades zeat (Southampt.) a. 961. Bi. 3, 1080; Hen-
zestwer (from Toteyate to Henzestwere, from Henzestwere unio
Hornwere) a.937 (Somers.). Bi.2, 715; Henzestword (Haingste-
uuorde) Heıfords. DomB. 132°, Hainsteuuorde ib. 141°, Hengste-
worde Palgrave Rot. 1, 152, 159; Zensteword ib. 1, 166. 300; Hen-
stewrth ib. 1, 303, Henztewrth ib. 1, 143) enthalten augenschein-
lich das appellativ und bedeuten ‘pfad, den die hengste begehen’,
‘barriere zur einschrankung der pferde’, ‘umzäunter platz für
pferde’.
Von den übrigen bekannten namen von helden aus dem
gefolge des Finn oder Hn&f treffen wir noch an Oslaf: Oslauus
minister Aelhelredi regis a. (92. Bi. 1,77; Oslaf LV. (Sweet) 3;
in provincia Huicciorum ıllo in loco quae nominatur Oslafeshlau
a.825. Bi. 1,384. Dem Oslaf des Beowulf entspricht Ordlaf
des fragments: es muss eine verwechslung beider namen ein-
getreten sein, ohne dass sich entscheiden liesse, welcher der
ursprünglich richtige sei. Auch Ordlaf ist belegbar: Orlaf dur
a.891. Bi.2,565; Ordlaf a. 898. Bi. 2,576; Ordlaf dux a. 901.
Bi. 2,588.590; on Ordlafes zewitnesse a.901. Bi.2,591; Ordluf
dux 8.901. Bi. 2,594. 595; a. 903. Bi. 2, 600.601; Ordlaf comes
a. 903. Bi. 1,603; Ordlaf dux a. 904. Bi. 2, 611.612; 2.909. Bi.
2, 630; Orlafestun (Derby) a.1004. K.3, 710; Radulphus de Or-
laueston Palgrave Rot. 1,141.
Sizeferd: Sizfrith LV. (Sweet) 234; Sizferö ib. 452; con-
sentienlibus rege et episcopis Sizfrido et Beorran ei Eccam
concedo a. 725. Bi. 1,145; Sizefreö archidiaconus a. 863. Bi.
2 507; Sizefred presb. a. 867. Bi. 2,516; Sizefreö archidiac.
a. 867. Bi.2,516; Siz/freö presb. a.889. Bi.2, 558; Sizeferd mi-
nister a.931. Bi.2,674; a.934. Bi.2, 702; Sizferd min. a. 942.
Bi. 2, 779; Sizfreö diacon. a.958. Bi. 3,1010; ibid. ein zweiter
Sizefreö : Sizferö minist. a. 958. Bi. 3,1030. a. 959. Bi. 3, 1045.
1051. 1052; a. 970. Bi. 3, 1269; Sizeferd zeuge a. 973. Bi. 3, 1297;
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 185
Sizeferd episcop. a. 1002. K.3, 707; ferner in einem flurnamen
in Sussex a. 772 .... and swa nord to blacan ride, up andlanz
ride to swinhamme, north andlanz mores lo sifer binzc steorfan
Bi. 1,208. Was Koegel (Lit.-gesch. 1, 342) veranlasst, den Siz-
frith des LV. als zeugnis für die Siegfriedsage in England auf-
zufassen, kann ich nicht einsehen: der name an und für sich
allein genügt nicht zum beweise, da er ja, wie die eben an-
geführten beispiele zeigen, echt englisch ist und zudem eben-
sogut der Finn- als der Siegfriedsage enstammen könnte. Unsere
citate widerlegen auch die meinung Golthers (Germ. 33, 474,
anm. 2), Sizeferö scheine das fränkische Sizefred widerzugeben,
da männliche namen auf auslautendes -/rid dem ags. und anord.
nicht geläufig gewesen seien.
Der im Wids. dem Sizeferö entsprechende Sxferd ist eben-
falls ziemlich häufig; z. b. Sefreö a. 831. Bi.1,404; a. 863. Bi.
2,507; 2.867. Bi. 2,516; Sefreö a. 871—889. Bi. 2,553; Sefreö
a. 1194. Palgrave Rot. 1, 153; ebenso Garulf: Garuulf LV.
(Sweet) 55; Garulf als zeuge a. 863. Bi. 2,507; a. 868. Bi. 2, 519.
a.940. Bi. ?, 756.
Ueberblicken wir nun die ganze reihe der mit der Hoc-
und Finnsage zusammenhängenden namen, so fällt uns auf, dass
der grössere teil derselben einerseits Essex, andrerseits der land-
schaft Hampshire und den anstossenden teilen von Berkshire
und Wiltshire angehört, also einer gegend, in welcher der mit
den bewohnern Kents zusammenzustellende stamm, die Jüten
des Beda, oder richtiger die Ytas des Widsid, den grundstock
der bevölkerung bildet!) Aus dieser örtlichen verbreitung der
namen schliessen wir, dass wirklich, wie man auch schon aus
anderen gründen vermutet hat,?2) den Yten und Östsachsen
(Secgen) der hauptanteil an den in der Finnsage besungenen
kämpfen und auch an der ausbildung und erhaltung der epi-
schen darstellung zufällt, im gegensatz zu den übrigen resten
epischer poesie bei den Angelsachsen, die vorwiegend von den
1) Die ansiedlung von Ytas in Hants und umgegend beweisen orts-
namen wie Flinzes hlemw (Berks) a. 912. Bi. 2,777; Ylingstoc (Southampt.)
a. 960. Bi. 3,1054; Zlingeshel, Etinzheles (Wilts)? Bi. 2, 585; a. 965.
Bi. 3, 922.
2) Möller, Ae. volksepos 8.86f. ten Brink, Pauls Grundr. 2, 1,549 f
Koegel, Lit,-gesch. 1, 164.
186 | BINZ
anglischen stämmen überliefert sind; eines bleibt dabei freilich
auffallend, dass nämlich gegen alles erwarten in Kent gar kein
die verbreitung dieser sage bezeugender name nachgewiesen
werden kann.
JI. Hoch- und niederdeutsche sagen.
1) Wielandsage.
K. Meyer, German. 14, 283 f. E. H. Meyer, Anz. fda. 13, 23f.
Niedner, Zs. fda. 33,24 ff. Golther, German. 33, 449 ff. 34, 265.
W. Grimm, DHS. no. 14. 26. 106. Müllenhoff, Zs. fda. 6, 62—69.
11,272 ff. 12,263f. Zupitza, Zs. fda. 19,130. Sijmons, Pauls Grundr.
2,1,59—62. Koegel, Lit.-gesch. 1, 101—104.
Die Wielandsage ist den Angelsachsen frühe bekannt ge-
wesen, das beweisen zeugnisse verschiedener art. Auf einer
niederdeutschen quelle beruht wahrscheinlich die fassung der-
selben in Deors klage, die mit der Volundarkvida nahe zu-
sammenstimmt; im RBeowulf v.455 ist Weland als geschickter
schmied vorausgesetzt, und dieser ruhm des kunstreichen ver-
fertigers ausgezeichneter waffen erhält sich bis lange in die
mittelenglische zeit hinein. Auf eine stelle aus dem liede von
Horn Childe und Maiden Rimenild aus dem 14.jh. hat schon
W.Grimm (DHS. s. 278) hingewiesen:
Than sche lete forth bring
A swerd hongand bi a ring
To Horn sche it bitaught:
It is the make of Miming
Of all swerdes it is king
And Weland it wrought.
Bitterfer the swerd hight
Better swerd bar never knight.
Ein zweites zeugnis aus dem Torrent of Portugal, einem
dem 15.jh. angehörenden gedicht aus dem nördlichen England
hat Zupitza, Zs. fda. 19, 129 mitgeteilt:
v.421 ff.: Have here my ryng of gold
My sword that so wylle ys wrowyt
A better than yt know i nowght
Within erystyn mold
Yt ys ase glemyrryng ase the glase
Thorro Velond wroght yt wase.
Dagegen scheint, der form des namens und der localisierung
der sage nach zu schliessen, Gottfried von Monmouth nicht aus
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 187
volkstümlicher englischer überlieferung geschöpft zu haben, son-
dern auf späterer entlehnung aus einer deutschen fassung zu
ruhen, wenn er in der Vita Merlini von Rhydderch erzählt:
Afferrique jubet vestes volucresque canesque
Quadrupedesque eitos, aurum gemmasque micantes
Pocula quae sculpsit Guielandus in urbe Sigeni.
Ellis, Specimens of Early Engl. Romance. 1, 77; vgl. W. Grimm,
DHS. s. 41.
Zweifelhaft ist, ob wir in dem aluise smidö Wygar in
Layamons Brut (ed. Madden) 2,463, der Arthurs brünne ver-
fertigt haben soll, einfach eine entstellung von Weland zu er-
kennen haben:
pa dude he on his burne
ibroide of stele
pe makede on aluisce smid
mid adelen his crafte
pe wes ihaten wygar
pe witege wurhte. |
Jedenfalls beruht der zusatz der letzten vier zeilen, welchen
Layamon in seiner französischen quelle nicht vorfand, auf irgend
einer englischen sage; kenntnis volkstümlicher tradition verrät
der verfasser auch sonst,!) z.b. v. 14902—15027 Madden 3, 356;
vgl. Jänicke, Zs. fda. 15, 314.
Auch im ersten der beiden Walderefragmente v. 2—4 wird
Weland als schöpfer des ausgezeichnetsten aller schwerter, des
Mimming, erwähnt; im zweiten sodann, v.4 ff, finden wir auch
Widia in die Wielandsage hineingezogen; es ist aber, falls
Koegels annahme, dass den bruchstücken ein deutsches gedicht
zu grunde liege (s. unten), richtig ist — und vielleicht spricht
gerade auch die form Widia gegenüber dem Wudza des Widsid
für eine deutsche quelle — schwer festzustellen, wie weit diese
verbindung auch in England volkstümlich war, da andere zeug-
nisse dafür fehlen. An den sagenhaften schmied Weland er-
innert sich ferner Alfred, wenn er in der übersetzung von Boe-
thius’ De consolatione philosophiae die worte des originals Ubi
1) Wülker, Beitr. 3, 551 f. scheint aber doch zu weit zu gehen, wenn
er in der schilderung des ringkampfes des Corineus mit dem riesen Goe-
magog und derjenigen des todes Arthurs erinnerungen an ähnliche scenen
aus dem Beowulf erkennen will. Die dort angeführten ähnlichkeiten sind
doch zu unbestimmt und allgemein, um wirklich beweiskräftig zu sein,
188 BINZ
nunc fidelis ossa Fabricii iacent widergibt durch Awer sint nu
bes wisan Welandes ban bes zoldsmibes be wes geo murost
(Grimm, DHS. s.29). Man mag damit jene stelle aus Alfreds
Orosiusübersetzung vergleichen, wo er von der gens Fabia
spricht: Mon het eall hiera cynn Fabiane, forbon hit ealra Ro-
mana cenlicost wes and creftezast. Diesem von Alfred von
sich aus ohne veranlassung durch die quelle gegebenen dunkeln
zusatz muss irgend eine falsche etymologie für Fabia zu grunde
liegen, die an /aber anknüpfte und so die in creftiz aus-
gedrückte vorstellung heraufrief, ein ähnlicher vorgang, wie
der, welcher sich in der ersetzung des Fabrieius durch Weland
äussert.!)
Aber nicht nur diese schriftlichen anspielungen auf die
Wielandsage besitzen wir in England, auch ein product der
bildenden kunst, das bekannte Clermonter runenkästchen,
das jetzt im Britischen Museum als ‘Franks’ Casket’ aufbewahrt
wird,?) gibt uns kunde von der beliebtheit dieses stoffes. Die
auf demselben widergegebene scene passt zu der in der Ve-
lundarkviöa bez. Deors klage erhaltenen form der sage; es
scheint jedoch, besonders nach dem bilde auf dem deckel, dass
hier auch schon Eigil, der treffliche schütze, eine rolle spiele,
darauf weisen die figuren der scene selbst hin und besonders
die überschrift Zzili über dem bogenschützen, die bis auf das
auslautende ö dem hochd. Zigil genau entspricht. Dann ist
diese einreihung des Eigil in die Wielandsage doch älter als
man gemeiniglich annimmt, denn das kästchen kann nicht
über das ende des 7. oder anfang des 8. jh.’s heruntergesetzt
werden. Das geht weniger aus der vermengung von römisch-
klassischer und germanisch-heidnischer sage hervor, die Brooke
mit kaum genügender begründung in die zeit des übergangs
vom heidentum zum christentum setzen möchte, als vielmehr
aus den sprachformen der runeninschriften mit ihrem ö für
späteres e in unbetonter silbe, eu für eo und dem im auslaut
erhaltenen u des nom. sing. von flodu.
Eine durchforschung der altengl. namen bestätigt nur die
aus den andern zeugnissen gezogenen schlüsse. Die namen
1) Vgl. Schilling, Zlfreds Orosiusübersetzung (Leipz. diss.) 8. 34.
2) Literatur darüber bei Wülker, Grundr. 8.356 f. Brooke, Early Eng].
Lit. 1,84. Runentext bei Sweet OETT. 8.126 f.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 189
Niöhad und Beadohild sind freilich nicht mit völliger sicher-
heit als unenglische, nur aus deutschen anglisierte zu bezeichnen;
aber die wahrscheinlichkeit dieser annahme ist doch gross, da
im englischen Niö- als erster bestandteil von namen fast un-
gebräuchlich ist, während es im deutschen häufig verwendung
findet; ich kenne ausser Niöhad nur noch einen Niömund minister
a. 854. Bi. 2, 468. 469. 470. Had kann nicht einem deutschen -had
entsprechen, dieses wird im englischen im zweiten gliede aus-
nahmslos durch -hep vertreten; es bliebe somit nichts übrig als
-häd anzusetzen = ahd. -haid, -hait; ein solches -rRad wird durch
doppelschreibung des vocals als lang bezeugt in Uuighaad’ a. 762.
Bi. 1,193, zu dem vielleicht auch der Zada des LV.258 zu
stellen ist. Dem stehen aber zwei schwierigkeiten entgegen:
erstens gelten die namen auf -haid in den andern germanischen
dialekten nur von femininen (wobei freilich nicht ausser acht
gelassen werden darf, dass im englischen allein die appella-
tiven composita auf -had ebenfalls masculin sind), und zweitens
wird das einzige unzweifelhafte beispiel für -Räd, eben jener
Uuighaad’, dadurch unsicher, dass die urkunde, in welcher es
vorkommt, nur in einer jüngeren abschrift erhalten ist. Am
einfachsten lösen sich diese bedenken durch die annahme auf,
dass eben Niöhad überhaupt kein englischer, sondern der
deutsche, ganz unverändert herübergenommene name sei; er
ist übrigens im englischen sonst für personen ebensowenig ge-
bräuchlich als Beadohild. Bei Beadohild kann jedoch der
mangel an belegen auf zufall beruhen, da sowohl beadu- als
-hild sonst gerne zur namenbildung benutzt werden.
Sind also Niöhad und Beadohild erst aus deutscher sage
bei den Angelsachsen bekannt geworden, so zeigt uns dagegen
die grosse verbreitung der namen Welund und #zel in orts-
bezeichnungen, dass diese beiden gestalten auch bei den Ger-
manen Englands auf höheres alter anspruch haben. Die zeug-
nisse sind folgende: be eastan Welandes smiödan aus dem Jahre
955: vgl. Müllenhoff, Zs. fda. 12,263 f. W.Grimm, DHS. s. 323
no.170. Ein früheres zeugnis findet sich in einer urkunde aus
Bucks: andlanz eadrices zemare P on icenhylie, andlanz icen-
hylie ob bone haedenan byrzels, banon on cynzes strat, up and-
lanz strete on Welandes stocc ... a.903. Bi. 2,603. Ferne zu
halten ist dagegen der oft belegte flussname Weland, z.b. a.833.
190 BINZ
Bi. 1,409; a.851. Bi. 2,461; a. 948. Bi. 3,872. Als personenname
tritt Weland noch am ende des 12.jh.s auf: Henr. Say. versus
Weland et Albredam uxorem eius in Lincoln a.1199. Palgrave
Rot. 1,299; Johannes Weland ib. 1,222; terram Ricardi Wai-
land, Wayland Registr. Malmesb. 2, 212.213; Aüs testibus: Wil-
lelmo le screveyn, Adam le chaumberleyn, Willelmo Welond, Gal-
frido de Finemore ... ib. 2,227. Als zeugnisse für ÄEzel notiert
Kemble, Sachsen in England 1, 348 f. Zglesbyrig, Aglesford,
Egleslona, ZHgleswurd, #Kgleswyl, Äglestone. Meinen eigenen
sammlungen entnebme ich noch die folgenden: Ziüesberge (De-
von) DomB. 1,108°; Zglosberrie (Cornwall) ib. 1,121°; Zogles-
cliff (Yorks.) Hope, Dial. Place-Nomencl. 8.27; et Hlesforda
a. 972. Bi. 3, 1289; Zilesford DomB. 1, 173°; Aylsham (Hertfords.)
Hope 8.6; Zglesham (Oxf.) DomB. 1,108°; Eglinham (North-
umberland) Hope s.27; Zgleslona (Worcest.) a. 969. Bi. 3, 1235;
diglestorp und Aighelestorp (Lincoln) DomB. 1, 358°. 368°; A4iles-
ton (Leicest.) DomB. 1,231®, 237°; Zglestun (Yorks.) Domb. 1, 301®;
Kgzlesuullan broc (Oxf.) a. 958. Bi. 3, 1086; Zzleswurde a. 972.
Bi. 3,1281; Zzleswurö a. 948 (Northampt.) Bi. 3, 871; Zilesuurth
a.972. Bi.3,1280; Zglesworde DomB. 1,221*-®; Elesworde (Grente-
brig.) DomB. 1,192P. 197%, 199° (vgl. J. Grimm, Mythol. s. 314).
2) Welsungensage.
W.Grimm, DHS. 3. 14—16. — Müllenhoff, Die alte dichtung
von den Nibelungen: 1. Von Sigfrids ahnen. Zs. fda. 23, 113— 173. —
Sijmons, Pauls Grundr. 2,1,23f. — Koegel, Lit.-gesch. 1, 172—175 ff.
Der verfasser der episode des Beow. v. 806 ff., welche die
einzige directe anspielung auf die Welsungensage in England
enthält, besass nur eine verschwommene kenntnis dieser sage,
das beweist vor allem die übertragung des drachenkampfes
von Siegfried auf Siegmund. Daraus, wie aus dem fehlen
weiterer zeugnisse, scheint hervorzugehen, dass die Welsungen-
sage in England nicht eigentlich populär war. Zwar finden
wir die namen der haupthelden und ihres geschlechtes auch
dort verbreitet, aber gerade derjenige unter ihnen, dessen vor-
kommen den zweifellosen beweis für die verbreitung der sage
böte, Fitela, ist nicht sicher nachweisbar. Die belege für
die namen sind folgende:
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 191
Walsinzaham a.1055. K.6,1339 1); Walsingham (Norf.) DomB.
2,254°-b; Walsingaham ib. 2,233° nnd alia Walsingaham ibid.,
Walsingeham magna ib. 2, 258°; Walsingham a. 1348. Sharpe,
Calend. of Wills 1,506; Walsyngham a. 1351. ib. 1,658. Als per-
sonenname dagegen lässt sich Welsinz im gegensatz zum deut-
schen Welisunc im englischen kaum belegen; nur einmal im
anfange des 13.jh.'s stossen wir auf einen Walessi, der aus
Walsing, Welsinz verdorben sein könnte, um so eher als die
ihn umgebenden namen fast alle in der heldensage nahe zu-
sammen gehören: LV. p.51 Siguit Fin Borbern Olfin Walessi
Olh Gunner Seuride; vgl. unter Nibelungensage s. 203.
Zwei Sizmund führt der gleiche LV. (Sweet) 166. 250 auf,
der name ist durchaus nicht selten, ich begnüge mich mit
wenigen weiteren beispielen, die mir gerade zur hand sind:
Sizemund zeuge a. 837. Bi. 1, 417; a. 844. Bi. 2, 445; a. 858,
Bi.2,496; Sizgemund presbyter a. 867. Bi. 2, 516. Es ist nicht
mehr als zufall, wenn in verschiedenen urkunden Sigemund und
Sizefreö neben einander vorkommen, z.b. 2.831. Bi. 1,404; a. 867.
Bi.2,516. Denn size- dient sowohl als erstes wie als zweites
glied sehr häufig zur namenbildung und oft sind verschiedene
mit Size- beginnende namen in der gleichen urkunde vor-
handen, z.b. Sizefreö und Sizuulf a.889. Bi. 2,558; Sizemund
und Sizenod a. 844. Bi. 2,445; Sizferö und Sizric K.4,956. In
ortsnamen deutet Sigemund vielleicht auf den berühmten Welsung
zurück: Simondesberg (Dorset) DomB.78°; Simondeshale (Gloucest.)
DomB. 163°; Ricardus de Northhavene rector ecclesiae de Symon-
desberghe Regist. Malmesb. 2,419; Simondesberge Exon. DomB.36.
Nicht weniger gebräuchlich ist Sizeferd, Sizfrith, bei-
' spiele s. oben unter Finnsage s.184. Fitela dagegen ist nicht
sicher nachweisbar. Einen Fitellus, der vielleicht auf eine
starke form fitel (vgl. abd. Fezzil Piper, Libr. confr. 2, 397, 21. 28;
Ficili ib. 2, 472,11) zurückzuführen ist, nennt das Exon. DomB.
354. 357.380, einen mit ihm offenbar identischen Vitel, dessen
v im anlaut statt f normannischem oder südenglischem einfluss
entsprungen sein könnte, ebenda 408, einen Simon (= Simund,
Sigemund?) Vitulus Boldon book 566. In Wilts liegt Viteletone
DumB. 72, ebenda Vitel tenuit t.r. E. et geldabat pro X hid.,
1) Müllenhoff, Zs. fda. 12, 288.
192 BINZ
in derselben landschaft ein filelan slades crundel a.934. Bi.
2, 705.1) Robertus de Fiteling, Fitling findet sich in den jahren
1194 und 1199 bei Palgrave Rot. 1, 41.278. Mit Viteletone ein
Fitentone (Gloucest.) DomB. 163*®, Fitintona Exon. DomB. 411,
Fittinztun a.1006. K.3, 716, Fyttizmor K.6, 1359 zusammenzu-
stellen, geht nicht an, trotzdem bei Fitentone in Gloucest. die
nähe von Simondeshale dazu verlocken möchte.
Es fehlen uns also untrügliche zeugnisse für die Wel-
sungen-Siegfriedsage in England. Nach einer mitteilung von
Brooke?) wäre aber diese lücke nun ausgefüllt durch die auf-
findung der bisher vermissten vierten seite des bekannten
Runenkästchens, welche die darstellung einer scene aus der
Siegfriedsage enthalten soll. Leider ist es mir nicht gelungen,
näheres über die richtigkeit dieser notiz in erfahrung zu bringen.
3) Hildesage.
Müllenhoff, Zs. fda. 12,314; Frija und der halsbandmythus, ebd.
30, 217—260. — Beer, Zur Hildesage, Beitr. 14, 522—572. — W.Meyer,
Zur Hildensage, Beitr. 16, 516 —532. — Sijmons, Pauls Grundr. 2, 1,
51—56.— Koegel, Lit.-gesch. 1, 169—172. — W.Grimm, DHS. s. 329 f.
— Müllenhoff, Beov. 8.106 f.
Auch für die Hildesage bietet der Widsiö das älteste zeug-
nis in v.21f.:
Hazena (weold) Holmryzum and Heoden Glommum,
Witta weold Sw&fum, Wada Hzlsinzum
mit einer verschiebung des älteren locals der sage an der Nord-
see in den unıkreis der Ostsee.?) Anspielungen auf eine jüngere
form der überlieferung, die aber teils wegen verstümmelung des
textes, teils wegen ihrer kürze schwer zu deuten sind und bis
jetzt noch keine allgemein anerkannte auffassung gefunden
haben, enthält des Sängers klage v. 14--16 und v.35—41. Ich
gehe hier nicht näher auf diese dinge ein, sondern wende
mich gleich zur betrachtung der in den eigennamen liegenden
zeugnisse.
In den ältesten urkunden erscheint widerholt ein Hazona:
sign. man. Hazona a.676. Bi. 1,42; siyn. Hazani a.679. Bi. 1, 45;
ı) Müllenhoff, Zs. fda. 12, 307.
2) Hist. of Early Engl. Lit. 1, 84.
s) Koegel, Lit.-gesch. 1, 169.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 193
Hazuna abbas a. 692. Bi. 1,78; Hazona presbyt. et abbas a. 692.
Bi. 1,81; a. 693. Bi.1,82; a. 695. Bi. 1,87; Hazona abbas a. 696.
Bi. 1,89; Zazana a. 697. Bi.1, 97.98; a. 699. Bi. 1,99; sign. Haze-
nan a. 701. Bi.1,102; Hazona abbas a. 704. Bi. 1, 108. Dann
findet sich lange zeit dieser name nicht mehr, erst im 11.jh.,
vielleicht unter fremdem einfluss, taucht er wider auf: Hago
seu Hagonus prepositus regis (Norf.) DomB. 269°; Radulfus Ha-
gonis filius ib.270, filius Hagana ib.2,372. Beide sind nor-
mannischen ursprungs verdächtig, der erste schon wegen seiner
stellung, der zweite wegen des unenglischen namens seines
sohnes. Andere beispiele aus dem Domesd. Book sind noch:
Hagana Norf. 205; Hagana liber homo Norf. 121®; Ulricus Hayana
Suff. 434°; Hagane Norf. 173; Hagane tegnus regis Norf. 130%;
Hagene Herefords. 186. Ein Engländer (oder Skandinavier?) ist
der Hagano bei Piper, Libr. confr. 2,577. wie aus den ihn um-
gebenden namen erhellt: Colpi Zurgils Hagano Azor Gundau
Damian Askatala. Einen andern Hagene treffen wir im anfange
des 13. jh’s im LV. p. 56: Zodbertus Willelmus Rogerius Hagene
Dunecan Gillepatric Ulfkill. Angesichts der normannischen heimat
der drei vorhergehenden namen wird man sich freilich fragen
müssen, ob in diesem Hagene ein aus altenglischer zeit ver-
erbter name vorliege oder nicht vielmehr eine jüngere ent-
lehnung vom festlande her. Dürfte man annehmen, dass Hagene
mit seinem nachbarn Rogerius in näherer beziehung gestanden
hätte, so möchte man in diesem zusammentreffen eher einen
beweis für die verbreitung der Nibelungensage, wenigstens in
normannisch-englischen kreisen, erkennen. Da aber für diese
annahme kein genügend sicherer grund vorhanden ist, so wird
man sich mit einem hinweis auf die möglichkeit einer beein-
flussung durch die kenntnis der Nibelungensage begnügen
müssen. |
Auch ortschaften sind mehrfach nach Hildens vater be-
nannt: in einer grenzbeschreibung vom jahre 970 ... swa ford
on deofford and bannon on halizwylle on healdenes ho, of bem
ho on pottaforda on hazene forda bryzze, of hazene forda
bryzze on hore wade (Suff.) Bi. 3, 1269, vgl. Haynford in Norfolk.
Im jahre 785 verleiht Offa an Eadbeorht und seine schwester
Seleöryö land in Kent in locis qui dicitur Joccham et Perham-
stede ... ad porcos alendos in his locis dunuualing denn, sand-
"Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 13
194 BINZ
hyrst, suiöhelming deenn ... et aliud inter torrentem heoratburnan
et hazanan treae Bi.1,247, und im jahre 791 schenkt der
gleiche könig der Christuskirche in Canterbury land in der-
selben gegend ... ad pascua porcorum in hüs locis Dinuualinz-
den, Sandhyrste, Suilhelminzden ... et aliud inter torreniem
nomine northburnam et Hazenatreou Bi.1,263. Hagenebi in
Lincolns. DomB. 1, 351°. 359P verdankt seinen namen, wie das
zweite compositionsglied verrät, erst den dänischen eindring-
lingen. Ausserdem finden wir im DomB. noch Hagenepend
(Gloucest.) 167° = Hagepine ib. 164; Haganaworda in Norfolk
2,179°, 184%; Hageneuuorde in Yorks. 1,328?’ und da auf der
gleichen seite auch Heldetune vorkommt, sind wir wohl be-
rechtigt, in diesem zusammentreffen beider namen einen voll-
giltigen beweis für die verbreitung der Hildesage in Yorkshire
zu erblicken.
Der name der Hild ist selten; mir ist nur eine frau dieses
namens, die berühmte äbtissin, bekannt; doch hat er sich öfter
in ortsnamen erhalten: 0a landzemeru Öes londes et Cetwuda
& el hildes duna (Bucks) a. 949. Bi. 3, 883; ... of fulan forda
on hildes ford, of hildes forda on hildesleze nordewearde
of sole zet, of solezet to brynes cnolle ... (Devon) a. 965. Bi.
3,1323; Rogerus de Hildesham (Sufl.?) Palgrave Rot. 1, 288;
bes landes zemere ol Cumlune; oeresi of hriczweze on bel wide
zeat ... on Aepbelmes hlinc ... on ba readan dic andlanz bere
dic on hildes hlemw, of hildes hlewe on blec pytt ... on
wide zeat be eastan welandes smiödan (Berks) a. 955. Bi. 3, 908;
. andlanz lace into halzan broce, andlanz broces Io halzan
welle ... of brim zemerum on eczan croft ... andlanz wyritru-
man on Hildes hlew, of Hildes hlemwe on done stan (North-
ampt.) a. 978. K. 3,621; ZHillesiau (Berks) DomB. 57®. 58°. 59*-b,
61®. 62°, 630 = (?) Hildeslei ib. 58°. 62°; Hildeslei (Gloucest.)
DomB. 169°; in Southampton Hildan hlew a. 909. Bi. 2, 624;
a. 955. Bi. 3,905; Ayldan hlef a.909. Bi. 3,1051; Ayldan hlew
a. 961. Bi. 3, 1080; a. 964. Bi. 3, 1144. Die localisierung der sage
in Yorkshire haben wir schon unter Hazona erwähnt, ausser
Heldetune DomB. 1, 301° und Aeldetona ib. 1, 328? = (?) Hiltona
ib. 1,299», 332®, Ziltune 1, 300°. 305® existieren in dieser graf-
schaft noch Zildegrip ib. 1,323° und Hildingestei ib. 1, 300%.
Einen frauennamen Hagenild, der mit seiner zusammen-
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 195
setzung aus dem namen von vater und tochter der Hildesage
seine entstehung zu verdanken scheint (vgl. jedoch Förstemann
1,577 die mit Hagan- beginnenden namen), finden wir in LV.:
Ricard Uctred Haganild Maald Aectreth Gunnild p. 32 und
Edred, Hagenild uxor eius, Aldith filia eius, Luuilh maler eius,
Arnmer frater eius ib.p.50 aus dem 13. jh.
Heoden begegnet als personenname in urkunden nur ein
einziges mal in der form Hedyn presbyter im verzeichnis der
freilassungen von St. Petroc K.4,981; später noch einmal im
12. oder 13. jh. im LV. p. 79: Herebertus Oregia Aetheloldus
Hereuuord Willelmus Godricus #Kogelricus Hedne KHfriö Arn-
wine. Vielleicht ist auch der mönch Zedan des klosters Ebers-
heim (beute Ebersmünster) bei Schlettstadt, Piper, Libr. confr.
2,233, 9 ein Engländer, wenigstens steht in seiner nähe auch
ein Zunberht, und mit Tun- componierte namen sind.ja sonst
durchaus auf England beschränkt.
Aus früherer zeit besitzen wir dagegen einige Zeugnisse in
ortsnamen. In der grenzbeschreibung eines landstückes bei
Nutseilling (Hants) aus dem jahre 877 heisst es: ... Öonon
andlanz fliotes on boddinzmed, donon on boddanstan, donon ut
on aclieh,.... Donon on heslea on Öere byri hyrne, Öonon ut on
hedenes dene sud ut on det hliö zet Bi. 2,544. Ob der name
Hedensford in Staffords., wie Haigh s. 105 will, hieher zu ziehen
ist, scheint wegen der heutigen dialektischen aussprache als
Hechford, Hedgeford!) fraglich. In Worcester finden wir ein
Heodenes scaza in einer gegend, die sich durch eine fülle von
erinnerungen an berühmte, namentlich mereische helden aus-
zeichnet, vgl. die grenzbeschreibung ... deinde in ceolferdes mor,
öcet ymbe ceolferdes ecer utan det ufan in cnolle ... Oonan
in heodenes sceazan fore weardne andlanz riözes, swa in Öa
twislihtran biricean be sudan Coenberhtes zrefe, Öet ufan be
eamban erne ... a.849. Bi.2,455. Unsicher oder geradezu un-
möglich ist dagegen zusammenhang mit der Hildesage in hede-
nan mos in Staffords. a.975. Bi. 3, 1312 und in HAednebi (Ro-
bertus de Hednebi Palgrave Rot. 1, 145), neben dem auch Hau-
denebi ib. 1,401 begegnet.
Der name des helden lautet in der oberdeutschen sage
ı) Hope, Dial. Place-Nomencl.? 8. 35.
196 BINZ
bekanntlich Zetele; es hat nun ganz den anschein, als ob später
eine neue einführung dieses stoffes in England vom festland
her unter dem auch in Öberdeutschland wirksam gewordenen
einflusse stattgefunden habe, wenn im LV. ein name sich nach-
weisen lässt, den man kaum anders wird auffassen können:
Albrea ei Agnes Thomas Alanus Henricus Haitele Helkene Adam
de Astinges LV. p.110. Die zeit dieses eintrages lässt sich
nicht genau bestimmen, darf aber wegen des charakters der
handschrift und der namen nicht früher als in das 13., wahr-
scheinlich eher in das 14. jh. gesetzt werden. ai für e kann
normannisierende schreibung sein:!) und dass Haitele dem
deutschen ZHetele gleichzusetzen sei, wird bestätigt durch den
daneben stehendeu namen HAelkene, der nichts anderes sein
kann als ein niederfränkisches oder niederdeutsches Hildeken;
beide namen zusammen geben also ein sicheres zeugnis für
eine spätere, nicht auf altenglischer tradition, sondern auf frem-
dem einfluss beruhende verbreitung der Hildesage.
Nicht beweisend für ein solches zweites aufblühen der
sage ist der ortsname Hegelinge (Nottinghams.) DomB. 1, 283°;
Hegelinge, Heghelinge (Lincolns.) ib. 1, 342, 339®; Hezlinzaiz und
io Hezlingaizze a. 956. Bi. 3,979; «et Heiincize ib.3,980; a. 1053.
K. 6, 1337 (Southampt.), da er echt englische ableitung von
einem deminutiv zu einem namen wie Heza (marisci quos Heza
ante abuerat a. 858. Bi. 2,496) sein kann.
Schon im Widsidö ist auch Wada in die Hildesage ein-
getreten; dass er schon frühe eine bei den Angelsachsen be-
liebte figur war, beweisen verschiedene personen- und orts-
namen: er scheint ursprünglich ein mythisches wesen, ein
meerriese, und bei den seeanwohnenden Germanen an der Ost-
see — darauf deutet die localisierung des Widsid bei den Hz&l-
singen — zu hause gewesen zu sein. Diese mythische natur
schimmert noch im 14.jh. aus den anspielungen Chaucers her-
vor; denn so lange hat sich das andenken an ihn erhalten:
ausser Weland ist Wade der einzige altgermanische heros,
dessen gestalt über die normannische eroberung hinaus leben-
dig geblieben ist. Von den beiden stellen, in denen Chaucer auf
Wade anspielt, befindet sich die eine im Merchaunt’s tale v. 9297:
ı) Vgl. Diez, Gramm. s. 340. Ellis, Early Engl. Pron. 2, 431
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 197
And eke these olde widewes, god it wote,
They connin so much crafte in Wadis bote,
die andere in Troilus und Cressida 3, 615:
He songe, she playde, he tolde a tale of Wade.!)
In der Auchinleck- und Staffordhs. des Sir Bevis of Hamtun
erfahren wir von einem kampfe Wades gegen einen drachen,
einer episode aus seinem leben, die uns sonst nirgends be-
richtet wird und von der es kaum einem zweifel unterliegt,
dass sie nicht einen alten bestandteil der sage bildet, sondern
dem einfluss der spielmannspoesie entsprungen ist:
After Josianis cristing
Beues dede a gret fighting,
Swiche bataile ded neuer non
Cristene man of flesch and bon,
Of a dragoun thar beside
That Beues slough ther in that tide:
Saue Sir Launcelot de Lake,
He faught with a fur drake,
And Wade dede also
And neuer knightes boute thai to
And Guy of Werwick ich understonde
Slough a dragoun in Northumberlonde.?)
Und noch später, in der vorrede zu der metrischen übersetzung
des Guido von Colonna, findet Wade einen platz in einer um-
fangreichen liste sagenberühmter helden:
Many speken of men that romaunces rede
Of Bevys, Gy and Gawayne
Of Kyng Rychard and Owayne
Of Tristram and Percyvayle
Of Rowland ris and Aglavaule,
Of Archeroun and of Octavian
Of Charles and of Cassibelan
Of Baveloke, Horne and of Wade
In romaunces that of hem bi made.?)
Ausserdem findet sich nach Warton, History of Engl. Poetry
2,123 noch eine anspielung auf ihn in der metrischen Morte
Arthure, die wol mit der von Detter und Heinzel (Beitr. 18, 156)
ı) Müllenhoff, Zs. fda. 6, 76.
%) Weber, Metrical Romances 3, 313.
s) Vgl. Müllenhoff, Zs. fda. 6, 67.
198 BINZ
aus Malorys Morte d’Arthur ed. Sommer 1,225 citierten iden-
tisch ist: For were thou as wygte as euer was Wade or Laun-
celot, Trystram or the good knygte syr lamaryk, thou shalt nol
passe a paas here thal is called Ihe paas perillous.
Das älteste zeugnis von den namen bietet die örtlichkeit
Wadanhlemw: ... el sic in locum qui dicitur bebbes ham, inde
in pontem thelbrycz et sic ad aquilonem jJuxta palustria loca,
super haec ad locum qui dicitur hylsan seohtra et sic ad orientem
in uuoermundeshamm, hinc in uuadan hleu, ab illo loco in fisc
mere et sic in brynes fleot a. 680. Bi.1,50.1) Wadan beorzas
eitiert Müllenhoff a.a.o.; auf die Öffnung im Römerwall in
Northumberland, die Wades gap heisst, hat er schon früher
hingewiesen (Zs. fda. 6,65); ausserdem finden wir noch ver-
schiedene beispiele, besonders im Domesday Book: ... in oncyt
on Beazildestoc norb, bonon on Wadancampe estweardne; bonon
norb lo Bedesdene; forb be Bedesdene to Bedesseabe, bonon on
bone zaran ufeweardne of bam mwaranford a.901 in Hants Bi.
2,597. Wadafeste Exon. Dom. 212; Wadefeste (Cornwall) DomB.
123°. Wadeham Exon. Dom. 449; (Devons.) DomB. 118». Wa-
dingeham (Lincolns.) DomB. 1, 338%. 359°, 369°. 371°. Wadehelle
(Bedfords:) DomB. 1,215®; Wadelle ib. 1,211°. Wadenho (North-
ants) DomB. 1, 220%. 221b; Johannes de Wadenho Palgrave Rot.
1,303. Wadestan (Devons.) DomB. 107°; Exon. Dom. 278. Wa-
dintune (Lincolns.) DomB. 1, 349%; 363°; Wadetune (Hereforde.)
DomB. 184°. Elias de Wademurth Palgrave Rot. 1,298. Wading-
urde (Lincolns.) DomB. 1,359; mit doppeleonsonanz on Wad-
danize a. 901. Bi. 2,596; a. 904. Bi. 2,604. Waddanstoc a. 1004.
K.3, 713; a. 1045. K. 4, 776.
Aber auch für personen bleibt der name Wada während
der ganzen altenglischen und bis in die mittelenglische zeit
hinein in lebendigem gebrauche: Uada LV. (Sveet) 14. 173. 326;
ego Wada miles a. 709. Bi. 1,124; manus Wadan a.755. Bi. 1,181;
Wada minister a.1005. K. 3, 714; Wada miles a. 1012. K. 3, 719;
Wade miles Eadwardi regis a.1054. K.6, 1338; Wada et Eyelric
DomB. (Dorset) 80°; Wade ib. 84; (Herefords.) 185°; (Derbys.)
2765; (Nottingham) 285%. 290°; Wado (mit normannischer schrei-
bung?) DomB. (Wilts.) 74; (Somers.) 92; (Devons.) 105. 105%.106®;
2) Müllenhoff, Zs. fda. 12,317.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 199
Thorulf Sungeoue Thora Wada Goda Windilgerus Osgod im
12. jb. im LV. p.6; Wade Palgrave Rot. 1, 280. 285.377; Wülel-
mus filius Wade a. 1199. Palgrave Rot. 1,412; Wade als familien-
name bei Sharpe, Calend. of Wills 1,130. 192 (a. 1297 ete.);
Adam de Bandone nephew of Adam Wade ib. 2,212; ausserdem
noch ein Wadda presb. a. 688. Bi. 1, 72.
Für die annahme, dass auch in England die weitere aus-
bildung der Hildesage zur Gudrunsage bekannt gewesen sei,
gewähren uns die literarischen quellen keinen anhalt; auch
andere zeugnisse sind nicht beizubringen, nicht einmal der
name der Gudrun scheint in England bekannt gewesen zu
sein. An der einzigen stelle, wo ich Guihrun habe finden
können, ist es überaus zweifelhaft, ob überhaupt ein frauen-
name vorliegt; wahrscheinlich haben wir dort den nordischen
namen Guthrun = Guthrum = Guihorm vor uns: Rodbert Alnolh
Guthrun Turkillus Hauc Euretha Thorger Siwin im 13.jb. LV.
p. 48. Nicht minder fraglich für eine englische trägerin dieses
namens ist das zweite beispiel Piper, Libr. confr. 2, 676, 16
Gundrun mitten in einer gesellschaft von meist nordisch-eng-
lischen personen, unter denen noch einige andere berühmte
namen vertreten sind: Gotlint 2, 675,1, Gunthere 2,676, 3, Estrid
2, 676,4; Haldan 2,676,4 und Aarand 2,676, 1, an den Horant
des Gudrunliedes erinnernd, den Deors klage als Heorrenda
kennt, ohne dass sich sonst eine spur dieses namens nach-
weisen liesse. Auch Herwig kommt erst nach der normanni-
schen eroberung auf und ist offenbar erst epät von eingeborenen
Engländern adoptiert worden: Alicia filia Herevici Palgrave
Rot. 1,36; Hervicus und Herveus de Berton ibid. 1,237. 276. 283
uud oft. Später wird es zum familiennamen Hervi (heute Har-
vey?): Simon, William, John Hervi Sharpe, Calend. of Wills
1, 100.585; John, Johanna, Juliana Hervy ibid.1, 16.
4) Hug- und Wolfdietrichsage und Hartungensage.
Müllenhoff, Die merovingische stammsage, Zs. fda. 6, 430—435;
ders., Die austrasische Dietrichsage, ebda. 6, 435—459; ders., ebda. 11,193.
12, 344—354; ders., Das alter des Ortnit, ebda. 13, 185—192; ders., ebda.
30, 238—244. — Heinzel, Anz. fda. 9,251. — Sijmons, Pauls Grundr.
2,1, 8.34—40. — Koegel, Lit.-gesch. 1, 124.
Widerum ist es der Widsiö, der uns von der verbreitung
der fränkischen Dietrichsage unter den Angelsachsen kunde
200 BINZ
gibt in v.24 Peodric weold Froncum und v.115 Seccan sohte ic
and Beccan, Seafolan and Beodric. Der erste Deodric ist Hug-
dietrich, d.h. der Franke Dietrich; diese epische bezeichnung
der Franken bewahrt auch noch Beow. v.2502 Dezhrefn Huza
cempa. Seafola und Peodric des v.115 entsprechen zweifellos
dem Sabene und Wolfdietrich der deutschen sage, ihr platz in-
mitten des innweorod Eormenrices erscheint zwar auffallend,
aber doch als pendant zu dem paare Secca und Becca (= an.
Bikki) erklärlich.!) Wenn es nun erlaubt ist, aus der mehr
oder weniger grossen seltenheit der namen auf ein geringeres
oder bedeutenderes mass von beliebtheit einer sage zu schliessen,
so darf man dieser fränkischen Dietrichsage keine sehr tief-
gehende popularität bei den Angelsachsen zuerkennen, denn
von allen mit derselben zusammenhängenden namen begegnet
fast keiner wider ausser dem einem ehemals besondern, alten
mythus angehörenden des geschlechts der Hartunge, ae. Hear-
dinzas. Ob der name Deodric da, wo er vorkommt, bekannt-
schaft der fränkischen oder gotischen Dietrichsage voraussetzt,
wird sich kaum entscheiden lassen; für die Angelsachsen läge
die erste annahme näher, da der Frankenkönig Theodrie, bez.
dessen sohn Theodbert, als vernichter des Hyzelac im kreise
der historischen Beowulfsage eine gewisse rolle gespielt haben
wird, und da andrerseits die gotische sage von Dietrich von
Bern in England sich nur einer geringen verbreitung erfreut
zu haben scheint. Der name Peodric ist bei den Angelsachsen
ungemein spärlich vertreten: in den urkunden des südens er-
scheint er nur einmal für einen bischof Teodoricus a. 939. Bi.
2, 737, nur in Northumberland und in späterer zeit, vom 11.jh.
an, finden wir ihn in einiger verbreitung: Z’heodric in der nord-
humbr. königsliste, Sweet OET.148, 3, und viermal im LV. (Sweet)
79.116. 212. 354. Dass der name aus Deutschland entlehnt sei,
ist deswegen nicht unmöglich, weil sonst in England bildungen
mit T'heod- fast ganz unbekannt sind, während die continen-
talen dialekte eine reiche entwickelung derselben aufweisen.
Darum halte ich es auch für wahrscheinlich, dass das häufigere
auftreten des namens im Domesday Book normannischem ein-
1) Anders, aber für mich nicht überzeugend, Heinzel, Ostgot. helden-
sage 8.8f,
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 201
fluss zugeschrieben werden muss: pro me Theodrico monetario
a. 1084. Registr. Malmesb. 1,328; Theodricus aurifaber (Berks)
DomB. 63; Teodricus aurifaber (Surrey) DomB. 31P; (Oxf.) 160P;
Tedric, Tedricus (Essex) DomB. 86; Teoddricus (Suff.) ib. 342b;
Teodericus (Suff.) ib.427; Teodric (Somerset) ib.92P; (Derby) 275»;
mansio que vocalur terra ledrici quam tenuit tedricus Exon. Dom.
897; Tedrices ham (Hereford) DomB. 134°.
Häufiger ist der name der Hartungen!), aber nur der
geschlechtsname, nicht der eines einzelnen gliedes desselben.
Im LV. (Sweet) 333 begegnet ein Herdinz; im jahr 1051 und
später lernen wir aus Kemble 4, 795 einen Hardyngus faber
kennen, der auch im Domesday Book von Winchester 537 als
Hardigus faber wieder zum vorschein kommt, Herdig’ faber ib.
549; Herdig’ Brachiatus ib. 545; Herdingus ib.560; Herdingus
reginae pincerna a. 1062. K. 4, 813; Heardinc Eadnodes sunu
K.4,897; Hardinc Exon. Dom. 74. 158. 454.455; Hardincus ib.
9,456; H. füius Elnodi ib.453; Hardingus filius Alnodi ib. 489.
DomB. (Somerset) 98°; Hardingus ib. 3.4.15.16. 73.481; Har-
dinus ib.71; Harding DomB. (Wilts) 67.68». 74; (Dorset) 82b;
(Somerset) 90®; (Leicest.) 231®; (Warwicks.) 239; Hardinc (Suff.)
ib.404®; Hardingus (Wilts) ib.69; (Suff.) ib. 333P; Zerding (Berks)
ib. 63°; (Bucks) ib. 153; Herdinc (Hants) ib. 43; Heardingus im
13.jb. im LV.s.54, ein zweiter Heardingus ib. s.55; Adam Har-
ding Registr. Malmesb. 1, 23. 264; 2, 288.353; Henricus Harding
ib. 2,133; John, Robert, William Harding ib.; Willielmus Harding
Palgrave, Rotuli 1,236; Cecilia Harding etc. Sharpe, Cal. 1, 44.
45 etc. In dieser zeit ist freilich schon lange die erinnerung
an die sage erloschen, nur der name lebt noch fort: er erhält
sich auch in einigen ortsnamen: Hardyngham (Norf.) a. 1352.
Sharpe, Cal. of Wills 1, 667; Hardyngesthorn ib. 1, 668; tenemen-
tum in Hardinghorü Palgrave, Rotuli 1, 452; Hardington und
Herdington in verschiedenen grafschaften, Hardingestorp (North-
.ampt.) DomB,. 1, 219%,
5) Iring- und Irmenfriedsage.
J.Grimm, Mythologie * s. 297 ff.; Nachtr. 107”.— W.Grimm, DHS.
401 f. — Sijmons, Pauls Grundr. 2,1, 8.32. — Koegel, Beitr. 16, 504;
Lit.-gesch. 1, 124 ff.
ı) Vgl. auch v. 70 des Runenliedes: Bus (Ing) Heardingas bone
heele nemdun. j
202 BINZ
Von dieser thüringischen sage besitzen wir bei den Angel-
sachsen nur noch ganz geringe spuren, die auf einen mythus
von Iring zurückdeuten, in den glossen Jrinzes uuec und
Juuaringes wez als bezeichnung für die milchstrasse. Ausser-
dem heisst noch ein cleriker /urinz im LV. (Sweet) 199. Im
Widsiö werden zwar die Thüringer zweimal erwähnt (v. 30
Wald [weold| Woinzum, Wod Dyrinzum und v.64 Mid Byrinzum
ic wes and mid Prowendum), aber ohne die leiseste spur einer
anspielung auf diese sage.
III. Burgunder- und Nibelungensage.
Müllenhoff, Zur geschichte der Nibelungensage, Zs. fda. 10, 146
—180; Die alte dichtung von den Nibelungen, ebda. 23, 113—173;, Beo-
vulf 8.104ff. — Heinzel, Ueber die Nibelungensage, Wiener SB. 109,
671—718; Anz. fda. 15, 168. — Detter, Beitr. 18,81.— Sijmons, Pauls
Grundr. 2, 1, 22—34.
Dass den Angelsachsen sagen von historischen Burgunder-
königen bekannt waren, wird man den zeugnissen des Widsid
(v. 19. 65—67) gegenüber nicht bezweifeln können. Dieser kennt
die Burgunder noch in ihren alten wohnsitzen um die Weichsel-
mündung; ihr hervorragendster könig ist Gifica. Dieser name
ist in England zwar selten, aber doch nachweisbar in der orts-
bezeichnung Gifican cumb in einer grenzbeschreibung vom jahre
984: andlanz stremes 00 Gofes dene ... on Willburze imare, on
Öane zrene wei on wermundes Irew, of wermundes Tre adun ...
on poles leaze, Öannen on mare broc ... on hicles ham ... Öannen
to zifican cumbe ... Öannen on leofriches imare ... to alfgares
imare K.3,641 in Wilts. Man wird hierin nicht ohne weiteres
eine localisierung der Burgundersage erkennen dürfen, aber
auffallend bleibt eine solche benennung um so mehr, als sonst
die mit Geb-, Gef- zusammengesetzten namen in England nur
spärlich vertreten sind. Ausser den von Hruschka 1, 44 f, nach-
gewiesenen Gebmund und Gebred kenne ich nur zwei Gefuini
im LV. (Sweet) 84. 405 sowie Geferb für Gefferb (?) in zeferbes
hlew a. 962. Bi. 3, 1083 und Gifrec für Gefric(?) in zöfrecis ham
a.947. Bi.2,821.. Dazu kommt noch, dass in der gleichen
gegend auch andere sagen in den flurnamen ausdruck gefunden
zu haben scheinen, vgl. wermundes treow. Der schluss, dass
auch zifcan cumb einer ähnlichen erinnerung entsprungen sei,
wird darum nicht kurzer hand abgewiesen werden können,
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 203
Schon im Widsid tritt jedoch die figur des Gifica in den
hintergrund gegen den freigebigen, mit begeistertem lobe ge-
priesenen GuÖhere, und diesen nennt auch das erste und
zweite Walderefragment als Guöhere wine Burzenda. Man ist
daher erstaunt, gar nirgends diese echt englische form des
namens anzutreffen. Nur ein einziges, dazu noch höchst pro-
blematisches, beispiel bietet die urkunde Bi. 2,535 aus dem
jahre 872: x cassatorum et Fazranforda dedisset Burzredus pro
libertate equorum eius tribulariorum, et Hmwicca muda idzut
heres ei nominalur. Dass hier eine verderbnis vorliegt, wird
niemand bezweifeln, zumal da der abschreiber der urkunde in
der entstellung der namen auch sonst das menschenmögliche
leistet; man ist daher versucht zu ändern in id et zuiheres
nominatur und «fi zulheres wuda als zweiten namen für «et
Hwicca wuda anzusehen. Andere zusammensetzungen mit Gud-
sind gar nicht selten, nur gerade Guöhere fehlt: im LV. findet
‚man Gutberct, Gutfriö, Gydfriö, Gulhfriih, Guöhelm, Guthmund,
Guduini, sonst noch Gudlac, Guömundus 2.1066. K.4, 824, Gubred
in on Gupredes burz (Wilts) a. 921. Bi. 2,635, Gypric in Gyprices
will 8.932. Bi. 2, 692, Guthwald minister a.914. Bi.2,638. Fremde
abstammung tritt aber zu tage in formen wie Gundlaf a. 925.
941. Bi.2,648, Gunred in on zunredes ford (Berks) a. 942. Bi.
2,778, Gundwine K.4,957. Gunther begegnet nur entweder
in der offenbar normannisch-fränkischen gestalt Gunter: Gunte-
rum Liniet et seguelam suam a. 1051. K.4, 795; Gunter Winton
DomB. 553; Gunter Parin. 16.547; Gunterus filius Bereng’. ib.558;
Gunterus Exon. Dom.5. 11.17. 482; Gunter de Berqueya Palgrave,
Rotuli 1,171; Walter Hereman Raulf Gunter Willelmus Aerni LV.
p. 49 im 13.jh.; oder in der nordischen form Gunner: ego Gunner
dux consensi a.931. Bi.2,677; Gunner a. 949, Bi. 3, 882; Gunner
minister a. 956. Bi. 3, 937; Gunner dux a. 958. Bi. 3, 1043; Gunar
dux 2.963. Bi. 3, 1112; Gunnere duci 2.963. Bi. 3,1113. Das
letzte, dem 13. jb. angehörige, beispiel, das schon oben s. 190
erwähnt wurde, ist auch das wichtigste: im LV.p.51 folgen
unmittelbar auf einander Walessi Oth Gunner Seuriöe, also
alles namen, die der Siegfried-Nibelungensage entstammen und
deren zusammentreffen kaum cin zufälliges sein kann. Es
scheint aus dieser stelle hervorzugehen, dass das nordische
Gunner das altheimische Gudhere und das normannisch-deutsche
204 BINZ
Gunter verdrängte, denn an ein eindringen der Welsungen-
Nibelungensage auf dem umweg über den skandinavischen
norden zu denken, verbieten schon die übrigen namen Otk und
Seuride, die ja in der nordischen sage ersetzt sind durch
Grimhild und Sigurör. Es bleibt somit nur die möglichkeit einer
einwanderung vom continent her. Dass wir berechtigt seien,
die verbreitung der Nibelungensage schon für die altenglische
zeit zu behaupten, ist unwahrscheinlich. Denn die anspielungen
im Beowulf, besonders die Übertragung des drachenkampfs von
Siegfried auf Siegmund und die vorgeschichte des hortes, den
der von Beowulf in seinem letzten kampfe erschlagene drache
bewacht, sind verworren und verraten nur eine mangelhafte
sagenkenntnis der interpolatoren der: betreffenden partien, be-
weisen aber nicht die verbreitung dieses stoffes in weiteren
kreisen; zudem beziehen sie sich nur auf die mit der Nibelungen-
Burgundersage noch nicht verbundene Welsungensage. Auch
die sonst wohl als beweis angeführte situation im Waldere, die
einen gemeinschaftlichen aufentbalt des Waldere und Hagene
am hofe Attilas voraussetzt, scheint mir auch ohne annahme
eines zusammenhangs mit der Nibelungensage verständlich.
Zudem fehlen die namen, die nur in der Nibelungensage ihren
platz finden, vor allem Grimhild, Brunhild in der ae, zeit völlig.
Nur die heldenmutter Vote scheint bekannt gewesen zu sein:
Ode DomB. (Hants) 49%, 51P; in englischer umgebung bei Piper,
Libr. confr. 2, 230,6 ff.: Otpern Adelwart Adelbold Hademot Ba-
niger Erkinbolt Hiltirat Adelpret Kelfrid (= Ceolfrith) Kelrat
(= Ceolred) Adelwad Beretrid Uota Wolfmwae Wifun, vielleicht
auch in ortsnamen: Oden @cer a. 946. Bi. 2,814; Odeborna Exon.
Dom. 290; Odencolc a. 847. (Dorset) Bi.2,451; Odecoma Exon.
Dom. 254; Odenford a.901. Bi.2,595; Odenforda Exon. Dom. 312.
313; Odenlea ib. 392; Odenol ib. 234; Odeordi ib. 320; Odescliva
ib. 77. 466; Odetreu ib. 390. 457; Odenwiell (Suffolk) a. 854. Bi.
2, 480.
Das isolierte vorkommen von Giselhere: &90o Giselhere
episc. 2.780. Bi.1, 237; a. 781. Bi. 1,241; a. 791. Bi. 1,262, Gist-
heres uuyrth a. 695. Bi. 1,87 (Essex) kann für die verbreitung
der Nibelungensage nicht viel beweisen.
Der name Nibelung ist in England vor der normannischen
eroberung gänzlich unbekannt; erst nach 1066 lässt er sich
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 205
nachweisen, aber kaum bei eingeborenen Engländern, eher bei
normannischen einwanderern und ihren nachkommen: Niuelig
in Yorks. DomB. 315; Niuelin ibid.; Gervasius Robertus Neue-
linus Maria Gilebertus im 13. jh. LV. p.104; Neuelus de Bocle
Palgrave, Rotuli 1, 171; Neuo? ibid. 1,449. Im Lib. confr., Piper
2,656 steht unter einer anzahl englisch-nordischer namen auch
einer verzeichnet, der durch seine augenscheinlich corrumpierte
form auffällt: 1.23 Azer Arngrim Trogod, 1.24 Druchil Nurlang
Werit, 25 Ascot Druogen Vulchel. Dieses Nurlang dürfte ver-
lesen sein aus Niuelung oder Niflung.
Während Botelune in England nicht heimisch ist, kennen
wir einen Etla aus dem LV. (Sweet) 229, einen Artilic aus dem
DomB. (Worcest.) 177%, Attile (Herefords.) 136°, Attules teignus
(Middlesex) 129%, |
Grimhild lässt sich auf englischem boden nirgends nach-
weisen, Brunhild dagegen taucht in nachnormannischer zeit
hie und da auf; freilich ist es schwer zu entscheiden, wie
weit der name auch bei der englischen bevölkerung in auf-
nahme gekommen ist. Ich kenne zwei beispiele: canonici
Worcest. teü. 11 tra. vast. que fuerunt Brunild Lib. Wint. 554,
und im LV. p.56 aus dem 13. jh. Geatfleda Einod Hucterd Ri-
cardus Brihtricus Godric Brunil Aelfild.
Die namen Sizefrid, Hazona brauchen nicht aus der
Nibelungensage zu stammen, da sie auch in andern, in England
verbreiteten sagen, der Finn-, Hilde- und Walthersage, vor-
kommen und von dorther eingedrungen sein können.
Es scheint somit als einziger schluss aus den aufgezählten
zeugnissen allein derjenige berechtigt, dass unter den Angel-
sachsen vor der normannischen eroberung wohl historische
lieder über die Burgunderkönige im umlauf waren, dass ihnen
aber die kenntnis der eigentlichen Nibelungensage erst spät,
wahrscheinlich durch die Normannen, vermittelt wurde, aber
ohne dass sie eine weite verbreitung hätte erlangen können;
ein resultat, das mit dem oben über die Siegfriedsage ermittelten
übereinstimmt.
IV. Langobardische sagen.
Koegel, Lit.-gesch. 1, 115 ff.
Es ist -a priori wahrscheinlich, dass den Angelsachsen und
den benachbarten und stammverwanten Langobarden gewisse
206 BINZ
‚sagen gemeinsam waren und dass auch ein austausch der von
jedem stamme besonders ausgebildeten sagen stattfand. Dafür
gewährt uns v.32 des Widsid ein zeugniss. Es ist ebenso ganz
erklärlich, dass auch nach dem wegzug der Langobarden nach
süden und ihrer ansiedelung in Italien die alten nachbarn mit
interesse ihr schicksal weiter verfolgten und berichten über die
sie betreffenden ereignisse, erzählungen tiber die von ihnen ge-
feierten helden gerne aufnahme gewährten, So finden wir denn
im Widsid eine ganze reihe langobardischer könige und recken
aufgeführt: Zadwine, Kifwine, Elsa, #zelmund und Hunzar
(Wids. v. 70—74; 117; vgl. 80). Näheres aber über den inhalt
dieser langobardischen sagen erfahren wir nicht aus englischen
quellen. Einer dieser namen geht vielleicht auf sehr alte, ge-
meinsame angelsächsisch-langobardische überlieferung zurück:
Elsa erscheint wider in den angelsächsischen genealogien, als
Eisa in der westsächsischen, Alusa in der northumbrischen,
und ist wahrscheinlich, wie die durchaus mythischen namen
der umgebenden glieder der genealogien nahe legen, eine aus
dem mythus herübergenommene gestalt.!) Wie weit und wie
lange diese langobardischen sagen verbreitet waren, vermögen
wir nicht festzustellen, auch nicht mit hilfe der eigennamen,
da diese alle in ihren bestandteilen ebenso gut angelsächsisch
als langobardisch sein können; immerhin ist die häufigkeit, in
welcher diese namen zum teil auch bei den Angelsachsen auf-
treten, besonderer beachtung wert. Zadwine im LV. (Sweet)
18 mal, ferner Zadwine abbas a.931. K.353.357; Zadwine minister
a. 968. K.544; a. 973. Bi. 3,1292; Zadwine ealdorman Bi. 3, 1296;
Eadwine clericus a. 974. Bi. 3, 1299. — Zifuini LV. (Sweet)
2,144. (213°); Zlfmwine miles a.970. Bi. 3, 1257; Z#ifwine minister
2.970. Bi.3,1268. 1269; terra in Alfwinesfeld a.1194 (Northampt.)
Palgrave Rot. 1,59; Zifwine bearn Hlfrices in Byrhtnods fall
v. 209. 211. Auf ein merkwlrdiges zusammentreffen dieser
beiden namen unter den zeugen der gleichen urkunde sei be-
sonders aufmerksam gemacht: es unterschreiben ego Hiförydö
regina, ego Elfwine dux, ego Beorhtnoö dux, ego Eadwine
dux, ego Kifhoere dux, ego Köelwine dux, ego Edelweard dux,
ego Goldwine 2.982. K.3,633. — Egilmund LV. (Sweet) 109.
ı) Vgl. den Zi/se der deutschen heldensage, Grimu, DHS. 188. 192.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 207
163. 272, Zzelmundus princeps 8.1062. K.813, beachtenswert,
weil Zzil- sonst im englischen selten verwendet wird. — Hunzar
findet sich zufälligerweise nicht. — Zise a. 995. K. 6, 1290;
Elsedune (Herefords.) DomB. 181°. 182®, 183° ete.; Zisenham
(Essex) DomB. 2, 68°; Z/saham (Norf.) DomB. 2, 133°; Zisang-
tone (Dorset) DomB. 80’; Z/sing Sharpe, Cal. of Wills 1,362. 562,
637. 641. 684 ete.; John de Eisyngham ibid.1, 227,
Von andern aus langobardischen sagen bekannten namen
finden wir in England wider Heimzüs LV. (Sweet) 10.244 und
Cynimund im LV. 13mal (Sweet OET. s. 560).
V. Gotische sagen.
Müllenhoff, Zeugnisse und excurse, Zs. fda. 12, 253—281. 354 f. —
Sijmons, Pauls Grundr. 2, 1,40—50.— Heinzel, Ueber die ostgotische
heldensage, Wiener SB. 119. — Koegel, Lit.-gesch. 1, 146—152.
| 1) Ermenrichsage.
W.Grimm, DHS. 17. 18. 21.— Müllenhoff, Zs. fda. 12, 302—306.
30, 217—260. — Bugge, Beitr. 12,69 ff. — Bojunga, Beitr. 16, 548.
Die bedeutung der zahlreichen poetischen zeugnisse über
die Ermenrichsage bei den Angelsachsen (Beow. v. 1197—1201.
Widsiö v.4—9. 18. 88— 90. 109—130. Deors klage y. 21—26)
hat neuerdings Koegel gewürdigt; ich begnüge mich darum
mit einem hinweis auf seine darlegungen, denen ich mich im
ganzen anschliesse. Nur in einem punkte bin ich abweichender
meinung. Koegel fasst, wie tibrigens alle, die vor ihm über
den Widsid gehandelt haben, Sifecan des v. 116 als den Sibeche
der Harlungensage auf, nachdem schon v. 115 im anschluss an
die Herelinzas Emerca uud Fridla ein Secca und Becca (= Bikki
der anord. sage, Bikko bei Saxo) erwähnt ist. Diese inter-
pretation war mir schon lange verdächtig, da einerseits dieses
Sifecan von den in v.112f. genannten Harlungen ziemlich weit
getrennt ist und da man andrerseits einen solchen Sifeca mit
den ihn umgebenden Heaporic, Hlibe und Inzenbeow in gar
keine beziehung zu setzen wusste. Nachdem nun Heinzel im
anschluss an Grundtvig in seiner abhandlung über die Hervarar-
saga (Wiener SB. 114, 464. 491. 517), wie mir scheinen will
überzeugend, die identität von Hiibe und Inzenbeow mit Hiob
und Angantyr der Hervarar-Heidrekssaga dargetan hat, ist es
mir keinen augenblick mehr zweifelhaft, dass wir auch in dem
208 BINZ
paare des ersten halbverses personen aus jener sage vor uns
haben, die den v.119—130 behandelten vernichtungskampf der
Goten gegen die Hunnen zum inhalt hatte, und zwar ist ZHea-
poric mit ersetzung eines bei den Angelsachsen weniger ge-
bräuchlichen namenelementes durch ein gangbareres, gleich dem
Heiörek, und Sifeca ist Sifka, des Hunnenkönigs Humli tochter,
die geliebte Zeiöreks und mutter des Hlob-Hlipe. So ist die
einheit des v. 116 eine vollkommene und der anschluss an den
zur gleichen sage gehörenden v.119 wird leich4 gewonnen
durch eine umstellung der vv.117 und 118 unmittelbar nach
115; diese vier langobardische namen umfassende einschiebung
mitten unter gotischen helden wird freilich auch so noch etwas
stören, denn Heinzels versuch einer motivierung derselben wird
kaum allgemeinen beifall finden.
Zu dieser auffassung stimmt auch der gebrauch der eigen-
namen: Becca, Bicca ist gar nicht selten; Bicca als zeuge 2.658.
Bi.1, 72; Biccan wif a.995. K.6,1290; Biccan hlew (Wilts) a. 956.
Bi. 3, 962; Biccan pol (Hants) a. 961. Bi.3, 1066; Beccenzara
a. 1062. K.4,813; Beccanleah (Worcest.) a. 972. Bi. 3, 1282; hun-
dredum de Bekentre a. 1198. Palgrave Rot. 1, 183; Bicincztun
(Southampt.) a. 959. Bi. 3,1045. Sifeca dagegen ist für personen
ungebräuchlich, nur in einem ortsnamen, auf den schon Müllen-
hoff flüchtig hingewiesen hat (Zs. fda. 30, 225 anm.), ist er viel-
leicht nachweisbar, und dieses zeugnis ist um so wichtiger, als
unmittelbar neben Seofeca (= ahd. *Sibbuho) auch der name
eines der Harlungen, Fridela, überliefert ist: in Berkshire liegen
in der umgebung von Henzestesiz die beiden örtlichkeiten Seo-
fecan wyrd und Fridelaburz a. 957. Bi.3, 1002. Fraglich ist, ob
man auch Seonecanden a.971. K.3,570, das für Seouecanden
verlesen sein könnte, als zeugnis beiziehen darf.
Darnach ist nun zweierlei möglich, entweder die im Widsid
zu grunde liegende gestalt der sage wusste nur von Becca und
Seofeca wurde erst später (von Niederdeutschland her?) den
Angelsachsen bekannt, oder der name ‚des Sibeche ist im Wid-
sid aus irgend einem grunde übergangen, trotzdem er neben
Becca einen bedeutenden platz einnahm. Das letztere scheint
wahrscheinlicher, da Sibeche doch mit dem ganzen Harlungen-
ı) Hervararsaga s. 515f.
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ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 209
mythus aufs engste verknüpft sein dürfte und da ja auch der
gewis ebenso alte beschützer der Harlungen, Zckehart, im Wid-
sid mit keiner silbe erwähnt wird. Die ganze sage von Ermen-
rich aber ist offenbar den Angelsachsen schon bald nach der
übersiedelung nach England fremd geworden; nur so lässt es
sich begreifen, dass die einst im epos hervorragenden namen
derselben im gebrauche des täglichen lebens gar keinen wider-
hall mehr finden. Für Ermenrich trifft man einen einzigen
vertreter in dem kentischen könig /rminric, Iurmenric. Suanild
findet sich erst spät: Wülielmus Permenter et Swanild vel Snamwit
uxor eius Sharpe, Calend. of Wills 1,54, und im 13. jh. im LV.
p. 49: Teorleda, Anna, Suain, Suanild, Blacsun, Walter, Thor,
Hildra. Von dem brüderpaar Sarilo und Hamideoh scheint
nur der erste name in England sich erhalten zu haben und
auch der nur in fränkischer, jedenfalls nicht englischer form:
Serlo im Lib. Winton. 545. 556; Serlo presb. 13.jh. LV. p.8;
Ser! LV. p.15; Serlo p. 16. 46 wohl identisch mit dem Serlo
de Winton bei Palgrave Rot. 1,305. 311; Serlo filius Eustaciü
Palgrave Rot. 1, 179. 203; Serlo serviens com. de Aubemarle ib.
1,137 und in der schon eitierten stelle bei Piper, Libr. confr.
2,672,4ff.; Zorth Esa Sporri Thola Folkis Sorli Gude Thorkil;
Serlebi (Nottinghams.) DomB. 1, 258°; Serlebruna (Norf.) DomB.
2,244®; nicht deminuiert Searu prebyter a. 904. Bi. 2, 604. 612;
ego Sedru (für Searu?) a. 904. Bi. 2, 613.
Nur die mythischen gestalten der Harlungen und des
Eckehart machen davon eine ausnahme. Arlingus (Essex)
DomB. 59; Herleng (Berks) DomB.63; (Dorset) ib. 77®; (Gloucest.)
ib. 163®; Horling (Berks) ib. 60®. 61; Herlinzaham a. 1046 (Norf.)
K.A, 782; «et Herlinze a.1055. K.6,1339; Zerlinga DomB. (Norf.)
2, 1276. 149%, 209%, 223°, 262%; Herlingaflet (Suff.) ibid. 2, 284;
Simon de Herlingge Sharpe, Cal. of Wills 1,134; Gregorius de
Herlingho Palgrave Rot.1,403; ZHerlintona (Suss.) DomB. 19°;
Harlington (Middlesex) Sharpe, Calend, 1, 382. Doch ist es frag-
lich, ob alle mit Herling zusammengesetzten namen auf die
Harlungensage zurückzuführen sind: eine anzahl derselben
stellen wahrscheinlich nur eine ableitung von einem bachnamen
Harl dar, welchen Rieger (Zs. fda. 11, 201) für Friesland nach-
weist. Es könnten also in manchen von jenen namen an-
siedler friesischer herkunft reminiscenzen an ihre alte heimat
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 14
210 BINZ
haben zu worte kommen lassen, zumal da wir neben den
namen mit Herelinz- auch Harlihorpe in Yorkshire, Harle in
Northumberland, Zarlton in Cambridges. finden.
Ausser in dem schon erwähnten Fridelaburzg spürt man
vielleicht noch erinnerung an diesen Harlung in Fribelinza dic
(Hants) a. 904. Bi. 2, 604.
Wir haben oben angenommen, im Widsid fehle der name
des Eckehart durch irgend einen zufall und glauben hiezu
besonders auch deswegen berechtigt zu sein, weil Zezheard
einer der wenigen namen aus der gotischen sage ist, die sich
auch in England einer gewissen verbreitung erfreuen, vgl. die
belege: Zezheard presbjt. a. 824. Bi. 1,379; Zczhard zeuge a. 835.
Bi.1,416; Zgheard minister a. 844. Bi. 2, 447; manus Eczheard
ministri a. 847. Bi.2, 451; a. 848. Bi. 2,452; Zxheard und Ecz-
heard minister a. 854. Bi. 2,468. 469. 470; Eczeard minister a. 854.
Bi. 2, 481; Zcceard smiö and KHlstan eirca a.970. Bi. 3, 1254
werden von Geatfled freigelassen. Derselbe Zcceard smidö be-
gegnet wider bei Kemble 4, 925. Der LV. (Sweet) 71. 72 führt
zwei verschiedene Zczheard presbyter auf; später noch finden
wir einen Zcardus de Bleu Palgrave Rot. 1,341, und in orts-
namen Zczerdes hel (Oxford) a. 969. Bi. 3, 1230.
Während in Deutschland zahlreiche beispiele des namens
Haicho, Haihho im verein mit anderen namen aus den gotischen
sagen die alte zugehörigkeit desselben zu Eckehart und. den
Harlungen bezeugen, fehlt es uns in England fast gänzlich an
anhaltspunkten dafür. Da dem ahd. 4 ae. & entspricht, so
müsste dem hd. Haihho ein engl. Heca oder auch mit ausser-
westsächs. lautgebung Zeca gegenüberstehen. Und dieser name
lässt sich wirklich belegen: Heka bisceop K.4,956, Hunewine
Heca sunu 2.1046. K. 6, 1334, Hecanize ortsname K. 6, 1368,
Hecinzaleah (Kent) a. 934. Bi. 2,702. Davon sind aber die
formen mit a zu trennen: Hache (Devon) DomB. Ill; Hakenei,
Hakeneye Sharpe, Cal. of Wills passim; ZHacheborne (Berks)
DomB. 61®. 63°; Hakeforda (Norf.) DomB. 2, 264°; Hacheham
(Surrey) DomB. 31P; Hacheleia (Essex) DomB.2,45°; Hache-
uuella, Hacuuella (Essex) DomB,. 2, 45%. 51°; Hacapenn und Hacan-
pen 2.938. Bi. 2, 724; a. 939. Bi. 2, 734; Hacanpundfald a. 961.
Bi. 3,1080; Hacheurde (Devon) DomB. 117°. Diese geheu, zum
teil wenigstens, auf älteres Haccan zurück: Haccanbroc a. 944.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 211
Bi. 2,801; = Haccebroc a. 891. Bi. 2, 565; Haccaburna a. 891.
Bi. 2, 565.
Unter dem innweorod Eormenrices treten im Widsid noch
eine ganze anzahl helden auf, mit denen wir teilweise gar
nichts anzufangen wissen: Wulfhere und Wyrmhere, Redhere
und Rondhere, Rumstan und Gislhere, Wiberzield und Freoberic.!)
Freoberic wird Ermenrichs sohn sein, sein name ist auch in
England gangbar: Frithuricus a. 675. Bi. 1,34, Freodoric abbas
a.833. Bi. 1,411; Freöoric abbas a.843. Bi.1,442; Freothoric
abbas a.844. Bi. 2,445; Frybericus a. 949. Bi.3, 875; Friburic
LV. (Sweet) 251; ebenda auch Wulfheri 11. 280. 383; Uurmeri
196; Nimstan vielleicht verlesen bez. verschrieben für Rimstan
—= Rumstan des Wids. ibid. 254; von den anderen namen ist
keiner belegbar. Die erste stelle unter allen nimmt aber das
paar Wudza und Hama ein, die hier noch nicht, wie in der
deutschen sage, von dem kreise Dietrichs von Bern attrahiert
sind. Wenn später in den Walderebruchstücken diese be-
ziehung zu Dietrich wenigstens bei Widia eingetreten ist, so
beweist das für die englische entwickelung der überlieferung
deswegen nichts, weil diese bruchstücke, wie Koegel nachweist
(s. unten), sich eng an eine althochdeutsche vorlage anschliessen
und also nicht englischen, sondern deutschen stand der sage
bezeugen. Frühe dagegen gilt auch in England nach den worten
von Deors klage Widia als sohn des Weland. Beide namen,
Wudza und Hama, sind aber in England selten: Wudia münz-
meister Knuts des grossen, Widia ebenso Haralds I., Zs. fda.
12, 278; Widius (Essex) DomB.55; Emma abbisse Warewoltt.
vIld. $ pay’, Galt eidem abdisse VI d., Widie eidem abbisse
IIII s. Wint. Dom.550; Wdia abbi VI d. ib.549. Zweifelhaft
ist ein Wuda: ego Wuda et Vilbroth consensi a. 127. Bi. 1,146,
wofür Kemble Puda liest. Daneben erscheint Wudda a. 688.
Bi. 1,71. 72, beides wol koseformen zu einem vornamen wie
udeman 2.1066. K.918; auch in ortsnamen: io HWidianbyriz
a. 982. K. 3, 633 (vgl. Zs. fda. 12,278); Wodiacoma Exon. Dom.
ı) Von den liedern auf den hier nicht aufgeführten Fridigern
nimmt Koegel, Lit.-gesch. 1,342 auf grund des namens Fribuzeorn im
LV. 225 an, dass sie auch zu den Angelsachsen gedrungen seien. Das
ist doch wol zu viel aus diesem namen gefolgert, dessen beide bestand-
teile englisch oft zu namenbildungen verwendet werden.
14*
212 BINZ
467. 327; Widiandun, daneben Wudiandun monasterium a. 774.
Bi. 1,217 (Gloucest.); Wudiandun monast. a. 736. Bi.1,156. Einen
LV. 167 verzeichneten Uychza clericus will Sweet in Uydiga
ändern, mit welchem recht, ist nicht ersichtlich; chz kann eine
sonst freilich seltene schreibung für cz und Uychza semit gleich-
bedeutend sein mit Wicza Kemble 116. 159. 161. 183.
Seines genossen Hama name ist in älterer zeit selten; erst
unter continental-normannischem einfluss wird er häufiger: On
da lid wes Hama suanzerefa to Suötune a. 825. Bi. 1,386; Hama
LV. (Sweet) 210.349, sonst nur in unenglischer, aber anglisierter
form: Hamo dapifer (Essex) DomB. 54®. 100». 106; Hamo seu
Haimo vicecomes (Kent) DomB. 14, (Surrey) ibid. 366; HZame (Corn-
wall) ibid. 120P; Zaminc (Sussex) 21. 21®; Zamon (Devon) 110®;
Hamo de Ascot Palgrave Rot. 1,189. 197. 200. 453 ete.; Hamon
filius Steingrim ibid. 1, 346; Hamo filius Wilelmi ibid. 1, 127;
Hamo frater Thomae Brand ibid. 1,70; Hamo le barber a. 1332.
Sharpe, Calend. 1,374. a. 1348. ibid. 1,533. a. 1353. ibid. 1, 670;
Hamo son of Geoffrey de Bodelee a. 1341. ibid. 1,448; Hamo Box
a. 1281. ibid. 1, 55. a. 1290. 1298. ibid. 1, 91.135; HZaiminc DomB.
(Sussex) 20%; Haminc (Gloucest.) 169, (Nottingh.) 289, (Lincoln)
337. 361; Haminc homo regis (Cambr.) 194®; Hamingus teign
(Bucks.) 150; io hamen eyze (Surrey) a.889. Bi. 2,563; Haman
fleot (Kent) a.943. Bi. 2,780; Haman funta (Hants) a. 935. Bi.
2,707. a.980. K.3,624; Hamehala (Norf.) DomB. 2, 248. 249»;
Hamestan (Cheshire) DomB. 1, 263». 264». 265°. 266. 267 —
Hamistone (Devon) DomB. 101°. 105° (?); Hamestede (Middlessex)
128°. (Suff.) 2, 134°; ZHametuna (Norf.) 2,184°. (Suff.) 2, 363»;
Hamitone (Somerset) 88°. 93%; Hamntone (Middlesex) 130°; Aa-
mingebi (Lincoln) 1, 349. 350®. 356; Hamingeham (Norf.) 2, 172;
Hamingehec (Sufl.) 2, 396°; Hamingheland (Sufl.) 2, 282. 446°;
Hamingtona Exon. Dom. 137. 294. Ä
2) Dietrichsage.
Müllenhoff, Zs. fda. 12, 261—263. 318—335. 380—384. W.Grimm,
DHS. 21.
Das einzige sichere zeugnis für die Dietrichsage auf angel-
sächsischen: boden bilden, abgesehen von den für die englische
überlieferung erst in zweiter linie zu berücksichtigenden Wal-
derebruchstücken (s. unten), die v. 18. 19 aus Deors klage,
Pe EEE
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 213
die uns aber über den inhalt des von Dietrich erzählten ziem-
lich im unklaren lassen; der text ist gerade an jener stelle
verstüämmelt und trotzt allen deutungsversuchen. Müllenhoff
hat dann noch eine stelle aus AElfreds Boethiusübersetzung, se
beodric wees Amulinza, und aus den Metren des Boethius Deodric
Amuling!) herangezogen. Diese dürften aber für eine epische
tradition über Deodrie kaum etwas beweisen. Zunächst ist
zu bemerken, dass die Metren neben der prosaischen übersetzung
gar nicht in betracht kommen können, weil sie nichts anderes
sind als eine nichts neues enthaltende, versificierende bearbeitung
der letzteren?) und namentlich in den historischen und geogra-
phischen angaben nirgends über AElfreds prosa hinausgehen.
Wir haben uns also nur mit der stelle in der prosaischen Boe-
thiusübersetzung zu befassen. Da kann nun ganz wol die notiz,
dass Deodrie dem geschlecht der Amelungen angehöre, einer
geschichtlichen quelle entstammen, ohne dass dem verfasser
derselben eine in England volkstümliche sage von Dietrich
von Bern bekannt gewesen wäre. Aus der patronymischen
form Amulinzga darf man auch nicht zu viel schliessen, denn
diese formen auf -inz sind ja im angelsächsischen gar nicht
nur episch, sondern sie sind auch in prosaischen rein histori-
schen werken, wie der Sachsenchronik, gäng und gebe. Eben-
sowenig spricht der von Müllenhoff (Ze. fda. 12, 262) ausgehobene
name Omolunz (Omolinz a. 700, K.33, Omulunz, Homolunch ibid.
56.58. a. 706) speciell für bekanntschaft mit der Dietrichsage,
da ja auch Ermenrich, dessen sage sicher nachweisbar ist, dem
geschlechte der Amelungen angehörte. Der ganze name ist
aber durch seine form verdächtig, da -unz im ags. sonst ganz
unerhört ist und stets durch -inz vertreten wird; es ist also
der träger dieses namens entweder überhaupt kein Angelsachse,
was sich schwer constatieren lässt, oder wenn er einer ist, dann
beweist gerade diese fremde namensform ziemlich sicher ver-
breitung der continentalen (deutschen?) form der Amelungen-,
nicht Dietrichsage in England im anfange des 8. jh.s.
Es scheint vielmehr aus allem sich zu ergeben, dass die
Dietrichsage, die ja bedeutend jünger ist als diejenige von Er-
menrich, die Angelsachsen entweder überhaupt nicht erreichte
1) Zs. fda. 12, 261 f. 2) Leicht, Anglia 6, 126 ff.
214 BINZ
oder wenigstens nicht im stande war, ein lebhafteres interesse
bei ihnen zu erwecken. Ausser den vagen andeutungen in
Deors klage finden wir keine spur davon, namentlich schweigen
hier auch die namen völlig, ganz im gegensatz zu Deutschland.
Nur zwei derselben, die wahrscheinlich ursprünglich mit der
Dietrichsage in gar keinem zusammenhange stehen und viel-
leicht eben den Angelsachsen noch ausserhalb desselben für
sich bekannt waren, erscheinen auch in England, derjenige der
Wülfinge und der des mythischen Ecke.
‚Auch der Widsid nennt die Wülfinge: v. 29 Helm (weold)
Wulfinzum; in ortsnamen finden wir: Wolfinzes lem (Wilts) a. 956.
Bi. 3, 922; Wylfinzaford (Oxford) a. 940. Bi. 2, 760; Ylfinzden für
Wyifinzden (?) (Berks) a. 956. Bi. 3,963. Den namen eines der
angehörigen dieser familie bewahrt uns der Beowulf v. 460 f.:
wearp he Headolafe to handbonan
mid Wilfinzum da hine Wara (Wedera) cyn
for herebrozan habban ne mihte:
ich vermag aber sonst diesen namen Headolaf nirgends zu be-
legen. Auch die in der deutschen sage berühmten namen
Herebrant, Hildebrant und Hadubrant sind in England — und
das bestärkt uns in der annahme von der geringen verbreitung
der Dietrichsage — vor dem ende des 11. jh.’s völlig unbekannt.
Die bildungen auf -Drand scheinen überhaupt den Angelsachsen
frühe abhanden gekommen zu sein, ausser dem /nzebrand und
Wezbrand der genealogien kenne ich nur Colbrand, Gerbrand,
Tilbrand, Thurebrandus (Hruschka 2, 55), die entweder wie Ger-
brand und Thurebrand ausdrücklich als Dänen bezeichnet werden
oder durch ihre umgebung oder die ersten bestandteile den ver-
dacht dänischer abstammung hervorrufen. Erst im DomesdayB.
fangen diese namen an, sich zu zeigen.
Herbrandus (Hants) DomB. 49, 53®. (Bucks) ibid. 147. (Wor-
cest.) ibid. 175. 177, Haigh eitiert s. 66 Herebrandston in Pem-
brokeshire.
Hildebrand lorimarius (Norf.) DomB. 177; Helrandus (= Hil-
debrandus?) im 13. jh. im LV. p. 77/78: in Werbeshall carrucatam
et dimidiam quam tenuit Helrandus filius Forni ei modo tenet Wil-
lelmus Ingelram. Kaum hieher zu stellen ist Holdabrand LV.
p. 79 aus dem 12./13. jh., das nicht für Hildebrand verschrieben
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 215
oder verlesen zu sein braucht, vgl. Holdagard, Holdigern, Holde-
lind, Holdasinda, Holdulf bei Förstem. 1, 756.
Für Hadubrand begegnet in England zu keiner zeit ein
beleg, trotzdem sonst Hadu- ein in der namenbildung sehr frucht-
bares element darstellt (vgl. Sweet OET. s. 494).
Im gegensatz dazu ist Wulfheard sehr beliebt: contentio
inter Headoredum episc. et Wulfheardum filium Cussan a. 789. Bi.
1,256; Wulfheard dux a. 7195. Bi. 2,849; sign. man. Wifhardi
episc. a. 801. Bi. 1,302; ego Wulfheard clericus a. 802. ibid. 1, 304;
ego Wulfheard episc. a. 803. Bi. 1, 308; a. 804. Bi. 1,313; Wulf-
ardus dux a. 825. 826. Bi. 1, 390— 393; Wlwahrd a. 844. Bi. 2, 444;
Wulfheard presbyt. a. 849. Bi. 2, 455. a. 855. Bi. 2, 490; Uulfeard,
Uulfheard a. 873. Bi.2,536; Wulfhard minister a.901. Bi. 2, 588,
589; Uulfhard presbyt. a.907. Bi. 2, 615.616; ego Wulfheard mi-
nister 8.909. Bi. 2, 623. 627—629; Wulfheard a.965. Bi. 3, 1165
und im .LV. (Sweet) 30 mal; auch in ortsnamen: @t Wulferdes
treo (Shrops.) a. 975. Bi. 3, 1315; Wulfheardiz stoc K. 701.
Fraglich widerum ist das vorkommen von Alfheard =
Alphart, Wolfharts bruder; denn der Hlfheard filius regis Ead-
weard Bi.2,623 ist nur schreibfehler für sonstiges Zlfweard,
und Zlferd dux a. 931. Bi. 2, 677; Hiferd minister ibid. könnten
auch für ZHiferdö (#iferd minister a.932. Bi.2,689) oder für
#lfred stehen, vgl. den #ifred minister in den folgenden ur-
kunden, fast an der gleichen stelle wie #iferd in 2,677. An
Alpharts stelle tritt später in der deutschen sage Sigestap,
sein name ist auch in England bekannt: in einer urkunde des
königs Eezberht vom j. 828 Bi. 1,395 unterzeichnet als zeuge
ein Sizesteb (var. Sizesteb);!) es ist aber wol zufall, dass unter
den übrigen zeugen auch noch ein Wulfhard dux sich befindet.
Die kenntnis des Hildebrant und Herebrant will freilich
Müllenhoff der altenglischen sage vindicieren, gestützt auf das
zeugnis des afranz. gedichtes von Horn und Rimenild, in wel-
chem neben jenen beiden als ihre brüder Godebrand (= ae. Guö-
brand) und Rodmund (= ae. Hroömund) auftreten, was noch
völliges verständnis für die bedeutung der namen voraussetze
(Ze. fda. 12, 262 f.). Dieser schluss ist aber, wie Müllenhoff selbst
zugibt, nicht zwingend, namentlich in anbetracht der späten und
1) Ueber Sigistab s. Müllenhoff, Zs. fda. 12, 358 f.
216 BINZ
fremden überlieferung, in der auch andere als englische einflüsse
im spiele gewesen sein können.
Das geschlecht der Wülfinge ist also den Angelsachsen in
der sage gewis nur durch ältere glieder als diejenigen der
deutschen tradition bekannt gewesen; dass aber die Wylfinzas
des Beowulf, und die Wulfinzas des Widsid eine und dieselbe
sippe sind wie die deutschen Wilfinge, sichert der name Hea-
dolaf, dessen erster bestandteil ja bei dem sohne Hildebrants
wider auftaucht. 1
Der name Beodric in England bildet, wie wir schon oben
hervorgehoben haben, durchaus kein zeugnis für die gotische
Dietrichsage, auch darum nicht, weil er ganz vereinzelt bleibt
und von allen den namen, die dort zu ihm in verwantschaft-
licher oder anderer beziehung stehen, auch nicht einer ausser
Beodric bei den Angelsachsen widerkehrt; vergebens sehen wir
uns um nach einem Dietmar, Dielleip oder Odoaker. Der ein-
zige name, der noch an den Berner Dietrich erinnern könnte,
ist Ecke, aber dieser ist eigentlich ein mythisches wesen und
schliesst sich erst verhältnismässig spät an den cyklus von
Dietrich an. So ist es auch begreiflich, dass sein name in
England verbreitet ist. Ob aber die verschiedenen Zcza, Eczi
alle der erinnerung an diese sagenhafte gestalt entsprungen
oder nicht einfach kurzformen zu einer der äusserst beliebten
zusammensetzungen mit Zcz- sind (z.b. Zczbeth, Eczbald, Ecz-
berht, Eczburz, Eczfrip, Eczheard, Eczhun, Eczlaf, Eczmund,
Evzred, Eczric, Eczuulf meist aus LV. Sweet OET. s. 549), muss
freilich dahingestellt bleiben; ein dringender grund zur ersten
annahme ist nicht zu entdecken. Wir finden: manus Eczzan
abbatis a. 755. Bi. 1,181; III heahzerefan Ealdulf Bosinzg and
Cynewulf and Eczan a. 7718. Sax. chron. ed. Plummer 1,53; Zcza
LV. (Sweet) 90. 432; Zczanlea a. 1005. K.3, 714; Eczi LV.
(Sweet) 175; in ortsnamen: Zczes den (Surrey) a. 909. Bi.
2,627; innan Zczes wer (Middlesex) a. 972. Bi. 3,1290 (in der
nähe von to Grendeles zatan); in nordisch-englischer gesellschaft
ein Aygi bei Piper, Libr. confr. 2, 676,4. Häufig erscheint ausser-
dem mit consonantenverschärfung Zcca: sign. man. Ecca Bi.i,
35.36; sign. Ecce a.676. Bi.1,42; Ecca 2.689. Bi. 1,73; Ecca
a.699. Bi.1,99; Acca episc. a. 716. Bi.1,91, ebenda auch Zcca;
Ehcha 2.697. Bi.1,97.98; Beorran et Eccan concedo ,. a. 725.
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 217
Bi.1,145; Zcca LV. (Sweet) 152; Zchha ibid. 53.94.96; Zccha
prepositus DomB. (Devon) 100; Zccan treow, lo Eccan treiuue
a. 891. Bi. 2, 563; Zccantreo a. 972. Bi. 3, 1282; Acca epise.
a. 709.710. Bi. 1,124. 127; Zadwald Hccan sunu a. 905. Sax.
ehron. ed. Plummer 1,94; #cce episc. orient. Anglorum Sweet
OET. 168, 28; sign. man. Acce 8. 675. Bi. 1,40; sign. Acci a. 675.
Bi. 1,41; ego Ecce episc. a. 705. Bi. 1,113; Zcci LV. (Sweet) 200;
in ortsnamen: Zcewiche (?) (Somerset), Zcheburne (Devon),
Echingtun passim, Ekincham (Norf.), Zcchingswell (Berks), Zt-
chingham (Sussex).
3) Walthersage.
Müllenhoff, Zs. fda. 12,273. — Heinzel, Ueber die Walther-
sage, Wiener SB. 117, no. 2, 1888. — Sijmons, Pauls Grundr. 2, 1, 57—59.
— Dieter, Anglia 10,227 ff. 11,159 ff. — M.D.Learned, The Saga of
Walther of Aquitaine. Baltimore 1892. — Koegel, Pauls Grundr. 2, 1, 181
—185; Lit.-gesch. 1, 235—241.
Das vertrauen, womit man bisher die beiden ae. Waldere-
bruchstücke als originale angelsächsische schöpfungen betrachtet
hat, ist jetzt von Koegel in überraschender weise erschüttert
worden durch den von ihm versuchten nachweis, dass die beiden
fragmente, teile eines grösseren, zusammenhängenden gedichtes,
auf eine ahd. vorlage zurückgehen, dieselbe, die auch Eckehart
bei der abfassung des Waltharius benützt habe. Seine beweis-
führung stützt sich auf sprachliche und sachliche gründe. Den
unbefangen nachprüfenden werden freilich die aus der sprache
der bruchstücke gewonnenen argumente nicht alle ohne weiteres
überzeugen. Verschiedene wörter und wortformen des Waldere
sollen im engl. ganz ungebräuchlich, im ahd. dagegen ganz
richtig sein; aber bei hyrdan z.b. muss Koecgel selbst zugeben,
dass es im engl. vorkomme, wenn auch selten; andere könnten
doch auch nur zufälligerweise nicht belegt sein, so ordwiza,
zu dem man bildungen wie ordbana, ordfruma und die namen
Ordlaf, Ordulf, besonders aber Ordwius und Ordwiz (Hruschka
2,35) vergleichen möge. S/an im sinne von ‘edelstein’ fehlt
der englischen poesie doch nicht so völlig, wie Koegel sagt:
stane zelicasi zladum zimme Phön. 303; dass unscende = alıd.
unscant dem ahd. originale entnommen sei, kann K. selbst nur
als wahrscheinlich, nicht als sicher bezeichnen. Firinlih in der
eitierten Muspillistelle mit ‘gefährlich’ zu übersetzen, statt mit
218 BINZ
‘grauenvoll’, wie man gewöhnlich tut, liegt kein grund vor,
übrigens wäre der übergang von ‘gefährlich’ zu ‘ktihn’ minde-
stens ebensogross als derjenige von ‘malitiosus, malignus’ zu
‘verwegen, mutig’. Es bleiben dann als einzige stützen für
Koegels ansicht nur noch die höchst unsichere interpretation
von A 19 mel ofer mearce, das auch variation zu /urdor sein
könnte,!) und forsoc in v.28. Die ausführungen über dieses
wort und die daran sich knüpfende erklärung der situation
beruhen aber offenbar auf einem versehen: /orsoc heisst nieht
‘er verlangte’, sondern ‘er verweigerte, er schlug ab’, d.h.
Gunther nahm das von Walther angebotene schwert und die
kleinodien nicht an, er wollte den ganzen schatz haben.
Scheinen also auch die rein sprachlichen gründe nicht ge-
wichtig genug, um die annahme einer hochdeutschen vorlage
zu rechtfertigen, so glaube ich dennoch, dass Koegel recht hat,
wegen der zweifellosen übereinstimmung des Waldere mit dem
lateinischen Waltlıarius in der ganzen behandlung des stoffes
und wegen der fast völligen gleichheit im inhalt mit der ahd.
sagengestalt, wie sie Eckehart überliefert. Die verwirrungen
im chronologischen system, welche Müllenhoff gegen die ab-
stammung von der gleichzeitigen deutschen überlieferung geltend
macht, sind vielleicht doch auch in Deutschland eingetreten
gewesen, auch ist es misslich, auf die dunkle vorgeschichte von
Gunthers schwert, die vielleicht von dem ags. bearbeiter aus
misverständnis noch mehr verwirrt worden ist, derartige schlüsse
aufbauen zu wollen. Die abweichung, dass Waldere mit dem
schwert Mimming bewaffnet ist, während er sich im Waltharius
als vorzüglicher speerkämpfer auszeichnet, fällt nicht ins ge-
wicht, da ja auch bei Eckehart der letzte entscheidungskampf
gegen Guntlier und Hagen mit dem schwerte ausgefochten wird.
Zudem geht gerade aus den worten der Hildegunt hervor, dass
Waldere sich im schwertkampf weniger geübt fühlt, und dies
stimmt ja genau zur ahd. sage.
Sind aber die Walderebruchstücke nicht original ae., son-
dern nur bearbeitung einer hochdeutschen vorlage,?) so ist auch
!) So fassen wol auch Bugge und Kluge die sache auf mit der ände-
rung in meeles ofer mearce.
2) Auf die wahrscheinlichkeit einer entlehnung der namensformen
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 219
ihre sagengeschichtliche bedeutung für England wesentlich ge-
ringer, als man sie bisher angeschlagen hat; die ae. übertragung
könnte von einem Angelsachsen herrühren, der den stoff in
Oberdeutschland kennen lernte und eine übersetzung unternahm,
ohne dass daraus eine verbreitung der sage in England selbst
zu erschliessen wäre, zumal da wir ja auch in den übrigen
denkmälern der ae. literatur kein weiteres zeugnis für die
Walthersage antreffen.
Trotzdem uns also durch Koegels entdeckung eine so wich-
tige stütze entzogen ist, dürfen wir nun aber doch nicht daran
zweifeln, dass auch zu den Angelsachsen die sage von Walther
und Hildegunt schon frühe gelangt sei. Hier treten nun die
eigennamen in die lücke, die uns zeigen, dass schon am ende
des 7.jh.’s die sage in England verbreitet gewesen sein muss,
denn die namen der beiden hauptpersonen derselben sind schon
so frühe sehr beliebt: Wuldhere Lundon. episc. a. 680. Bi. 1, 48.49;
Waldhere presbyt. 8.692. Bi. 1,77; Waldhere episc. 8.693. Bi.
1,82; Waldhario, Uualdhario episcopo 8.704. Bi.1,111; Uualda-
rius episc. a. 705. Bi. 1,113; Valdharius ib. 1,115; ego Waldhere
a.706. Bi. 1,1175; ego sacerdos Walterus a. 706. Bi.1,118; ego
Woaldhere miles a. 109. Bi.1, 124; ego Waldhere confirmavi a. 723
— 740. Bi. 1,153; Uualdhere minister regis a. 814. Bi. 1, 349;
Wealdhere presbyt. a.844. Bi. 2,445; a. 867. Bi.2,516; Wallere
a. 925. Bi.2,648; Walterus episc. K. 4,809. 824; Ghysonem_ et
Walterum episcopos K.4, 825; Walter ep. K. 4,833; Walder
a.1065. K.4, 815; in ortsnamen: of Öam stanbeorze upp on
wealderes wez lo pidles beorze, of piples beorze on widicumbes
heafod ... (Somerset) a. 1044. K.4,774 und in einer grenz-
beschreibung eines landstückes in Wilts a. 931: a loco qui
appellatur fouzelmere directe per stratam usque smaleweye el ab
eadem via usque Walderes welle et ab eodem fonte directe per
cursum aque ... Bi.2,672. Neben dem vollnamen finden wir
auch eine kurzform Wealda, latinisiert Waldo; ego Waldo presbyt.
a. 901. Bi. 2,594; ego Wealda presb. a. 904, Bi. 2,612; ego Walda
presb. a. 904. ibid. 2, 613.
Bei der kleinen zahl von frauennamen, die uns aus alt-
Widia und Niöhad aus deutschen quellen habe ich schon oben s. 187 und
8. 189 hingewiesen.
220 BINZ
englischer zeit überliefert sind, ist es gewis kein blosser zufall,
wenn trotzdem der name Aildizydö zweimal begegnet. Dies
muss eine besondere beliebthleit desselben zur voraussetzung
haben. Das eing beispiel ist Aildiziö LV. (Sweet) 40: wenn
ib. 445 noch einmal eine Hildizyp verzeichnet ist, so bedeutet
das nicht zwei verschiedene vertreterinnen dieses namens, Son-
dern es sind durch irgend eli veisehen die paar weiblichen
namen an jener zweiten stelle mitten unter männliche geraten
und identisch mit denen der ersten stelle, die dort schon in
der gleichen reihenfolge ihren platz im verzeichnis gefunden
hatten. Eine andere Hilddizyb dagegen lernen wir kennen in
der runeninschrift von Hartlepool (Sweet OET. 128) aus dem
7. jahrh. |
Nicht unbeliebt ist auch der name von Waldheres vater
Xifhere; belege s. oben 8. 160.
Originale ae. darstellungen der Walthersage sind uns also
nicht erhalten, die hoffnung aber, dass uns ein glücklicher zu-
fall eines tages doch noch eine solche werde bekannt werden
lassen, ist nicht ganz aufzugeben.
VL Verschiedene kleinere sagen.
Müllenhoff, Zs. fda. 11, 275—284.
Es bleiben uns nun noch einige sagen zu erwähnen, für
die uns allein der katalog des Widsid anhaltspunkte gibt, ohne
dass wir im stande sind, diese kurzen notizen von anderer
seite her auch nur einigermassen aufzuhellen. Wir finden dort
eine ganze anzahl von sagenstoffen nur durch die namen der
haupthelden angedeutet; zum teil freilich mögen diese namen
auch einzelnen uns bekannten sagenkreisen angehört haben,
aber wir wissen nichts davon, weil sie in den uns sonst erhal-
tenen quellen nicht auftreten. So hat man z.b. von Oswine
und Gefwulf (v.26) vermutet, dass sie einst in der Finnsage
eine rolle gespielt hätten, gestützt auf den folgenden vers, der
durch Finn Folcwaldinz, den Friesenkönig, ausgefüllt wird. Die
meisten dieser namen weisen schon durch ihren sinn oder ihre
form auf mythische oder fremde abstammung hin. Mytlische
figuren könnten Wald, der herr der Woinzas, und Wod, der herr
der Thüringer sein; letzterer erinnert an den nordischen Öpr,
dessen wesen und ursprung freilich noch dunkel ist; auch Holen,
®
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. “IA +
der über die Wrosnas herscht, kann dem mythus angehört haben:
er lässt sich Askr und Embla vergleichen; sein name ist noch
im 11.jb. nicht ausgestorben: Rad. Holinessone Winton. DomB.
536. Fremder sage sind entsprossen Casere, der römische kaiser,
und der Finne Celic, in welchem Heinzel (Wiener SB. 114, 506)
den finnischen Aalew wider erkennen will.
Nur einige wenige von diesen namen sind auch sonst in
England gebräuchlich, und diese gehören gewis zum teil zum
altangelsächsischen sagengut: Witta (v. 32) kommt noch in den
genealogien und in dem ortsnamen Wittanham (Bcrks) vor a. 892.
Bi. 2,581. — Billinz, der Warne, gehört wol einem historischen
niederdeutschen gesehlechte an, dessen name auch in England
lange lebendig bleibt: Billing LV. 78. 79; Billinczbroc (Worcest.)
2.971. K.3,570; a. 972. Bi. 3, 1282; BZillingaburz (Sussex) a. 725.
Bi. 1,144; Billinzcumb (Wilts) K. 489. 572; Billinczden (Kent)
K.114; Billinchon a. 1060. K.4,809; Zillingaham und Billinga-
hoth bei Simeon von Durham und ne. Billingsgat. — Hun
(v.33), ein name, der im historischen teil der Beowulf-Hyzelac-
sage einen platz gehabt haben mag, ist ebenfalls noch ver-
breitet: Aunescnol a. 947. Bi. 2, 834; a. 963. Bi. 3, 1125; AZunesdun
(Berke) a. 948. Bi. 3, 866; Huneshom a. 996. K. 3,695; Houneslawe
Sharpe, Cal. 1,382; Hunneswyl a. 944. Bi. 2, 802 und ausser ver-
schiedenen Huna (z. b. LV. 160, K. 4, 981) treffen wir um 824
—826 einen Hun praefectus an Bi. 1, 377; 390—393. — Zu
dieser gruppe gesellt sich auch Hringweald, der Herefaran könig
(v. 34); dass die sage über ihn in England localisiert wurde,
machen folgende ortsnamen wahrscheinlich: usyue ad collem
Rinzwoldes a. 854. Bi. 2,476 = Hringzwoldes beorh a.938. Bi.
2, 729; a. 941. Bi. 2,770 und Hrinzwoldes treow 3.937. Bi. 2, 714.
Die übrigen namen vermag ich nicht in einen bekannten
zusammenhang einzureihen. Sceafthere (v. 32) ist sonst un-
bekannt, aber englisch nicht unmöglich, wie Sceftwine Bi.1, 111
beweist. Meaca und Mearchealf, der Hundinz, dagegen bieten
durch die bestandteile ihrer namen, die zum teil nicht nur eng-
lisch, sondern allgemein germanisch durchaus unerhört sind,
schwierigkeiten: den flywende Markolfus in Dänemark (Grimm,
Myth.* 788) könnte auf die meinung bringen, Mearcheulf sei
eine falsche englische widergabe von Markolf. Der gedanke
ist aber wol zu verwerfen, weil in dem einen gespräch zwischen
222 BINZ
Salomo and Saturn die bekannte gestalt des Markolf ganz
richtig Marculf!) heisst. — Pyle, der fürst der Rondingas (v. 24),
mag einfach das zum eigenname erhobene, ein hofamt bezeich-
nende appellativum, sein volk, die Rondinzas, eine epische
fiction sein.
Wir stehen am ende unserer zusammenstellung. Wenn wir
ihr hauptergebnis kurz resumieren sollen, so können wir sagen,
dass der altenglische besitz an germanischen sagen im wesent-
lichen aus stoffen besteht, welche noch in der continentalen
zeit der Angelsachsen ihre epische ausbildung erfahren hatten,
aus niederdeutschen oder bei den Germanen um die Ostsee
heimischen mythen, aus historischen heldensagen der germani-
schen stämme an Ost- und Nordsee, aus den älteren sagen der
Goten. Für die aufnahme von stoffen aus dem engeren kreise
der Ost- und Nordsee in die epische überlieferung bildet die
mitte des 6. jh.’s den endpunkt. Die einfübrung von sagen
anderer germanischer stämme scheint dagegen sich nicht weiter
als bis in die zweite hälfte des 5. jh.’s zu erstrecken; von den
bedeutendsten epischen eyklen Deutschlands, der Siegfried-Nibe-
lungen- und der Dietrichsage, finden wir bei den Angelsachsen
nur kümmerliche spuren. Es scheint eben die übersiedelung
nach England den abschluss für die eigentliche epische pro-
duction zu bilden, darum haben auch die mit der eroberung
Englands verknüpften kämpfe keinen nachhall im epos zu finden
vermocht.
Diese germanischen sagenstoffe blieben bis zum 11. jh.
lebendig; ein weiteres fortleben lässt sich mit den uns zu ge-
bote stehenden zeugnissen nur für die gestalten des Weland
und Wade feststellen: die übrigen erliegen allmählich der über-
macht jüngerer englischer localsagen von Robin Hood, Here-
weard, Horn, Havelock, Guy von Warwick?) u.s.w. Die end-
1) In der me. dichtung wird er durch den angeblichen sohn des
Marculf, Hendyng (= Hunding ??), verdrängt.
2) Robin Hood geht jedoch vielleicht auf eine alte mythische figur
zurück; vgl. J. Grimm, Mythol.* 8.417 f. nachtr. 145. H. Bradley u.a.:
T’'he Name of Robin Hood, Academy 1883, no. 593, 8.181; no. 596, 8. 230;
no. 597, 8.250; no. 605, 8.384. Dafiir sprechen auch zahlreiche ortsnamen
wie Hodes ac (Worcest.) a. 972. Bi. 3, 1282 (8.587); on hoddes clif (Wilte)
ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 223
giltige verdrängung des alten sagengutes vollzieht sich im ge-
folge der nach der normannischen eroberung eindringenden
veränderung des geschmacks mit jener vorliebe für die franzö-
sischen romane, die wir auch in den namen z.b. im LV. recht
deutlich zu verfolgen im stande ist; an die stelle der echt
germanischen eigennamen treten immer häufiger fremde, von
Frankreich importierte, und diese sind bald so zahlreich, dass
sie nicht nur eingewanderten Normannen, sondern auch alt-
heimischen Engländern zugehören müssen. So treffen wir im
12.713. jb. Rolland, Oliver, Galiena, Hyun, Vivianus, Arthur, Eret
(für Zrec?), Yweinus, Gundrie, Waleweinus, Ysolda, Odenel und
manche ähnliche. Die alte epische Überlieferung aber ist am
anfange des 12. jh. in England ausgestorben.
2.560. Bi. 2, 500; on hoddis clive (Wilts) a. 940. Bi. 2,752; Arnulfus Bia-
tric, Cristina de Hodesdene Palgrave, Rotuli 1, 149. 161. 168; hundredum
de Hodesdon ib. 1,168. 178; Hodesdone (Herefords.) DomB. 137a. b. 139b,
142b; (Essex) ib. 2,2b; Hodduces hanzra (Berks) a. 958. Bi. 3,1035 (Ho-
denhelle, Hodenelle [Warwick] DomB. 1, 24032. 2433); Hodan hlew (Berks)
2.953. Bi. 3,899. a.963. Bi. 3, 1121; diese localität heisst Zodes hleew a. 931.
Bi. 2, 687 (ierra in Hodenho Palgrave, Rot. 1,154); Hodes hu (co. Flint)
2.958. Bi. 3,1041 (bei Kemble Hodesuid); Hodeslacu (Berks) a. 999. K.
3, 703; Hodan mere 3.1043. K.4,767; benorpan Hodes moere (Hants) a. 967.
Bi. 3,1199; Aoddesstoc (Wilts) a.940. Bi.2,756. — Ein zeugnis für die
Hornsage bietet vielleicht Aluuinus Horne (Middles.) DomB. 128b; Alu-
uinus Horne teignus regis kdw. (Hertfords.) DomB. 142; Hornesbeorz
(Dorset) K. 1309. a. 1035. K.6, 1322.
BASEL. G. BINZ.
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL.
Constantin VII. Porphyrogenitus (912— 959) berichtet in
dem 83. capitel des ersten buches seiner schrift De cerimoniis
aulae Byzantinae!) unter der überschrift Oo« del rapapväAar-
tew Ev To deinvo 1a ı9 anovßirwv eis TO Asyöuevov
Torsıxov folgendes:
T5 &vvary nuloa tis dadsxunusgov, av deonor@v Enl Tod deinvov
xageLousvov, 6 xal TOVYnTıxöV?) noooayopsvsra, &v Taic dvolv eloodoıg
Tod ueyalov ToıxAlvov Twv ı9' axovßirwv loravrar ol uElkovrec naikaı
to TorYıxov ovrwg. Ev ulv TO agıorso® u£osı, &v & xal ö dgovyyaeıog
Tot nAoluov napioraraı, loraraı 6 Tod u£povs tav Beverwv uelorwe
uera xal olyav Innorov xal Tav navdovguorov uet& Tov navdovgwv,®)
xal 0nı09Ev avrod ol dvo Toro Yopodvres yovvas LE avrıorodpov xal
noöswn« dıapoowv EidEwr, Baoragovrec &v ubv TG dgıoregg zeıgl 0xXor-
tagıa, Ev di ıy desık Beoyla. Ouolwg xal &v ro defıd ufgs, &v © xal
‘
Cap. 83.
Observanda in convivio novemdecim accubituum, seu mensarum, quo
tempore sic dietum Gothicum celebratur.
Nono die dodecahemeri seu duodecim illorum dierum, qui a festo
nativitatis Christi inde proximi festive hilariterque transiguntur, Dominis
ad coenam, quae vindemialis appellari solet, assessuris, stant in utroque
introitu magni trielinii novendecim accubituum illi, qui, Gothicum ut lu-
dierum edant, parati adsunt. Stant autem hoc modo. Coram sinistro
trielinii ingressu, ubi etiam drungarius ploimi adstat, stat magister Vene-
torum cum paucis quibusdam suae factionis plebeiis et panduristis pan-
duras gestantibus; pone illum duo Gothi ferentes gunas, id est rhenones
aut pallia pellicea ita, ut pilosum et villosum extroversum esset, et vultus
1) Ich eitiere nach der ausgabe von Reiske, Corpus scriptorum his-
toriae Byzantinae p.4, vol.1, Bonn 1829, und füge der bequemlichkeit
halber Reiskes lateinische übersetzung hinzu.
2) Ueber diese bezeichnung vgl. De cerim. 1.1, c.78, p.373 ff.; 1.2,
c.52, p. 751.
3) Nach Reiske (im index des zweiten bandes) wären darunter flöten
zu verstehen. Aber es scheint sich eher um ein saiteninstrument zu
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 225
o doovyyagıoc tig Biyins naploraraı, loraraı 6 Tod u£oovg t@v Iloaalvwv
ualstwo usa xal OAlywv dnuoTav era zal Tov navdovgLotarv UETA TOV
navdoveav, xal Onıodev avrod ol dvo T'ordoı Yogovvreg yolvas EE av-
LITE6YPoV zul noosowna dıiaydowv zldtar, Baorabovres &v ulv Ti agıo-
Tep& yEıpl oxovragıa, Ev de ıH defık PBeoyla. zul dn uEra mv Tod
Gyaıpodgoulov E&odov, TOV ÖEONOTOV XEAEVOVTOG TOV TAG TOANECNG Tov-
tovs eloaysodaı, EUIDE Öglieı 6 Tüg TeanEöng To AKopyovrı ins IvuEing,
xal avroc EEEEXOUEVos NnooToENEra. Tovrovg elosAdelv. ol dE ToE&XoVrTES
zul T& 0xovrapıa dno Tav vun’ avrav Baorabousvav BEoylwv TUNTOVTES
zal xtunov amotskoüvreg Akyovaıv "TodA TOoVA. xal TODTo GVvvexüg Ab-
yovres av&oyovraı nAnolov ts Bacıkırjg toan&öns, wc and oAlyov dıaory-
UATOg, KUXEIGE Mıyvvusvor AUPOTEEOL NOLOVGL KUXAOPEET Naparayıv, ol
utv Eow Tod xUxAov anoxktıousvoı, ol dt EEwFev negıxvxioüvrec. xal
TOvTO TELCBG HoLodvreg dıiayweisovraı, zal loravraı Eis tovc Ldlovs
tonovg, ol ulv av Beverwv els Ta agıorepa, ol d& t@v Ilpaolvwv eis Ta
defıa ueta xal Tov Erkowv duorov, xal Akyovamwv Gupo ta Tordıra,
seu masqueras diversarum specierum, et in sinistra quidem manu scuta,
in dextra vero virgas. Eadem omnia paene dicenda et intelligenda sunt
de magistro et plebeiis quibusdam factionis Prasinae, qui ad dextrum in-
gressum stant, adstante drungario vigiliae. Hos itaque tales Imperator,
statim atque e sphaerodromio seu equestre cum pila ludo excesserit, intro-
duei mandat praefecto mensae aut dapifero; et hie rursus idem archonti
thymelae seu praefecto scenae ludorumque theatralium mandat. Hic ita-
que posterior egressus e magno triclinio jubet illos ingredi. Accurrentes
ergo propere simulque scuta virgis, quas gestant, pulsantes magnumque
eo strepitum excitantes, clamant identidem: “Tul Tul’, et sic pergunt
usque proxime ad sacram mensam; a qua quando parum absunt, con-
currentes ibi ambae hinc et illine factiones formant aciem seu stationem
armatam orbicularem, hi intra circulum inelusi, illi externo eirculo istos
interiores concludentes. Hoc ordine ut ter circa sacram mensam decu-
eurrerunt, secedit factio quaeque suum in locum, et consistunt quieti,
Veneti quidem ad sinistram, Prasini autem ad dextram, et recitant, qui
ex ambabus partibus Gothos referunt, carmina sic dieta Gothica, panduris
handeln, vgl. Xovoavdos im Oeweontixöv ueya Tijc uovoxjc P.20: ano
Ta ueApdıra Öpyava Exeivo TO önolov yalveraı EVxoAwregov Eis didakıy,
xal TO ON0L0v EVEVOKETEL GAPEOTEEOV dıa TV Yrvogıcır TV TOVw», Nlı-
tovwv, xal ünAdg OAmv av diaornuatwv, eivaı 7 navdovgls; Ovoudberan
dt xal navdovon xal Yavdovoos. xaF nuäs dE Taunovga 7 Taunovg.
&10. ” & dvo Eon, TI oxaypnv xal Tov Luyov Ent Tod Lvyod dldsı va
deouwvraı ol Tovoı xal ta nultova. eivaı dE Toixogdov.... ai dt Xoodal
asixıws vneglotevren, Tois xoAapoıg TEıwöousvar xal Avıkusvarn. zul uk
Tobs daxtvkovg TS APLOTEPÄS XEIEöS narovusvan Eni Tov deoumv Tav
Tovov, xal us Tovc tic defıäs nAntrauevan uE NAXTOOV Exrneunovav
0kovg Tovg PHoyyovs. Und ebenso befindet sich die navdovels p. 193
unter den aufgezählten saiteninstrumenten neben der Avpa, xı$coa u.4.
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 15
226 KRAUS
arıva eloı Taüra, dnkovorı xal Tov nardovgwv To olxelov utioc anonıy-
govvrwr: "yavbas. Bovas . Bnxendiag . ayıa . yavdevres.. &AxmPovidsz. Evxeo-
tus . ayıa . Bova.woa.Tovrov. Bavres. Bova Auooe . Enıoxvavres.ldcoas-
Barovg.. vava .dEovg. d£ovg . 0EBaxıBa. vava . devuovoyvyyußeie. yvßikovc.
yvßerages . var „ yvßlkovg. yvß&iapes.vava.tod yeydeua.dE TovAßeie.
yızara TovAdo..vava. 0 Eiexlas Ev Toic nolkuoıs xagonkıoausvos Acov-
olnıs.avara.rıv Einlda zul uornv Exwv Gctoü Toü Yılavdounov.vavd.
nuvyra vnerasev E£Iv7 xal aIEov TV Tvgavvida .ayıan.ö OWTnE, ayadol
deanoraı.vava.navra £4900v 00g doviwoeı E06 TWv nodov oug.iBER.
(Beoleu . Tod LyyEgova . YyEOYEOEIED .vava. ıxadınae TNEPETOVEE. xai
&i$’ oVvTwg AEyovamv ol ualotwges uer& zul Tav dnuoror To aAyaßyrapır:
“avava. Anrınry Geov naAaun EoTEyänts, deonots, oVganv@der .. Boaßeiov
vlens OgINTE, x00uonosmtoı evspykraı. Tevvaioı pInTE Tolc &vavrioıg,
Aweovusvoı tois Pouaioıs Cunpopovs eVeoyEclac. zul ELF oVTwg nahm
Akyovcıv ol ualotwoec: “aylas ta.avare averave. Evroial oas vnto
t& on)a loyvovaı xar’ £4$owv iünavıav. Zun Poualwv xal nAodrog,
aA)oYVAwv xatantwaıs ortwg. Hüg&ämte Teiygos tag nokıreiac. Oeog 001
Edwxev xAudovg GUvouodpovag, EVEEYETa. zul UET& Taüra AEyovreg ol
ualotwess noog Tovg Tordovs "aunauro, dia vevuarog ToV avrWv
ueistwowv xuxlevovamv ol Tordoı, xal taic BEoyaıs Ta 0x0VTAELE TUN-
tovres xal Ayovres "TovA TovA meoıxkelovow Evdodev Tovg TWv dvo
uso@v ualotwgpac, xul narıv anozweıbousvor loravraı eig tovg olxelovc
Tonovg, xal uoxovıuı nahır JEysıv ol Malorwgeg: It**, Kr, Aer*,
interim modulo suo acceinentibus. Sunt autem illa Gothica haec: "yavbac.
Bovasg [et reliqua quae Graecis e verbis repeti poterunt]. — #zechias,
bellum adversus Assyrios gerens, Anana, unicam habens in Deo spem
hominum amanle, Nana, subegit genties, et rebellionem ignorantium
Deum . Hugia . Salvalor, o boni Domini, Nana, ponat, ul mancipium,
coram pedibus vesiris omnem vobis inimicum. ber’ etc. Post haec 3
Gothis ambarum partium dicta recitant magistri ambo una cum plebeiis
utriusque factionis carmen hoc tot constans versibus, quot sunt alpha-
beti Graeci litterae, unoquoque versu ab ea Graeca littera, quae sibi
quoad numeri ordinem respondet, ordiente. Est autem hoc: ‘Anana . Ab
invicla Dei manu coronati estis Domini coelitus Braheo victoriae. Mon-
stralis vos toli orbi lerrarum desiderabües benefactores, Generosos et
fortes hostibus, Donantes Romanis beneficia, quae vilam secum im-
portant'. Post dietum hunc quaternionem verauum repetunt magistri
formulam: ‘Hagias ta. Anate . Anelane’; et tum continnantur versus:
‘kdicta vestra plus in hosles omnes valent, gquam arma, Vita qui eslis el
divitiae Romanorum, praecipilium et ruina alienigenarum. Habet in vobis
res publica munilum castrum. Throni tui collegas, o benefactor, dedit
tibi Deus ramos florentes, leneros, a te satos’, (id est filios). Post haec
dieta pronuntiant magistri ad Gothos hanc vocem: ‘Ampaato’, simul
ipsis nutu manuque signum dantes; et Gothi orbem agunt, et pulsantes
virgis scuta sua dicentesque: ‘Zw Tu!’ includunt ambo magistros; quo
facto rursus separati ad suam quisque stationem redeunt; magistri autem
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 227
Meer al nalıv teisiraı, xaIws nooslonta, xal xwoıbousvov Tav
Torswv zul eic rovg Ldlovs Tonovc lorau&vov Akyovaıv ol ualotweoeg:
Nr, Zen Ok, PH) al nalıv teisitaı, xa9$wg noosiontar, xal
xogıkouevor tov Tortgwv xal eic Tovc Idlovg Tonovg iorausvwv, AEyov-
cıv ol ualorwoes: ‘ P***, Zt, Ttrr, Ye’ al nalıv vekelta, xadu G
ngoeipntau, xal xwgıLouevov tov Tordwv xal lotauerwv els rovc ldlovg
Tomovg, )Eyovoıv ol ualstwpes: Pos avsteılev &v To zgareı nAlov dlxenv,
ai dostal oac. Xoıoröos ovv&oım &xXA0TW NEQLENWV TüG X00VPAG 00G,
Pnplouerı aurov xvoLeVovrec, '2c xvoıoı xal dEENOTEL TWP NEEATWV TÄG
E£ovolac. al UETE TV Ovuninowoıw Tod alypaßnragplov Akyovaıv: “no-
Avyoovıov nomosı ö Geoc nv aylav Bacıkeiav aag. ol d& T'or9oı Tun-
Tovreg usa tov Beoylov T& axovragıa xal AEYOVTES GUVEN@S ToVA TOVA,
zo&yovreg &&koyovraı, ol utv rav Bevirwv and TOD apıoregod u£oovg, ol
dt zwv Ilgaolvwv ano Tod defıod.
versus suos recitare pergunt, ‘/*** K*** rk M***", Post hunc quoque
quaternionem versuum dictum, fiunt eadem, quae modo diximus; et Gothis
rursus separatis et restitutis in loca sua, redit orbis versiculorum decan-
tandorum ad magistros: ‘N*** Zr* Q%#+%* IP, Post hos quatuor dictos
versus revolvitur idem actorum ordo; et deinceps dicunt rursus' magistri
factionum versiculos ab his litteris incipientes: ‘P*** 2** Tr yo,
Repetitis pro ultima vice iisdem, tandem dicunt magistri haec: ‘Foras
edunt validam lucem, et id quidem in summa vestra potestate, virlules
vestrae, velut sol. Christus adsit unicuique vestrum, curans alque fovens
capita vestra; Qui ipsius decreto et voluntale dominamini, O Domini et
arbitri finium imperit'. Post finitum carmen alphabeticum dieunt magistri
polychronium seu: ‘Multenne faciat Deus sanclum imperium vestrum'.
Gothi autem pulsantes virgis sua scuta et ingeminantes identidem: ‘Tul,
Tul’, et currentes exeunt, Veneti quidem a sinistra parte, Prasini autem
a dextra.
Bevor ich das in der hs. sich unmittelbar anschliessende
letıxov folgen lasse (s. 5.229 f.), bemerke ich noch, dass für
das spiel ausserdem die besprechung, die Constantin in dem
weiten buche, c. 52, p. 741 ff. unter dem titel 4 yevedRıog Tov
Xgı0ToV nusoa, &v 7) noorldovraı ai tov IF axovßltov &x$E-
ces den sämmtlichen zu ehren der nativität Christi zu ver-
anstaltenden gelagen widmet, in betracht kommt. Ich hebe nur
das wichtigste hervor:
p. 741: Ael yag vuäs, & YlAoı, Ev Tavıy TH FJaunga zal negidogw
töv Xgıorod yevedilwv nuloe, yvlxa ai nokvoysdeis xal E£aicıoı av ı9'
Rpotigovran uxovplıav ExYEosıg, &v ulv Ty Bacılızz Toaneiy Tod xoR-
kurog Tis ueyalnc Exximalas xaleiv Elc ovveotlacıy TWv yıloyglorwv
Nucv BaoılEwv ueyıoraras &x Tjs Pacıkızjc GvyxXAntov ToV agı9uor ıß,
oioy uaylorgovg, npaınoalrovg, dv$vndtovg nargızlovg, GrEaTmyodg, vpYı-
15*
228 KRAUS
zıallovg, oVg av Ö6EY Tobg avroxparopus Auußavsodur. Eioayeır di
avrovg, Avsv uEvroı T@v olxeiov yAauvdav, nuyızoußvovg dE Ta xauioıe
xal uove....
Das. p. 751: Enl dt tjc Evvarng nukoas av aurov axovßliwv Teiei-
teı xAntwoıov deinvov, Ö xal TEvynTıxör xarslraı, xal del Duäc nooev-
roenicew Eis ovveotlacw tod delnvov ıo Baoılsi YlAovg ıß', oiov ue-
ylorpovg, avdunarovg nargızlovg, orgarnyovg 0xtw, YlAovg BovAyapwrv
dVo, xal Tobc &xurkowv dvo dnuaexovs. no000xaAoüvraı dt ovroL napü
tod Baoılkwc dıa Tod aprıxAlvov nowiac, xal ulvowv dıdoutvwv, GVVELdEg-
xovraı navres ol xexinuevor £Els avveorlacw To Bacıkei noög EanEong,
xal eloayovraı xal EEayovraı NAvtes UETa Tov olxeiov dAladıuarav xal
naunaylaov zark& axoAovdlav xal TUNOV TWv nE0YERYpEvrwv &v Toic av.
Das lexikon hat folgende gestalt:
229
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL,
-19jyaygonıp 981 (19]INW) 908303034 (5
"SUHUOSIYA SOULO 93j0Ju1L Aajınm 1aq YIyaF 9880[3 98911 (z
-I0998 ‘sy op qgsI's ne adnyedsrsip 19p ‘“wEcI 's ne [Io} odnfedsıoA 19p ssep ‘qaou Fqlawaq 'H
-u9g9oıdsadsn® YuRp I9WIgAM um 9][98 I9H3Ip U® gone wur 198 ‘weNgpeu 9l1q Joulau 19 I9p Jim
“NONTDIPUNIIF Hp any :UAsSe] NZ UAWMWONNZ IJLIyOsqe anKuaF 9ula Im ‘Iyansıa ZIOH °H yaI aquy 08
ILIOYIP Y.18)8 Iy9S Sıaynm pun soysTay uaqedsng uap uf SUONIxO] sap Zunup.loug 9Ip %q (1
53000130314 202 € 0 mınzıa opyaoı 019x714
"30DIPNX1D 50386 0 5ogn4p '3y3gyaoı 3p
nana asgUuXon L Slyoıman 33 onapA34 aoı
(9063034034 "aoag ‘ao3g & 33€ 338 "Dana
900 53244 oYogoamd S3onyagak
03441 201 HU1XNOX Saoyıdak
336 339 Dana 9391 5321059Lan0x S30ny3gJak
5036 ‘503$ ana SLıxnox 10% UAandx Saoyıyak
(z’UAanox Susyxazanı 5036 0 ‘5036 9 Dana
"SUAandx SUXILXZANDOUD 3yagadkakoaonzp 09 lyox 0» na0g
'S31An0oYoXoa3 Haoıan? ngıxzng3o 10a3no0yramkn = Saıoaxa3
Dana 5036 5036 Saozp ‘5aozp "10A3N20YNXD00U Sapraoguxyz
104310500 SaoıngJyn23Pp) '3603010X DEFTETT TG
31a Dahıuz HF2ARAXDıU3 149 '193340213& Spopuxıg
‚auunAkn alynx 30onn naog JLaZZ 59409
SFLA0FIUYDD 5312a9g01a01 3603019X Ssozand
. 4. D
(‚awazrlop9 Bx1g10,] B1ı a3 Aawı auxız33p
KRAUS
230
Er£oa kounvia tav noosıonutvwv.
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yavbas. 6 EUnDENTG.
Bien. Texviıne.
ayıa. Yvlarte.
Ei. HeE
dtc. yrohı.
ayıa. Yuiarre.
WER. YES.
Bavres. EIBE
enıoxv. Eavneo aveld.
ld. HEewopovusvnv.
vavd.
0@00v Ön 0@0oV.
veßü. xasıcov.
vavü. 0@00v dn 0@oor.
oyvv. e&ls ro Baoadtoov.
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Bnkovg. tod dıaßokov.
ai AaoEc. TÜV nvevuarwv.
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Tov. GV.
dgrovi. ESalsıyor.
VIXATO. VIXUTW.
vavü. 0@00v ön CW00V.
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EBouı.
EBouı.
&3oaı.
E3ouı.
dwug.
&3oaı.
dwuc.
Bevor ich die resultate eigener untersuchung vorlege, will
ich kurz die wichtigsten ansichten besprechen, die von anderen
Hierauf ist bis zum nächsten capitel eine seite frei.
über diescs spiel ausgesprochen wurden.
Der gelehrte Reiske hat sich in dem commentar seiner
ausgabe in eingehender weise liber den ursprung und die be-
nächst die von Muratori (Ant. Ital. diss. 29) herangezogenen
stellen aus Luitprand, Ennodius und Cassiodorus mit der be
gründung ab, dass die von diesen autoren beschriebenen spiele
deutung des Gotthieums verbreitet (p. 355—365). Er lehnt zu
iegerischem
ircus abgehalten und mit kr
ın einem C
der Goten als
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 231
apparate ausgestattet von dem byzantinischen spiele sehr be-
deutend unterschieden gewesen seien. Näher stehe, was Vopiscus
(cap. 19) über die unter der herschaft des Carinus und Numerianus
eingeführten sarmatischen spiele berichte: mimos undique ad-
vocavit. exhibuit et ludum Sarmalicum, quo dulcius nihil est.
exhibuit Cyclopem. Zwar gebe Vopiscus keine nähere be-
schreibung, aber die sarmatischen spiele wiirden unter andern
spielen erwähnt, die alle von kriegerischem staate weit entfernt
seien, und vor allem lasse sich in dem Cyklopenspiel der keim
des gotischen nachweisen. Der name der spiele bedeute nicht,
dass die Sarmaten oder Goten dieselben erfunden hätten,
sondern vielmehr, dass angehörige dieser stämme (sowie auch
Waräger und Franken) in ihrer volkstracht sie ausführten.
Solche spiele seien auch nicht bloss zu den zeiten des Con-
stantinus Porphyrogenitus und des Carinus und Vopiscus, sondern
ebenso zu denen des Justinianus und Codinus, ja sogar noch
heute zu finden. Folgt eine stelle aus Codinus, die mit der des
Gotthicums in allem wesentlichen übereinstimme.!) Was das alter
dieses spieles betreffe, so sei es sicherlich auf jene zeiten zurück-
zuführen, in denen Goten noch im kaiserlichen kriegsdienst
gestanden hätten, was von Justinian ab nicht mehr der fall
gewesen sei. Heute hersche noch derselbe brauch, nur heisse
man die acteure jetzt die knechte Ruperts. Wie jene Goten
seien diese in tierfelle gekleidet, zögen in der ganzen stadt
umher und schreckten mit ihren waffen; auch die zeit sei die-
selbe (vom 25. december bis zum 6. jänner). Dass dergleichen
auch im mittelalter geübt wurde, bewiesen zahlreiche stellen. 2)
ı) Offie. p.90 n.12 gelegentlich der beschreibung der am byzan-
tinischen hofe beim feste der geburt Christi üblichen feierlichkeiten:
engeıta (nämlich, nachdem der kaiser und die vornehmen, die ihm ihre
wünsche zum feste dargebracht, sich zu tische gesetzt haben) &oyovreı
xal noAvyporltovow xal oi Bapayyoı xar& Tyv nargıov xal ovroL
y).000av avıwv nyovv IyyAıorl, zal Tag NEAEXEIG KÜTOV GVYxXEOVOVTES
XZTUNOV AnoTskoüvraı. METÜ yoüv To navrag Tod narlarlov noAvypovicaı
xara Tasır avrov, uexoı zal rwv Baopdaoıwrwv, xata Tv TaToLov
xzal Toutwv Ywvnv, ntoı Ilegoıoti, elsepyovran xal vi warraı xal noAv-
1o0viGovaı, warkovres UET avIo TO xovramıov: 7 NaPFEVog ONUEEOV
ITEEOVOLOV TIXTEL.
2) Du Cange, Gloss. Lat. 8. v. Cervula et Jottici (ludi Gothici), Ka-
lendae, Vetula; Vita S. Eligii 1.2, c. 15; Ugutio; Historia Turpini c.18..
Du Cange s. v. Kallızavröagog.
232 KRAUS
Die wurzel des ganzen brauches sei der glaube, dass in der
woche nach Christi geburt zalreiche teufel die erde durchzögen,
um ihre wut über die geburt des Christuskindleins an menschen-
kindern auszulassen, doch reichten solche feste viel weiter
zurück und seien gewis in letzter linie auf die Dianafeier der
Epheser zurückzuführen.) Folgen ausführungen über die ganz
mit den knechten Ruperts übereinstimmenden gestalten der Cy-
klopen, sowie über andere feiern ähnlicher art, wie die brumalien
und dergl. Auch der gebrauch, dass soldaten, musiker und
schtiler mit ihren vorgesetzten vor die häuser der bonoratioren
zögen, um daselbst zu singen, einen glückwunsch zum jahres-
beginn darzubringen und eine gabe zu fordern, sei heranzu-
zieken.?2) Schliesslich verweist R. noch auf eine in der graf-
schaft Suffolk bestandene sitte (bombus).?)
Auf den ausdruck ovA sowie die unverständlichen sätze
des gotischen gesanges näher einzugehen, lehnt R. ab: ‘posset
una et altera margarita huic sterguilinio inesse', aber der autor
könne auch von unkundigen oder böswilligen leuten hinter-
gangen worden sein. Das vergnügen jener zeit an solchen
spielereien werde ausser durch die vorliegende stelle auch noch
durch die vorschrift erwiesen, das evangelium gelegentlich einer
papstkrönung in griechischer und hebräischer sprache von leuten
lesen zu lassen, die weder der einen noch der andern kundig
waren.?)
Unter den germanisten war Massmann der erste, der das
problem in angriff nalım.5) Ihm galt der text für unzweifelhaft
gotisch, aber bei seiner verderbnis für nicht reconstruierbar;
nur einzelne wörter liessen sich noch herstellen, wie gautos aus
yavbas, gultans aus yavdevres, wiko aus Bnxndlag, ingardjans
aus EvxeoTug, thius aus dEoVg U. 8. W.
Die arbeit eines von Massmann erwähnten vorgängers
1) Du Cange s.v. Karayayıa; Menolog. Basil. t.2, pag. 24, ad diem
XXII. Januarii.
2) Anführung einer stelle aus Tzetzes Chiliad. XIII, v. 248 f., wo die
sitte @yvouoc genannt wird, sowie aus einer schrift über Russland.
3) Du Cange 8. v.
#) Coneilii Pisani acta de anno 1409, die septimi Julii.
5) Gothica minora, Zs. fda. 1, 294—393.
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 233
namens Forster!), der sogar drei sprachen zur erklärung heran-
zog, war mir nicht zugänglich.
Ebenso ratlos wie Massmann stand J. Grimm?) der sache
gegenüber. Zur erklärung von rovAßele und osßaxıßa sollten
die dakischen pflanzennamen rovAßnAc und oeß« dienen. Von
all seinen ausführungen hat nur die heranziehung des lateinischen
jubilum in einem punkte das richtige getroffen.
Gegenüber diesen verworrenen bestrebungen bedeutet die
behandlung, die Za9ac?) dem texte angedeihen liess, einen
unleugbaren fortschritt. Nachdem er eine kurze schilderung
der äusseren umstände und des ganzen hergangs gegeben,
bemerkt er, der hymnus selbst enthalte, was von niemand
bemerkt scheine, vorzugsweise latein‘), und reconstruiert ihn
auf folgende weise, indem er die einzelnen stücke je einem der
vier Goten zuweist.
A. Xaloers, xarol uov yeltoves.d) Ayıa.
B. Xaoovusvoı oil ExAextol Yearal Tov Bonsai: Ayıa.
1) A.a.o. 8.368: Forster, Geschichte d. entdeckungen und schiffahrt
im norden, 1784, 2, 292—8.
2) Geschichte d. deutschen sprache, Leipzig 1848, 8. 451.
3) Iotogıxöv doxluov neol Tod Yearoov xal tng uovomxig tov Bv-
Lavılvwv. elsaywyn, Ev Beveria, 1878, 8.189 ff.
*, Darauf hätte Za&$ac und den gleich zu erwähnenden Müller aller-
dings schon eine stelle aus 1.2, c.52, p. 743 f. führen können, wo es vom
ersten der zwölf den grossen festmälern gewidmeten tage heisst: wer«
di TnV navıwv Avasınaıv del nE00EXEIV TO uovcıxov ukhog, zal ırixa
zo ldıov annynosı pIEyua, ESaviotaodaı anavras Ele eipnulav tov deo-
nor@v xal tus kavrov anexdıdvoxsoga yAaurdas. arıı unv xal O0axıs
av TO uovoıxov annıNon, xal O0axıs av Yrussıxov Tı NoÖG TEOWIV EXTE-
1.094 noäyua, xal nvixa tı Bowoıuov &x Tis Bacılızijg TEanesng dia Tov
TEENVOD xROTENolov nEÖG Tovs dutvuovas Eganoctainaerau. Ev d& Ty
tovrwv ££0dw dei nooatyew Tois bwualLovsı Bovxakloıg xal ovv
Ta AVLOV Eywvnosı NO00EXEI TO oxjua Tod x)Eıvod xaotonolov, xal
addıs ESavıorav mavrag Tobg xexinusvovg KAnvıdopogovg dıa tig onıcHov
JEoEwc TÜV axovßitwv, xal EnavayEıv MVTOVG Ex TOV XKUTWw nEög TmV
vo nE00WNLRmv E£0dov TAG avriig negLödov. xal EiF OVTWGg UET« Tmv
Toirwv Terslev vneldvow xal avrovs Tic Bacıkızng TEanEing daıtvuovac
ESayeıv, IMAovöTı NOONOPEVOUEVOV AVTolc TOD x)Eıv00 xaaTonolov Tg
Baaılıxns Tuulac ToanE£öng.
5) Tavbac Bovac Bıxndiag (gaudeas, bonae viciniae). yavdevreg EAxn-
Bovides Ev xEorvc (gaudentes electi venientes in certantes). Pova oE«
tovrovßarreg (bona hora tibiantes). Pova auoge Emioxvavres ıde Gal-
Batovg (bona amore En} scientes idem salvatus).
234 KRAUS
T. 200» xanv, « sahnıyxrai.
A. Kainv ayanıv, & sopol xl GEEWauEvOL. 1)
Iloog @AlnAovg dt anorTzsırousvor A&yovoı taüta.
A. 0 Yeöc, 6 Yeoc va o& &Aenoy. Nava.
B. Koaxta Tod daluuvog, ToV daıuovwv xal Tov dauuovıxov nver-
uarwv. Nava.
T. [Zu eioaı] xgaxıng Tov damuovav xal Tov nvevuarwv. Nava.
d. Zv uagyaglıns Tov srgarod; Pinyäcaı (pAvaoeic)!
"Oro öuoü: Nıxarw ö arouroc. Nava.
Hierauf rüsteten sie sich für den kampf und sängen dabei
die kriegerische stelle O ELexiag u.8.w. Sodann griffen sie auf
den ursprünglichen gesaug zurück, dessen fortsetzung so laute:
[Zyto] to xgaroc.?) Dann, sich gegenseitig anrufend: od noAes-
kiorng; al, al, org&wov eig to 0onioo!?) Und schliesslich ver-
einigten sie sich wider in dem gemeinsamen ausrufe: onadi
(Havaros) eis cüs, ® xarmoauevoı!*)
Während nun die Goten mit einander kämpfen, werden
verschiedene siegesgesänge gesungen, bis die magistri den Goten
zurufen: auporegoı eis napaotaoıv.5) Hierauf singen die Goten
widerum, schlagen an ihre schilde und rufen zovVA, ToVA;®)
während die magistri den alphabetischen hymnus hersingen.
Schliesslich findet das spiel ein ende, indem die beiden die
Goten umgebenden parteien der Grünen und Blauen im tanz-
schritte den saal durch die einander gegenüber liegenden türen
verlassen.
Indem ich die widergabe der sonstigen bemerkungen des
BSasas auf später verschiebe, wende ich mich nunmehr zu dem
aufsatze Conrad Müllers’) Auch dieser erkannte, ohne von
1) A&ovs, d£ovc, oeßaxıßa (deus, deus, oe vaciva). devuovoyvyyußeit
(datuovo — jubilum), yvßlAovg, yvßeicoss (jubilum, jubiflumjlares). Toö
y£ydsua dt tovAßels (tu gemma tuldi? Bele!)., Nıxarw roüldo (vıxarw
tuldum).
2) "Iso — [Peoleu (imper[ium] imperium).
3) Tod lyy£pova' yeoysosdoo (tu in guerra‘ Eysıpe in retro).
1) Zıxadiace neoetovges (8ica dıa oäg perituri).
5) Aunoato (amb acto —= duyorepoı Eis Axtov [naeaoraoıv)).
6) Wahrscheinlich aus tuldum oder nach Porphyrogenitus aus pultum
(tooyy) entstanden. Bei den Griechen bezeichnet novA novA einen lock-
ruf, der an haustiere und vögel gerichtet wird, um sie zum fressen auf-
zufordern.
?) Zs. fdph. 14, 442 — 461).
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 235
seinem vorgänger kunde zu haben, dass in dem texte verderbte
lateinische wörter vorlägen. In der art, wie er zu werke geht,
um dieselben wider herzustellen, zeigt er sich dem Griechen
methodisch weit überlegen. Während dieser sofort daran gieng,
den text durch conjecturalkritik zu restituieren, sucht M, nach
sonstigen beispielen für die widergabe lateinischer wörter durch
griechische schrift, findet solche in des Porphyrogenitus werke
selbst und gewinnt aus ihnen feste regeln für zahlreiche ab-
weichungen und besonderheiten. Während jener wahllos bald
dem As$ıxov, bald der &punvia und bald seinen eignen ver-
mutungen folgt, untersucht dieser das verhältnis der beiden cr-
läuterungen zum texte und komnit zu dem gesicherten resultate,
dass die &ounvia als gänzlich wertlos für die herstellung in
keiner weise in betracht gezogen werden dürfe, während das
As$ıxov als ein hilfsmittel von ganz beträchtlicher bedeutung
anzusehen sei. So gelangt er schliesslich zur aufstellung des
folgenden textes, wobei er bemerkt, dass manches im versmass
und der alliteration an germanische dichtung gemahne:
Gaudeas bonas vicinias! Hagia!
Gaudete secli boni dies in certis(?)! Hagia!
Bona hora tutubantes!
Bona amore inspicientes!
Inde salvatus, Nana, deus, deus! (oder:
Inde salvatus Nana deus, deus!)
Die vaciva, Nana,
Daemoniei jubili
Jubilos (Jubilus?) jubilaris, Nana,
Jubilos (Jubilus?) jubilaris, Nana!
Tu genite ima die, 'l'ul belle!
Vinca(n)t, o Tul et o Nana, ... (oder:
Tu genite ima die, 'Tul belle,
Vincat, o Tul et o Nana! ...)
Ueber die viel zweifelhaftere herstellung des schlusses
kommt M. zu keiner festen entscheidung, sondern stellt als
gleichberechtigt folgende auflösungen neben einander:
a) Iber, hiberiem tu inger suä (!) grege retro Na, Na (Nana ?),
sic candeas e perituris! = Iber führe den winter sammt seiner
schar zurück! Nä, Nä (Nana?) — so strale du unter den
dem untergang verfallenen!
236 KRAUS
b) Iber, Iber, jam tu, nigre, una grege relroi! Nana (?) sic
candeas e perituris = Iber, Iber, weiche gleich, du düsterer,
mit der einen schar zurück! u. 8. w.
c) Iber, Iber, jam tu inger suem a grege retro! Na, Na — sicä
adiens in perituris! = Iber, Iber, schon führe du herein den
eber von der herde nach hinten! — Na, Na! — mit dem
dolchmesser ihm nahend unter den zum opfer bestimmten!
Bezüglich der wörter Tul, Nana und /ber kommt nun M.
zu dem schlusse, dass sie die namen germanischer gottheiten
darstellten. Seine gründe sind folgende: der eingeweihte und
zuverlässige lexikograph übersetzt alle drei mit casus von sog,
verstand somit unter ihnen göttliche wesen. 7uwZ speciell wird
noch durch den beisatz tu genite ima die als solches unzweifel-
haft. Dass! germanische bez. gotische gottheiten vorliegen, ist
aus allem beiwerk zu entnehmen. Ein leiser zweifel, ob vav«a
nicht etwa als ein ausruf aufzufassen sei, wie er noch an einer
andern stelle im Liber de cerimoniis, sowie bei Luitprand vor-
komme), wird durch hinweis auf die zuverlässigkeit des lexi-
kographen sofort wider unterdrückt. Nur, meint M, müsse man,
da die glossen dieses wortes immer in doppelformen gegeben
würden (vava = 0 #eoc, d Yeög u. 8.w.), die namensform wol
als Na oder mit nasalierung als Nan auffassen. Bezüglich der
natur dieser gottheiten kommt M. nach ziemlich ausführlicher
erörterung zu dem schlusse, 74! und Nana oder Na verträten
Wodan und die alte Terra Mater, den Odin und die Frigg des
nordens, I/ber hingegen den gott Freyr, der einen goldborstigen
eber mit sich führte und selbst unter dem symbol eines eber-
hauptes verehrt wurde. Das zweifelhafte dieser mutmassungen
verhehlt sich M., wie ich ausdrücklich hervorheben will, selbst
in keiner weise.
Schliesslich stellt er eine hypothese über die entstehung
des liedes auf: der julgebrauch müsse eine sitte der gotischen
garden gewesen sein, die in früherer zeit in Byzanz kriegsdienste
taten, und sich von diesen auf ibre nachfolger, die Waräger
1) De cerim. p.165 Ba als gruss der cantoren, wofür jedoch Reiske
zava (= sanctissima) einsetzt; Luitprand p. 143: me revertenti ad pa-
latium sibi praecepit occurrere ut obviantes mihi quae prius in Stuporem
menlis mulieres versae ‘Mana, mana’ clamabant (gloss.: i. e. mater, mater).
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 237
und Briten vererbt haben. Ursprünglich sei der text wol
in gotischer sprache abgefasst gewesen, dann ins lateinische
übertragen und schliesslich mit griechisch-christlichen zusätzen
(ayıc und die mit ELexias beginnende stelle) versehen worden.
Der text, wie er bei Porphyrogenitus vorliege, gehe wol auf
ältere archivalische quellen oder frühere schriftsteller, wie Petros
Patrikios oder Eusebios zurück.
Eine weitere kurze besprechung hat, worauf mich Heinzel
freundlichst aufmerksam macht, der vielseitige russische aka-
demiker Veselovskij dem spiele gewidmet.!) Seine aus-
führungen fussen im wesentlichen auf denen von Saas und Müller.
Den namen zovyntınov (deinvov) erklärt er als ‘erntemal’,2)
bringt die feier in zusammenhang mit den rosalien, brumalien
und ähnlichen feiern, verweist bezüglich der auftretenden ‘Goten’
auf die rolle, welche bei ähnlichen gelegenheiten “Türken’ spiel-
ten und erblickt in dem ganzen eine art dionysischen festes.?)
Gegenüber der vorsicht, mit der Müller die frage behandelte,
in gewissem sinne als rückschritt müssen die betrachtungen
gelten, die Kögel dem Gotthicum gewidmet hat.) Nach ihm
enthält der text den hymnus, womit die heidnischen Goten in
der zeit der zwölf heiligen nächte den lichtgott verehrten; zu-
gekommen sei er dem byzantinischen hofe von Italien aus und
zwar gewis von Ravenna. Er reconstruiert denselben in folgen-
der weise:
. Galdeas bönas viciniäs!
. Gaud6te böni saecli | dies incertos, haia!
. Bona höra tütubäntds | bona amöre &pisküantes!
. Id& salvätus nanäl | d&us deus, [haia!]
. Die vaciva nanä! | da&monö-jujübile
. Jubilös, jubiläris, nanä! | jubilös jubiläris, nanä!
. Tu gegd&ma die... | Tül belle vineitö | Tül deus, nänä!
. Iber iber jam tü | in gärvä grege | r&tröi ndnä!
. Sie ädeas & peritüris.
SO X 19 Gm DD DD mi
ı) Razyskanija u.8.w., d.i. Untersuchungen auf dem gebiete der
russischen geistlichen poesie, Petersburg 1889, 5. teil, no.14, 8. 2831—6.
Die übersetzung der betreffenden partie verdanke ich der güte Creizenachs.
2) Mit bezug auf eine von Tomaschek, Wiener SB. 60 (1868), s. 351 ff.
angezogene stelle der Acta S. Stephani martyris p. 511.
s) Ueber waffentänze, im 18. jh. im Banat zu weihnachten aufgeführt,
vgl. Arch. f. slav. ph. 10, 352 (hinweis prof. C. Jiredeks).
*) Geschichte der deutschen litteratur 1, 1 (Strassburg 1894), 34—39.
238 KRAUS
In dem beigegebenen commentar wird haia als interjection
für das gotische in anspruch genommen, tutubantes soll ein
fehler st. titubantes, episküantes ein halb gotisches wort sein,
hinter die vaciva steckt ein deutsches dulbs, dwtitago, jujubile
gibt einen gotischen imperativ *ujuwilei wider, wie garva den
germanischen stamm garwa- enthält, Iber ist der gott Freyr,
TovA möglicherweise eine verlesung von ZtovA u. s. w. Brauch-
bar ist von alledem nur die vermutung, ide könnte das grie-
chische ide meinen. Die näheren beobachtungen Kögels über
die metrik des hymnus (er fasst ihn als ungleichstrophigen
leich mit allen eigentümlichkeiten des deutschen versbaues auf)
übergehe ich.
Ich wende mich nunmehr zur darlegung der ergebnisse,
auf die mich eine nähere untersuchung des hymnus geführt hat.
Auszugehen war dabei von dem einzigen festen punkte, den die
überlieferung bietet, nämlich von dem As$ıxov, während die
£ounvia, deren wertlosigkeit Müller in einer mich vollständig
überzeugenden weise dargetan hat, ganz aus dem spiele bleiben
musste.
Betrachtet man das lexikon genauer, so sieht man, dass
die wörter hier in anderer reihe aufeinander folgen als im
texte. Das muss einen grund haben. Nun lässt sich weder
alphabetische noch sachliche anordnung erkennen und ebenso-
wenig irgend ein anderes einteilungsprineip. Man wird daher
annehmen müssen, dass die abweichungen durch zufall zu stande
gekommen seien. Und das wird bestätigt durch die ganz
eigentümliche natur derselben. Die ersten sieben wörter folgen
einander wie im texte, dann finden wir, von »ava vorderhand
abgesehen, acht wörter, die dem dritten viertel des textes in
richtiger folge entnommen sind, dann widerum sieben in rich-
tiger folge, die aus dem zweiten viertel stammen, und endlich
die wörter des letzten teiles gleichfalls in derselben ordnung
wie im texte. Dafür gibt es nur &ine erklärung: das lexikon
war in der vorlage des schreibers doppelspaltig geschrieben,
und es befanden sich die ersten sieben zeilen (sowie vavı) auf
dem schlusse einer seite, die acht anderen dagegen auf dem
anfange der folgenden seite. Also in dieser weise:
239
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL.
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1013402134 "Sopluxıg
"00x "50408
3603070X "5n5anA
Anstatt die spalten in der durch die zahlen angedeuteten
reihenfolge widerzugeben, geriet ein abschreiber auf die folge
LI, II, IV. Nunmehr entspricht die reihenfolge genau der des
1) Man beachte, wie schön sich jetzt die sonderbare stellung erklärt,
die vava® in der hs. (8. 0. 8. 229) e
der schreiber fand die achte
immt
innımm
zeile der linken spalte leer, während die der rechten beschrieben war,
und so nahm er zur ausfüllung das erste wort herüber, sodass die glosse
von ihm getrennt wurde.
Müllers abdruck, steht aber bei Reiske und
ın
2) Diese glosse fehlt i
in der hs.
240 KRAUS
textes mit ausnahme mehrerer veva. So steht im texte vav«!
vor deovg, deovg, hier dagegen nachher; veva«? im texte vor
deuovoyvyyvßeis, hier nachher; vava? und veva* sind richtig
untergebracht. Was endlich vav«a5 betrifft, so ist zu bemerken,
dass ihm im texte kein vava entspricht, dass es aber nahe
liegt, das einzige vava des textes, das im lexikon keine ent-
sprechung fände (nach dem ersten yußeiapes), mit diesem »ava 5
in verbindung zu bringen. Es bedarf dazu nur einer einleuchten-
den erklärung für das zustandekommen des platzwechsels. Nun
weist die oben bezüglich veva! und vava? gemachte be-
obachtung entschieden darauf hin, dass das lexikon diese
glossen ursprünglich gar nicht enthielt. Das ist ja auch von
vorneherein viel wahrscheinlicher, denn wozu diese wider-
holungen?!) Es dürfte also vava nur einmal glossiert gewesen
sein und die übrigen »vava sind zusätze eines schreibers, der
das lexikon zu vervollständigen trachtete. Dass diese zusätze
ursprünglich an den rand geschrieben waren (wie jetzt noch
&yıa in der hs.) ist von vorneherein anzunehmen und erklärt
allein die falschen einreihungen. Das lexikon hatte also in
einem früheren stadium folgende form:?2) (S. s. 241).
Zur begründung dieser reconstruction folgendes. Wenn ich
annehme, dass das lexikon zweispaltig abgefasst war und zu-
fällig auf zwei seiten zu stehen kam, so darf ich hierbei darauf
verweisen, dass später derselbe fall sich widerholte, wie ich im
eingange meiner untersuchungen gezeigt habe. Wenn ich den
auf der ersten seite geschriebenen teil gerade bis d&ovg reichen
lasse, so geschieht dies, weil dadurch erklärt wird, wieso vape>,
zwischen zwei spalten in gleicher höhe wie xoaxtng und wave?
stehend, zur unrichtigen spalte gezogen werden konnte. Dass
dieses vava® wirklich einst als einschub nach dem ersten
yvßelopss bestimmt war, darüber lässt schon der beigesetzte
vocativ YsE kaum einen zweifel, der einzig in dem im texte
ganz parallel widerum nach yvßelages verwendeten »ava!
seine entsprechung findet, während sonst vaeva immer durch
ı) Man halte mir nicht die widerholung von yvßilovg YußEipes
entgegen, wo die glossen wechseln.
2) Ich bezeichne den platz, den die vav« einnehmen sollten, durch
punktierte pfeile, den von ihnen tatsächlich eingenommenen durch ge-
wöhnliche.
241
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL.
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3803070X "Snjank
16
xX,
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache,
242 KRAUS
den nominativ sog glossiert ist. Aus dieser anordnung be-
greift sich nunmehr auch ohne weiteres, warum vava! keine
glosse hat und, ohne eine vollständige zeile zu bilden, aufnahme
gefunden hat: weil eben deovs ohnedies die glosse He0s neben
sich hatte, die ebenso gut für vava passte. Was endlich vava’
betrifft, so lag für den interpolierenden schreiber kein grund
vor, dasselbe gleich den anderen an den rand zu setzen, da ja
das lexikon zu ende und bis zur £rega Epunvia gewis raum
frei war, sodass es ohne weiters in die spalte geschrieben
werden konnte. Auch warum vava? an unrichtiger stelle er-
scheint, ist nunmehr klar: weil vor navsvxAeng ein leerer raum
zum beschreiben herausforderte. Derselbe interpolator schliess-
lich, der die vava an den rand schrieb, hatte offenbar in seinem
bestreben nach vervollständigung des lexikons die unglossierten
worte dem texte entnommen und in der oben angedeuteten
weise dem verzeichnis einverleibt. Als dann die einbeziehung
der verschiedenen vava erfolgte, da schien nichts natürlicher
als vava: neben das erste der unglossierten worte, also neben
ißeo zu setzen, aus demselben grunde, aus dem vava? in die
lücke vor navevxieng gerückt wurde.
Als das ergebnis dieser untersuchungen muss, wie mir
scheint, vorderhand betrachtet werden, dass die glosse #e£,
9sE lediglich zu vava5 gehört und mit ißep ebensowenig etwas
zu schaffen hat, wie z. b. vava? — 6 $eög, 6 9eos mit dem da-
neben stehenden ravsvxieng xgavyn. Dass Müller und Kögel
in ihrer ansicht, 9eog glossiere das wort ißse, und es sei somit
an Freyr zu denken, nicht schon durch einen anderen umstand
sich beirren liessen, ist seltsam genug. Bekanntlich ist der mit
ißso beginnende teil von dem vorangehenden hymnus durch
einige rein griechische sätze getrennt; es wäre somit höchst
auffällig, wenn die glossierungen mit dem ersten worte des
zweiten teiles aufhörten, statt beim letzten des ersten. Sonach
liegt nicht der mindeste anlass vor, hinter ißepg den namen
eines gottes zu suchen. |
Aber die geschichte der überlieferung lässt sich noch weiter
zurück verfolgen. Vergleicht man die glossen mit den entf-
sprechenden lateinischen wörtern, so erkennt man, dass der
glossator der lateinischen sprache vollkommen kundig war.
Um so auffälliger sind die zahlreichen sinnlosen worttrennungen,
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 243
wie yavdevzes EAxnBovıdes st. yavdevre 0eAxnBovıdes oder
idesaAßatovs = 0mLöuevor st. 0aAßatovs. Der so abteilte, kann
nicht der glossator gewesen sein. Dann kann aber auch der
glossator das lexikon nicht verfasst haben: denn bei seiner
anordnung bliebe das entstehen der fehler ganz unerklärlich.
Kurz gesagt, das lexikon ist jüngerer entstehung, und ursprüng-
lich befanden sich die glossen tiber dem fortlaufenden lateinischen
texte. Dadurch erklärt sich auch die bereits besprochene tatsache,
dass die glossen sich nicht auch über den zweiten teil er-
strecken: ein schreiber, der die glossen nachträglich darüber
schrieb, glaubte seine aufgabe beendet, als er widerum auf eine
griechische stelle stiess, und so wurden die glossen, die ur-
sprünglich wol auch vorhanden waren, unserer kenntnis entzogen.
Der text bot demnach einst ungefähr folgendes aussehen:
waloeoYE xalni Yeıroveliaı xalocecHE TO00XAA0VUEVOL Aywvı-
‚ yavlas Bövas Anxmölas ayın yavdkvres EIxnBovıdes dvxeprus
Cousvor za won oahmibovres xaAv ayanınv Enıyvovreg wLo-
ayıa Bova Spa tovrovßavres Bova auoge Enıoxvavres ldsoar-
NavEvxAeng
ANOOVVERTIXIE
Barovsg vava deovs deovs oeßaxıda vara dsvuovoyvyyvßeis
uevou gE0C YE0G Eavrodc EVoyokoüvres
»gavy7 ee sole
z0auyzg +0Rvyn zal xgaxıng xoavyabovreg xoaxıns Ywvoßo-
yußikovg yvßeilagss vara yvßilovs Yußeiapes
koüvres Het, Hein HE00, Heoo LE avaroljs .n aoxjdEev ayasoc 6 HEöcg
vava rovyeydeua de ToVAßere
vızaro 6 BEoc. |
vırara TovAdo vava.
Nunmehr erklärt sich zunächst die unrichtige trennung
mehrerer wörter. Es hat sich hier vor der abfassung des
lexikons dasselbe abgespielt, wie wenn wir im überlieferten
texte, der die verschiedenen lateinischen wörter durch punkte
von einander trennt, z. b. rovzov . Bavres lesen, während zur
zeit der abfassung des lexikons, wie ein blick auf dasselbe
lehrt, noch die richtige schreibung rovro(lv)Bavreg (als &in wort)
in der hs. gestanden haben muss. — Ferner wird man an-
nehmen müssen, dass einzelne glossen, deren silbenzahl die
16*
244 KRAUS
der entsprechenden lateinischen wörter um ein bedeutendes über-
trifft, mit ihrem schlusse noch über das folgende lateinische
wort zu stehen kamen. Damit gewinnt man eine erklärung
des in Müllers und Koegels texte v.2 so störenden secli boni
dies, das der glossator durch rgosxaiovuevor widergegeben
haben soll. Die glosse bezieht sich nur auf selci, das eine
entstellung eines ursprünglichen socäö ist. — Ferner finden wir
manche lateinische wörter doppelt glossiert, in welchem falle
die beiden glossen offenbar aus räumlichen gründen öfters über-
einander geschrieben wurden. Das konnte nun leicht einen
schreiber, der gewohnt war, in der regel nur zwei zeilen zu
copieren, veranlassen, die mittlere der drei zeilen für die unterste,
lateinische, und die darüber stehende zweite griechische glosse
für die einzige zu halten. Dieser vorgang hat stattgefunden bei
EILYVOVTES
ENLOXVAVTES
lung des partieips &rıox(or)ouvres. Im lateinischen texte wäre
also das verlorengegangene inspicientes wider einzusetzen. —
0oLouevoL
ldeoaAßarovs
fehlt aber nunmehr die glosse: sicherlich hat sich einfach der
beim vorhergehenden worte begangene fehler hier fortgepflanzt.
ide ist also die griechische glosse, und das entsprechende ecce
gieng verloren wie das vorhergehende inspicientes. — Ferner:
anoovvextixng ist nichts, es ist nur ein adjectiv Ovvextıxog
belegt. «ro ist also abzutrennen. Nun kam der glossator
an dieser stelle offenbar mit dem raum ins gedränge, da die
vorhergehenden und folgenden glossen alle weit länger sind
als die entsprechenden lateinischen wörter. Er unterliess also
das wort devuovo als dem Griechen an sich verständlich zu
glossieren. Umgekehrt fehlt im lateinischem texte die dem
«ro entsprechende praeposition a: augenscheinlich, weil das
auf a auslautende vava vorhergeht. — Endlich kann die glosse
£& avaroAng n aoyn9ev sich nicht auf roo yeydeua beziehen,
denn es ergibt sich kein entsprechendes lateinisches wort für
letzteres. Ueberhaupt wird sich nur &in wort ausfindig machen
lassen, das beide griechischen bedeutungen in sich vereinigt,
nämlich ortus bez. nach ausweis der glosse ab ortu, von dem
uns die flüchtigkeit der schreiber nur den schluss Too tüber-
Letzteres ist nichts anderes als eine verstimme-
Beim folgenden ist offenbar ide abzutrennen. Ihm
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 245
liefert hat, wenn nicht etwa ein pronomen /u vorangieng, und
sich somit der ausfall des ab oritu per homoioteleuton erklärt:
tu findet sich später in dem mit ißsp beginnenden satze gleich-
falls. — Ob das folgende ysydeua de als hebdomadae aufzulösen
ist, lasse ich dahingestellt, da ich über zovA nichts ermittelt
habe, und somit der zusammenhang dunkel bleibt. Trifft die
auflösung das richtige, so würde sich zugleich das fehlen der
griechischen glosse gut erklären (wie oben bei daemono).
Demnach wäre der text in folgender weise herzustellen:
xalosoHE xalal Yeırovelaı xaloso$E NE00xRA0VUEVOL
yavbas Bövas Bnxndias Ayıa yavdevre 0oxu Bovıde
3 ’ \ a N ,,. ETIL-
aywmvıLouEvoL zn woa vwrlnlbovreg xaAnv Ayanınv ae
0evxeotvs üyıa Bova oopa Tovrovßavres Bova auoge [in-
YVOyrTes
ox[onjoüvres
spicientes] [ecce] oaAßarovg vava deovg deovs 0veßaxıßa
ld8 owLouevoL geöc Heöc dEavrovc EV0XO-
TAVEVKÄENS XERVYN
Aoüvreg ano ur KenETe Ra xoavyn xal xORxXTnS
vova [a] devuovo yoyyußsie yußiiovg
xoa@vVyabovres xo0Xıns Ywvoßoroüvres Yet, Yet m E00 Heov
vußelapes vava yvßlkovg Yußelapesg vavı
&E avaroläic n doxnser.
tod [ab ortu] yeydeua de .
Wir haben bisher den glossator als einen des lateinischen
kundigen mann, der zuverlässig übersetzte, kennen gelernt,
andrerseits gesehen, dass sich in die überlieferung des lateinischen
textes sehr starke fehler eingeschlichen haben. Das nötigt uns,
im zweifelfalle das latein nach den glossen zu berichtigen.
Wir werden sonach oevxeprvs als concert(ant)es, vaAßarovg als
salvati nos und das zweimalige yußelages als jubila(n)tes auf-
lösen. Schliesslich ist zu beachten, dass bona amore durch den
accusativ xaAnv aydınv glossiert ist: man wird also bonum
amorem einzusetzen haben; dann fordert der parallelismus auch
st. des vorhergehenden bona hora den accusativ, und wenn hier
auch im griechischen der nominativ erscheint, so ist das sicher
246 KRAUS
nur fehler eines schreibers, der durch das gleichlautende darunter
stehende ®gpa beirrt wurde. Und so kann schliesslich auch hinter
Bovıds nichts anderes stecken als ein accusativ bonam diem.
Inwieweit sich diese fehler graphisch erklären lassen (z. b. in-
dem das latein ursprünglich in lateinischer schrift mit ab-
kürzungen geschrieben war, und der griechische abschreiber die
nasalstriche als falsche cireumflexe auffasste und demgemäss
nicht berücksichtigte), muss dahingestellt bleiben. Ich erinnere
aber auch, dass schon Miller gezeigt hat, dass gerade die
widergabe der nasale öfter aus sprachlichen gründen unterblieb.
Es ist nun an der zeit, zu untersuchen, welche bewantnis
es mit den wörtern Ayıa und vava hat. Zunächst hebe ich
hervor, dass dieselben (oder ähnliche) ausdrücke auch an anderen
stellen des werkes sich finden. So heisst es im 69. capitel des
ersten buches, 8. 320:
xai oTe Aaußavovomw oi nvloxoı ta Enagin, Akyovoıv ol xpaxtaı
"noArol vulv xoovoı, 7 E&v9eoc Pacıksia’. oi Ilgaoıvo 'n E&xAoyn tic
toıadog. Ö Anöog &x y “ayıEz. ol xpaxıaı noAlol dulv xp0voı, ol YEod-
novres tod Kvpiov. 6 Aaöcgy “ayıe. oi Ilgaoıwoı'ayıe’ u.8.w. Ferner
8. 323 und mit wörtlicher übereinstimmung 8. 319: xal vera Taüra Atyovaıv
ol xoaxraı Iyadıov 'avava. © Aaoc oAöc o n08os 6 av Pwualwv'. oi
Kodzraı “yava’. 6 Aaöc “Ele duäg Öoäraı, Tobg evsoyerag, ol zodrrau
vava’ u.8.w. Ferner 8.325: xal el ud» Exovaıv ol B&vsroı noorlunoıv,
LEyovoıv ol xodxaı Yywynv 7x. G lyadıov "avava. 6 Anoc “dokd-
Coutv oe, Xgiwore. oil xoaxıa "vava. 0 Jaoc Bacıled Tav alavav.
ol xoaxtaı vava. © Aaoc UOvoysvj AöyE TOD naToog. Oi xoaxtau
“avavayıa’. 6 kaös vu Eneoxeyvw zul EpyWrıoag. ol zoaxtaı 'vard.
6 Anös 'Tov Aaov Gov. ol xgaxıaı "ayıa. xal 6 Aaog ‘zul &v 17 dvva-
ueı 00v annAkakag nuäs. ol xgaxıaı 'avavıa'. O6 Auöc zul npoonyayeg
nuäg. ol xeaxtaı 'avavaia. 0 )aog to Ged xal narei’. ol xoaxıaı
"avavaia. 6 Anog “usoıteia. oil xoaxtaı “avavala. 6 Aaog "Tav
nıorov Bacıldwv nuav. ol xoaxtaı avavdalia’. Ö Auög wg UOVog navto-
duvauog. xal nalıy Akyovoiv ol xpaxraı lyadıov nY.n.d vava. Ö
kaöc "0R0og 6 noYos rov "Ponaiwv. oil xoaxtaı “ayıan. 0 Anög “el
buäs Öpäraı, Tovg EVEpyEerag. ol xoaxtaı“ vava' U.8.W.
Die gegebenen beispiele werden genügen. Ich erwähne nur
noch, dass &yız ebenso s. 327 f. 331. 351, vava, avavdia und
ayıa 8.359 vorkommen. Schliesslich sei auf die wörter &s
ayız, volgayız, Es, &, 020 hingewiesen, die sich s. 377, 12. 15
finden, sowie auf das im Gotthicum selbst vorkommende aylas
Ta.avars avesrave.
All diese wörter und laute sind nun nichts anderes als
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 247
musikalische zeichen, sogenannte solmisationszeichen. Bekannt-
lich wurden im abendlande seit dem 11.jh. die einzelnen töne
der scala CODE Fu.s. w. mit den ausdrücken ui, re, mi, fa u.8.W.
bezeichnet. In ähnlicher weise hatten die Griechen schon viel
früher den einzelnen tönen namen gegeben u. 2. re, ra, 77, To,
Te. Bei den Byzantinern nun findet sich auch noch eine andere
solmisation, welche die vocale des griechischen alphabets teils
mit dem buchstaben », teils mit r verbindet, wobei die vocale
a, 0, & die ganzen, e und ı dagegen die halben töne bezeich-
nen, wie Nevavo, vava u.s.w. Aus diesen sind dann die
B0g. Evnynuara und ERnynuara Jeder tonart entstanden, wie
ava Aves, val Aveg, vava Ayıa, ava val avsg, vald ayıs,
VERVES, VEVAUW, vexzaveg Akye, val Akye vard, Aveg
u.8.w.!) Zur unterscheidung einer jeden der acht scalen be-
dienten sich die Byzantiner der folgenden ausdrücke: Avanes,
Neaves, Nava, Ayıa, Aavks, Neyeayds, Avsaves, Neayız, denen
in römischer kirchenmusik die bezeichnungen Nonannoeane,
Noanneoane, Aianeoane, Noioeane, Noeoeane, Noioeane, Noeoagis,
Noeagis entsprechen.?) Jene ausdrücke reichen mindestens bis
in den anfang des 7. jh.’s zurück, wie zahlreiche inschriften auf
byzantinischen münzen zeigen (ANANEO, EAE2, ANANEOE
ı) So Tzetzes, Ueber die altgriechische musik in der griechischen
kirche, München 1874, 8.134. Derselbe bemerkt noch, dass er auf eine
ausführliche besprechung nicht eingehen könne, bevor er nicht die
semantik in einem besonderen buche ausführlich behandelt habe. Das
hier in aussicht gestellte werk ist m. w. nicht erschienen. — Ausser
diesem und Z«3ac’ schon oben genanntem werke habe ich für die obige
darstellung noch benützt: Xovoavdos, GewontTixov uEya TS Uovoıxic,
Triest 1832, bes. 8.29 ff., 8.135 ff, XLVILff.; Christ, Ueber die harmonik
des Manuel Bryennios und das system der byzantinischen musik, Münchener
SB. phil.-histor. classe 1870, bd. 2, 241 ff.; Vincent, Notice sur trois manu-
scrits grecs relatifs & la musique, Not. et extr. 16, Paris 1847; diese
und andere von mir eingesehene schriften sind in Krumbachers aus-
gezeichneter Geschichte der byzantinischen litteratur, München 1891,
8. 288 f. verzeichnet. — Bourgault-Ducoudray, Etude sur la musique
ecclesiastique Grecque, Paris 1877, war mir leider nicht zugänglich.
2) Zardag 2.8.0. 8. 0 f.; die erstgenannten wörter heissen Y$0yyo«
Tod To0XoÜ, 8. Xovoavdoc 8. 28, woselbst auch die bemerkung, dass
Johannes Kukuzeles (ein byzantinischer schriftsteller des 15.— 16. jh.’s)
über sie nähere auskunft biete; vgl. weiters Vincent a.a.o. 8. 153, 172f.
und über den regerıcuos (eine art triller) 8. 223 f.
4
248 KRAUS
und ANANEO2)!) Wieso die ausdrücke entstanden und
welche verschiedenartige verwendung sie im laufe der zeit
fanden, darauf brauche ich hier wol nicht einzugehen, wol aber
ist noch aufzuklären, warum der glossator vava durch 6 Heög,
ö eos u. dgl. tibersetzte. Die antwort ergiebt sich leicht aus
folgenden eitaten: dunynua de dorıy n Too nyov &nıßoAn, olov
tı Ayo Avavaravks, Onep Eorı: Ava, val üveg. av Yap TO
apxousvov, ano Heod Opeilsı &yeıw mv apynv xal eis Tov Heov
xatainysır heisstes in dem gesangbuch der kirche von Jerusalem,
dem sogenannten Hagiopolites. Und Johannes Kukuzeles sagt:
napaystar de TO utv Avavkc and ou Ava avec, ro dt Nava
ARO TO Ava, Ava, TO dk Ayıa ARNO Tov üyız, ro dk 040»
Co ” ” ” ” ” co .
ovTog EXov: avas, val apes, avas, avas ayıe Aehnliche
ableitungen gibt ein werk, Ta onuadıa ng waltıxns TEXUnS
betitelt, wo gesagt wird, es sei Avavtc = ava&, avec, Neavkg
— Kvpıs, üpes, Nava=Meapaxinte, 6vyXx8o0n00v, Ayıa
= Xeoovßeiu xal Zepagpeiu.?) Schliesslich sei noch einer
stelle gedacht, die aus einer mit des Johannes Damascenus an-
sichten übereinstimmenden darstellung der musik entnommen ist:3)
Tüs utv odv and tjg Movawxig anagxas To Oed xara 1oLos Avarı-
Yevrsg, Ev Th leok warkeıv Exximola TaydEvres, Ev xaravvgsı rov Geor,
töv doparwg Exei napovra dogoloynoousv. Kal y&o &v rafsı pyaocl tw»
ayyeiızdvy zul aoyayysiızav Tayudıov, Tadra Ta gEıpmvousildbvra uEAn,
xal nvevuaroxivnra Gonara ıTy Exximola Tunıxag nagedodnoer. Kai
xaganeo Exeivou nokveudos, NoıklAwc TE xal duapogws nera yoßov xal
evlaßelag nagLoTanEvoL co 0:0, touroR ‚axeranadstug Ayuuvodcır. ö
ner to “Ayıog ö Beös, ayıog Toxveös, ayıos Adavarog, EAenoov nuäg’
aıymras Boov, 6 dt To Allmkovie‘, zei alrog ro “Ayıos, Ayıog, ayıog
xvolog Zaßßaos', xal Eregog To "ZE Duvoduev, 08 EVA0yoDuEv, xal Ta
Eins, zal aAlog AALo, noAla zul dıiayooa do&oAoyoüvres XOEWOTIXG, ToV
zomtnv vuvodcıw. Ovrw xal nueis Enousvor Tovrog, xal ovvauıllo-
uevoı, UETR Poßov xal Toouov zul noAlng eviaßslas opslkouev loracdaı,
ta ayın avvadovres Gouara, Ev Akfecı omuavroig xal domudvrorc.
Ovoavös yap n Exxinola naoa Tois oopoic zul Yzodıdaxtog dıdaoxaroıc
ANEIXxöVIoTaL xal NE00NYopEvraL. TO yao "TEEEEE, xal TO ToToro’,
xal TO "rırırı,, zal TO vevavave, xal ra Aoına, Elc Tunov Exelvwv
tov ayyslıxav dofoloyıov, T@V omuavrois xal donuavroıs Akfscı Yıvo-
uevwov. EI xai ai aonuavroı doxovoaı Akfzıg, alvirtovral rı. Trosı yao
pnoı, tivı negploraseı, xal rl noocadsıg. Kal tors nog anoAoynosı To
1) Zadag 8.8.0. 8.00Y.
2) ZaRIag 8.2.0. 8.097, ont anm.2; vgl. ovP'.
8%) Xovoav9og 8.2.0. 8,202 f., anm.
a
Sr FÜR =. © er
{
!
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 249
xoıTy, 6EVOTN yE Yvoıs xal dıakvousvn tvyxavov, ® v9owne; Ilaoo-
yeraı yodv To ulv 'TEQEEE, And Tod rno&ı 6oö. Tb dk Toro’, ano
en B) Pr
Tod "Tore Tore. To dE Tırı, and tod rl rivı”.
Man erblickte also in den vava u. 8. w. verstümmelte an-
rufungen gottes und deshalb erklärte unser glossator sie durch
die zusätze Heos, He u. 8. w.
Was nun die zweite gottheit, Iber-Freyr, betrifft, so babe
ich schon oben s. 242 gezeigt, dass die danebenstehende glosse
ö Beog, 0 Beög sich ursprünglich gar nicht auf ißee bezog, dass
somit kein äusserer anhaltspunkt vorliegt, hinter diesem worte
den namen eines gottes zu vermuten. Aufklärung über die
bedeutung kann nur gefunden werden, wenn man den zusammen-
hang näher ins auge fasst. Nun geht eine griechisch über-
lieferte stelle voraus, in der es heisst, Ezechias habe, als er
mit den Assyriern kämpfte, seine einzige hoffnung auf gott
gesetzt und sich deshalb alle heiden und gottlosen unterworfen.
‘Der erlöser, o guter herscher, wird auch jeden eurer feinde zu
euren füssen niederstrecken’. Diese stelle, die in einen germanisch-
heidnischen hymnus freilich nicht gut hineinpasst, wurde, wie
das ja so oft geschieht, einfach als interpolation betrachtet und
ausgeschieden. Ich halte es für vorsichtiger, mit der annahme
von interpolationen, die meistens nur ein umgehen der erklärung
bedeuten, weniger rasch bei der hand zu sein, zumal hier, wo
alles so unsicher und dunkel scheint, und nehme die stelle als
etwas ursprüngliches an. Dann erwartet man, dass nun auf
die allgemeine ankündigung, gott werde die feinde der römischen
kaiser besiegen, die anführung eines speciellen falles folgen
werde, zumal sich auch die späteren alphabetischen accla-
mationen der magistri in derselben gedankenrichtung bewegen
(Antınra Oeod nalaum dorepdnte, deonote, ovgavodev. Boc-
Berov viang @pInTe, xoouorodntor evsoyeraı. Tevvaloı &gy-
Inte Tolg Evavrloıg u.8.w.). Diese erwägungen führen darauf, in
ißeo den namen eines volkes zu suchen, das in momentaner
feindschaft mit den Byzantinern lebte. Welches volk gemeint
ist, ergibt sich aus den verschiedenen werken Constantins mit
vollkommener sicherheit. Es sind die Iberer, die heutigen
Georgier, mit denen Byzanz besonders im 10.jh. in regstem
verkehr stand. Leider sind wir über die beziehungen des kaiser-
tums zum Kaukasus in dieser zeit recht mangelhaft unterrichtet:
250 KRAUS
alles, was wir wissen, ist in einigen capiteln der schriften Con-
stantins (De thematibus, De administrando imperio und De
cerimoniis) enthalten. !) Aber das vorhandene dürfte für unsere
zwecke genügen. Zunächst ist zu erwähnen, dass der kaiser
dem oberfürsten der Iberer einen der allervornehmsten titel, den
eines curopalata (xovooralaıns Ißeolac) verlieh.?) Derselbe
war im regierenden hause gewissermassen erblich, während die
agnaten sich mit geringeren würden (patriciat, protospathariat)
begnügen mussten. Der curopalata hat vier vasallenfürsten
unter sich und ernennt selbst könige.?) Natürlich wurden diese
titel nur verliehen, um auf Iberien einen gewissen einfluss zu
erhalten. Das bestreben der Byzantiner, dieses land zu ge-
winnen, geht auch aus den spärlichen, uns erhaltenen nach-
richten deutlich bervor. So liess unter der regierung Romanusl.
und Constantin VII. der griechische feldherr Constantin sich
von einem iberischen fürsten die wichtige stadt Adranutzes ab-
treten; freilich nötigten die drohungen der übrigen Ibererfürsten
den kaiser, die stadt zurückzugeben und seinen diener zu desa-
vouieren. — Mehr im süden bemächtigten sich Johannes Kur-
kuas und sein bruder Theophilus der städte Theodosiopolis,
Mashat und Abnic. Aber die Iberer nahmen die erstere stadt
ein, gestützt auf einen mit Constantin VII. geschlossenen ver-
trag, dem sie eine hinterlistige ausdeutung gaben, und der kaiser
scheint die sache nicht weiter verfolgt zu haben. — Romanus |.
liess sich, indem er die eifersucht der fürsten von Daron aus-
nützte, von einem derselben einen teil des fürstentumes abtreten;
aber auch hier musste er den vereinten gegenvorstellungen der
Ibererfürsten weichen. — Ebenso ergieng es Constantin VIL, als
er nach dem tode eines emirs vier strategisch sehr wichtige
städte an sich gebracht hatte: er musste sich verstehen, sie dem
Iberer Manasgerd herauszugeben, obwohl er ihre bedeutung als
bollwerk gegen die Perser wol erkannte.*) — Ebenso herschte
1) Ich benutze für diese zusammenstellung das vortreffliche werk
von Rambaud, L’empire grec au dixieme siecle, Paris 1870; weniger
kommt in betracht Finlay, History of Greece, tom. 2, Oxford 1877.
2) De cerim. 1.2, c.48, p. 687; näheres über diese würde in Reiskes
commentar 8. 266 f.; De cerim. 1.2, c.52, p. 726; Rambaud p. 513.
8) Rambaud p. 507. 511.
+) Vgl. zur ganzen darstellung Rambaud p.516f. 497.
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 251
in religiöser beziehung ein starker verkehr zwischen den beiden
reichen,!) und dass auch persönlicher verkehr der Iberer mit
der makedonischen dynastie stattfand, beweist der aufenthalt
des curopalata Adranase in Byzanz (um 923) u.a.m.?) Schon
aus dem angeführten wird hervorgehen, dass es an mannig-
fachen gelegenheiten zu kriegerischen coufliceten der beiden
reiche nicht gefehlt hat; und wenn die byzantinischen Kaiser
ihnen zuletzt doch regelmässig auswichen, allerdings immer mit
entsprechender rechtsverwahrung, so bestand der grund dieser
nachgiebigkeit einzig und allein in der furcht, die Iberer würden
sich mit den Sarazenen verbünden. Zu einer zeit nun, wo ein
solcher conflict drohte, muss die im Gotthicum vorkommende
stelle abgefasst sein. Ich löse die wörter in folgender weise
auf: Iber, Iber, jam tu incurvo tergo retroi(s)..nana. Sic adeas
imperatores (=‘o Iberer, bald kehrst du mit gekrüimmtem rücken
zurück: so mögest du dich den kaisern3) bittend nahen’),
ohne jedoch damit in manchen punkten mehr als den sinn
treffen zu wollen. Dazu sind einige bemerkungen nötig. Zu-
nächst ist hervorzuheben, dass diese stelle sowie die vorber-
gehende berufung auf Ezechias in passender weise von dem
hymnus auf die folgenden acclamationen, die gleichfalls den
sieg zum inhalt haben, überleitet. Die berufung auf erfochtene
siege und der wunsch nach weiteren bilden den ständigen in-
halt der acclamationen. Ich erinnere nur an das häufige rovw-
Bnxag = tu vincas, und setze beispielsweise eine der vielen
acclamationen her. Dem Nikephorus rufen die parteien der
blauen und grünen zu:®)
xaAcg 74.985, Nıxnpoge, avroxgarog Pouaiwr.
xalög 14.Fes, Nixmpoge, avas ulyıore Poualov.
xaAwg nı$Eg, Nixnpoos, 6 TEONWOA«UEVOg Yyalayyac nokzulwv.
nn nn» ,06 nopsrjoacs noksız Evarriav.
nn» » » , AVögiwWrare vıryTa, GdEIGEBAGTE.
$) < [4 2 ”
„ Dr) 2) Pr] „ Pr 7 3 dı OV VTETAYNOaV Eeyrvn.
1) Rambaud p. 517 £.
2) Rambaud p. 496. 498.
®) Der plural braucht nicht zu befremden: schon Rambaud p. 131
anm. bemerkt, dass der singular und plural in dem werke promiscue
gebraucht werden; selbst innerhalb &ines capitels herscht öftersschwanken,
wie 1.1, c. 38. 48.
*) De cerim. 1.1, c.96, p. 438; vgl. auch 1.1, c. 69, p. 332.
252 KRAUS
din coö Touanı nrındels xatenıwdm.
din voö ta oxjnton Ponalov xgarivovraı U.8.W.
Man beachte auch, dass hier der singular Jouani für das
volk der Araber gebraucht ist, ganz analog der verwendung
von /ßeg. Ebenso hat der übergang von dem hymnus auf
siegeswünsche für den kaiser seine vollkommene entsprechung
in zahlreichen anderen acclamationen. Ich gebe widerum nur
ein beispiel.!) Die blauen begrüssen den kaiser am tag der
epiphanie u. a. in folgender weise: zupl Hedrntos &v Jopdavı
pAoya oßevvVcı ng Auaprias... OÖ Ovvavapyos t& Harpi eos
Aöyog &v Iopdarı onusgov no0NAFE Bartıodijvaı xal TV xapav
vroxilveı doviıxös TO roodpöum, 0v ovpavav ai dvvausız
to&uovoı. xaFogWoaı. al 0 TOV x00u0v» Ywmrioas Ty aurov
Zrıpaveia vıpoceı xal ueyaAüveı TO xpdTog tn Tumv Baoılelag
els evruglav xal dogav Pouelov.
Aus der eben angeführten stelle ergibt sich zugleich, in
welcher weise man den ersten teil des hymnus aufzufassen hat:
er ist nichts als eine aufforderung zum jubel über die geburt
Christi, an die sich wünsche für den kaiser anschliessen, wie
dort an die taufe Christi im Jordan. Ich setze den text des
gereinigten hymnus oder, wie wir nun mit mehr recht sagen
dürfen, der acelamation, her: Gaudeas, bonas vicinias, hagia!
Gaudele, socii, bonam diem concertantes, hagia! bonam horam
tulubantes, bonum amorem inspicientes! Ecce salvatli nos, nana,
deus, deus, die vaciva, nana, a daemone! Cum Jjubilu Jubilus
Jubilantes, nana, Jubilus jJubilantes, nana.
Es wird also hier der freude über die geburt des Christus-
kindes ausdruck verliehen und zwar offenbar mit rücksicht auf
die betreffende stelle des evangeliums.?) Einiges zeigt grosse
übereinstimmung mit hymnen der griechischen kirche, was sich
überhaupt bei den accelamationen öfters nachweisen lässt.°)
So heisst es in einem bei Pitra a. a. o. p. XXXIX abgedruck-
1) De cerim. 1.1, c.3, p.41; vgl. das. p. 40. 42.
2) Luc. 2, 8 ff.
®) Z.b. De cerim.1.1,c.2, p. 35: &otno rov nAıov ngoumvveı; damit vgl.
bei Christ und Paranikas, Anthologia Graeca carminum Christianorum, Leip-
zig 1871, p. 205, 11: Edeı&ev aotno Tov oo nAlov Aoyov. Auch sonst wird
Christus oft 72:0g genannt, z.b. im hymnus De nativitate des Romanus,
str. 96 (bei Pitra, Spicilegium Solesmense Nova series, tom.1, Paris 1876,
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 253
ten hymnus: @oroov wg 2& &as (vgl. ab ortu = 2& avaroAng?)
ESaveteılag, NATEP, avyacas Tolg 00V A0yoıs, TpLsuaxap; dann
folgen dreizehn durch yxaipe eingeleitete doppelverse, dann
xpavyabousv xo0s 08 ToLadre, hierauf wider zwölf durch yazge
eingeleitete doppelzeilen. Aehnlich in einem zweiten hymnus
(p. LX). In einem anderen nativitätshymnus !) wendet sich der
dichter, S. Romanus, an die hirten: str. 5 ZaArıyyog govnv ava-
Acßere (vgl. tutubantes = oaAnibovrec) ...; str. 6 OnuEEOV 7) yagıs
erepavn (vgl. gaudete... bonum amorem... dievaciva)...;
str. 9 2» aAalayuo vv xI0TNOmUEV Tas xelpas, nv ayyelınv
ovornoausda xopeiav....; str. 38 Aouacı xawols alaidgars,
rowuives...; str. 42 ldod yao nxeı 6 Qeog &x Oauuav; Evn
NTTaoHe, ayaAlsc0HE AEOYITaL, RaTgLEEKaL OXLETNORTE, AVIEWNOL,
xopsvoare &vFEog ...; str. 43 OVyyapnte Tov av, ai dvvaueıc,
vuvnoate... Str. 63 WaAAETE Oapog, OTı ONUEKEOV 6 xTiorng...
tixteran...; str. TI moıueveg, uEAWwaTE avAoüvreg; Anol ÜOaTE ....;
str. 80 iorouev opF@s v TO 0lx® TOO xvpiov, xal aAaAayu®
AVVUVNOMUED OVUPaYOG TNv TOoVTov svonlayyvlav xal HoAAnv
ovyxaraßacın ...; str. 84 2» alalayumd ovveldövrss, TOV...
Kvoıov ... Tv xaxiav Nacav Tod !x9000 apavloavra ...
AODOUEV OvUPOvaS, auro xoabovres ... Oder das. p. 382, str. 2:
ravrov 0 dEondTng napeyEvero, ns deonorelas Tod aAAorpiov
aroAvrpovusvog ruäs (vgl. sawati nos... a daemone).
Ich habe diese parallelen, die sich leicht vermehren liessen,
angeführt, nicht als ob ich etwaigen wörtlichen anklängen einen
besonderen wert beilegte, sondern lediglich, um zu zeigen, dass
die stimmung des jubels, die der erste teil der acclamation zum
ausdruck bringt, tatsächlich mit der in den nativitätshymnen
p. 240): 7Aıe, Xouort; vgl. p. 239, str. 90. De cerim. das. p. 36: 6
auntwe Ev ovgavois, anarwo rixtera Enl tig yüs; vgl. Pitra a.a.o.
p. 224, str. 11: &x Ilarpög auntwe yao vnapxwv andıwo nektı &x IIeo-
$£vov. — De cerim. 8.2.0. p.38: tov &v Eötu nugadsıoov nvewgev £&v
Bn9ıstu n napsEvog; vgl. Pitra 8.2.0. p.1, str.2: 77» Eötu Bn9Aeku
nvoıße, deürs, Wwuev; p.233, str.56: nalım Bn9ieku uw Eötu dıssa-
voly&ı, p.238, str.82: 7 rc Bötu nvolyn nuAn; p.456, Btr.2: dı@ ya
ztovro xaralaußaveıs ınv BnYAstu, Mao9Eve, van Eötu n nownv
ovyxisıodeioa, audıs naAcı Avoliy tag nvAas. Genaue vergleichungen
wären für die beurteilung der gattung der acclamationen nicht ohne
interesse.
1) Pitra p. 223, str.5 ff.
254 KRAUS
herschenden ganz übereinstimmt. — Was die allerdings recht
unsichere lesung incurvo tergo am schlusse betrifft, so möchte
ich zur erklärung daran erinnern, dass nach dem cerimoniell
des byzantinischen hofes sowol die besiegten bei triumphen,
als auch die fremden gesanten vor dem kaiser niederfallen
mussten. Als besonders bezeichnend sei eine stelle aus dem
capitel angeführt, das über triumphzüge auf dem forum be-
richtet: 1)
aycı EunoooHev Tod Bacı)Ewg, nyovv Enl tav Tod xlovos avapd-
Iowv, zal alpeı 6 Aoyodeıng uera Tod dousorixov Tav 0XoA@v, eineo
avrög mv 6 To Tafeidıor nomaag, 17V xEpalny, Nyovv Tov nEWToV
4unoav, xal tidnoıw vno av Tod PaoılEwc nodwv, xal narei avröv Ö
Baoıkevg Enl ınv xeyainv ro defıo nodl. © dE NEWTOCTE«ATWwE Eni Tod
Toayn)ov avrod Enlornoı TO Buaoıkıxöv dogv, xERToüvrog dmkovorı Toü
Baoıltwg TH desır xEıol TO auto dopv. zul EUVIEwnS nlntovo navres ol
dEauıoı nonveig Eni tus yic. Ta dE TOVTWv dopaTa ueTa Tov pyAauoviAlwv
EE AVTIOTEOYov TıdEacıv ol xateyovrsg avra tagedraı. xal EUIUG 1E0-
xunteı OÖ wairns xal Akysı nooxelusvov: "ıls Oeös ukyag, wc 6 Geöc
uov. ov El 0 Gros 0 noıwv Iavuaoın’. EP ovrwg ylveraı n ueyaım
Extevn wg TOD "vnorasaı UNO ToVg nodas avrwv navra £&XIo0v xal
nol&wuov.
Ich mache noch darauf aufmerksam, dass die letzten worte
vollständig erinnern an jene griechische stelle des Gotthicums:
6 0mTnp ... ravra Ey900v 0as dovAmosı XP6 Twv Nod@v 0ac.
Auch ist es bemerkenswert, dass der kaiser bei demselben an-
lasse kurz vorber als relyog axataudyntov begrüsst wird (a.a. o.
p. 609), wie in den alphabetischen acclamationen des Gotthi-
cums als reZiyog ng noAırelag. Das niederwerfen der besiegten
(oder der gesanten) wird auch sonst öfters erwähnt. ?)
Dass das Gotthicum zum grössten teil in lateinischer sprache
abgefasst ist, kann bei der grossen rolle, die diese sprache in
Byzanz spielte, nicht verwundern. Gerade in dem cerimonien-
buche begegnen auch sonst zahlreiche ausdrücke und sätze, die
aus lateinischer sprache stammen, jedoch in griechischer um-
schrift überliefert werden. Zum beweise, dass somit das Gotthi-
cum auch in dieser hinsicht keine sonderstellung einnimmt,
setze ich eine liste der seltener vorkommenden wörter und sätze
her, wobei ich besonders auf die lange acelamation auf s. 255 f.
ı) De cerim. 1.2, c. 19, p. 610 f.
2) L.1, c.69, p.332. 1.2, c.20, p.615. 1.1, c.89, p. 406.
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 255
hinweise, da diese ganz an das Gottbieum erinnert!): Beorntoges
— vestilores 9, 8. 193, 15 u. 0.; rogaınooiTov — praepositorum
14, 16; udon = cameram 14, 17; Bit = fit 21,9. 136,10; xov-
BovxAslov —= cubiculi das. u. Ö.; uovATovoavor —= multos annnos
21,12; aber richtig uovAtovg &vvovs 136,12; av YıAdıxnoıue
= annos felicissimos 21, 14; gıAinxnoıue = felicissime 136,12;
rartpıxlovs = patricios 61, 14; xovalortopa —= quaestorem 61, 15;
xantare döunvı = captate domini 73, 16; opariova = oralionem
131, 12; doueorıxoı = domestici 131, 14; dovuvızalıov —= domi-
nicale 134,20; Opgplxıa = officia 152,6; uavvavgc = magnaurae
155, 5; xovoıormoln —= consistorio 159, 12; oLAevriaplo = silen-
tiario 163, 17; owaro = senatu 169, 18; vovucgo» = numerorum
193, 12; aonxonjtaı = a secretis 193, 15; oLRevrıagıoı = silentiarüi
193, 16; Bavdov = bandarum 194,16; reıBovdvıocaı xountıooar
= tribunissae comitissae 203, 23; toıßovvariov — tribunalis 205,
9; To xountı adunoıovov = comiti admissionum 209,14; yoa-
dnAlo» — gradalium 213, 7, ortaßAov — stabuli 215, 3; depe-
oevdagio = referendario 225, 17; Bairidıov — balteum 233, 2
0Ex0vvÖnxnolov = secundicerü 238, 2; xwdıxeilıa = codicillos
238, 11 u.ö.; adunvoovvalıos = admissionalis 239, 21; Aeßa, ma-
toixıe Orgarnyk, 10x — leva te, palricie stratege, loco 239, 24.
240, Af.; Aeßa, naroixıe, EImx 252, 6; xayxeilapiovg = can-
cellarios 269, 3; Beoriaplov —= vestiarii 269, 7; Ypaxkapea =
facularia 279,8; Bıxagıoı = vicarii 294, 14 u.Ö.; axTovapıog =
actuarius 304, 12; roopextog — praefectus 306, 18. MEEUPEXTmE
343, 10; Bmyagıoı = bigarii 312,12; xovpome 312,22; xoußnvo-
Yoapog = combinographus 313, 1; tovußnxas — tu vincas 318,
Tu.ö.; gaxrliora —= factionem 328,12; Eoalovra— et salutem?
(Reiske: Deus, adiuva) 358, 1; 0xAaßovs —= sclavos 363, 15 (?); de.
Magie . Bepynve . Natovg . rt. Mayıa . dopLevrexovu . uodvEegR .
adopavres = De Maria virgine natus [est] et Magi ab oriente
cum muneribus adorant eum; Koiotovs . Akovs . Nootsp .XoUL .
oEpßer . nunsgiovu . BEotgovu . rto . VovAtovoavvog .er. Bovog—
Christus deus noster conservel imperium vestrum per mullos annos
ei bonos; Ioavveg .&v Jopdave . Bantilar . dounvovu .0exovdvdovu.
') Ueber die verwendung der lateinischen sprache bei den Byzan-
tinern im allgemeinen vgl. Krumbacher a.a.o. im register; Gfrörer, By-
zantinische geschichten (Graz, 1872— 74) 2, 435 f. De a
256 KRAUS
ilRovu .Boxar de Te B0Ao —= Joannes in Jordane baptizat domi-
num, secundum illum (Reiske: is rursus seu postea ili acclamat)
vocat: ‘De te volo [baptizari]’; xovu xpovengpigovs dor Er 0e-
rovArTovg .Er TEoLLa dlEpgE .. VovopESLT = cum crucifixus est et
sepullus et tertia die resurrexit; xovuuavdaßlt . ornoltovu . 0ax-
TOUU . G0UNEE TOVog AN00T0A0g = commendavit spiritum sanctum
super tuos aposiolos, xoU» Tpavepıyyovparovg &or lv umvreu —=
cum transfiguratus est in monte 369. 370; Bova roda odunsp —
bona tua semper 3710, 22; Pixtop ong 0&unep = victor sis semper
370,24; woVAtovs Avvovs gYırldıa 9° Akovg = multos annos
victorem faciat te deus; Bixtop parbia oEunep = victorem faciat
semper, Atovg REVOTEH = deus praestet; Bnßnte, Aounvı nu-
REPATODES, 1v UOVATog avvog. Adovg OUVNNoTEVg NYEOTEI —
bibite, domini, in multos annos; deus omnipotens praestet; nv
yavdio noavdeite, Aounvı = in gaudio prandete, domini; Bovo
Aouvo 0euneg = bono domino semper 311; !ARovorplov = illustrü
387,13; ovopaplov = honorarios 387,16; vıpsyıarov = ingrega-
tum 389, 8; vnßeroıatov — impensatum 389, 9; Bevegıxlov ToV
A10aTE0x0V/0v = beneficii laterculi 389, 10; tipova = lironem 389,
15; avoovag = annonas 389, 17; adogarop npor&xtop dousorixovg
— adorator protector domesticus 391,4; rpaLsevtaiLog = prae-
senlalis 392, 7; Aapyırıovov — largitionum 394,5; zpıBarov =
privatorum 401, 17; ontiovog = optionis 402, 13; xırarlova =
citationem; aduıooıovarloıs = admissionalibus 405,15; STRANFER
—= transfer 407,20; xaunıdovxtop = campiductor 411,7; Aayxlav
—= lanceam 411,17; nanıklı = papilio 413,5; uodloAov = modio-
lum 414,17; uovntagıoı 422, 9; dnAatopas = delatores 424,17;
povoaro = fossato 437, 6; r00xEV0@ = processioni 493, 12; Bav-
tov = bandum 494, 10; oevrLov —= sessum 506, 19; Ivdırrlovı =
indiclione 511,1; gaixtoga = rectorem 528, 13; xaorpnolov =
casirensis 548, 7; Baivsagitov = solii balnearis 554, 13 u. 8. w.
Hiermit ich bin am schlusse meiner ausführungen angelangt.
Ich hoffe gezeigt zu haben, dass der hymnus weder germanische
wörter noch germanische götter enthält, dass er sich viel-
mehr vollkommen in den rahmen des byzantinischen hofceri-
moniells einfügt und sich von den sonst überlieferten acela-
mationen in keiner weise unterscheidet. Dunkel bleibt im
wesentlichen nur die bedeutung des ausrufes rovA, deren auf-
hellung aber, wie aus meinen untersuchungen hervorgeht, eher die
DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 257
aufgabe des byzantinisten oder des musikhistorikers als des
germanisten bilden dürfte. Warum das spiel als Gotthicum
und die hauptacteure als Gotthi bezeichnet wurden, darüber
haben Reiske, 2«$%as, Müller, Veselovskij und Kögel teils ab-
weichende, teils übereinstimmende vermutungen ausgesprochen.
Ich halte das für verfrüht, solange nicht das ganze cerimonien-
buch, das bekanntlich in einzelnen capiteln auf das sechste
Jahrhundert zurückgeht, während andere noch über Constan-
tin VII. regierung hinausgreifen, einer eingehenden untersuchung
unterzogen wird, die darauf gerichtet sein müsste, klarzustellen,
aus wieviel teilen die compilation zusammengesetzt ist, und
aus welcher zeit die einzelnen quellen stammen.!) Ein gewinn
für die geschichte der gotischen litteratur aber ist auch aus
der aufklärung dieser frage schwerlich zu erhoffen.
') Ansätze dazu bei Rambaud a.a.o. p.128ff. Die programme von
Ferd. Hirsch (Berlin 1873) und Wäschke (Zerbst 1884) waren mir nicht
zugänglich. Wie sehr die meinungen über das alter des spieles aus-
einandergehn können, so lange die oben geforderte untersuchung nicht
angestellt ist, beweisen die datierungsversuche von Z&$ac und Rambaud.
Während ersterer es unter Konstantins sohn Konstantius entstanden sein
lässt und meint, es habe sich seit dieser zeit am hofe erhalten (a.a.o.
8.0), sucht letzterer zu zeigen, dass es nur unter Constantin VII.
wider eingeführt worden sein könne (2.2.0. p.131).
WIEN, 24. märz 1895. CARL KRAUS.
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 17
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS.
Seitdem Müllenhoff 1887 das aufkommen des namens
Germanen umfassend erörtert und die voraufgehende gewaltige
literatur dieser frage so gut wie der vergessenheit anheim-
gegeben hat, ist eine nicht geringe anzahl von abhandlungen
erschienen, die durch mehr oder weniger neue auffassungen
oder neugewählte vermengungen verschiedener älterer ansichten
den gegenstand zu fördern bestrebt sind. Man glaubt in ein
kaleidoskop zu schauen: ein kleiner ruck an der bekannten
stelle in Tacitus’ Germania und ein neues bild erscheint. Das
spiel scheint ohne ende zu sein und wird sicher ungestört
weiter gehen, so lange die schulprogramme und die überzahl
philologischer zeitschriften ihren raum füllen müssen. Ich denke
bei diesem urteil an abhandlungen, wie die von Hachtmann
(Neue jahrbb. f. phil. 143,209 ff.) und Knoke (ebd. 857 ff.) aus
dem jahre 1891, von H. J. Heller (Philologus 51, 340 ff.),
B. Sepp (Blätter f. bayr. gymn. 28,171ff) und H. Belling
(Wochenschr. f. kl. pbil. 1892, 417 ff.) aus dem jahre 1892, ferner
an die schrift von J. Holub, Der name Germani in Tacitus
Germania (Freiwaldau 1892), ja auch an den aufsatz von
Ludwig Laistner, Invento nomine (Zs. fda. 32 [1888], 334 ff.),
dessen aufstellungen der verfasser neuerdings aufrecht hält und
weiter ausführt. Doch haben wir auch treffliche förderungen
der sache zu verzeichnen, durch die Müllenhoffs ganz von Zeuss
beeinflusste auffassung nunmehr als beseitigt anzusehen ist.
In der hauptsache verdanken wir sie R. Muchs werk ‘Deutsche
stammsitze’ (1892), einige goldkörner eingebettet in reichliche
spreu enthält daneben Laistners abhandlung ‘Germanische
völkernamen’ (1892).
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 259
Es lohnte sieh somit schon, das einleuchtende der neuern
ansichten zusammenzufassen, die noch bestehenden gegensätze
auszugleichen und eine möglichst befriedigende neue auffassung
zu begründen, wobei nur das &ine bedauerlich bliebe, dass die
ungeheuere literatur des gegenstandes damit wider um eine
nummer vermehrt würde. Und mit rücksicht auf diese folge
hätte ich einer solchen lockung unschwer widerstanden, wäre
nicht allerneuestens eine abhandlung von Jaekel (Der name
Germanen, Zs. fdph. 26, 310 ff.) erschienen, die den gegenstand
ziemlich breit behandelt, auch ganz neue gesichtspunkte heraus-
zufinden und für die lösung auszunutzen sucht, hierbei aber
leider dermassen fehlgreift, dass man in den so gewonnenen
ansichten einen erheblichen rückschritt gegen unsere bisherige
erkenntnis erblicken muss. Jaekels abhandlung, die widerum
eine misverständliche deutung der Tacitusstelle bringt, gründet
sich in der hauptsache auf eine etymologische herleitung des
namens Germanen aus dem germanischen. Ohne mich bei
dieser verfehlten sache aufzuhalten, bemerke ich nur, dass der
verfasser, der weihnachten 1892 die abhandlung anfertigte, aus
meinem im sommer jenes jahres erschienenen aufsatz ‘Arminius
deutsch?’ (IF. 2, 174 ff.) entnehmen konnte, dass Garmani, Gar-
manös u. 8. w. keineswegs die allein echten und ursprünglichen
formen dieses wortes sind, wie auch Müllenhoff wähnte, son-
dern vielmehr nur keltische nebenformen von häufigerem keltisch-
römischem Germani u. s. w., dass also alle auf jene nebenformen
gestützten versuche, den namen aus dem germanischen wort-
schatz abzuleiten, von vornherein unberechtigt sind. Weiter
ist zu rügen, dass Jaekel Muchs im herbst 1892 bekannt ge-
gebene glänzende behandlung der frage, vor allem seine völlig
einwandfreie etymologie des namens Germanen nicht kennt.
Freilich passen diese dinge schlecht zu Jaekels vermutungen.
Um so mehr aber hätte die redaction der Zs. fdph. den verfasser
auf seine unterlassungssünden hinweisen sollen, während sie
in der tat das verfahren vorgezogen hat, einer arbeit die spalten
ihres organs zu Öffnen und sie gleichzeitig in einer fussnote
als verfehlt zu bezeichnen. |
Mittlerweile, nachdem der wesentliche teil dieses aufsatzes
bereits niedergeschrieben war, erschien Kögels behandlung der
frage (Anz. fda.1893). Wo Kögel sich auf das gebiet der
17*
260 KOSSINNA
altertumskunde begibt, ist er meist wenig glücklich, So im
vorbeigehen lassen sich hier ebensowenig wie anderwärts reife
früchte pflücken. Diesmal hat er die frage, statt sie vorwärts
zu bringen, um ein halbes jahrhundert zurlickgeschoben, bis
auf den standpunkt, den ihr Zeuss anwies. Und dabei hat er
noch die kühnheit, alle weitere forschung zur ruhe zu verweisen,
da sich nichts neues mehr über den vielbehandelten stoff sagen
lasse. Es war eine eigene ironie des schicksals, dass Muchs
schöne und fördernde ausführungen damals bereits erschienen
waren.
Nicht weniger schlimm ist der skepticismus, den Holz
(Beiträge zur deutschen altertumskunde 1, 70) zur schau trägt,
ohne auch nur den versuch einer begründung desselben zu
machen. Er ist das erste opfer der durch Hirts aufsatz über
die deutung der germanischen völkernamen (Beitr. 18, 511 ff.)
bei unkundigen geschaffenen verwirrungen.
1. Taeitus Germania cap. 2.
Um meine ansicht auszuführen, kann ich es nicht umgehen,
die stelle der Germania
Celerum Germaniae vocabulum recens et nuper additum,
quoniam qui primi Rhenum transgressi Gallos expulerint ac
nunc Tungri, tunc Germani vocati sint. Ita nationis nomen,
non genlis, evaluisse paullatim, ut dimnes primum a viclore ob
melum, mox a se ipsis invenlo nomine Germani vocarentur
meinerseits zu erläutern, wobei ich jedoch, um nicht ins ufer-
lose zu geraten, mich nur mit Much, Laistner und teilweise
auch Müllenhoff und Jaekel auseinandersetzen will.
Oberster grundsatz ist dabei für mich, allen tatsächlichen
mitteilungen des Römers und, wenn es angeht, auch seinen
auslesungen voll gerecht zu werden. Diesem grundsatz ist
meiner meinung nach Much nicht ganz gerecht geworden, da
er den namen Germanen auf linksrheinischem gebiete und auch
da erst eine zeit lang nach der niederlassung germanischer
stämme auf belgischem boden als etwas durchaus neues ent-
stehen lässt. Taecitus dagegen, der nicht die entstehung,
sondern die erweiterung des wertes des namens Germanen
behandelt, sagt klar und bestimmt, dass die vorfahren der
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS, 261
Tungern bereits auf dem rechten ufer des Rheins Germanen
geheissen hätten, wie später ausführlich erwiesen werden soll.
— Viel schlimmer sündigt Laistner, wenn er behauptet (s. 56),
in wahrheit seien die vorfahren der Tungern nicht gleich bei
ihrem einfall, sondern erst, als die Römer auf den plan traten,
Germanen genannt worden. Zu dieser willkürlichen und ganz
unzulässigen umkehr des tatsächlich überlieferten wird er ge-
zwungen durch seine ebenso gewaltsame annahme, dass die
Germanen an den beiden seiten des Niederrheins bei den
Galliern “Tungern’ geheissen hätten und der name Germanen
erst durch die Römer geschaffen worden sei, die den im sinne
mit Tungri übereinstimmenden namen /siaevones d. i. ‘echte’,
‘vollbürtige’ ins lateinische übersetzt hätten. Eine ansicht
übrigens, wie sie in fast ganz derselben weise vor mehr als
vierzig jahren bereits von Below ausgesprochen worden ist.
Als zweiter grundsatz ist festzuhalten, dass man den
worten des römischen gewährsmannes nicht eine deutung gibt,
die sie mit sonst bekannten sichern ftatsachen in widerspruch
bringt, wofern eine natürliche erklärung nicht gerade dazu
zwingt. Hiergegen haben Müllenhoff und Jaekel verstossen,
und auch Much hat diese klippe nicht vermieden, wie aus
seinen geschichtlichen rückschlüssen erhellt. Jene beiden lassen
Tacitus. melden, dass die gesammtheit der Germanen sich selbst
mit diesem namen bezeichnet habe. Das ist durchaus unzulässig.
Denn wie konnte den Römern auch nach nur kurzem verkehr
mit Germanen, besonders aber seit den kriegszügen auf deutschem
boden, entgehen, dass die Germanen selbst sich nicht so nännten.
Jede tbersetzung, die unserer quelle eine solche ungereimtheit
zuschiebt, ist unhaltbar. Dies hat schon vor mehr als zwanzig
jahren Dederich!) in einer im übrigen freilich verfehlten aus-
einandersetzung gebührend hervorgehoben.
Dieser zweite grundsatz kommt noch weiter in betracht.
Jaekel tadelt an dem berichte des Tacitus, dass er fälschlich
‘der furcht eine rolle bei der entstehung des namens’ zuschreibt.
Jaekel hätte zunächst sagen sollen ‘bei der ausdehnung des
namens auf die gesammtheit der Transrhenanen’, denn von der
urschöpfung des namens als solcher meldet Tacitus, wie er-
1) A. Dederich, Julius Caesar am Rhein (Paderborn 1870) 8.75.
262 KOSSINNA
wähnt, nichts. Jaekels tadel fällt aber zum grössten teil auf
seine übersetzung zurück. Mit hilfe dieser bringt er, wie
Müllenhoff, die unmöglichkeit zu stande, Tacitus oder vielmehr
seine quelle habe gemeint, die vorfahren der Tungern hätten
sich siegreich auf belgischem boden niedergelassen, dann aber
vor der gallischen überzahl angst bekommen und ein märchen
erfunden, um sich gegen die stammfremde umgebung sicherheit
zu verschaffen. Sie hätten nämlich den Galliern vorspiegeln
wollen, dass alle Transrhenanen als ihre nächsten stammes-
genossen jeden augenblick bereit ständen, in dringender gefahr
ihnen zu hilfe zu kommen, und zur bessern beglaubigung dieser
erfindung hätten sie dann die gesammtbeit der Transrhenanen
so, wie sie selber hiessen, d.h. ‘Germanen’ genannt, obwol
dieser name den Transrhenanen gar nicht zugekommen sei,
und — was das wunderbarste — diese täuschende benennung
hätte dann allerseits, bei Galliern wie Römern, ohne schwierig-
keit eingang gefunden und sich dauernde geltung verschafft.
Dass eine solche kindliche schlauheit den belgischen Germanen
wenig geholfen hätte, da die Gallier als nächste nachbarn über
diese dinge zu gut unterrichtet waren, und dass die nachricht
in dieser auffassung überhaupt barer unsinn ist, hat auch
Jaekel eingeleuchtet, würde aber ebenso jedem gebildeten
Römer eingeleuchtet haben. So etwas hätte niemand geglaubt
und kein vernünftiger römischer schriftsteller, auch ein Plinius
nicht, ohne verwahrung dagegen einzulegen, berichten können.
Nach solcher auslegung freilich sind Müllenhoff und Jaekel
gezwungen, den geschichtschreiber ob seiner verkehrten be-
richte zu verwerfen und ihm unsere bessere einsicht gegenüber-
zustellen. |
Die misverständnisse knüpfen sich fast durchgehends an
die schlussbemerkung ita ... ul omnes primum a victore ob
melum, mox eliam a se ipsis invento nomine Germani vocarentlur.
Laistners übersetzung des satzes richtet sich nach zwei auf-
stellungen von Dederich als leitmotiven, von denen wir vor-
läufig nur die erste in betracht ziehen wollen. Es ist das die
durchaus richtige forderung, Taeitus nicht sagen zu lassen,
dass sich die Germanen selbst Germanen genannt hätten, dem-
gemäss also für a se ipsis (vocarentur) eine andere deutung zu
finden. Dederichs versuch, seiner forderung genüge zu leisten,
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 263
hat ibn in unwegsames gestrüpp abgeführt. Und nicht besser
ist es Laistner gegangen.
Laistners widerholt vorgebrachte und verteidigte auffassung
der worte primum — nomine als einer geschlossenen gruppe,
die einen zwischensatz vertritt, kann ich jetzt noch weniger
billigen, als früher (Anz. fda. 16, 31 f.). Schon damals bemerkte
ich, dass seine auffassung keineswegs neu ist, wie er vermeinte;
sie wird bereits von Baumstark mit spott abgetan und später,
wie ich jetzt sehe, nur noch von Gerber und Greef (Lexicon
Taciteum, artikel a) vertreten. Laistner, der mich in seiner
abhandlung bei anderen gelegenheiten nennt, hat es bei diesem
punkte vorgezogen, tiber meine abweichende ansicht hinweg-
zusehen und die seinige nur noch einmal, aber sehr viel breiter
auszuführen. So muss auch ich meine gegenbemerkungen jetzt
ausführlicher gestalten. Laistner will also in seiner construction
nomine an die spitze stellen (nomine primum a victore ob melum,
mox eliam a se ipsis invento) und übersetzt: ‘nur dass zuerst
der sieger als der (unmittelbar) gefürchtete, später dann auch
sie den namen bekommen hätten’. Leider versäumt er es aber
durch beibringung eines ähnlichen falles eine so ungeschickte
wortstellung und eine durch die nähe des passivs vocarentur
so sehr dem misverständnis ausgesetzte ausdrucksweise wahr-
scheinlich zu machen, wie er sie den tatsächlich tiberlieferten
worten des Taeitus damit unterlegt. Denn die von ibm (s. 52
anm. 3) angezogenen parallelstellen besagen nichts, weil sie
weder als hauptverbum ein passiv (wie vocarentur) noch’ in der
participialconstruction die präposition a enthalten, und das sind
doch gerade die hauptanstösse in Laistners auffassung. Laistner
bebt auch das von Taeitus stets geflissentlich erstrebte eben-
mass der rede auf, da sich nun zwar noch primum und mox,
‘a victore und a se ipsis gegenüberstehen, ob metum aber seiner
entsprechung invenio nomine verlustig geht. Das stärkste be-
denken habe ich aber vom sachlichen gesichtspunkte aus: der
sieger, d.h. die nachmaligen Tungern, hätte also ob melum,
das soll heissen: ‘als der (unmittelbar) gefürchtete’ zuerst den
namen Germanen bekommen. Der sieger hatte ihn aber doch
schon auf dem rechten Rheinufer geführt, wie Taeitus kurz
vorher gemeldet hat: mag man das nun für geschichtlich richtig
halten oder nicht. Immer von neuem muss ich widerholen,
264 KOSSINNA
dass es Tacitus nach seinen ersten bemerkungen über den
namen Germania nur darum zu tun ist, mitzuteilen, wie der
gesammtname des volks allmählich aufgekommen sei. Taecitus
weiss nichts und will daher auch gar nichts berichten dartiber,
wie die einzelne völkerschaft der spätern Tungern in der vor-
zeit einmal zu dem namen Germanen gekommen sei, und
könnte das am wenigsten so ungeschickt mitten hinein in die
erörterung schieben, die der allmählichen erweiterung des ur-
sprünglichen bereichs des namens gewidmet ist, statt den be-
richt damit zu eröffnen.
Laistner freilich legt die worte qui ... nunc Tungri, tunc
Germani vocali sint so aus, als wäre ‘genannt werden’ soviel
als ‘einen namen erhalten’, und vermag sich dabei allerdings
auf die mehrzahl der vorgänger zu berufen. _ Unzweifelhaft
kann vocare ebensowol ‘gewohnheitsmässig nennen’, als ‘einen
namen beilegen’ (in einmaliger handlung) bedeuten, desgleichen
vocari sowol ‘heissen’, als ‘einen namen erhalten’, niemals aber
kann das verb, wenn es nur einmal vorkommt und sich ihm
zwei subjecte zugesellen, in bezug auf das erste subject die
bedeutung ‘heissen’ haben, in bezug auf das zweite die be-
deutung ‘den namen erhalten’. Hier zeigt sich so recht, zu
welcher unnatur der auslegung die ewigen difteleien über dem
texte der Germania verleiten konnten, wenn selbst ein forscher
wie Baumstark, der sonst so sehr auf gesunden menschen-
verstand und quellentreue dringt, in diesem falle die frage
offen lassen konnte: haben die siegreichen überschreiter des
Rheins schon in der heimat den namen Germanen geführt oder
ihn erst in der neuen umgebung erhalten? In diesem punkte
lehne ich jede fragestellung ab, denn so gut man, wie noch
niemand bezweifelt hat, übersetzen muss: ‘die überschreiter des
Rheins, die jetzt Tungern heissen’ [nicht ‘den namen 'Tungern
erhalten’], muss man auch fortfahren: ‘damals aber Germanen
hiessen’ [nicht ‘den namen Germanen erhielten’. Solche er-
örterungen sind durchaus keine wortklauberei, als die sie viel-
leicht manchem ‘reinen’ historiker erscheinen möchten, sondern
haben entscheidende bedeutung für die geschichtliche recon-
struction der ältesten beziehungen zwischen Kelten und Ger-
manen, wie wir später sehen werden.
Bei Laistners auslegung weiss man auch gar nicht, warum
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 265
Tacitus gerade ob metum sagt. Sollte darin nichts weiter liegen,
als dass die linksrheinischen Germanen diesen namen darum
zuerst erhielten, weil sie die einzigen waren, die wegen ihrer
allerdings beunruhigenden nachbarschaft im gesichtskreise der
namengeber lagen, so ist ob metum eigentlich überflüssig und
a victore hätte dem gedanken bereits genüge geleistet. Auch
Laistner will vernünftigerweise in der bedeutung des namens
Germanen gar nichts für die Gallier schreckhaftes !) finden.
Vielmehr hiessen auch nach ihm die Tungern damals Germanen
und wurden ausserdem von den Galliern gefürchtet. Da geht
es denn aber doch über das mass des zulässigen hinaus, wenn
man, wie es Laistner tut, trotzdem dem autor die combinierende
wendung unterschiebt: der sieger bekam aus furcht den namen.
Und wenn dann die folgenden worte nur besagen sollen, die
ausbreitung des namens hätte mit der wachsenden erweiterung
des gesichtskreises der namengeber gleichen schritt haltend
allmählich die entfernt wohnenden einbezogen und schliesslich
die gesammtheit der Germanen umfasst, mit andern worten: man
hätte immer nur so viel germanische völkerschaften Germanen
genannt, als man kannte, bis man schliesslich das gesammte volk
kannte und so benannte — —: dann hätte Taecitus eine ganz
selbstverständliche sache, eine lächerliche trivialität auf eine
unglaublich verschrobene und unklare weise ausgedrückt. Hier
wird es zeit, einen ausruf Jaekels aufzunehmen: fort mit allen
künstlichen interpretationen!
Bei alledem hat Laistner gar nicht gemerkt, dass seine,
nach meiner meinung allerdings richtige übersetzung und aus-
legung der worte ob metum bei seinem satzbau ganz unzulässig
wird. Ob metum heisst natürlich nur ‘aus furcht’, nicht wie Müllen-
hoff will, ‘um der furcht (des schreckens) willen’, und Laistner
nimmt lediglich aus sachlichen erwägungen ganz richtig eine
furcht der (besiegten) Gallier an. Logisch und grammatisch aber
ist das für Laistner entschieden ein fehler. Denn wenn er a
1) Diese ganz verkehrte hineindeutung ist wol erst durch die falsche
etymologie: Germani = ‘schreier (im streite)’ zu einiger geltung ge-
kommen, wobei man nicht einmal bedachte, dass dasselbe wilde kriegs-
geschrei und derselbe rasende ansturın in der schlacht für die Gallier
wie für die Germanen bezeugt ist: z. b. Liv. 5, 37. 8; 10,26. 11; 38,17. 4;
Polyb. 2,29. 6; Diod.5, 29.
266 KOSSINNA
viclore als logisches subject zu nomine invento fasst, so darf er
nur ob melum victoris ergänzen, nie und nimmermehr aber ob
melum Gallorum. Nur wenn man, wie ich es tue, a victore =
secundum victorem oder e viclore fasst, ebenso a se ipsis—=e se
ipsis oder besser per se, und demnach annimmt, dass ein
logisches subject zu Germani vocarentur überhaupt nicht genannt
wird, kann man in den Galliern dieses verschwiegene subject
erkennen, wie es der sachliche zusammenhang erfordert, und
muss dann in gleicher weise aus logisch-grammatischen, wie
sachlichen gründen notwendig auch ob metum Gallorum ergänzen.
Diese, wie ich glaube, ohne weiteres einleuchtende erwägung,
dass Laistner von seinem standpunkte aus gar nicht 06 metum
Gallorum ansetzen darf, entzieht seiner ohnehin mehr als frag-
würdigen übersetzung: ‘der sieger habe als der unmittelbar
sefürchtete zuerst den namen Germanen bekommen’
vollends allen boden. Noch schlimmer aber wird Laistners
auffassung dadurch, dass er sich hat verleiten lassen, von
Dederich ein zweites leitmotiv zu holen, das die übersetzung
ganz und gar verdirbt. Nach dieser zweiten aufstellung Dede-
richs soll nämlich natio die linksrheinischen, gens die rechts-
rheinischen Germanen und omnes die summe von gens + natio
bedeuten, eine etwas schulmeisterliche spitzfindigkeit, die auf
künstlichem wege neue schwierigkeiten schaft. Wären die
alten schwierigkeiten gehoben gewesen, so würde weder Dederich
hierauf verfallen sein, noch bei Laistner nachfolge gefunden
haben. Wenn es also heisst: omnes ... Germani vocarentur, in-
dem zuerst der victor (Tungern), dann auch ipsi so benannt
worden, so kann nach Laistner ipsi nur den rechtsrheinischen
Germanen entsprechen und sich nicht auf omnes zurückbeziehen.
Worauf aber dann? etwa auf das im hauptsatz versteckte gentis?
In der tat, Laistner macht das scheinbar unmögliche zur wirklich-
keit: er gewinnt es über sich, eine solche behauptung aufzustellen;
freilich übersetzt auch er dann ruhig nach alter weise: ‘später
dann auch sie’, wo ‘sie’ doch nur auf das vorgehende ‘alle’
(omnes) beziehen kann. Bei unbefangener betrachtung der stelle
wird man eben nichts anderes denken, als dass Tacitus durch
omnes eine abwechslung im ausdruck für gens bringen wollte,
wie er nach aller meinung statt natio zur abwechslung victor sagte;
ipsi aber kann sich auf nichts anderes beziehen als auf omnes.
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 267
Wir haben uns mit Laistner etwas lange beschäftigen
müssen. Daran ist teilweise seine forschungs- und darstellungs-
art schuld, die in allen farben schillert: eine vermutung drängt
die andere, kaum aufgenommen wird sie wider fallen gelassen,
um einer neuen platz zu machen; man vermisst nur zu oft
strenge folgerichtigkeit, so dass man Laistner nicht leicht bei
einem punkte fassen kann. Wie völlig er bei der geschicht-
lichen ausdeutung seiner übersetzung in die brüche gerät, soll
uns später einmal beschäftigen.
Nun meine übersetzung.
‘Uebrigens sei der name Germanien [kein verum et anti-
guum nomen, sondern verhältnismässig] jung und erst in neuerer
zeit von ausserhalb beigelegt, da ja bekanntermassen die ersten
überschreiter des Rheins, die die Gallier vertrieben hätten und jetzt
Tungern hiessen, damals Germanen geheissen hätten; und zwar
sei dieser name, der nur ein völkerschaftsname, kein volksname
war, so nach und nach zu der unfassenderen bedeutung eines
volksnamens gelangt, doch [nicht etwa in allmählicher räumlicher
erweiterung, sondern] nur in der weise, dass [sogleich] die
gesammtheit [des volkes] [und zwar] anfangs [bloss] nach
dem sieger [den Tungern] infolge banger scheu [und
darum übertriebener hochschätzung auf seiten der besiegten
Gallier gegenüber den siegreichen Tungern], später [als die
bange bewunderung der Gallier vor dem sieger gewichen, weil
dieser inzwischen mit dem überwundenen gegner verschmolzen
war, und man bei der übertragung des namens auf das mutter-
volk oder vielmehr bei dem gebrauch des übertragenen namens
an den bedeutungslos gewordenen sieger gar nicht mehr dachte]
auchanundfürsich betrachtet [oder: aus sich heraus]
mit dem überkommenen namen Germanen genannt
wurde.
Es wird nun, meine ich, einleuchten, dass die worte invento
nomine einzig und allein zu a se ipsis in näherer beziehung
stehen, da sie eben logisch betrachtet den inhalt der vorber-
gehenden worte a viclore ob metum widerspiegeln. Erst nachdem
eine zeit lang die gesammtheit des muttervolks nach ihrem
verwantschaftsverhältnis zum sieger mit dem namen dieses
siegers von den ihn scheu bewundernden Galliern ‘Germanen’
benannt worden war, konnte man von einem inventum nomen,
268 KOSSINNA
einem ‘überkommenen’ namen reden, den diese gesammtheit
in der folge ganz unabhängig von ihrer verwantschaft mit den
siegreichen 'Tungern, die nun keine rolle mehr spielte, im
munde der Gallier aus alter gewohnheit weiterführte. Richtig
bemerkt Laistner, dass in den Worten ia — ui eine ein-
schränkung eingeleitet wird. Taecitus sagt eben: allerdings hat
sich hier ein blosser stammname zu einem volksnamen erweitert,
doch nicht in der weise, dass er sich räumlich allmählich aus-
dehnte, sondern so, dass sofort die gesammtheit des volks den
neuen namen erhielt, aber zuerst nur im hinblick auf die bluts-
verwantschaft mit der kleinen linksrheinischen völkerschaft,
später auch unabhängig davon.
Ganz unbegreiflich ist es, wie man bisher so oft von dem
römischen standpunkte reden konnte, von dem aus der bericht
des Tacitus gegeben und zu verstehen sei.!) Mit keinem worte
wird bei ihm Roms gedacht; es ist nur von siegern (Germanen)
und Galliern (besiegten) die rede: zwischen diesen beiden grössen
spielt sich der vorgang ab, und zwar am Niederrhein, den die
Römer doch erst unter Caesar erreichten, während Taeitus
oder seine quelle offenbar eine viel ältere zeit im sinne hatten.
Ganz natürlich, denn zu Caesars zeit und noch etwas früher
finden wir diese neue bedeutung des namens bereits völlig ge-
festigt und allgemein anerkannt, so dass sie schon eine geraume
zeit in übung gewesen sein muss. Ob wir aber mit Much (s. 176)
die umfassendere bedeutung bereits in den Germanen-Gaesaten
der capitolinischen triunıphalfasten von jahre 222 v.Chr. voraus-
setzen dürfen, bleibt höchst ungewiss. Zunächst ist durch
G. Schön erwiesen, dass der echte grundstock der triumphal-
fasten in den älteren teilen in der tat vielfach durch interpo-
lationen spätester zeit entstellt worden ist. Ferner kann Properz
‚als geschichtliche quelle für das 3. vorchristliche jahrhundert
in keiner weise gegen Polybius ausgespielt werden, wie es von
Much geschehen ist, zumal wenn Polybius, wie es mit seiner
nachricht über die Rhonegegend als heimat der Gaesaten der
fall ist, durch spätere sichere zeugnisse so glänzend gerecht-
fertigt wird.
Doch das sind fragen, die bereits zur geschichtlichen aus-
1) Noch neuerdings wider S. Walther, Germ. 30, 301 f.
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. | 269
deutung, auf die wir später eingehen, nicht mehr zur unmittel-
baren auslegung unserer quelle gehören.
Müssen wir den angeblich römischen standpunkt ablehnen,
so ist es klar, dass das verschwiegene subject zu invento nomine
Germani vocarentur nur die Gallier sein können. Denn dass a
victore und a se ipsis nicht als passivische subjecte zu fassen
sind, dafür kann man die unmittelbar vorausgehenden wen-
dungen anführen: ceteri Istaevones vocentur — gentis appellationes
— vocabulum nuper additum — tunc Germani vocali sint — die
sämmtlich allgemein nur von ‘namen’ und ‘heissen’ reden, nicht
aber von bestimmten nennenden subjecten. Es ist ja selbst-
verständlich, dass wenn man so und so genannt wird oder
heisst, man eben zunächst und vor allem bei seiner umgebung,
bei der nachbarschaft so genannt wird, und die nachbarschaft
des gesammten muttervolkes der Germanen waren eben die
Gallier. Entscheidend für die auffassung von a= ano bleibt
jedoch die im eingang erwähnte sachliche notwendigkeit, da die
Transrhenanen weder selbst sich je Germanen genannt haben,
noch auch von den linksrheinischen Germanen (Tungern) ‘aus
furcbt’ oder ‘um der furcht willen’ so benannt worden
sein können. Meine auffassung von a ist übrigens, was die
worte a victore anlangt, keineswegs neu, sondern meines wissens
zuerst von Walch (Emendationes Livianae, Berlin 1817, s. 79)
vorgeschlagen und von Bötticher (Lexicon Taciteum unter a),
Watterich (Der deutsche namen Germanen) u. a. als einzig
richtig anerkannt worden. Müllenhoff selbst hat diese auf-
fassung sorgfältig in erwägung gezogen, konnte aber ebenso-
wenig wie eincr der vorgänger mit dem zweifellos entsprechen-
den a se ipsis, worin er a nur als Öxo aufzufassen vermochte,
fertig werden, und somit entfiel für ihn auch jene erste mög-
lichkeit. Die leichtigkeit, mit der Walch und seine nachfolger
sich über die stilistische unmöglichkeit hinwegsetzen, dass in
den gegensätzlichen verbindungen a viciore und a se ipsis das
a zuerst «no, danach aber vxo bedeuten sollte, war Müllenhoff
natürlich nicht gegeben, und darum hat cr die Walchsche
übersetzung mit recht verworfen. Alle schwierigkeiten lösen sich
aber spielend, wenn man a beidemal als ano fasst.
Ueber die zulässigkeit meiner auffassung von a lohnt es
nicht ein wort zu verlieren, da ja die wendungen appellari,
270 KOSSINNA
nomen invenire, vocari ab aliquo d.h. ‘nach jemand benannt
werden’ häufig genug, auch bei Tacitus,!) vorkommen. Und
dass a se ipsis in diesem zusammenhang nichts anderes als
per se bedeutet, dürfte sich durch die kühne, ebenso nach ori-
ginalität wie nach symmetrie und antithese strebende ausdrucks-
weise unseres schriftstellers durchaus genügend und befriedigend
erklären. Die Transrhenanen wurden zuerst nur im hinblick
auf die linksrheinischen Germanen, also von deren nachbarı,
Germanen genannt; später aber, als diese linksrheinischen ger-
manischen stämme die besondere und höhere bedeutung für
ihre umgebung verloren hatten und die kunde von dem sich
ungemessen nach osten ausdehnenden muttervolk immer weiter
drang bis zu kreisen, in denen man von den kleinen links-
rheinischen völkern kaum etwas wusste, wurde das muttervolk,
ohne dass nun die furcht noch eine rolle spielte, nur aus sich
heraus oder an und für sich betrachtet und ohne einen die
namengleichheit gewissermassen stets von neuem erklärenden
und begründenden seitenblick auf die linksrheinische abteilung,
nach fest gewordener gewohnheit Germanen genannt. Der
zusatz mox a se ipsis war um so notwendiger, als zu Tacitus
zeiten die Tungern nieht mehr Germanen hiessen, sondern sich
nur noch ihres germanischen ursprungs rühmten, der schon als
eine halbsagenhafte überlieferung galt. Da so der name Ger-
manen in der gegend, wo seine wiege stand, eingegangen war,
fügte Tacitus hinzu, dass er später dem muttervolk als solchem
und obne hinblick und vergleich mit dem ursprungsland und
ursprungsvolk geblieben sei. Uebrigens ist die ausdrucksweise
a se ipsis—=‘von sich aus’ durchaus nicht ohne beispiele. Ganz
gewöhnlich ist die wendung aliquid a se facere= ‘etwas von
sich aus tun’, ebenso passivisch aliquid a se fi. Eine mit
unserer stelle sich völlig deckende habe ich nachträglich bei
Cicero gefunden, Timaeus 6: ita se ipse [mundus]| consumptione
et senio alebat sui, cum ipse per se el a se el pateretur el
faceret omnia.
Ich glaube nicht, dass die von mir gegebene übersetzung
und auslegung schon jemals vorgeschlagen worden ist, und
1) Z.b. Ann. 14,27 Puteoli... cognomenlum a Nerone apiscunlur;
4,55 Graeciam..., cul mox a Pelope nomen.
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 271
doch wırd man zugestehen, dass sie durchaus ungekünstelt ist,
ja gleichsam auf der hand liegt. Sie trägt nichts hinein in
den schriftsteller und liest nur heraus, was durch den logischen
zusammenhang gegeben ist. Sie tastet keines seiner worte an,
lässt aber auch keines ungenutzt liegen. Ich verweise hier
nochmals auf die wendung ob metum, die bei Laistner ohne
bedeutung für den gesammtinhalt erscheint, bei mir aber ein
unentbehrliches glied der entwicklung des gedankens bildet.
Ebenso aber wie meine übersetzung sprachliche und logische
fehler meidet, wie sie bei den vorgängern und wol bei niemand
mehr als bei Laistner nachgewiesen wurden, ist ihr inhalt auch
frei von verstössen gegen den gesunden menschenverstand wie
gegen die geschichtliche wahrscheinlichkeit und findet sich
durchaus in übereinstimmung mit den anerkannten geschicht-
lieben tatsachen. Sie steht in allen diesen beziehungen einzig
da und trägt durch die erwähnten eigenschaften die gewähr
der richtigkeit in sich.
II. Die linksrheinischen Germanen.
Es wird nunmehr meine aufgabe sein, zu zeigen, wie bei
meiner übersetzung die geschichtlichen voraussetzungen, die uns
die mittel der germanischen altertumskunde an die hand geben,
sich auf ungekünstelte weise mit der nachricht des altertums
zu einer befriedigenden gesammtauffassung vereinigen lassen.
Bei Müllenhoff waren die geschichtlichen folgerungen aus
dem berichte des Tacitus völlig beherscht von der überzeugung,
dass die linksrheinischen Germanen Kelten und frei von jeg-
licher germanischen beimischung waren. Diese gegenüber den
geschichtlichen zeugnissen an sich bedenkliche annahme führte
Müllenhoff zu der weitern schwierigen folgerung, dass der kel-
tische name in der hauptsache durch die unmittelbaren kel-
tischen nachbarn, denen die Römer hierin allerdings kräftig
beigeholfen hätten, jenem keltischen stamme allmählich ge-
nommen und auf das rechtsrheinische völlig stammfremde volk
übertragen wäre. Für eine solche durch sich selbst allerdings
ganz unerklärliche übertragung weiss Müllenhoff nicht ein ein-
ziges beispiel anzuführen, hält sich aber für berechtigt, die
annahme einer andersartigen übertragung, wonach der name
Germanen von einem ursprünglich rechtsrheinischen Keltenvolk
272 KOSSINNA
auf die in sein gebiet einrückenden Deutschen ohne weiteres
übergegangen wäre, darum abzuweisen, weil sich für einen
solchen übergang keine alten analogien fänden. Und dabei
führt er dann selbst sofort eine solche analogie an. Wir halten
beide annabmen in diesem falle für unzutreffend. Doch da-
von später.
Von der römischen tberlieferung vollends bleibt bei Müllen-
hoff herzlich wenig mehr bestehen. Fragen wir aber, wie
Müllenhoff zu dieser ansicht gelangt ist, die sich weder durch
einfache klarheit, noch durch innere wahrscheinlichkeit em-
pfiehlt, so müssen wir den hauptgrund darin suchen, dass
Müllenhoff, wie weit er auch in den meisten stücken über Zeuss
hinausgekommen ist, zuweilen doch zu seinem. schaden dem
einflusse dieses bedeutendsten vorgängers noch zu sehr unter-
worfen geblieben ist. In diesem falle war es ein methodischer
grundsatz, oder fehler, wenn man will, der Müllenhoff bei
Zeuss festhielt: die durch die grossen erfolge der aufblühenden
geschichtlichen sprachforschung erzeugte und beiden forschern
gemeinsame überschätzung der mittel der sprachforschung, das
dunkel der urzeit zu enthüllen. Wir wissen, wie kläglich die
versuche allein mit hilfe der sprachvergleichung ein culturbild
der sogenannten indogermanischen urzeit zu entwerfen oder
gar die urheimat der Indogermanen zu ermitteln, gescheitert
sind. Ich wenigstens kann irgendwelche festen ergebnisse
der sog. indogermanischen altertumskunde nicht anerkennen.
Und wie viel unberechtigter muss nun das unternehmen er-
scheinen, allein auf grund sprachlicher erwägungen die best-
beglaubigten nachrichten der allerdings vielfach dunkeln ge-
schiehtlichen frühzeit unseres volkes verwerfen oder nach
subjectiven schlüssen berichtigen zu wollen. Ich erinnere bei-
spielsweise daran, wie sehr sich Müllenhoff sträubte, die Amsi-
varier dorthin zu setzen, wohin sie allein gehören, an die Ems,
ja wie er sie gar nicht als selbständiges volk anerkennen
wollte, nur weil er meinte, sie hätten dann Amisivarier heissen
müssen. lEbenso verwarf er des Tacitus bestimmte meldung,
dass die Bataven von den Chatten ausgegangen sind, nur weil :
er meinte, die Bataven wären auch Chattuarier genannt und die
Römer nur durch den anklang dieser namen veranlasst worden,
die Battaven zu abkömmlingen der Chatten zu machen. Der
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 273
wahre grund seines zweifels war seine tiberzeugung, dass die
namen Chatti und Chattuarii lautlich nicht in einklang ständen,
was neuerdings aber von Braune erwiesen worden ist.
Schon in meiner anzeige von Müllenhoffs Deutscher alter-
tumskunde (Anz, fda. 16 [1890], 31) sprach ich es aus, dass seine
gründe für eine rein keltische abkunft der belgischen Germanen,
die sich auf nichts weiter als auf die keltische sprachform
ihrer volks-, personen- und flussnamen stützen, mir keineswegs
zwingend erscheinen. Indessen fehlte es mir damals an raum
zu eingehenderer erörterung der frage und offen gestanden
auch an der überzeugung, dass Müllenhoffs ansicht noch durch
andere gründe, als durch einfache berufung auf Caesar, Strabo
und Taeitus zu widerlegen möglich wäre. Freilich der alte
Clüver und auch die älteren und jüngeren geschichtschreiber,
die unsere urzeit zum gegenstand umfassenderer darstellung
gemacht haben, von Mascou herab bis zu Lamprecht!), sind
der überlieferung ohne weitere zweifel gefolgt und haben von
rein keltischen Germanen nichts gewusst oder wissen wollen. -
Diese entdeckung brachte, nachdem noch Wersebes?) umfang-
‚reiches werk über die altdeutschen völkerbündnisse sich in
dem altbewährten geleise bewegt hatte, erst das jahr 1837 und
gleichzeitig von zwei verschiedenen seiten. Zeuss und Hermann
Müller?) waren durch den gang der sprachgeschichtlichen for-
schung dahin geführt worden, die antike überlieferung bei seite
zu setzen, die zeugnisse der sprache aber, die doch von jenen
durch die überlieferung mitgeteilten ereignissen durch jahr-
hunderte getrennt sind, als allein entscheidend anzusehen. Sie
betrachteten darum die belgischen Germanen nicht als mehr
oder weniger keltisierte abkömmlinge rechtsrheinischer Ger-
manen, sondern als einen von jeher ungemischten echt kel-
tischen stamm. Seitdem galt diese ansicht vielfach als ‘wissen-
1) Ausdrücklich sei hier hervorgehoben, dass der einfluss, den ich,
wie Lamprecht in der vorrede erwähnt, auf den ersten band seiner
‘Deutschen geschichte’ in fragen der altertumskunde ausgeübt habe,
sich nicht auf die belgogermanische frage erstreckt, sondern L. hier
(8.73 ff.) seine stellung durchaus selbständig gewonnen hat.
3) Ueber die völker und völkerblindnisse des alten 'Teutschlands
(Hannover 1826).
®) Die marken des vaterlandes, bd. 1 (Bonn).
Beitrüge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 18
274 KOSSINNA
schaftlich’ allein berechtigt und fand immer allgemeinere zu-
stimmung, je mehr sich Zeuss’ ansehen zu cinem kanonischen
crhob. Ihm folgten die meisten specialforscher, namentlich
soweit sie von der sprachlich-philologischen seite diesen fragen
nahe traten, wie Duncker (Origines Germanicae, Berl. 1840),
Diefenbach (Origines Europaeae 1861 =.131 f. 350), Wormstall
(Tungern und Bastarnen 1868), Usinger (Anfänge der deutschen
geschichte 8.8 ff. 227 ff.), endlich Müllenboff. Auch Dahn trat
auf diese seite (Könige der Germanen 1 [1861], 133 und mehr-
fach in späteren werken). Dagegen hielten die ‘reinen’ histo-
riker wol mehr aus geringschätzung gegen sprachgeschichtliche
‘ergebnisse’, als aus voller würdigung aller in betracht kom-
menden erwägungen an der alten ansicht fest. Ich nenne hier
vor allem Waitz. Weit höher freilich hatte vorher schon
J. W. Loebells!) behandlung der frage gestanden. Und nach
verlauf zweier jahrzehnte blieb der rückschlag gegen Zeuss
auch bei manclıen specialforschern nicht aus,
Den ausgang nahm diese rückläufige er von
Brandes’?) werk über die Keltenfrage, das heute zwar immer
noch gern angeführt wird, aber so gut wie gar nicht mehr,
gelesen zu werden scheint, wol weil die wenigsten noch lust
haben an die einst verdienstliche widerlegung der abgetanen
Holtzmannschen aufstellungen ihre zeit zu verlieren. Und doch
brachte das buch auch in positiver hinsicht viel brauchbares.
So hat es sich auch um unsere frage in eingehender weise
und mit vollem verständnis der hindernisse, die einer ober-
flächlich schnellen entscheidung entgegenstehen, bemüht. Wie
Loebell nimmt auch Brandes an, dass nur eine mundartliche
verschiedenheit das ursprüngliche belgische vom mittelgallischen
abhebe, Caesars völlige trennung beider sprachen?) aber auf
rechnung der reichlichen germanischen beimischung zurückzu-
führen sei, die infolge des einbruchs der Germanen in Belgien
die gallische sprache der östlichen Belgen erfuhr. Caesars und
Taeitus’ nachrichten nimmt Brandes als feststehende tatsachen,
1) Gregor von Tours und seine zeit (Leipzig 1839), Beilage 1.
2) Das ethnographische verhältnis der Kelten und Germanen, Leip-
zig 1857.
3) Caesar BG.1,1: Hi omnes [Belgae, Aquitani, Galli) lingua, in-
stilutis, legibus inter se differunt. |
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 375
an denen nicht zu rütteln und zu deuten ist; sie sind für ihn
entscheidend, doch fügt er ihnen gegen Zeuss bereits die tref-
fende bemerkung bei, dass die gallischen ortsnamen im gebiete
der linksrheinischen Germanen lediglich ein von den vorgängern
ererbtes gut seien und darum der ihnen von Zeuss beigelegten
beweiskraft durchaus entbehrten.
Auf Brandes folgten einige kleinere mit recht wenig be-
achtete schriften zur geschichte der gallischen kriege von Max
Eichheim!), der widerum über das ziel hinausschoss, indem
er für die gesammtheit der Belgen rein germanische abstam-
mung behauptete und die Nervier als kernvolk der spätern
Franken ansah. Das. kriegsjahr 1870 hat zwei selbständige
schriften über unsern gegenstand gezeitigt, beide von rheinischen
forschern, Watterich und Dederich. Während Dederichs oben
(8. 261) genannte schrift, die in der Belgenfrage auf dem stand-
punkt steht, dass an der deutschheit der Germanengruppe, wie
der Tungern und Nervier nicht zu zweifeln sei und, wie wir oben
sahen, sich besonders der philologischen auslegung der stelle
in der Germania widmet, sucht Watterichs?) eingehende er-
örterung allen seiten des problems gerecht zu werden. Zeigt
die arbeit auch erhebliche mängel in sprachlichen dingen, bringt
sie ganz unmögliche etymologien und manche unmögliche inter-
pretation, so ist hingegen höchst löblich ihr kräftiges, auf ge-
sunde geschichtliche einsicht gestütztes eintreten für die klare
geschichtliche überlieferung, d.h. für die deutschheit der links-
rheinischen Germanen. In dieser gruppe sieht er die ersten
und ‚ältesten deutschen eroberer linksrheinischen Gallierlandes,
woher ihrem stamme auch die Gallier die benennung des
rechtsrheinischen muttervolkes entlehnt hätten, während die
westlicher sitzenden Belgen, deren namen er, wie später Much
(s.171) nach ahd. beigan ‘schwellen, zornig sein’ erklärt, erst
dem stamme der Germanen gefolgt wären und über ihn hin-
1) a) Caesars feldzlige gegen die germanischen Belgier. Neue rand-
glossen. Neuburg a.D. 1864. — b) Die kämpfe der Helvetier, Sueben
und Belgier gegen C. J. Caesar. Neue schlaglichter auf alte geschichten,
Ebd. 1866. — c) Neue schlaglichter auf die urgeschichte der Germanen
in Belgien und den Rheinlanden. München 1879.
2) Watterich, Der deutsche namen Germanen und die ethnogra-
phische frage vom linken Rheinufer. Paderborn 1870.
18*
276 KOSSINNA
weg die eroberung des gallischen bodens weiter westlich bis
zur Sequana vollzogen hätten. Unter den einzelheiten erwähne
ich besonders Watterichs sehr passenden hinweis auf die schnelle
romanisierung der germanischen eroberer des römischen reiches,
der Burgunden, Westgoten, Langobarden, namentlich aber auf
die Normannen in der Normandie, bei denen ein zeitraum von
einhundertfünfzig jahren hingereicht hat, um sie völlig ver-
welschen zu lassen.
Einen neuen vorstoss gegen Zeuss unternahm Erhardt),
auch er ohne hinreichende sprachliche vorbildung, aber glück-
lich in der behandlung der einzelheiten der überlieferung, die
er nach allen seiten einer scharfen beleuchtung unterzieht. Von
der deutschheit der belgischen Germanen geht er als einer fest-
stehenden tatsache aus und vermag in den versuchen, an dieser
äusserlich völlig gesicherten und durch die ihr innewohnende
wahrscheinlichkeit zudem bestens empfohlenen überlieferung zu
rütteln, nur ausgeburten einer ungesunden methode zu erblicken.
Seine untersuchung erstreckt sich auf die beiden grossen den
Germanen benachbarten völkerschaften der Nervier und Trevern
und weiss auch von ihnen darzutun, dass sie teilweise offenbar
germanischen ursprungs gewesen sind. Caesar und seinem
fortsetzer erschienen beide völker von germanischer wildheit
(BG. 2,4; 8,25). Strabo, der hierin wenn auch keiner vorcaesa-
rischen, so doch einer alten von Caesar unabhängigen quelle
folgt, nennt beide völker geradezu Germanen. Und noch zu
Taeitus’ zeiten rühmten sich beide ihrer germanischen ab-
stammung. Auch aus einer beleuchtung der gallischen kriege
Caesars und der späteren aufstände, besonders des grossen
batavischen krieges, erhellt ein auffälliges zusammengehen dieser
beiden stämme mit den links- und rechtsrheinischen Germanen
und andrerseits ein gewisser abschluss gegen die rein gallischen
Westbelgen. Sind diese letzterwähnten beobachtungen an sich
auch nur von geringer bedeutung und nur im zusammenhang
mit den bestimmten nachrichten bei Strabo und Taeitus in etwa
zu verwerten, so wird man alles in allem Erhardt doch gern
zustimmen, da irgendwie durchschlagende einwände bisher nicht
1) Aelteste germanische stammbildung. Eine untersuchung von
Louis Erhardt (Leipzig 1879), 8. 5—15.
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 277
erhoben worden sind und sich auch kaum werden erheben
lassen. Dagegen verlässt Erhardt wider den boden des nach-
weisbaren, ja des wahrscheinlichen, wenn er annimmt, dass
nicht nur die belgische Germanengruppe, sondern aueh Nervier
und Trevern zu Caesars zeiten noch einen wesentlich germa-
nischen charakter bewahrt hätten. Der unterschied, der sich
darin zeigt, dass sich bei den belgischen Germanen der hei-
mische gesammtname lange erhielt, den Nerviern und Trevern
aber nur die geschichtliche erinnerung an ihre germanische ab-
stammung lebendig blieb, zeigt gerade, dass die germanische
beimischung bei diesen beiden völkern nicht so stark gewesen
und keltisches wesen in sprache und benennung, wie in vielen
andern beziehungen entschieden obgesiegt hatte. Freilich könnte
man das lange andauern des Germanennamens bei den Germani
cisrhenani auch daraus erklären, dass ihnen dieser name nicht
nur als gesammtvolksname, sondern auch als völkerschaftsname
von ihrer rechtsrheinischen heimat her anhaftete,
Wir sehen, es ist eine stattliche reihe von mehr oder weniger
brauchbaren vorarbeiten, die Much bei seiner bekämpfung des
standpunktes von Zeuss und Müllenhoff hätte anführen und
benutzen können. Ohne sie zu kennen, jedenfalls ohne sich um
sie zu kümmern, geht Much seinen weg vorwärts und erobert
in siegesgewissem ansturm die Müllenhoff’schen stellungen, eine
nach der andern. Dieser teil des abschnitts über die ‘Germanen
am Niederrhein’ (s. 159 ff.) ist wol der glänzendste seines an
geistvollen und dabei kerngesunden auffassungen reichen werker.
Mag der leser noch so widerstreben, Muchs auseinandersetzungen
müssen ihn, wofern noch gründe einfluss auf ihn haben, zu der
überzeugung bringen, dass das östliche Belgien in der tat eine
germanische einwanderung oder überflutung erfahren hat und
dass diese germanische oberschicht bei einigen völkerschaften
inmitten dieses gebietes so stark war, dass diese geradezu
Germanen genannt wurden.
Anknüpfend an meine kurze ablehnung der sprachlichen
gründe Müllenhoffs führt Much bis ins einzelne die gegengründe
aus. Dass die keltischen ortsnamen für unsere frage ohne
bedeutung seien, hatte schon Brandes ausgesprochen, ebenso
verhält es sich mit den keltischen personennamen. ÖObne viel
gewicht zu legen auf die auffallend weitgehenden überein-
278 KOSSINNA
stimmungen in keltischer und germanischer personennamenbil-
dung und auf den umstand, dass uns die ältesten germanischen
namen nur aus keltischem munde und in keltischer lautgebung
überliefert sind, genügt es, festzustellen, dass wir bei den ger-
manischen grenzvölkern ältester zeit rein keltische personen-
namen auch als offenbare entlehnungen finden, z. b. Ariovistus,
Maroboduus, Boiocalus, auch wol Verritus und Mallovendus. Für
die volksnamen endlich gilt das gleiche: ich erinnere hier an
die germanischen und keltischen entsprechungen. So decken
sich in lautlicher beziehung die germanischen Burgundiones,
Chatti, Chauci mit den keltischen Zrigantes, Cassi, Cauci; auch
Calucones finde ich ausserhalb Germaniens wider und zwar in
Raetien. Much, wie schon mancher seiner vorgänger, z. b. Watte-
rich, verweist auf die zweifellos keltischen namen unanfechtbar
germanischer grenzvölker, auf die rechtsrheinischen Usipiten,
die linksrheinischen Nemeten und Triboken. Er hätte noch
die Maitiaci, in deren namen mindestens die endung sicher
keltisch ist!), und weiter die Campi, Racalae, Naharvali?), alle
gleichfalls keltischen gepräges, hinzufügen können. Wir sehen
danach sowol am Rhein wie an der Donau die den Kelten zu-
nächst liegenden germanischen völkerschaften mit keltischen
spitznamen behaftet. So werden wir, um dies hier anzuschliessen,
auch die im südwestwinkel Deutschlands ansässigen Caritanen
(Kaoitavoı Ptolem. 2, 11,6) mit unzweifelhaft keltischem namen
unbedenklich für Germanen ansehen können, zumal seit beginn
der geschichtlichen kunde germanische bevölkerung gerade hier
sicher bezeugt ist (Caesar, BG. 1,1.2.5.). Much meint gewiss
mit recht, dass der teil von Ariovists schaaren, den Caesar
nicht am linken Rheinufer beliess, weil er auch durch Ariovist
noch zu keiner festen ansiedlung gekommen war, also die
vier abteilungen der Haruden, Markomannen, Eudusier, Sweben
auf dem rechten ufer bei dem hauptvolk der Markomannen an-
schluss gesucht und gefunden haben werden. Nichts spricht
jedoch dagegen, dass wir annehmen, diese Swebenabteilung
des Ariovist sei in den rechtsrheinischen sitzen verblieben, als
ı) Dass auch der stamm als keltisch anzusehen ist, nimmt Streitberg
wol mit recht an (Annal.d. ver. f. Nassau. altertumsk. 26 (1894), 134).
2) Von den Naharvali hat dies kürzlich v. Grienberger gezeigt
(Beitr. 19, 527).
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS,. 279
das hauptvolk der Markomannen unter Maroboduus nach Böhmen
abzog. Es sind das die Sweben, die wir in der zweiten hälfte
des ersten jahrhunderts n. Chr. als Neckarsweben von neuem
kennen lernen, deren wohnsitze innerhalb der römischen grenzen
sonst unerklärt blieben.
Es ist das verdienst Zangemeisters diese Swebengemeinde
am untern Neckar entdeckt zu haben (Zur geschichte der
Neckarländer in römischer zeit,!) Neue Heidelberger jahrbb. 3, 1 ff.).
Wir wissen jetzt, dass die rätselbafte civifas S. N. mit dem vor-
ort Lupodunum (Ladenburg), deren gebiet bereits im jahre 74
durch Vespasians eroberung dem römischen reiche einverleibt
worden war, seit der widerherstellung durch Trajan civitas
Ulpia S. N. benannt, ihren namen von den dort angesessenen
Suebi Nicretes bekommen hatte. Durch eine seit mehr als funfzig
jahren bekannte, von Zangemeister aber zuerst richtig gelesene
ı) Mit den hier ausgesprochenen ansichten über die sitze der ger-
manischen völker zur zeit Caesars und mit der hier gegen mich gewen-
deten polemik kann ich mich jedoch nicht durchweg einverstanden erklären.
Für meine annahmen, dass die Suebi in Ariovists heer keine besondere
abteilung und dass weiter der hinter den Übiern gesessene grosse stamm
der Sweben die spätern Chatten sind, hatte ich namhafte vorgänger: ich
schloss mich bier nur der herschenden meinung an, und beide punkte
spielen im verlauf meiner Swebenabhandlung eine ganz untergeordnete
rolle. Riese bekämpfte diese nebendinge, weil er in der hauptsache,
dass nämlich Markomannen und Quaden keine Sweben sein sollten, un-
recht behalten hatte. Ich habe in jenen beiden nebenpunkten meine
meinung natürlich längst geändert; namentlich seit Muchs überzeugen-
den ausführungen. Das brauchte mir also Zangemeister, der in andern
teilen der Swebenfrage mir zustimmt, nicht noch einmal besonders vor-
zuhalten. In einem punkte setzt er sich bei seiner polemik gegen
mich aber in entschiedenes unrecht, und bier muss ich ihn zurück weisen.
Wenn Drusus nach Dio im jahre 9 v. Chr. von den Chatten tiber die
Sweben zu den Cherusken marschiert, so lag es nahe, in diesen Sweben
die Hermunduren zu suchen, die ich mir, wie es damals (1890) wol die
allgemeine ansicht war, westlich bis an die fränkische Saale ausgedehnt
dachte, wo sie ja funfzig jahre später ihre grenze gegen die Chatten
haben. Erst durch Zippel (Deutsche völkerbewegungen in der Römer-
zeit, Königsberg 1895, s. 27f.) ist es klar geworden, dass die Hermun-
duren im 1.jb. v. Chr. wol noch weiter östlich wohnten. Zangemeister
schiebt mir nun die törichte anschauung unter, als meinte ich: Drusus
wäre von den Chatten über den Thüringerwald (!) zu den Cherusken
gewandert, und nennt dann diese ansicht ‘bedenklich’. Ich würde eine
solche ansicht mehr als bedenklich nennen.
280 KOSSINNA
inschrift!) sind diese Sweben auch für das 2. und den anfang
des 3. jh.’s gesichert. Wir können nunmehr mit ziemlicher sicher-
heit bei Ptolemaeus 2, 11,6 statt Ivxplioves, welchen namen
ein volk zwischen Rhein und Schwarzwald führt und wofür
auch Niroiwveg überliefert ist, Nıxoiwves = Nicretes lesen und
gewinnen damit eine weitere bezeugung dieses stammes für
das 2. jh.
Dagegen ist die erwähnung der Sweben im Monumentum
Ancyranum Marcomanorum Sueborum wol kaum auf die Neckar-
sweben zu beziehen. Ihr vertriebener könig ist offenbar kein
anderer als Zudrus gewesen, woran schon Müllenhoff gedacht
hat, aber nur um eine solche vermutung abzuweisen. Im grie-
chischen texte lautet die stelle Mapxouavo» ... [lücke von
13—14 buchstaben] 005. Eine ergänzung von 14 buchstaben
wäre: xal Zovnßov Tovd(gos), eine solche von 13: xal Zonßo»
Toüd(gos) oder Zovnßovre Tovd(oos). Müllenhoff stiess sich
daran, dass Tudrus bei Taeitus der stammvater des königs-
geschlechtes der quadischen Sweben, nicht der markomannischen,
heisst. Nun ist aber nach Muchs noch unveröffentlichter, mir
aber bereits bekannt gewordener einleuchtender vermutung 2)
das hinter den Übiern gesessene hauptvolk der Sweben Caesars,
das mit den Markomannen nach osten auswanderte, eines und
dasselbe mit den Quaden. Wir haben uns also folgende tatsachen
widerherzustellen. Ueber Markomannen südlich und Quaden
(Sweben) nördlich des Mains herschte Tudrus, wurde vertrieben
und suchte bei Augustus schutz, Sein nachfolger war der
römisch gebildete Maroboduus, der seine beiden völker bald nach
9 v. Chr. ostwärts führte. Die Quaden haben nach dem sturz des
Maroboduus im jahre 18 n. Chr. aus dem stamme des vertriebe-
nen Königs Tudrus sich einen nachfolger erwählt: Vannius, der
bei der vertreibung des usurpators Catualda aus dem Marko-
mannenreiche im jahre 19 wol mit beteiligt war. Nach des
Vannius vertreibung im jahre 50 herschten dann seine schwester-
söhne Vangio und Sido tiber die Quaden und noch zu Taeitus’
zeiten war des Tudrus geschlecht im besitz dieser königsmacht.
ı) Di Mani | Tertiniae. Florenltiniae. cives Suebja Nicreti. vixit
alnn]lis XVII...
2) [S. oben 8.20ff. E. S.]
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 281
Noch zweifelhafter ist es, ob mit Strabos 307ßo: an der
Donauquelle und dem herkynischen walde (6, 9 p. 207) die
Neckarsweben oder nicht vielmehr noch die Markomannen in
ihren ehemaligen sitzen am Oberrhein gemeint sind. Und ebenso
unsicher ist es, ob unter den Sweben, die nach Taeitus (Ann. 1, 44)
iin jahre 14 n. Chr. die provinz Raetien bedroben, Hermunduren
oder Neckarsweben zu verstehen sind.
Dagegen begegnen wir den letzteren sicher im irischen
heere. Inschriftlich bezeugt ist ein signifer der kaiserlichen
equites singulares Secundinus Verus natione Suaebus (Ephemer.
epigr. 4,345 n0. 935), der als solcher frühstens dem 2. jh. an-
gehört haben und, da er notwendig reichsangehöriger war, nur
den Neckarsweben entstammt sein kann. Denn dies waren die
einzigen Sweben auf römischen boden, während Semnonen,
Hermunduren, Markomannen, Quaden nicht in frage kommen.
Erst durch die von Maximian eingeführte conscriptionsordnung!)
werden für die wichtigste fusstruppe der die feldschlachten
schlagenden garde, für die duxilia, teilweise auch für die alae,
bei den freien germanischen grenzvölkern weitgehende truppen-
anwerbungen eingeführt, die sich rechts des Rheins indessen
nur wenig tiefer landeinwärts erstrecken, als auf die einst von
Rom besetzten gebiete. Wir lernen die hier in betracht kommen-
den stämme hundert jahre später durch die Notitia dignitatum
kennen. Linksrheinisch sind es die reichsangehörigen 'Tungern,
Bataven, Salier, Saxen?), Heruler?); rechtsrheinisch Franken,
Chamaven, Ampsivarier, Angrivarier (?)*), Falchovarier 5), Bruc-
ı) Mommsen, Hermes 24, 233.
2) Es kann nicht zweifelhaft sein, dass man in den Saxones (Not.
dign. Or. 32, 37) nicht etwa die zuerst von Ptolemaeus genannten Nord-
albingen, sondern die von jenen ausgegangenen wikingischen heimsucher
der gallischen und britannischen Küste (litus Saxonicum) zu sehen hat.
s) Wie bei den Saxen handelt es sich auch bei den Herulern nicht
um das hauptvolk auf den Ostseeinseln, sondern um jene schwärme, die
auf ihren mit den Chabionen gemeinsam vollführten raubzügen in Gallien
heimisch geworden und dort von Maximian unterworfen worden.
*) Ueberliefert ist Anglevarii, doch ist es zweifelhaft, ob man mit
Mommsen, der sich hier wie auch sonst auf Zeuss verlässt, an die Angeln
denken darf (Hermes 19, 232). Denn diese lagen völlig ausserhalb des
römischen gesichtskreises und von einer beteiligung derselben bei den
wikingfahrten der Saxen und Heruler gegen Gallien, die an sich sehr _
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282 KOSSINNA
teren, Tubanten, Mattiaken, Bucinobanten, Brisigaven, Alamannen;
an der Donau Raetovarier !), Markomannen, Quaden, Wandalen,
Goten. Der name Sweben hatte demnach zu dieser zeit bereits
eine verengung erfahren, findet im römischen heere jedenfalls
nur auf die Neckarsweben besondere anwendung. Auf sie allein
können sich die dedicationen an die muttergottheiten beziehen,
deren wir zwei aus ubischem gebiete kennen), zumal wenn sie vor
die zweite hälfte des 3. jh.’s. fallen sollten. Der bei einer dritten
solchen weihinschrift?) erwähnte swebische beiname Zuthungen
gut denkbar wäre, wissen wir nichts. Vom sprachlichen standpunkte ist
gegen eine auch inhaltlich völlige gleichsetzung der Angili und Anglevarü
nichts einzuwenden, da Angili meiner ansicht nach von angul ‘meeres
bucht’ herzuleiten ist, trotz A. Erdmann (Die Angeln s. 111f.), Anglevari
also nicht die nachfolger der Angeln zu bedeuten braucht; vgl. hierüber
8. 282 anm. 1.
5) S. den excurs am schlusse der abhandlung.
1) Ueberliefert ist Raelobarü. Wie ihre nachbarn, die Baiern, Bai-
mari hiessen, weil sie einst das land der Boien inne hatten, so hiessen
sie selbst Raetovarii, nachdem sie sich auf einem teil des alten Raeten-
landes niedergelassen hatten; ähnlich wie Baiochaimoi, Teuriochaimoi
nachfulger der Boien, Tl'eurien bezeichnet. Danach bedeutet Chattuarii
nichts anderes als “nachfolger der Chatten’, und letzteres können die
Chattuarü natürlich nicht in dem lande gewesen sein, wo wir sie zuerst
antreffen, d.h. zwischen Ems und Rhein, sondern nur weiter östlich, als sie
in vorzeiten an die mittlere Weser rückten, nachdem die Chatten südwärts
gezogen waren. — Beiläufig bemerkt, zeigt der name Raetovarü die un-
haltbarkeit von Laistners vermutung, dass in dem überlieferten Cyuuari
Recivarii stecken könne, vom rein sprachlichen gesichtspunkte aus.
2) Nur die zweite der beiden inschriften wird bestimmt datiert, in
das ende des 2. oder den anfang des 3. jh.'s.
a) [MJatribus . meis | [Ger]manis . Suebis | ||| Vlelrecuniul[s] //j] us.
negatioto[r] [cre]tarius. v. s. l.m. (vgl. Archäolog. zeitung, N. F.
3 (1871) 54)
und
b) [Matribu]s Suebis | [ /] demilius | [Prijmitivus | [ex vo]to I. m. |
//!! o. et. Aeliano c[os] (vgl. Jahrbb. d. ver. alt. Kheinl. 83, 145.
147).
8) [Mat]ribus Suebis Kuthungabus [1]ulius Secundus [juli Philtatı
[v] s/m (vgl. M. Ihm, Rh. mus. N. F. 45, 639). — Dazu gesellt sich als vierte
die neuerdings in England zum vorschein gekommene weihinschrift aus
den jahren 238—241 n. Chr. (vgl. Westd. zs., Korr.-bl. 1893. 12, 184 ff.):
Deae Garmangabi el n(umini) G(ordiani) Aug(usti) [n(ostri)] pr[o] sal(ute)
vex(illarii) Sueborum Lon(govicianorum) Gor(dianorum) votum soluerunt
m(erito).
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 283
zeigt, dass dieser stamm, dem wir als Jutbungen seit dem
letzten drittel des 3.jb’s an der obern Donau begegnen, zur
zeit, da die inschrift geweiht wurde, bereits in Süddeutschland
ansässig war. Leider ist eine genauere zeitbestimmung der
inschrift ihrem herausgeber nicht gelungen. Um die Euthungen
von den bis etwa 250 n. Chr. unter römischer herschaft stehen-
den Neckarsweben zu scheiden, wurde die hinzufügung ihres
sonderbeinamens für notwendig gehalten. Nachdem um die
mitte des 3.jh.’s das rechtsrheinische Obergermanien frei ge-
worden war, sind die Neckarsweben in den Alamannen aufge-
gangen und haben neben den Juthungen (Semnonen) dazu bei-
getragen, in dem Alamannenbunde den namen der Sweben zum
vorherschenden zu machen. Wol nur ein anderer name für
die Jutbungen war der der ARaetovariü ‘Riesbewohner’, denn
Juthungen waren zu ausgang des 3. und im 4.jh. die ärgsten
bedränger der provinz Raetien (Zeuss 312 ff.) und siedelten sich
damals, ähnlich wie die Markomannen im osten, schon am
südufer der Donau an, das bis auf den heutigen tag den namen
‘Ries’ trägt.
Um von dieser abschweifung zu unserer aufgabe zurück-
zukehren, so haben wir also festzustellen, dass keltische volks-
namen für germanische völker nicht das geringste gegen die
bewahrung der alten nationalität der letzteren beweisen. Mit
sprachlichen mitteln lässt sich hier überhaupt wenig entscheiden.
So kann auch die tatsache, dass für die von Much früher als
germanisch angesprochenen tungrischen personennamen Freio,
Freioverus, Freiatto, Friatto (8.167) sich ihm jetzt die möglich-
keit und selbst die wahrscheinlichkeit ergeben hat, dass sie
doch keltisch sind (Zs. fda. 39, 43), unsere ansicht in keiner
weise beeinflussen. In der oben gegebenen kritischen übersicht
der anschauungen über die nationalität der linksrheinischen
Germanen, wie sie in unserem jahrhundert sich entwickelt haben,
habe ich das geschichtliche material ungefähr schon mitgeteilt,
auf dem wir zu fussen haben. Eine klare erörterung desselben
findet sich zudem bei Much, auf den ich hierüber nur zu ver-
weisen brauche. Wie Müllenhoff Caesars nachrichten als für
seine eigene ansicht sprechend ins gefecht führen konnte, ist
eigentlich ganz unverständlich. Ebenso ist seine bestimmte
behauptung, dass des 'Tacitus meldung, Nervier und Trevern
254 KOSSINNA
wären auf ihre germanische abkunft nicht wenig stolz, allein
auf Caesars nachricht beruhbe, nach der sehr viele Belgen von
den Germanen rechts des Rheins stammten und diesen strom
antiquitus überschritten hätten, gänzlich abzuweisen, da doch
schon Strabo wenigstens für die Nervier ähnliches wie Taecitus
meldet. Die genauere erkenntnis muss hier also durch die
Römer in der ersten augustischen zeit gewonnen worden sein.
Auf Strabo darf man sich indess für die germanische nationalität
oder beimischung der T'revern nicht berufen: hier hat Müllen-
hoff, dem Much (8. 169) folgt, offenbar zu viel herauslesen wollen.
Strabo (p. 194) nennt die linksseitigen Rheinanwohner von der
quelle an und erwähnt bei den Mediomatriken des über den
strom eingewanderten ‘germanischen volkes’ der Triboken,
gelangt im verlaufe der darstellung zu den Trevern nebst den
Übiern und weiter zu den Nerviern, indem er letztere xal rovro
T'eguavıxov E9vog nennt. ‘Auch diese ein germanisches volk’,
nicht etwa wie die Trevern, auch wol nicht einmal wie die
ebengenannten Ubier, meint Strabo, sondern ‘wie die Triboken‘’,
die allein von allen völkern Strabo vorher als ['spuavıxov
E9vos bezeichnet hat.
Dieser abschnitt bei Strabo (4, 3, 4) ist für die älteste ger-
manische völkergeschichte überhaupt und die Germanenfrage
insbesondere so wichtig, dass wir bei ihm noch länger verweilen
und namentlich Strabos verhältnis zu Posidonius näher erörtern
müssen. Ueber dieses verhältnis hat bekanntlich Müllenhoff in
den jahren 1871 und 1872 seine grundlegenden forschungen ge-
macht, die jedoch erst 1887 veröffentlicht wurden. Lange vor-
her schon war ein aufsatz von Karl Lamprecht über ‘Strabo
und Posidonius als quellen zur deutschen 'geschichte’ (Zs. d.
Bergischen geschichtsver. 16 [1880], 9 ff.) erschienen. Diesen mir
seit seiner veröffentlichung bekannten, sonst wol so gut wie
unbekannt gebliebenen aufsatz habe ich in meiner abhandlung
über die Sweben (1890) unberücksichtigt gelassen, weil er mir
trotz einzelner riehtiger bemerkungen in der hauptsache ver-
fehlt erschien. Heute denke ich wesentlich anders, indem ich
glaube, dass Lamprecht trotz mehrfacher irrtümer in einem
hauptgedanken das richtige getroffen hat. Ein solcher irrtum
z. b. ist es, wenn (s. 11,13) Strabos xara tourovg [sc, Mevariovg]
Sidovvrar Zovyaußooı T'spuavoi (4, 3, 4), misverstanden wird.
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 285
Denn die bei den Menapiern genannten Sugambern sind natür-
lich die im jahre 8 v. Chr. durch Augustus übergesiedelten links-
rheinischen teile des volks, die spätern Cugernen, während
Lamprecht sie in ihren alten sitzen am rechten Rheinufer sucht,
längs dem doch nach Strabos unmittelbar anschliessender be-
merkung angeblich nur Sweben sitzen sollen. Verfehlt erscheint
auch die auffassung von der im Zoxvvıog devuos befindlichen
xopa, neol ns eipnxausv (Strabo 7, 1, 5) als der helvetisch-süd-
deutschen ebene, von der Strabo hier noch gar nicht gesprochen
hat; vielmehr ist hier das böhmische kesselland gemeint. Und
wenn Strabo (7, 1, 3) eine ganze menge von völkern, unter denen
er allein sieben mit namen nennt, mehrere andere (&ARoı nAeiovg)
aber übergeht, alle am ocean wohnen lässt, so ist doch klar,
dass damit nicht nur die küstenvölker der Nordsee, sondern
die ganze aus Nordwestdeutschland bekannt gewordene völker-
masse gemeint ist. Man kann also nicht mit Lamprecht (s. 16)
sagen, dass Sugambern und Chamaven hier noch als küsten-
völker erscheinen. Und gleicherweise unzulässig ist seine auf-
stellung, dass Strabo diese völkernamen dem Posidonius ent-
nommen hat, wo er doch gleich danach mitteilt, dass erst die
kriege der Römer diese völker ans licht gebracht haben. Treff-
lich dagegen ist die erst jetzt durch Zippel von neuem gemachte
entdeckung, dass nach Strabos quelle Hermunduren wie Lango-
barden rechtselbische völker waren (vgl. oben s. 279 anm.).
- Vor allem aber halte ich einen hauptgedanken Lamprechts
für ebenso richtig als wichtig und weithin aufklärend. Ueber
die völkerverhältnisse am Rhein berichtet Strabo nämlich an
zwei stellen, im 4, und im 7. buche, bei der beschreibung von
Gallien und von Germanien; ausführlich nur an der erstgenann-
ten stelle (4, 3, 4), über die wir oben (s. 284) bereits gehan-
delt haben. Nun zeigen diese angaben, abgesehen von einigen
auch äusserlich kenntlich gemachten nachrichten über verände-
rungen der neuzeit, ein durchaus anderes bild, als das aus
Caesars commentarien sich ergebende, und zwar ein bild von
augenscheinlich älterem gepräge, das nur von Posidonius her-
rühren kann. Denn in der beschreibung Galliens folgt Strabo,
wie seitdem von Wilkens!) ausführlicher gezeigt worden ist,
1) Herm. Wilkens, Quaestiones de Strabonis aliorumque rerum Galli-
corum auctorum fontibus. Marburg. dissertation. 1886.
256 KOSSINNA
dem Posidonius, Caesar, Timagenes und Asinius Polli.e Man
hat das besondere der Strabonischen darstellung auch früher
schon bemerkt, aber nach dem vorgange von Zeuss (s. 220)
sich begnügt, die auffällige Übereinstimmung der ersten hälfte
von Strabos angaben: uera de Tovs EAovntriovg Enxoavol xal
Mediouargıxol xaroıxoücıw tov Prvov, &v oic ldpvrar Teoue-
vıxov Edvog nepauwdiv &x tig olxelas Tolßoxyor.... uera di
tovg Mediouargıxovc xal Torßöxyovs rapoıxovcı row» ‘Privov
Tonovigor ... Mit Caesar 4,10: Rhenus aulem oriltur ex Le-
pontüs, qui Alpes incolunt, et longo spalio per fines Nanlualium,
Helveliorum, Sequanorum, Mediomalricum, Tribocorum, Treverorum
citatus fertur... dahin auszulegen, dass Strabo hier Caesar
ausschreibe. Müllenhoff (DA. 2, 201 anm. 301 anm.), Mommsen
(Hermes 16, 445 f.), Much (Stammsitze 106) folgen Zeuss, und
es ist einer von den mängeln in Lamprechts darlegungen, die
sich überhaupt auf beweise wenig einlassen, diese überein-
stimmung Caesars und Strabos und die darin für seine behaup-
tung posidonischen ursprungs jener stelle liegende schwierigkeit
gar nicht gesehen zu haben. Ein gründliches eindringen hebt
dann aber nicht nur diese schwierigkeit auf, sondern findet
durch sie erst den beweis für die von Lamprecht mehr nur
geahnte herkunft der Rheinbeschreibung. Denn gerade bei
Caesar zeigt sich unverhüllt ihr rein literarischer ursprung, da
sie mit den durch die gallischen kriege festgestellten völker-
verhältnissen nicht übereinstimmt. Zudem gibt diese beschreibung
genauere angaben nur für die strecke des Rheins, von der quelle
bis etwa zum Moseleinfluss, die Caesar abgesehen von der kurzen
annäherung im südlichsten Elsass in der schlacht gegen Ario-
vist1) niemals selbst gesehen hat, und überspringt gerade die-
jenige Rheingegend abwärts Coblenz, die Caesar persönlich genau
kennen gelernt hat, um dann mit der schilderung der Rhein-
mündungen, widerum nach literarischen quellen, zu schliessen.
Gleich von der Rheinquelle ab tritt die veraltete literarische
quelle zu tage, denn dass die Nantuaten nicht am Rhein, son-
dern an der obersten Rhone sitzen, weiss Caesar an andrer
1) Die versuche, dieses schlachtfeld zu bestimmen, übersieht man
jetzt am besten bei W. Wiegand, Die schlacht zwischen Caesar und
Ariovist (Mitteil. d. ges. f. erhalt. d. gesch. denkm. im Elsass. 2. folge.
Bd. 16 [1893], 1 ff.).
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 287
stelle, wo er über vorgänge seiner eigenen zeit berichtet, sehr
wol. Diese einzig passende erklärung für jenen zwiespalt bei
Caesar hat auch Mommsen nicht gefunden. Weiterhin werden
dann bei Caesar wie bei Strabo nur die Triboken genannt,
noch nicht aber ihre nördlichen nachbarn, die Nemeten und
Wangionen, und dann bei Strabo allein an die Trevern längs
des Rheins die Nervier geschlossen, ein beweis, dass Caesar
und Strabo den Posidonius in ganz selbständiger weise und
unabhängig von einander ausgezogen haben. Der schlagendste
beweis jedoch, dass Caesar den ganzen absatz aus Posidonius
genommen hat, ist seine beschreibung der Rheinmündung mit
ihren vielen armen und ungeheuern inseln, deren bewohner
(ferae nationes) ganz in der weise, wie Plinius es von den
Halligleuten übertrieben schildert, sich angeblich nur von fischen
und vogeleiern nähren sollen. Müllenhoff hat längst gezeigt,
dass diese nachrichten in letzter linie auf Pytheas zurückgehen
(DA. 1, 492f.). Strabo berichtigt hier an der mündung, wie
vorher an der ‚quelle, die er nicht mehr mit der Rhonequelle
verwechselt, seine vorgänger — die Griechen wie auch Caesar,
nicht letztern allein, wie man bisher angenommen hat — und
meldet nach Asinius Pollio von nur zwei mündungsarmen des
Rheins, | | |
Nun werden wir auch den noch bei Much widerkehrenden
einwurf von Zeuss, Caesar sei in den völkernamen bei der
Rheinbeschreibung ebenso ungenau wie bei der beschreibung
der Hercynia (5, 25) keineswegs gelten lassen können. Sagt
doch Caesar selbst an dieser gleichfalls rein literarischen stelle
(6, 25), dass cr griechische quellen, wie Eratosthenes (den er
ja auch über Britannien benutzt hat) und einige andere Griechen
zur hand babe. Hugo Berger (Die geograph. fragmente des
Eratosthenes 361) bemerkt mit recht, dass Caesar Eratosthenes
mit namen nenne wegen des ansehens, das er damals als syste-
matischer geograph auch bei den Römern genoss, dass aber in
Caesars worten sich auch ein gefühl der überlegenheit zeige,
‘deren sich der Römer in sachen der bekanntschaft mit den
neu erschlossenen gebieten bewusst war’. Dieses letztere trifft
sicher zu gegenüber Eratosthenes. Den Posidonius aber, seinen
zeitgenossen, der etwa dreissig jahre vor Caesar über Germanien
geschrieben hat und nach Müllenhoffs und Wilkens’ erweisen
288 KOSSINNA
von Caesar mehrfach wörtlich ausgeschrieben worden ist, hütet
sich letzterer wolweislich als seine quelle zu nennen. Der ur-
sprung der Hercynia soll, wie Caesar sagt, bei den Helvetiern,
Nemeten und Rauriken liegen und ihre weitere richtung längs
der Donau gehen. Nun, linksrheinisch hat es nie eine Hereynia
gegeben, ebensowenig wie dort die Donauquellen waren: es ist
klar, dass hier die Hereynia vom Schwarzwald an gerechnet
ist. Ich drehe daber den spiess um und nehme diese stelle
als beweis, dass nach Posidonius die Helvetier, Nemeten und
Rauriken noch im südlichen Baden gesessen haben.
Als gewinn aus der posidonischen Rheinbeschreibung er-
halten wir somit zwei neue tatsachen. Eine für die ausbreitung
der Sweben wichtige, an die Much schon dachte, aber nur, um
sie nicht gelten zu lassen: dass nämlich die Triboken jene
15000 ersten Germanen im Elsass waren, von denen Caesar
(1, 31, 5) berichtet: was übrigens wegen ihrer am weitesten nach
süden vorgeschobenen stellung schon von vornherein angenommen
werden müsste. Dann eine zweite, für die gesehichte der Ger-
mani cisrhenani wichtige tatsache: dass, abgesehen von den nach
zeit und umfang genauer nicht mehr zu ermittelnden germa-
nischen beimischungen der östlichen Belgen, die Eburonen die
die ersten linksrheinischen Germanen gewesen sind, die Nervier
aber erst später in steter fühlung mit ihren westlichen nach-
barn, den Atrebaten, vom Rheinufer westwärts an den Eburonen
vorbei ins innere Gallien abgezogen sind. Die Eburonen haben
sich dann tiber die verlassenen sitze der Nervier ausgedehnt.
Und noch ein dritter gewinn aus jener Strabostelle lässt
sich für das grosse volk der Mainsweben ziehen, die zu Caesars
zeit unter Nasua und Cimberius im rücken der Ubier sassen.
Nach Strabo sollen Sweben das ganze rechtsrheinische uferland
einnehmen, da die ehemaligen Rheinanwohner sich vor ihnen
auf das linke ufer geflüchtet hätten. Strabo denkt bei diesen
ehemaligen Rheinanwohnern in nicht ganz zutrefiender weise
an die Usipiten und Tenktern, die Ubier, die Sugambern. Er
muss also einer quelle entnommen haben, dass die Sweben
früher, etwa um 60 v. Chr., nicht nur hinter den Übiern gesessen,
sondern ihren bereich im rücken der Sugambern und Usipeten
bis zu den Tenktern erstreckt haben, so dass sie die damals
noch an der mittleren Weser heimischen Chatten von jenen
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 289
Rheinvölkern trennten, während die Cherusken noch ganz rechts
der Weser, an der Leine und Ocker ihre sitze gehabt haben
müssen. Durch eine solche völkergruppierung wird erst die
von Caesar gemeldete bedrängung der Usipeten durch die
Sweben verständlich, die ganz unerklärlich bliebe, wenn man
an der bisherigen annahme festhielte, dass die’Sweben nord-
wärts nicht weiter als die Ubier reichten. Dieser nördliche
flügel der Sweben muss sich aber spätestens im jahre 37 v. Chr.
vor den Römern zurückgezogen haben, da das damals von den
UÜbiern aufgegebene heimatland in Nassau nicht von Sweben,
sondern von Chatten besetzt wurde (Dio 54, 33) und zwar unter
gutheissung und anweisung Roms. Denn nach Dio 54,36 be-
kriegt Drusus im jahre 10 v. Chr. die Chatten, weil sie das
ihnen von den Römern zu wohnsitzen angewiesene land ver-
lassen hätten: 7775 y&pag auto, 7v olxeiv napa rov Poualov ei-
Anpeoav, &Saveornoav. Die umsiedelung der Übier auf das
linke Rheinufer durch Agrippa infolge ihrer steten bedrängung
dureh die Sweben war wol für letztere der anlass, der unmittel-
baren nachbarschaft mit den Römern auszuweichen. Vielleicht
war könig Tudrus damals bereits ihr heerführer (vgl. oben
8. 280).
Nachdem wir so über die reihenfolge der germanischen
einbrüche in Gallien, die zuerst die östlichen Belgen betrafen,
dann die völkerschaft der Germani cisrhenani hinüberführten,
schliesslich den Nerviern und wol auch den Trevern erhebliche
germanische beimischung vermittelten, ins reine gekommen sind,
erübrigt es noch, aus dieser relativen zeitbestimmung heraus
womöglich zu einer absoluten durchzudringen. Von grosser
bedeutung sind hierbei die oben (s. 268) bereits kurz berührten
Germani der capitolinischen triumphtafel, die als bundesgenossen
der gallischen Insubren bei Clastidium in Oberitalien 222 v. Chr.
von Marcellus besiegt werden. Much hält an der glaubwürdig-
keit dieser nachricht auch in bezug auf die nennung der Ger-
manen fest und verteidigt sie gegen Müllenhoff, der sie aller-
dings etwas kurzer hand abtut. Much versteht den namen
Germanen hier bereits in der umfassenden bedeutung eines
völkernamens und lässt seine träger mit Properz, gegen Polybius,
vom Rheine her den italischen Galliern zu hilfe kommen.
Da er die urentstehung des namens irrtümlich auf das linke
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 19
290 KOSSINNA
ufer verlegt, durch Properz aber sogar rechtsrheinische Ger-
manen für 222 v. Chr. gesichert glaubt, so folgert er hieraus
eine noch weit ältere zeit für die einfälle der späteren Germani
cisrhenani in linksrheinische gebiete, was zu seiner annahme
stimmt, dass Germanen bereits im 5. jh. die Rheingrenze in
Norddeutschland gewonnen hätten. Wir werden sehen, dass
diese ansichten nicht haltbar sind und dass wir mit erheblich
jüngern zeiten zu tun haben.
Was zunächst die Properzstelle (5, 10, 30) betrifft, so irrt
Much in der auffassung der worte Claudius a Rheno traiectos
arcuit hostes, wenn er sie so auslegt, als wäre hier von einem
Rheinübergang des Virdomarus die rede, wogegen ja schon die
Belgica parma dieses herzogs (dux) deutlich genug spricht.
‘Properz wird doch gewusst haben, auf welcher seite des Rheins
Belgien liegt’ bemerkt Much mit recht. Dann müssen wir die
obigen worte eben anders übersetzen: ‘Claudius hielt die vom
Rhein her [aus Belgien] über [die Alpen] gestiegenen feinde
[von Italien] ab’, was auch allein sinngemäss ist. Wir, die
wir den ursprung des namens Germanen in der engen bedeutung
eines völkerschaftsnamens auf dem rechten ufer ansetzen zu
müssen glauben, wir könnten, um die völlig vereinsamt da-
stehende nennung von ‘Germanen’ im 3. vorchristlichen jh.
weniger unwahrscheinlich zu machen, annehmen, dass hier
noch die einzelne völkerschaft, die den namen Germanen trug,
nach ihrem übergange über den strom im gebiet der Belgen
genannt wird.
Allein auch dieser ausweg verschliesst sich einer reiflichen
erwägung. Wir dürfen die späten und dabei nach ihrer innern
beschaffenheit wenig zuverlässigen zeugen nicht vor den ältern,
auf zeitgenössischen berichten fussenden bevorzugen. Des Poly-
bius bericht (2, 17—35) über die gallischen kriege in Italien
geht nach G. F. Ungers nachweisen (Philologus 39 [1880], 69 ff.)
bis zum jahre 282 auf Timaeus und von da ab bis 225 auf
den Sikelioten Seilenos zurück. Von 225 ab folgt Polybius
einer römischen quelle und zwar dem annalisten Fabius Pictor,
der die letzten Gallierkriege selbst mitgemacht hat, also eine
vorzügliche quelle genannt werden muss. Polybius weiss nun
nichts von der teilnahme der Germanen an der schlacht bei
Clastidium; dagegen sagt er ausdrücklich mehrmals, dass die
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 291
nordgallischen hilfsvölker in den Alpen, die Gaesaten insonder-
heit im Rhonethal zu hause seien. Zu gunsten des späten
dichters Properz eine verwechslung von Rhone und Rhein bei
Polybius anzunehmen, wie Much es tut, geht schlechterdings
nicht an, zumal auch die andern geschichtlichen quellen für jene
ereignisse: Diodor, Plutarcb, Livius und seine sippe, nichts von
Germanen berichten. Dagegen haben wir vielfache bestätigung
dafür, dass schweizerischen Alpenvölkern der beiname ‘Gaesaten’
eigen war. Weniger gewicht will ich darauf legen, dass Caesar
(3, 4,1) gerade den bewohnern des Wallis, den Sedunen und
Veragern, den gebrauch der gaesa besonders zuschreibt und
Virgil (Aen. 8, 662) von gaesa Alpina redet, da diese keltische
waffe auch von andern völkern übernommen worden ist, z. b.
von den Etruskern (Liv. 8, 8. 9, 36) und die Griechen mit dem
keltischen worte den wurfspeer der barbaren überhaupt zu be-
zeichnen pflegten. Beweisend aber sind die inschriften der
römischen kaiserzeit, in denen bis über die mitte des 2. jh.’s
nach Chr. hinaus die leichte fusstruppe der Gaesaten erwähnt
wird, die sich nur aus Raeten und Helvetiern zusammensetzt:
CIL. 5, 536: praef. gaesaltorum Raetor|um Helvet[iorum],
aus Triest;
7, 731: [gaesatorulm Raetorulm], aus Greatchestersa. 162-169;
7,987.988: vle]xill(atio) g(aesatorum) R(aetorum), aus Ri-
sigham; | |
7, 1002: Raeti gaesati et exploralores, aus Newcastle;
Hermes 22,547: evocatus gesalorum DC Raelorum.
Zu vergleichen ist noch die inschrift CIL. 9, 3044: Raeltis
Vindolicis vallis Poeninae et levis armaturae.
Nachdem zuerst W. Gisi auf diesen sachverhalt eindringlich
hingewiesen (Anz. f. schweiz. altertumsk. 16 [1883], 400 f.), hat
dann Mommsen (Hermes 22 [1887], 547 ff.) in anderm zusammen-
hang diese tatsache gleichfalls berührt.
Auch was Much weiter für seine gleichsetzung der Gaesaten
und Germanen anführt, kann nicht ins gewicht fallen. Das
meiste hiervon können wir übergehen, da Much selbst darin
keine entscheidenden beweise sieht. Nur ein punkt sei noch
berührt. Wenn Diodor die.oberitalischen Gallier und ihre verbün-
deten durch die bezeichnungen KeArol und I aAaraı unterscheidet,
so ist damit durchaus nicht notwendig der ethnographische
19*
292 KOSSINNA
gegensatz von Galliern und Germanen verknüpft, da ja dieser
autor, wie Much selbst erwähnt, nur eine geographische ein-
teilung beabsichtigt, indem er ganz schematisch die bevölkerung
Galliens KeArol, die völker jenseit der Rheinlinie bis Basel und
ihrer südlichen fortsetzüng bis zu den Alpen, d.h. also auch
jenseit des Schweizer jura Galater nennt, worunter sich doch
eine grössere anzahl keltischer stämme mit befinden.
Wir müssen nun fragen, wie kam Properz dazu, die Gae-
saten vom belgischen Niederrhein herzuleiten. Durch irgend
eine geschichtliche combination muss seine dichterische freiheit
hier geleitet worden sein, da an einfache erfindung nicht zu
denken ist. Ich glaube, wir können ihm hier in seine gedanken-
werkstatt folgen. Er meldet, Virdomarus hätte sich gebrüstet,
vom ‘Rheine’ selbst abzustammen: genus hic Rheno iactabat
ab ipso. Denn so ist nach der überlieferung zu lesen und die
gänzlich ungerechtfertigte entstellung Zrenno statt Rheno, die
Müllenhoff (s. 194) ohne weiteres in seinen text aufnimmt, ab-
zuweisen. Der abstammung von flussgöttern des landes rühmen
sich die herschenden geschlechter bei den völkern des altertums
oft genug. D’Arbois de Jubainville macht einmal!) die gute
bemerkung, dass Properz auf den namen des vaters des Virdo-
marus angespielt haben muss, der nur Aenogenus geheissen
haben kann, mit der in gallischen namen so häufigen endung
-genos = gr. -yEvng, die die abstammung bezeichnet. Als ähn-
lichen namen führt D’Arbois Znogenus an: ‘der vom Inn (Evang
Arrian und später) abstammende’. So könnte Virdomarus auch
den beinamen Renogenicnus ‘sohn des Renogenus’ gehabt haben.
Wir werden uns über einen solchen namen eines Gaesaten-
häuptlings nicht wundern, da, wie wir gesehen haben, zu den
Gaesaten auch die Raeten an der Rheinquelle und die Helvetier
am Oberrhein gehörten. Für einen Römer augustischer zeit
aber lag es nahe, aus dem namen Renogenus auf die von den
Römern seit Caesar bestgekannte und zugleich die meistbedrohte
Rheingegend, den Niederrhein, als heimat des namens und seines
trägers zu schliessen. Somit entkleidet sich Properzens nach-
richt, die Much stark ausnutzt und selbst Müllenhoff bis zu
einem gewissen grade anerkennt, jeglichen geschichtlichen wertes.
1) Revue celtique 10 [1889], 169; ausführlicher Rev. critique 1889, 220.
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 293
Die annahme, dass Properz vom Rheine in den annalisten der
sullanischen zeit gelesen haben soll, die ‘aus den Gaesaten
Germanen und aus der Rhone den Rhein machten, wie es
scheint aus keinem andern grunde als um des reizes der
neuheit willen’, ist eine der vielen gewaltsamkeiten, mit denen
Müllenhoff gerade in dem schönen zweiten bande seines lebens-
werkes das seinen ansichten widerstrebende material bei seite
schob. Wir haben in der tat keinen beweis, dass die annalisten
die Germanen des Niederrheins in die Gallierkämpfe Italiens
je eingeschmuggelt haben.
Auch bei den Germanis der triumphtafel handelt es sich
nicht um eine bewusste fälschung, sondern um eine geschicht-
liche eombination, die auch sonst ihre spuren hinterlassen hat.
Nach 0. Hirschfelds allgemein anerkannten ausführungen (Her-
mes 9,98; vgl. Ch. Hülsen, Hermes 24 [1889], 194 und Henzen
CIL. 1,12, 12) hat Augustus die triumphtafel zwischen a. 735
und 743 d.st., wahrscheinlich 742 = 12 v. Chr. (Mommsen, Her-
mes 9,278 f.), als er die regia, die amtswohnung des pontifex
maximus bezog, den in den jahren 718—-724 d. st. = 36—30
vor Chr. an der aussenwand dieses gebäudes aufgestellten
magistratstafeln hinzugefügt. Entworfen war sie wol wie die
consularfasten auf grundlage des grossen fastenwerkes des
T. Pomponius Atticus aus den jahren 51—46 v. Chr. (Cichorius,
Leipz. studien 9, 285). Dass hier namentlich in der älteren zeit
vieles gegen die geschichtliche wahrheit ergänzt und ausge-
schmückt worden ist — ich erwähne nur die überlieferung der
cognomina aus einer zeit, wo sie noch gar nicht üblich waren,
lange vor dem 6. jh. d. st. —, zeigt Schöns abhandlung.!) Und
Hirschfeld findet (Hermes 11,161) in dem umstande, dass gerade
am fusse des zweiten pfeilers der glänzende sieg des Marcellus
angeblich ber Germanen seinen platz fand, die absicht eines
besonders wirksamen schlusseffectes. Ohne zweifel stammt auch
die meinung, die in den Gaesaten Germanen erblickte, aus der
mitte des ersten vorchristlichen jh.’s, als man von der verbindung
der helvetischen Tigurinen und Ambronen mit den von den
Römern später für germanisch gehaltenen, heute allerdings als
1) Georg Schön, Das capitolinische verzeichnis der römischen triumphe
(Abhandl. d. archäolog.-epigraph. seminars zu Wien 9 [1893]).
294 KOSSINNA
keltisch erkannten Teutonen in Süddeutschland (Westd. zs. 9, 213)
und den germanischen Kimbern von der meeresküste auf einen
weit ältern germanischen einfluss im schweizerischen Alpen-
gebiet schliessen zu müssen glaubte!) Stark vorgearbeitet
hatte einer solchen meinung schon Posidonius durch geine wol-
berechtigte auffassung, dass die einfälle der Kimbern und Teu-
tonen in unmittelbarem zusammenhang ständen mit den ältern
einfällen der Gallier in Italien und Griechenland. Und weite-
ren vorschub leisteten solchen combinationen die von Caesar
berichteten kämpfe der Germanen mit den Helvetiern, die
sich dadurch zur auswanderung bewogen fühlten. Solchen ge-
schichtlichen eombinationen entstammen auch die gentes semi-
germanae des Livius (21, 38) aus hannibalischer. zeit, ebenso
die auf den ersten anblick so rätselhafte stelle des Strabo
(4, 3,2 8.192), wo er in vergangenen zeiten lange vor Caesar
die Sequanen, damals im südlichen Elsass, sich mit Germanen
verbünden und widerholt in ‚Italien einfallen lässt. Es ist das
nur eine specialisierung der idee, dass in den italischen Gallier-
kämpfen Kelten und Germanen vom oberlauf der Rhone und
des Rheins gemeinsam Italien bestürmt hätten. Wilkens freilich
erklärt jene Strabostelle als eine blosse misdeutung von Caesars
angaben über das verhältnis von Sequanen und Germanen, und
nach Müllenhoff (s. 294) gar ‘enthält sie augenscheinlich eine
böswillige und zugleich dumme übertreibung von Caesar BG.
1,31’. In obigem zusammenhang zeigt die nachricht, glaube
ich. doch ein anderes antlitz.
Das ergebnis unserer untersuchung ist demnach, dass die
geschichtlichen nachrichten uns keine gewähr für die existenz
des namens Germanen im 3. jb. v. Chr. bieten. Sehen wir nun
zu, ob sprachliche tatsachen vielleicht das beweisen, was die
geschichtsquellen verschweigen.
Much führt (s. 62) als beweis für die von ihm angenommene
frühzeitige gewinnung des Rheinufers durch die Germanen, die
er, wie erwähnt, bis ins 5. jh. zurückschiebt, die Überlieferung
der ältesten namensformen für die Waal an: Vacalus bei Caesar,
') Was sich O. Hirschfeld bei seiner bemerkung (Hermes 11,161),
dass der name Germanen durch Drusus’ kriege in Rom populär geworden,
aber schon früher auf südgallische stäume übertragen worden ae
gedacht haben mag, mögen andere herausbringen.
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 295
Vahalis bei Tacitus, Vachalis bei Sidonius Apollinaris. Vacalus
soll die keltische lautform sein, Vahalis und Fachalis die ger-
manische lautverschiebung aufweisen, deren eintritt Much ins
3. Jh. v. Chr. setzt. Dieser schluss ist trügerisch. Ich sehe ganz
davon ab, dass die überlieferung unseres Caesartextes hinsicht-
lich der namen eine so unzuverlässige ist, dass ein einmaliges
auftreten von c statt ch zu schwach erscheint, um die unge-
heure last der Much’schen folgerung zu tragen. Allein man
kann mit demselben, ja mit grösserem rechte andere schlüsse
ziehen. In germanischen worten setzt die gallisch-römische
schreibweise c oder ch an stelle von A, anlautend wie inlautend.
Beispiele sind die formen Catti— Chatti, Cauci — Chauci —
Cauchi — Kavxol, Casuarii — Kaoovapoi, Chamavi — Kauavot,
Caesia. Aeusserst selten wird germanisch % durch A widerge-
geben. Man wird darum auch den namen der germanischen
Karovxwves, den Ptolemaeus unmittelbar neben dem der Kauavol
erwähnt, zumal da der name sich auf keltischem boden wider-
holt (s. oben 8. 278), richtiger mit got. halks ‘bettler, arm, dürftig’,
als, wie Much (s. 57) tut, mit got. kalkjo zusammenbringen. Es
war ein spottname, der wie eine grössere anzahl ähnlicher, von
Much gedeuteter volksnamen die geringere macht des volkes
mit oder ohne grund zur zielscheibe des spottes machte. Strabos
namenform KuovAxoı statt Kalovxo:ı verhält sich zu Kalovxweves
ähnlich, wie seine Tovßarrıoı zu Tubantes, Argeßarıoı zu Atre-
bates, Kaicsroı zu Culetes. Und ganz ebenso wird man in
Vacalus einfach gallisches c als vertretung von germanischem
h anzunehmen haben, ohne irgend welche chronologische folge-
rungen daran zu knüpfen. Waal geht auf eine vorgermanische
form *uaklo-, german. *uahla- zurück und ist eine bildung wie
nl. staal, ahd. stahal ‘stahl. Dass die Germanen das gebiet
dieses Rheinarmes sicher nicht vor dem eintritt der germanischen
lautverschiebung erreicht haben, zeigt der name des nördlicheren
stromarmes, des Zecks, der offenbar wie sein süddeutscher namens-
vetter Lech aus keltisch Zicus entstanden ist.
Den besten gegenbeweis führen aber die von Müllenhoff
ans licht gezogenen fluss- und ortsnamen auf apa, die sich von
der Leine im osten bis zur Schelde im westen erstrecken und
diesseits des Rheins nördlich durch eine linie von Bremen nach
Amsterdam, südlich durch den Main begrenzt werden. Wie
296 KOSSINNA
Müllenhoff meint auch Much (s. 63), dass sie ‘in ihrem grund-
bestande doch nur auf keltische mit b-sufflix gebildete zurück-
geführt werden können. Dann müssten freilich die Germanen
schon vor eintritt der lautverschiebung nicht nur bis an den
Rhein, sondern bis nach Flandern und ins Wallonische hinein
vorgedrungen sein, ja sogar so frühe dort ihre sprache lange
zeit hindurch zur herschaft gebracht haben. Daran ist doch
aber nicht entfernt zu denken.
Ob sich, abgesehen von dem genannten Leck, zwischen
Weser und Rhein noch keltische ortsnamen finden, an denen
sich mit voller sicherheit nachweisen liesse, dass sie die ein-
wirkungen der germanischen lautverschiebung entbehren oder
umgekehrt zeigen, diese frage wird hoffentlich eine baldige zu-
kunft beantworten. Müllenhoff hält dafür, dass die namen
Bik, Essen, Werden an der Ruhr ‘fremden ursprungs’ seien
(s. 222) und Bacmeister (Alemannische wanderungen 13) setzt
Werden kurzer hand gleich F’erodunum, indem er aus Förstemann
sich nur belege wie Firdunum, Wirdinna, Wiridine, Werdina
aussucht und die bei Förstemann allerdings verschwindenden
formen wie Werthinum übergeht. Sievers erinnert mich zu
rechter zeit an Crecelius’ sammlungen (Collectae ad augendam
nominum propr. Saxon, et Fris. scientiam spectantes III. 1870).
In den ältern urkunden des 9. jh.’s überwiegen hier durchaus
die formen Uuerethinum, Uuerithina, obwol schon a. 811 Uueridina,
a. 820 Uuyrdina vorkommt. In der nähe, bei Mülheim an der
Ruhr, liegt der ort Menden, ehemals Menithinne, Menidinne, offen-
bar eine ganz ähnliche bildung wie Werithina.. Bacmeister
würde vielleicht auch für diesen namen auf ein keltisches ur-
bild verweisen, Minnodunum (vgl. Glück, Kelt. namen 139), worauf
auch Minden an der Weser zurückgeführt werden könnte. Dem
widerspricht jedoch in beiden fällen das ursprüngliche altsäch-
sische tA, so dass wir aus diesen namen für unsere zwecke
nichts entnehmen können.
Etwas günstiger scheint die sache auf thüringisch - sächsi-
schem boden zu liegen. Dort bezeichnen die gebirgszüge der
Finne, kelt. penna, und des Erzgebirges, ahd. Fergunna, kelt.
Ercunia < *Percunia, die vor der ersten lautverschiebung von
germanischer sprache erreichten grenzen. Südlich und west-
lich der Finne liegen Triduri, 'Trebra an der Unstrut und an
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS.
der Ilm, und ZTricasüi, Tricusti im Altgau, die wenn sie in
der tat keltischen ursprungs sind, wie Müllenhoff (s. 234) an-
nimmt, durch erhaltung von keltischem ir erweisen würden,
dass sie nach der ersten verschiebung aufgenommen sind, da
ja nur die zweite, hochdeutsche verschiebung die lautgruppe
{ir unangetastet lässt. Dieser letzterwähnte umstand nimmt
auch die möglichkeit, dem flussnamen Wetier, keltisch Vidrus,
welchen namen auch ein küstenfluss rechts von der Rheinmündung
führte (Ovideog Ptol. 2, 11), als beweis dafür anzuführen, dass
er, wie ich allerdings annehme, nur die hochdeutsche verschiebung
mitgemacht hat. Ein sicheres beispiel für diesen fall haben
wir dagegen in der nähe von Aschaffenburg, dem südlichsten
beispiel jener namen auf keltisch-niederdeutsch -apa, hochdeutsch
-a/fa, freilieb schon jenseit des Mains: die Tauber, keltisch Dubra.
Dagegen gehört der von Müllenhoff herbeigezogene name Gelduba
vermöge seiner endung (vgl. Mand-ubi, aber Men-apii) gar nicht
in unsere reihe und ist daher von der betrachtung ganz auszu-
scheiden. Wenn der linksrheinische ort jetzt zwar Gelb, im mittel-
alter aber Geldapa genannt wird, so liegt in dem letzteren falle
eine übertragung des geläufigen suffixes -apa vor. Wir haben
es also in jener namengruppe mit keltisch apa zu tun, dessen
p für indogerm. 9, urkeltisch ku (Brugmann, Grundriss 1, $ 435)
einen lautwechsel zeigt, wie er den belgisch-gallischen dialekten
eigen ist: kelt. apa = lat. aqua, got. ahra.
Setzen wir nun die germanische lautverschiebung ins 4. statt
mit Much ins 3. jh., was mit dem yon ihm gefundenen beweis-
material ebensogut zu vereinen ist, so können wir weiter
schliessen, dass das gebiet zwischen Leine und Rhein seit etwa
300 v. Chr. von Germanen besetzt worden ist. Im westlichen
teile diese gebietes entstand der name Germanen für eine oder
mehrere völkerschaften. Auf welche weise — dies zu zeigen,
mag einer künftigen abhandlung vorbehalten bleiben. Obwol wir
hier mit freiwilligen auswanderungen ganzer stämme von Kelten
zu rechnen haben, so geschah dennoch die eroberung dieses
ganzen landstriches durch die Germanen schwerlich mit einem
schlage. Den übergang der völkerschaft oder der völkergruppe
der Germanen auf linksrheinisches gebiet werden wir daher kaum
vor mitte des 2. jh.s v. Chr. ansetzen dürfen. Von bier aus
wurde der name Germanen im laufe der nächsten jahrzehnte
}
298 KOSSINNA
auf die gesammtheit des rechtsrheinischen muttervolks tber-
tragen. Während der kämpfe der Kimbern in Gallien im letzten
Jahrzehnt des 2. jh.s war diese tibertragung auf keinen fall
schon durchgedrungen. Sonst hätte man auch im südlichen
Gallien, vor allem in Massilia durch die reichlichen handels-
verbindungen nach Nordgallien den stammnamen der Kimbern
kennen lernen müssen. Aber noch um jahr 90 v.Chr. hat Posi-
donius dort nichts davon erfahren: nach ihm gehören die ger-
manischen Kimbern, wie die keltischen Teutonen noch dem-
selben völkerstamme an, den KeArol. Allein im nächsten
jahrzehnt muss auch in Südgallien und in Italien der name
Germanen bekannt geworden sein, denn bald darauf, im jahre
73 v.Chr., erscheint er bereits in der römischen literatur. In
Nordgallien mag also immerhin ums jahr 100 v. Chr. die er-
weiterung des völkerschaftsnamen Germanen zu dem volksnamen
durchgeführt worden sein.
Ich breche die darstellung meiner arten hier vor-
läufig ab, obwol ich der bedeutung des namens Germanen noch
gar nicht gedacht habe. Diese frage gehört aber nicht mehr
in unser zweites capitel, das von den linksrheinischen Ger-
manen handeln sollte, sondern in ein drittes, das der entstehung
des namens auf rechtsrheinischem gebiet zu widmen wäre.
In dieser nächsten abhandlung gedenke ich die frage nach
der germanischen besiedlung Westdeutschlands ausführlicher
wideraufzunehmen und dabei auf die beihilfe der vorgeschicht-
lichen archäologie zurückzugreifen, deren resultate für das
linksrheinische gebiet aus mehr als einem grunde uns keine
förderung der hier behandelten fragen bieten können. Von
neuem zu beschäftigen hat uns dann cap. 2 der Germania und
zwar die ethnogenie der Germanen. Der mythische hintergrund,
den Müllenhoff den namen der Erminonen, Ingwaeonen, Istae-
onen geben wollte, woran die mythologengemeinde unverbräüch-
lich festhält, wird zu seinem grössten teil hinwegzuräumen sein.
Gott Irmin verhält sich zu den Erminonen nicht anders als
Gautr (Odinn) zu den Gauten, d.h. der name des gottes ist
nur ein beiname, eine abstraction aus dem weit ältern namen
des volks, das den gott durch den beinamen zum nationalgoft
macht.- Der name Istaeonen insonderheit ist ein volksname,
wie er in dieser bedeutung, ‘echte abkömmlinge, volksgenossen),
ii nn Geier ne EEE nn nn — EEE
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 299
man kann sagen über die ganze erde verbreitet ist. Dieser
name wurde bei dem vielfachen gegenseitigen durchdringen ger-
manischer und keltischer elemente im westen des istaeonischen
gebietes, unmittelbar am Rheine, von dem erst zwiesprachig
gewordenen, dann völlig keltisierten teile der völkergruppe in
den gleichbedeutenden gallischen namen Germani übersetzt, wie
Much es soeben in gleicher weise für den namen der ger-
manischen Eburonen, die später gallisch Sunuci hiessen, wahr-
scheinlich gemacht hat (Zs. fda. 39, 23). Die weiteren folge-
rungen ergeben sich dann von selbst.
EXCURS UEBER FALCHOVARII (zu s. 281 f.).
Falchovarii ist die als solche noch ganz unerkannt gebliebene
erste erwähnung der Westfalen, die in Deutschland erst im
8.jb. genannt werden (Müllenhoff, Beovulf 66). Völkernamen
mit der endung -variö haben als erstes glied durchweg land-
schaftsnamen, sei es namen von landgebieten (Angrivarü, Ripu-
arii, altn. Vikverjar) oder flussgebieten (4msivarü, Chasuarii,
Niduari, ags. Nidware) oder wohnorten (ags. Römmare) oder end-
lich von ehemaligen völkerschaftsgebieten (Chattuarii, Raetovarii,
Baiwari, ags. Cantware). In die letztgenannte gruppe müsste
man Falchovariü einreihen, wenn man mit Kluge (Et. wb. unter
Falke) falke aus Volcae ableiten wollte. Leider aber ist die
Kluge’sche erklärung von falke eine der seltenen alten flecke
in seinem schönen werke, die unverändert durch alle auflagen
hindurchgehen. Aus Volcae entstand germ. *Wolköz, *Wolydz,
*Walyöz im laufe der letzten fünf jahrhunderte v. Chr. Nun
soll neben Walchen auch /alke auf Volcae zurückgehen. Wie
ist das aber denkbar? In /alke zeigt das %k, dass das wort
erst nach der germanischen verschiebung entlehnt sein könnte.
Es würde sich also gegenüber Walchen um eine ganz neue
entlehnung des wortes Volcae, die geschichtlich spätestens im
1.jh. v. Chr. noch möglich gewesen wäre, handeln, für die man
demnach ags. wealhheafoc ‘habicht’ und altn. valr ‘falke’ in
in keiner weise als zeugnisse anzuführen berechtigt wäre. Nun
aber noch das / in falke! Bereits im 4. jh. ist /alco belegt.
Unsere lehnworte zeigen aber, dass erst vom 6. oder 7. jh. an
die weiche labiodentale romanische spirans v durch die ahd.
labiodentale spirans /, v widergegeben wurde, während bis dahin,
300 KOSSINNA
so lange -/ noch labiolabial gesprochen worden war, keltisch
germ. römisch » vielmehr durch germanisch » widergegeben
wurde bis hinauf in jene jahrhunderte v. Chr. (nicht nach Chr.,
wie Kluge immer noch schreibt), wo die Kelten den Germanen
den ersten südlichen wein (vinum) verhandelten.
Beiläufig bemerkt ist diese sprachliche chronologie ein
mittel, die zeit der germanischen besiedlung der länger roma-
nisch verbliebenen teile in der Schweiz, in Salzburg und Tirol
in gewisser weise zu umgrenzen. Charakteristisch sind: Wer-
tach (Firdo); Würtemberg (Verodunum), aber Virten (=Ver-
dun); Windisch (Vindonissa); Winterthur (Vitodurum), aber
Veltlin, Finstermünz, wie denn auch der lange romanisch
verbliebene östliche teil des cantons St. Gallen nur Y-anlaute
in den ortsnamen zeigt (vgl. Wilh. Götzinger, Die roman. orts-
namen im kanton St. Gallen. 1891); in Tirol: Wilten (Veldidena),
Wippthal (in valle Wibitina = Fipitenum), aber Vintschgau
(Venostes), Feldthurns (Velturnes), Falzurgh (Valzorgher); in
Salzburg: Figun (Figaun = ital. vicone, roman. vicüne), vgl.
v. Grienberger, Die ortsnamen des Indiculus Arnonis 1886, s. 38 f.
Umgekehrt wird im Elsass, wohl von romanischen urkunden-
schreibern, während des 8. jh.’s öfters / statt deutsch w geschrieben:
Falabu a. 742, Fulahabu a. 788 = Uualabu a. 778, 820, heute
Walf; Fusenburg a. 730 = Wasenburg; und heute widerum
heisst es Wolkheim und Wolschheim statt ahd. Folkolfesheim
und Zolkoltesheim.
Um wider auf /alke zurückzukommen, so bleibt es bei
Baists einleuchtenden erweisen (Zs. fda. 27,55 ff. Ze. f. franz.
spr. u. lit. 13,186), dass /alke ein germanisches wort ist, wie
es denn auch gerade dem in Deutschland heimischen, dem stoss-
falken, dem ursprünglichen beizvogel, als name zukommt, wäh-
rend altn. valr, woneben ja auch altn. /a/ki vorkommt, und ags.
wealhheafoc eine andere französische vogelart bezeichnet. Auch
die Baistsche etymologie für den ‘stösser’: falke von fallen
mit k- suffix, dürfte wol das richtige treffen. Dasselbe suffix
zeigen die vogelnamen Akranich, habich, fink, sperk, beiche,
got. ahaks, auch storch, zu dessen erklärung wir nicht erst auf
gr. töoyos ‘geier’ zurückzugreifen brauchen. Storch ist der starr
und störrig auf seinem stelzbein emporragende, vgl. ahd. storren
‘herausstehen, ragen’, wz. stur.
DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 301
Als altenglischen beleg für falke fübrt Kluge nach J. Grimm
Westerfalcna an, wie in den stammtafeln der angelsächsischen
könige einer der mytbischen ahnen des königsgeschlechts von
Deira heisst. So liest allerdings die handschrift G@ der angel-
sächsischen Chronik, während ABC, worauf schon Müllenhoff
(Beovulf 66) hinwies, Westerfalca und der jüngere Florentius
Westorwalcna bieten. Ich dachte bei der letzten form an eine
vielleicht unter dem einfluss des volksnamens der britischen
Westwalas in Cornwallis erfolgte umgestaltung des ältern namens.
Allein Sievers belehrt mich, dass sich ‘diese form in der über-
haupt ältesten (vgl. Anglia 13, 14) erhaltenen aufzeichnung der
betreffenden genealogie, in dem altnorthumbrischen text bei
Sweet OET. 169, 74 als [ue]storualcninz, uestorualcna widerfindet'.
Man wird also, falls man nicht zwei von einander unabhängige
überlieferungen annehmen will, eher bei der Chronik, als bei
Florentius eine entstellung der überlieferung annehmen dürfen.
Jedenfalls wird man diese undurchsichtigen altenglischen namen
für die geschichte des wortes falke, das die Angelsachsen erst
spät aus dem romanischen als falcon entlehnen, da sie nicht
den falken, sondern den wealhheafoc zur beize verwenden,
lieber nicht verwerten; ebensowenig freilich für die geschichte
der Westfalen. Die Westfalen scheinen übrigens die eigent-
lichen und ursprünglichen Falchovarii gewesen zu sein: ‚nicht
nur ist ihr name bis heute fest im gebrauch geblieben, auch
die ältesten belege zeigen, dass Ostfalahi mit Austreleudi, dustrasü
wechselt. Wie Oosterliudi im hinblick auf die westlichen Falahi
zu Osifalahi, mag Falahi danach zu Westfalahi geworden sein.
Nur müssen die Westfalen ehemals nicht so weit südwärts
gesessen haben, als heute ihr name reicht, falls derselbe, wie
Zeuss und danach A. Erdmann (Die Angeln 76) annehmen, in
der tat von */falo- ‘ebene, flachland’ mittels -ho suffix gebildet ist.
[Nachtrag. Die von mir 8.295 gegen Muchs auffassung von Va-
calus, Vahalis geltend gemachten gründe sind in ähnlicher weise auch
von dr. R. Bethge selbständig gefunden und mir in einem gespräch mit-
geteilt worden. Diesem allein gehört auch der hinweis auf die aus der
unzuverlässigkeit der Caesarüberlieferung fliessende möglichkeit, dass in
der form Vacalus sich eine entstellung des namens verbirgt.)
BERLIN, “erte 2 GUSTAF KOSSINNA.
april 1895.
DAS TODESJAHR DES WULFILA.
Als im jahre 1876 oder 1877 bei der philosophischen
facultät der universität Jena eine dissertation über das leben
des Wulfila eingereicht wurde, rügte es A. v.Gutschmid in
seinem ablehnenden referat als ein besonderes zeichen mangel-
hafter quellenkenntnis, dass der verf. den tod Wulfilas noch
immer in das jahr 380/81 statt in das jahr 383 verlege. Dieses
urteils erinnerte ich mich, als ich später in Tübingen wider
mit Gutschmid zusammenkam, und so bat ich ihn widerholt
um einen kleinen aufsatz über diese frage für die Beiträge.
Endlich erhielt ich auch das versprechen: aber ehe es ein-
gelöst werden konnte, wurde Gutschmid durch den tod dahin-
gerafft.
Ueber die in jenem gutachten dargelegten, aber mir nicht
mehr erinnerlichen gründe für sein urteil hatte ich von Gut-
schmid damals näheres nicht erfahren. Wol aber musste mir
der ausspruch des ersten kenners aller chronologischen dinge
einen anlass zu erneuter prüfung der quellen geben, als ich
für Pauls Grundriss kurz über Wulfila zu berichten hatte. Das
ergebnis dieser prüfung fiel natürlich ganz im sinne Gutschmids
aus, und ich hätte mich in meinem artikel gern auf einen so
klassischen zeugen berufen, hätte ich nicht nachträglich gesehen,
dass die argumentation, durch die ich in anknüpfung an Gut-
schmid zu 383 gelangt war, inzwischen bereits durch Krafft
öffentlich vorgetragen war. So blieb mir nichts anderes übrig,
als auf diesen zu verweisen (Grundr. 2a, 68 anm. 1).
Diese datierung hat nun in neuerer zeit widerspruch er-
fahren, und zwar zunächst durch E. Martin (Zs. fdph. 23, 369 f.),
der insbesondere daran anstoss nimmt, dass ich die angaben
des Auxentius ‘verdächtige’, weil dieser sich bestrebt habe, die
DAS TODESJAHR DES WULFILA. 303
lebensabschnitte seines helden mit bekannten epochen der bib-
lischen geschichte zu parallelisieren, und meiner ansicht gegen-
über betont, dass Auxentius seine 40 jahre ausdrücklich aus
zwei perioden summiere, einer von 7 und einer von 33 jahren:
‘soll er auch diese seinem zwecke angepasst haben?’
Dem kann ich hier zunächst nur entgegenhalten, dass es
ja bekannt genug ist, welche rolle das schematisieren im bib-
lischen sinne bei allen zahlenangaben der mittelalterlichen
christlichen schriftsteller spielt, und wie selten eine chronolo-
gische rechnung überhaupt glatt aufgeht, wo sie sich mit ver-
schiedenen gewährsmännern abzufinden hat. Dass aber auch
Auxentius von der sucht nach biblischen parallelen nicht frei
war, kann doch nicht ernstlich bestritten werden, wenn man
seine fortwährenden vergleiche in’s auge fasst, von denen ich
hier nur hervorhebe, was sich auf zahlenvergleiche bezieht:
fol. 284° hic dei providentia et Cristi misericordia propter mul-
torum salulem in gente Golhorum de leclore triginta annorum
episkopus est ordinatus, ul non solum esset heres dei et coheres
Cristi, sed et in hoc per graliam Cristi imitator Cristi et
sanctorum eius, ut quemadmodum sanctus David triginta
annorum rex el profeta est constilutus ... ila et iste beatus
lamquam profela est manifestalus et sacerdos Cristi ordinalus ...
et sicuti losef in Aegypto triginta annorum est manifes[lalus
et] quemadmodum dominus et deus noster lhesus Cristus filius
dei triginta unnorum secundum carnem constilulus et baptizatus
coepit evangelium predicare, und fol. 285° ut et in hoc quorum
sanclorum imilator erat [similis esset] quod quadraginta an-
norum spalium el tempus ul multos (lücke), (Waitz 20).!) Ueber-
dies ist es nicht ganz zutreffend zu sagen, dass Auxentius die
zahl 40 durch summierung gewinne (in diesem sinne sind
Martins worte doch wol aufzufassen), denn die 40 steht bei
Auxentius zunächst ungeteilt an der spitze (quadraginta annis
in episcopatu gloriose florens Waitz 19), dann folgt die erwäh-
nung der 7 jahre und endlich die der 33 (Waitz 20), die dem-
ı) In bezug auf die ‘verdächtigung’ der zahlen des Auxentius habe
ich, wie ich doch bemerken will, einen illustren vorgänger in Waitz selbst,
der 8.39 bemerkt: ‘sollten sie [die jahre] auch, um ihn leichter mit bib-
lischen vorbildern vergleichen zu können, um etwas verändert sein, so
wird dies doch keinen wesentlichen unterschied machen.’
304 SIEVERS
nach sehr wol durch blosse subtraetion der 7 von der runden
zahl 40 entstanden sein kann. Anderes wird sich weiter unten
ergeben.
In schärferer tonart redet R. Kögel in seiner Geschichte
der deutschen lit. 1, 1,182. Wären die vorwürfe, die Kögel
hier gegen mich erhebt, im geringsten begründet, so wäre das
allerdings gravierend für mich. Aber je sicherer Kögels polemik
in der form auftritt, um so schlechter ist sie fundiert: wenig-
stens kann ich sie nur verstehen, wenn ich annehme, dass er
sein urteil gefällt hat, ohne die originalquellen der zeit-
geschichte (einschliesslich des Auxentius und Maximinus) im
zusammenhang gelesen oder auch nur die secundär-
literatur (speciell Waitz und Bessell) genügend durch-
gearbeitet zu haben.
Kögel hält mir vor, den tod Wulfilas in das jahr 383 zu
setzen, sei nur möglich, ‘wenn die ganz bestimmten und un-
„weideutigen angaben des Auxentius,!) der in enger persön-
licher beziehung zu Wulfila stand und sich durchweg, wie es
nicht anders sein kann, als wol unterrichtet zeigt, unberück-
sichtigt bleiben’ Dem muss ich die ebenso apodiktische
behauptung entgegenstellen: das ist nicht wahr. Denn was
bezeugt Auxentius direct? Doch für diese frage nichts anderes
als in summa dies: Wulfila ward mit 30 jahren bischof und
starb 70 jahre alt zu Constantinopel, wohin er durch den kaiser
Theodosius zu einer disputation berufen war. Nun möchte ich
wol wissen, was es für diese angaben an sich verschlägt, ob
man den endpunkt der 70 lebensjahre des Wulfila in den winter
380/81 oder in den sommer 383 verlegt?
Oder sollte etwa Kögel gemeint haben, der passus, der bei
Waitz s. 23 über die reise nach Constantinopel, das versprochene
concil, den gesetzerlass etc. zu lesen ist, verbiete den ansatz 383,
weil diese ereignisse sich in den rahmen dieses jahres schlecht
einfügen? Dann wäre erstens (als nebensächlicher) zu erwidern,
dass dieser passus nicht direct aus dem briefe des Auxentius
stammt, sondern einem eitat des Maximin entnommen ist (das
sich freilich auf Auxentius beruft), und zweitens, dass erst noch
1) Ich sperre hier und sonst gegen das original, um schärfer hervor-
zuheben, wogegen sich mein widerspruch richtet.
DAS TODESJAHR DES WULFILA. 305
(was wichtiger ist) zu bew&isen wäre, dass er sich notwendig
auf den besuch des Wulfila in Constantinopel beziehen müsse,
bei dem er seinen tod fand.
Ich weiss also in der tat nicht, welche angabe des Auxentius
an sich gegen 383 sprechen soll. Die chronologische schwierig-
keit beginnt vielmehr erst, wenn man versucht, den bericht des
Auxentius mit der notiz des Philostorgios zu combinieren,
Wulfila sei durch Eusebius [von Nikomedien] zum bischof ge-
weiht worden. Denn dieser Eusebius starb bald nach der sy-
node von Antiochia (341), und danach hätte Wulfila allerdings
höchstens das jahr 381 erleben dürfen, wenn Auxentius’ zahlen
genau sind.!)
Es kommt also darauf an, das todesjahr selbst festzu-
legen. Lässt sich 380/i1 als richtig oder wahrscheinlich er-
weisen, dann können beide gewährsmänner mit ihren aussagen
neben einander platz finden. Müssen wir aber zu 383 greifen,
so ist notwendig entweder Philostorgios oder Auxentius im
unrecht.
Diese sachlage habe ich nach einer kurzen erörterung der
gründe, die mich für 383 entscheiden liessen, a.a. 0. 68 f. durch
folgende worte darzulegen gesucht: ‘ist daher Wulfila, was nicht
unwahrscheinlich ist, wirklich im winter 380/1 als bittender
bei Thbeodosius in Constantinopel erschienen, so ist er doch
sicher erst im sommer 383 gestorben, als er abermals, auf be-
fehl des kaisers, sich dorthin begeben hatte. Danach wäre
Wulfila, wenn Auxentius’ angabe über seine vierzigjährige
wirksamkeit als bischof buchstäblich zu nehmen wäre,
343 geweiht; ist aber andrerseits Philostorgios im
rechte, wenn er den Eusebius ihm die weihe erteilen lässt,
so müsste sie spätestens in das frühjahr 341 fallen, da Eusebius
um diese zeit starb. Indessen ist die absolute genauigkeit
der zahlenangaben des Auxentius einigermassen verdächtig,
bei seinem sichtlichen bestreben, die lebensabschnitte seines
helden mit bekannten epochen der biblischen geschichte zu
parallelisieren. Es mag daher Wulfla immerhin, wie man
seit Bessell annimmt, um 311 geboren und 341 geweiht sein,
1) Mithin hätte Kögel überhaupt mir höchstens geringschätzung des
Philostorgios zur last legen dürfen, aber nicht eine solche des Auxentius.
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 20
306 SIEVERS
sein tod aber fällt sicherlich in den sommer 383. Woher nimmt
danach Kögel das recht, mir zu imputieren, ich habe Auxentius
angaben ‘unberücksichtigt’ gelassen? Sind sie nicht alle, soweit
sic die chronologische frage betreffen, ausführlich von mir an-
gegeben und auch bei dem schlussresume wider discutiert
worden? Habe ich nicht ferner in diesem schlussresum& durch
die hypotketische fassung des satzes ‘ist andrerseits Philostor-
gios im rechte ...’ ausdrücklich zugegeben, dass der fehler
auch auf seiten dieses zeugen liegen könne? _
Aber auch im übrigen steht mein versuch nach Kögel ‘auf
schwachen füssen’. ‘Er [Sievers] nimmt anstoss daran, dass für
die wende des jahres 380/81 keine byzantinische synode be-
zeugt sei, während Auxentius ausdrücklich angebe, dass man
den Gotenbischof zu einer soleben berufen habe. Aber Wul-
fila wird nicht zu einer synode (einem concil) berufen,
sondern zu einer disputation gegen irgend eine secte.
Mit seinem tode fiel diese dahin.’
Als ich die hier in sperrdruck gegebenen worte las, musste
ich mich ob ihrer bestimmtheit zunächst fragen, ob Kögel etwa
aus einer mir entgangenen specialquelle diese kunde geschöpft
haben möge. Aber schliesslich musste ich mir doch wider
sagen, dass er auch hier nur den Auxentius gemeint haben
könne. Bei dem steht freilich eher das gegenteil von dem, was
Kögel angibt. Zwar beginnt er wirklich mit der erwäbnung einer
disputation (ad disputationem ...... contra p...ie..(p?).t.sias
perrexit), aber ich suche vergeblich bei ihm den hinweis darauf,
dass es sich um eine disputation bloss gegen eine einzelne
secte gehandelt habe. Der umstand, dass Bessell seinerzeit
meinte, es müsse wol so gewesen sein, und dass er demnach
die lücke nach contra mit dem worte psathyropolistas ausfüllte,
d.h. einem von ihm frei erfundenen namen für die secte der
Psathyrianer, die sich nach unmisverständlichen zeugnissen
erst nach dem tode des Wulfila gebildet hatte, genügt denn
doch nicht als grundlage für Kögels annabme, die disputation
gegen die ‘einzelsecte’ sei quellenmässig bezeugt!)
1) Einem ähnlichen trugschluss ist auch Martin s. 370 verfallen.
Wenn er übrigens meint, ‘dass wir von einer abtrennung der Psathyropo-
listen (oder welchen namen soll man in der bekannten lücke einsetzen?)
vor 884 nichts wissen, erklärt sich leicht aus der dürftigkeit unserer
DAS TODESJAHR DES WULFILA. 307
Und ausserdem bleibt ja. Auxentius nicht bei der erwäh-
nung jener disputation stehen, sondern er fährt, nach einem
allerdings etwas lückenhaften zwischenstück, also fort: ‘als er
aber in der obgenannten stadt angekommen war und sich über
die auf dem coneil herschenden zustände gedanken
machte, verfiel er in krankheit (recogitato .... de statu con-
cilii ... statim coepit infirmari.. Da haben wir ja aber das
von Kögel schlankweg geleugnete concil! Oder lassen die
citierten worte de statu concilü etwa eine andere deutung zu,
zumal im zusammenhang mit dem auf concilü folgenden passus
ne arguerentur miseris miserabiliores, proprio iudicio damnati
et perpetuo supplicio plectendi?
An den 8. 306 eitierten passus knüpft dann Kögel noch die
weitere bemerkung: ‘das versprochene concil aber kann ja gar
nicht bezeugt sein, weil es verboten wurde und nicht statt-
fand.’ Kögel nimmt also an, der kaiser habe sich veranlasst
gesehen, durch ein gesetz zu verbieten, was zu gewähren
allein von seinem kaiserlichen willen abhieng, mithin gar keines
verbotes bedurfte, wenn es nicht eintreten sollte. Woher diese
quellen’, so kann ich ihm darin auch nicht recht geben: unsere quellen
sind hier nichts weniger als dürftig. Wenn wir mit Bessell, gestützt
auf die angabe, dass die Arianer nach 35jähriger trennung unter dem
consulat des Plinthas (d.h. 419) sich wider vereinigt hätten (Socr. 5, 23, 12.
Soz. 7, 17, 14), das aufkommen der Psathyrianer bis auf 384 hinaufschieben,
so gehen wir überhaupt schon so weit, als im besten falle zulässig ist.
Denn diesem rechenexempel steht die positive angabe beider quellen
gegenüber, dass die eigentliche spaltung der Arianer, die zur wahl be-
stimmter oberhäupter und trennung der kirchen führte, erst durch das
eingreifen des von Thracien hergeholten Marinus erfolgte (Socr. 5, 23, 5f.
Soz.7,17,9ff.). Marinus aber wurde erst 386 (ein jahr nach dem con-
sulat des Arcadius und Bauto, d.h. nach 385) als nachfolger des damals
verstorbenen Demophilos aus T'hracien berufen (Soer. 5, 12, 6 ff. Soz.7,
14,4). Man wird doch nicht annehmen dürfen, dass die hitzköpfigen
Arianer 5—7 jahre lang (von 380—386) über den betreffenden streitpunkt
(die frage, ob gott schon vor der geburt des sohnes als ‘vater’ bezeichnet
werden könne) debattiert haben, ehe es zu einer wirklichen spaltung
kam. Und gegen wen hätte Wulfila wol disputieren sollen, wenn die
secte noch kein eigentliches haupt hatte? Man beachte auch, dass unsere
quellen die darstellung der kirchengeschichtlichen ereignisse zunächst
bis über die häretikersynode von 383 hinaus führen, dann etliche jahre
politische geschichte geben, um sich dann zu einem rückblick über die
inzwischen ausgebrochenen sectenstreitigkeiten zurückzuwenden.
20*
308 SIEVERS
auffällige annahme? Vermutlich weil Maximin sagt uf lex
daretur quae concilium prohiberet. Aber prohibere muss doch
nicht ‘verbieten’ heissen, und darf in diesem falle nur dann
so (und nicht mit ‘verhindern’) übersetzt werden, wenn das
fragliche gesetz ein wirkliches ‘verbot’ enthält. Ja selbst wenn
Maximin ein coneilverbot gemeint hätte, so kann tiber des
kaisers stellung in der frage doch nur der wortlaut seines
eigenen gesetzes (Cod. Theod. 16, 5,6 — Cod. Iust. 1, 1,2) ent-
scheiden, und in diesem ist selbstverständlich auch nicht mit
einem worte eines solchen verbotes gedacht: Nullus haereticis
mysteriorum locus, nulla ad exercendi animi obstinatioris demen-
tiam pateat occasio. Sciant omnes, etiamsi quid speciali quolibet
rescripto per fraudem elicito ab huiusmodi hominum genere impe-
tratum est, non valere. Arceantur cunctorum haerelicorum ab
inlicitis congregationibus turbae. Unius et summi dei nomen
ubique celebretur. Nicaenae fidei dudum a maioribus traditae
et divinae religionis testimonio atque adsertione firmalae obser-
vantia semper mansura teneatur. Photinianae labis contaminatio,
Arriani sacrilegü venenum, Eunomiae perfidiae crimen et nefanda
monstruosis nominibus auclorum prodigia sectarum ab ipso etiam
aboleantur auditu (folgt eine definition der begriffe Nicaenae
adsertor fidei ei catholicae religionis verus cultor). Haec profecto
nobis magis probala, haec veneranda sunt. (Qui vero hisdem non
inserviunt, desinant adfectatis dolis alienum verae religionis nomen
adsumere et suis apertis criminibus denotentur. Ab omnium
summoli ecclesiarum limine penilus arceantur, cum omnes haere-
ticos inlicitas agere intra oppida congregationes vetemus. Ac si
quid ereplio factiosa temptaverit, ab ipsis eliam urbium moenibus
exterminalto furore populi propelli iubeamus, ut cunctis orthodoxis
episcopis qui Nicaenam fidem tenent calholicae ecclesiae loto orbe
reddantur. Wollte Kögel sich sachgemäss ausdrücken, so durfte
er danach nur sagen ‘weil das gegebene versprechen zurück-
genommen wurde’ Aus seinem ‘verboten’ muss ich also
schliessen, dass er auch das gesetz von 381 nicht gelesen bat,
obwol ihm Bessell s. 32 f. eine bequem zugängliche tHber-
setzung bot. |
‘Ferner spricht Sievers von einer ‘bittreise’ des Wulfila
nach Constantinopel und diese will er von der letzten fahrt,
die auf befehl des kaisers erfolgte, unterscheiden. Aber welche
DAS TODESJAHR DES WULFILA. 309
quelle weiss etwas von einer ‘bittreise’? Maximin erzählt ja
ausdrücklich, dass die arianischen bischöfe wegen eines
comitalus nach Byzanz gekommen seien, und er verbindet
damit die notiz, dass ihnen vom kaiser ein concil versprochen
worden sei. Dass das letztere geschehen sei, als sie wegen
des comitatus anwesend waren, ist gar nicht mit notwendig-
keit aus den worten herauszulesen, und wenn es Maximin
wirklich so gemeint haben sollte, so verwirrt er eben die be-
gebenheiten, denn nach Auxentius war das coneil schon
versprochen, als die bischöfe ihre reise antraten (U/fla qui
ingressus in civitatem Constantinopolitanam de recogitato deputati
concilü, ne arguerentur ete., Bessell ».35) und zwar, wie das
gesetz aussagt, schriftlich, Bessell s. 32.
Ich habe auch diesen abschnitt im wortlaut ausheben
müssen, weil er für die art von Kögels polemik charakteristisch
ist: auch er enthält nämlich nichts authentisches. Um
das zu zeigen, fange ich von hinten an.
Zunächst sind die von Kögel eitierten worte Ulila — ar-
guerentur nicht die des Auxentius selbst, sondern sie gehören,
wenigstens in der eitierten fassung, einem eitat des Maximin
an, wie das natürlich Bessell a.a.o. auch ganz richtig angibt
(der authentische text des Auxentius steht auf s. 34). Diese
unterschiebung des falschen textes ist aber keineswegs bedeu-
tungslos.. Denn bei Maximin fehlt an dieser stelle (fol. 287’;
vgl. aber dazu unten anm. 2) das wichtige de statu vor concilüi.
Dafür steht deputati. Ich gestehe nun zwar, dass ich die worte
de recogitato deputati concilii nach meinen begriffen von latein
nicht zu übersetzen weiss und also vermute, dass deputafi ein
lesefehler!) für de statu ist (wovon sollte wol der genitiv de-
putali concilii abhängen?):?2) aber wenn auch Maximin hier
wirklich deputati geschrieben, also von einem deputatum con-
cilium hat reden wollen, so heisst das doch nicht ‘ein ver-
ı) Die stelle ist nicht von Waitz selber gelesen, sondern enstammt
der nachgeschickten copie.
2) Den ‘ausfall’ von statu hat schon Bessell s. 35 vermutet. Dass
eine verderbnis vorliegt, wird ja dadurch zur gewisheit, dass Maximin
da, wo er die worte des Auxentius zum ersten mal citiert, nämlich fol.
286°, wirklich auch das sialu hat: ut autem recitatum est ab Auxentio
episkopo ‘ de recogitato stalu concilü, ne arguerentur’ etc., Waitz 8. 21.
310 SIEVERS
sprochenes concil’, wie Kögel durch seine berufung auf diese
stelle andeuten zu wollen scheint, sondern ein ‘angeordnetes,
verordnetes’, und das wäre wider das vom kaiser befohlene,
nicht das von den arianischen bischöfen erbetene. Das hat
z.b. auch Bessell richtig erkannt, der u.a. auf der von Kögel
eitierten 8. 35 sagt: ‘kam Ulfilas eines concilü deputati wegen
schon an, was soll es dann heissen, dass dasselbe erst später
versprochen ward?’
Zweitens soll aus derselben stelle des ‘Auxentius’ hervor-
gehen, dass das concil schon versprochen gewesen sei, als die
bischöfe ihre reise antraten. Davon steht aber bei Auxen-
tius kein wort. Dort heisst es eben nur: qui cum precepto
imperiali ... ad disputationem contra ... perrexit ..., recogitalo
... stalim coepit infirmari. Wo sind die mitreisenden bischöfe
und das versprochene concil? Antwort: sie sind wider still-
schweigend aus Maximin interpoliert, der fol. 327 (Waitz s. 23)
sagt: unde et cum sancto Hulfila ceterisque consortibus ad alium
comitatum Constantinopolim venissent ibique etiam et imperdlores
adissent, adque eis promissum fuisset concilium, ut sanctus
Auzentius exposuit u.s.w. Hier beruft sich zwar Maximin auf
Auxentius, aber eine stelle entsprechenden inhalts ist in dem
erhaltenen stück des briefes des Auxentius nicht überliefert, es
fehlt somit, wie bemerkt (oben s. 304 f.), mindestens die directe
gewähr dafür, dass Maximin hier von derselben reise habe
habe reden wollen, von der Auxentius an der erhaltenen stelle
qui cum precepto imperiali ete. spricht.
Drittens der comitatus, ‘wegen dessen’ Wulfila mit den
übrigen bischöfen nach Constantinopel gekommen sein soll.
Was sich Kögel unter diesem comitatus gedacht hat, erfahren
wir auf s. 181 seines buches: ‘als dieses gesetz [das vom 10. jan.
381] erlassen wurde, befand sich Wulfila mit einer anzahl von
glaubensgenossen in Constantinopel, wohin sie ad alium comi-
tatum “zu einer anderen disputation”, d.h. zu einer andern
als die von der vorher die rede gewesen war, gekommen waren.
Nun wissen wir von Auxentius, dass Wulfila ... durch kaiser-
lichen befehl nach Constantinopel berufen worden war, ad
disputationem contra ... Natürlich kann diese disputa-
tion nicht nach dem erlass jenes gesetzes angeordnet
worden sein. Vielmehr muss der comilatus, von dem Maximin
DAS TODESJAHR DES WULFILA. all
erzählt, zusammen fallen mit der disputatio des Auxentius...”
Also (um von dem comitatus selbst noch einen augenblick zu
schweigen): weil der kaiser im januar 381 durch ein gesetz
den häretikern ihre zusammenkünfte und das disputieren
unter sich verboten hatte, konnte er ‘natürlich’ später niemand
zu einer von ihm selbst verlangten oder angeordneten disputa-
tion eitieren! Wie konnte er dann aber gar im jahre 383 das
grosse häretikerconcil berufen, auf dem eben — das war ja
des kaisers wille (näheres s. unten s. 317 ff.) — durch eine grosse
allgemeine disputation der sectenstreit endgültig beigelegt
werden sollte?
Und nun der comitatus selbst! lch vermute, dass das
wort (dessen eigentliche und ursprüngliche bedeutung natürlich
hier nicht passt) Kögel zunächst auffällig gewesen ist, und dass
er dann geglaubt hat, er dürfe etwas beliebig gemutmasstes
dafür einsetzen, das ihm in seine rechnung passte. Daher denn
der ansatz ‘comitatus = disputation.” Da wäre es aber doch
wol ratsamer gewesen, vorher etwa den du Cange aufzuschlagen,
um dort unter 1. comitatus die wirkliche bedeutung zu finden
‘palatium, aula regia, locus ubi Rex aut Imperator
moratur’ u.s.w. Oder, wenn dieser umweg zu mühsam oder
nicht practiecabel war, so hätten schon Waitz und Bessell das
nötige bieten können: ersterer übersetzt die betr. stelle (s. 48):
‘die arrianischen bischöfe.... seien an den hof des kaisers ge-
kommen’ und macht zu ‘hof’ die anmerkung: ‘ad comitatum,
ein bekannter ausdruck der zeit’, und letzterer erläutert (s. 44)
den ausdruck ad alium comitatum Constantinopolim venissent
durch die anmerkung ‘im gegensatz zum weströmischen hofe,
von dem das Aquilejer concil ausgieng. Dass Palladius [von
dem ja auch bei der reise nach Constantinopel die rede ist]
kurz vor dem letzteren [d.h. dem jahre 381] bei Gratian in
Sirmium audienz hatte, folgt aus den acten des Aquilejer con-
cils’t) Oder endlich, wenn auch das noch nicht genügte, so
hätte eine stelle aus Maximin selbst, die Waitz s. 9 mitteilt,
Kögel an seiner deutung irre machen müssen, wenn er sie
gelesen hätte: nam et ad oriente perrexisse memoralos epi-
skopos cum Ulfila ad comitatum Theodosi inperatoris epistula
ı) Vgl. übrigens hierzu unten s. 312. 319.
312 SIEVERS
[nämlich der nun folgende brief des Auxentius] declarat. Oder
soll da auch eine ‘disputation des kaisers 'Theodosius’ ge-
ıneint sein?
Viertens endlich die ‘bittreise’. Natürlich steht das wort
‘bittreise’ nicht in den quellen. Aber es wird doch erlaubt
sein, auch hier ein wenig zwischen den zeilen zu lesen. Wenn
Maximin fol. 327 (Waitz 8.23) sagt cum ... Constantinopolim ve-
nissent ibique etiam et imperatores adissent, adque eis pro-
missum fuisset concilium, so heisst das doch, dass die bischöfe
als bittende beim kaiser erschienen, und dass ihnen auf ihre
bitte hin ein versprechen gegeben wurde; ferner erlaubt
die nahe verbindung dieser worte mit dem vorausgelenden cum
. venissent ohne alle gewaltsamkeit die deutung, dass jene
bitte der eigentliche zweck der reise, dass diese also wirklich
als ‘bittreise’ gemeint war. Diese deutung wird durch ein
weiteres argument verstärkt. Auf dem leider gegen den schluss
hin sehr verstümmelten fol. 286 lesen wir u.a. sanctorum epi-
skoporum nostrorum, ut non solum in partibus occidentalibus
de Ilirico adveniren|t po|stulantes (so muss doch wol, schon
wegen des folgenden, für Waitzens putantes gelesen . werden)
concilium [dari?] [ut?] gesta ab ipsis ereticis confecta [indilcant;
auf der rückseite desselben blattes heisst es dann (Waitz s.21)
weiter recitatae, eliam ad orientem perrexerunt idem postu-
lantes. Beide äusserungen gehören nach gemeiner annahme
dem Maximin zu. Da nun, wie bereits oben 8. 311 angeführt
ist, aus den coneilsacten von Aquileia hervorgeht, dass Palladius
kurz vor dem concil (das 381 stattfand) bei Gratian eine audienz
hatte, so wird man den ersten teil der oben angeführten notiz
auf eben diese versuche der Arianer beziehen dürfen (die gesia
ab ipsis ereticis confecia wären dann eben die coneilsacten).
Weiter aber reisen die bischöfe auch an den oströmischen hof
idem (nämlich concilium, wie vorausgegangen war) postulantes:
darf man auch da noch nicht einmal von einer ‘bittreise’
sprechen?
Aber selbstverständlich ist diese deutung immer nur dann
möglich, wenn es zulässig ist, diese ‘bittreise’ von derjenigen
zu trennen, die Wulfila auf befehl des kaisers nach Constan-
tinopel führte. Dies letztere ist die eigentliche und allein
brennende frage: aber gerade über sie geht Kögel mit der
DAS TODESJAHR DES WULFILA. 313
kurzen bemerkung hinweg: “übrigens hat Bessell s. 35 ff. die
möglichkeit, dass die letzte reise des Wulfila ins jahr 383 fiele,
bereits eingehend erörtert und mit durchschlagenden gründen
abgewiesen. Ich habe dazu einstweilen nur zu bemerken, dass
es selbstverständlich auch schon Waitz nicht entgangen ist,
dass das grosse häretikerconeil von 383 eigentlich die einzige
gelegenheit ist, auf die der bericht des Auxentius passt (s. 47).
Wenn Waitz von dieser datierung wider abgegangen ist, so
war das nur die folge davon, dass er die von Maximin eitierten
gesetze von 388 und 386 noch für authentisch hielt. Nur so
konnte er dazu kommen, sich auch für 388 eine unbezeugte
synode zu construieren, und nun auf diese die beiden berichte,
den des Auxentius und den des Maximin, zu beziehen. Nach-
dem aber Bessell — und das ist das bleibende verdienst seiner
schrift — den evidenten nachweis geführt hatte, dass bei
Maximin jene gesetze nur irrtümlich statt des allein zutreffenden
gesetzes vom 10. jan. 381 eingestellt sind, war eigentlich ein
jeder anlass geschwunden, sich noch länger künstlich um das
jahr 383 herumzuwinden. Das hat ja auch Bessell selbst s. 35
im prineip anerkannt (freilich nur um dann sofort wider durch
neue künsteleien auf abwege zu geraten).
Nach diesen weniger erquicklichen negationen wende ich
mich nun zu einer nochmaligen positiven erörterung der sach-
lage, freilich mit dem bewusstsein, dabei nur längst bekanntes
noch einmal widerholen zu müssen.
Die aufgabe der untersuchung lässt sich etwa so praeci-
sieren. Unsere quellen zerlegen sich in zwei hauptgruppen.
Die eine besteht in dem durch Maximin ergänzten bericht
des Auxentius, die andere wird durch die allgemeinen quellen
der zeitgeschichte gebildet. Unter diesen stehen die werke des
Socrates und Sozomenos voran, weil sie allein eine ge-
schlossene übersicht der ereignisse der jahre 380 ff. geben. Hie
und da wird eine einzelangabe auch durch Theodoret oder
Philostorgios etec.!) bestätigt. Dazu bringt dann Philostor-
gios die versprengte notiz über Wulfilas bischofsweihe durch
Eusebius.
1) Weitere nachweise im einzelnen gibt der alte Jac. Gothofredus
in seinen commentaren zu den betr. gesetzen des Cod. 'I'heodosianus.
314 SIEVERS
Die detailliertesten angaben über Wulfila bringt die gruppe
Auxentius-Maximin. Die directen angaben des Auxentius sind,
wie bereits oben betont wurde, an sich zeitlos, d.h. sie ge-
statten an sich jede zeitliche anknüpfung. Zeitlich gebunden
ist nur die ‘bittreise’ (man gestatte den ausdruck der kürze
halber), von der Maximin berichtet: gebunden durch die bezug-
nahme auf den erlass des Theodosius, als den ich mit Bessell
u.8.w. das gesetz vom 10. januar 381 betrachte. Ist diese ‘bitt-
reise’ identisch mit der ‘concilsreise’ des Wulfila (d. h. der
reise, die Wulfila auf kaiserlichen befehl unternahm), dann ist
auch Wulfilas tod an das jahr 381 gebunden. Nun besteht
aber (wie auch Waitz und Bessell anerkannt haben) zwischen
Auxentius und Maximin eine ganz erhebliche differenz. Nach
Auxentius reist Wulfila (dem wortlaut nach allein) auf befehl
des kaisers nach Constantinopel zu einem concil, wo er eine
grosse ınenge christlicher (d.h. hier arianischer) bischöfe (con-
sacerdotes) vorfindet und stirbt; nach Maximin reisen Palladius
von Ratiare, Auxentius, Wulfila u. a. nach Constantinopel,
wenden sich an den kaiser (oder die kaiser, vgl. darüber Bessell
8. 33 anm., auch Kraus, oben s. 251 anm.3), erlangen das ver-
sprechen eines coneils, aber ihre hoffnungen werden durch die
machinationen der orthodoxen vereitelt, ja ein kaiserlicher er-
lass schränkt die freiheiten der Arianer noch mehr ein.
Diese verschiedenheiten sind so gross, dass man es sicher
als das natürlichste betrachten muss, dass sich die beiden
einander widersprechenden berichte auf verschiedene vorgänge
beziehen. Wollen wir aber auch einmal zugeben, dass sich
diese frage aus den berichten allein nicht mit absoluter sicher-
heit entscheiden lasse, so kann überhaupt eine gewisheit nur
erlangt werden durch die beantwortung der frage, wie sich die
von Auxentius-Maximin geschilderten vorgänge in den rahmen
der allgemeinen zeitgeschichte einfügen. Diese aber lernen
wir widerum nur aus Socrates - Sozomenos im zusammenhang
kennen. Zunächst sind also diese beiden zeugen zu befragen.
Sie ergeben aber folgendes.
Am 16. januar 379 wird Theodosius von Gratian wegen
der immer häufiger werdenden einfälle der Alemannen in Gal-
lien, die eine teilung der kriegsleitung erheischten, in Sirmium
zum mitregenten ernannt (Socr. 5, 2,3. Soz. 7,4,1). Gratian
DAS TODESJAHR DES WULFILA. 315
wendet sich nach Gallien, Theodosius zieht gegen die barbaren
um den Ister zu felde. Beide sind siegreich. Aber auf der
heimfahrt nach Constantinopel erkrankt Theodosius in Thessa-
lonich und: lässt sich von Ascholios auf das nicänische be-
kenntnis taufen, worauf er gesundet (Socr. 5, 6, 3 ff. Soz.
7,4, 3 ff.).1)
Bald darauf zieht der kaiser, am 24. november 380, in
Constantinopel ein (Soer. 5, 6,6, vgl. Soz. 7,5,1). Dort war da-
mals Gregor von Nazianz bischof der rechtgläubigen. Aber
er befand sich in keiner beneidenswerten lage. Nicht nur dass
er sich mit einem kleinen gebethaus behelfen musste — die
kirchen waren noch im besitz der Arianer, an deren spitze da-
mals Demophilos stand — : er wurde auch von einigen als
fremder perhorresciert. Deswegen benutzt er die ankunft des
kaisers, um diesem sofort seinen verzicht auf seine stellung zu
melden (aoucvos nv Tod Bacıldos rapovolav desdusvog nV
tv Kovoravrıvovnoisı dıeyaoynv rapmtnoaro Socr.5,7,2). Er
muss sich dabei in der tat grosser eile beflissen haben, denn
nun folgen die gewis mit dureh diesen schritt Gregors hervor-
gerufenen ereignisse schlag auf schlag. Der kaiser überlegt
sich, wie er, nach glücklich errungenem siege, die religiöse
eintracht widerherstellen könne. Er stellt dann dem Demo-
philos die alternative, zur orthodoxie zurückzukehren oder seine
kirchen aufzugeben. Demophilos wählt in übereinstimmung
mit einer rasch berufenen volksversammlung seiner anhänger
die verbannung, und verlässt die stadt. So verlieren die Ari-
aner am 26. november 380 — zwei tage nach dem einzuge
des kaisers — die vierzig jahre lang innegehabten kirchen,
die nun den orthodoxen übergeben werden (Soer. 5, 7. Soz. 7,5).
Die Arianer aber (so fährt Sozomenos 7, 6 fort: bei Socrates
fehlt dies capitel und folgt deshalb gleich die geschichte des
grossen concils von 381, zu dem nur die orthodoxen und die
Macedonianer geladen wurden) hielten trotzdem was vorgefallen
war ihre zusammenkünfte und disputationen ab, ja sie suchten
auch durch ihre gesinnungsgenossen am hofe den kaiser selbst
1) Nach Soz.7,4,5 ff. erlässt er noch von Thessalonich aus ein gesetz
für Constantinopel, das alle seine untertanen zum wahren glauben auf-
ruft und alle andersgläubigen als häretiker mit schweren strafen bedroht.
316 SIEVERS
zu beeinflussen (xal anonsıpaodaı Toü Baoıldag Ereıd:oV Tovg
Öuögyopovas avrols &v Tols Baoıkeloıs Soz. 7,6,1), in der hof-
nung, es werde ihnen noch einmal so glücken wie bei Con-
stantius (bierüber sind Socer. 2,2,1 ff. Soz. 3,1,1ff. Theodoret 2, 2
zu vergleichen). Diese umtriebe der Arianer erregten bei den
orthodoxen keine geringe besorgnis (Toüro dt avro xal Tolg
aro ıng xadolınns Exxinolas Yoovılda xal P6ßov Exiveı: sie
müssen also erheblicherer art gewesen sein). Gesteigert wurden
die ängste der orthodoxen noch dadurch, dass ihnen gleich-
zeitig ein neuer, durch seine redegewantheit furchtbarer gegner
in Eunomius erstanden war, der sich in Bithynien, Constan-
tinopel gegenüber, niedergelassen hatte und grosse scharen zu
sich hinüberzog. Ja so gross war des letzteren ruf, dass er
selbst zum kaiser drang, so dass dieser ihn zu sehen wünschte
(pnun de rovrwv xal els Baoılda nAde, xal ovyYevdodaı auto
£toıuog nv Soz. 7,6,3). Aber den vereinigten bemühungen der
strenggläubigen kaiserin Flaceilla und der constantinopolitani-
schen bischöfe gelang es doch, diese begegnuug zu hinter-
treiben.!) Vorsichtiger geworden empfängt nun der kaiser
keine andorsgläubigen mehr: vielmehr verbietet er gesetzlich
das streiten und disputieren: xal aoyaA&orspog YEvöusvog OV
x0001ET0 ToVg rapa tovro dogabovras. Kal rac Er ayopäs
Eoıdas xal Ovvodovg AnnYopEvoE, xal dialtyeodaı ToVv avrov
TO0Rov nepl ovolag xal Ypvoems HE00 0Vx axivdvvov &noıelto,
vouov HEusvog nepl TOVToV xal Tıumplav ogioac.?)
Das hier erwähnte gesetz ist der bekannte erlass vom
10. januar 381, der die darstellung des Sozomenos [und Theo-
doret]| auch in soweit stützt, als er mit den worten sciant omnes,
eliumsi quid speciali quolibet rescripto per fraudem elicito ab huius-
modi hominum genere impetratum est non valere offenbar auf die
erwähnte [nach Maximin anfangs erfolg versprechende] agitation
der Arianer bezug nimmt.
1) Sozomenos erzählt hier die bekannte anekdote von dem alten
bischof, der bei der begrüssungsaudienz dem sobne des kaisers nicht
dieselbe ehre erwies wie dem kaiser. Die anekdote hat auch 'l’'heo-
doret 5,6, er verlegt aber die ganze geschichte — wie das datum des
gesetzes von 381 zeigt, irrtümlich — in eine spätere zeit.
2) Vgl. auch 'I’heodoret 5, 16: ovrw ovvels 6 Bacıkevg .... vouov
EUIUG EyoaYE Tovg Tav algETıx@V OVAA0YovS xwAvovra, und die vorige
anmerkung.
DAS TODESJAHR DES WULFILA. 317
Bald darauf beruft denn der kaiser, noch im selben jahre
381, die grosse synode der rechtgläubigen und der Macedonianer
(vgl. oben ». 315), auf der u.a. an stelle des nach Nazianz zu-
rückkehrenden Gregor nun Nectarius zum bischof von Constan-
tinopel gewählt wird (Soecr. 5, 8. Soz. 7,7 f.).
Von dem, was nun folgt, interessieren uns erst wider die
vorgänge des jahres 383, über die Socr. 5,10 und Soz. 7,10 be-
richten.
Auch an vielen Kidersn orten (als Constantinopel) gab es
bei der vertreibung der Arianer aus den kirchen!) tumultuarische
scenen (tapayai). Der kaiser, nicht gewillt, diese unruhen weiter
zu dulden, beruft deshalb 383 (unter dem consulat des Mero-
baudes und Saturninus) eine allgemeine häretikersynode
(vUrodov naoov Tav aip&oewmv Socr., TOUG NEOEOTOTAS Tom
axuaLovoov Tore alp&oemv Ovvexdlscev Soz.), in der hoffnung,
es werde ihm gelingen, durch die veranstaltung einer all-
gemeinen disputation der bischöfe gegen einander die
einhelligkeit des glaubens widerherzustellen (vonloag EX TG
006 gavrovg To Enıoxonwv dıalegemg ulav ‚Rage näcıv
öuöpwvov dogav xparnoeın Socr., breiaße yap navras Ouodo-
Sovg noMoaı, el xoıwnv avrols dıalsfıv ngodeln nel Tov
aupıBoAmv too döyuarog Soz.). Im juni treffen die berufenen
bischöfe von allen seiten ein. Der kaiser verlangt von Necta-
rius (dem orthodoxen bischof von Constantinopel), dass eine
debatte über die eigentlichen trennenden streitpunkte stattfinde
(Eieyev Ö& delv yvuvaodnvar To XwolLov tag Exxinoiag Inrnua
Soer.). Nectarius zieht, nicht ohne besorgnis über dies verlangen
des kaisers, den Novatianerbischof Agelius zu rate, und dieser
wider schiebt, da es ihm selbst an den nötigen fähigkeiten fehlt,
seinen lector Sisinnius, einen äusserst redegewanten und ge-
lehrten, philosophisch gebildeten mann als disputator vor
(noög To dialsyImvaı nposßaiiero Socr.). Dieser aber rät,
von der eigentlichen disputation mit den häretikern abzu-
sehen, da diese zu nichts führe (ovveidev ws ai dıakfgsis 0%
uOVov 00x &vovcı ta oylouara ete. Socr.): der kaiser möge sich
vielmehr auf die frage beschränken, wie jene über die autorität
1) Diese erfolgt auf grund des gesetzes von 381, dessen wortlaut
oben s. 308 mitgeteilt ist.
318 SIEVERS
der alten ausleger dächten, die vor dem schisma gelebt hätten.
Verwürfen sie das zeugnis dieser alten, dann würden sie bei
ihren eigenen anhängern gerichtet sein; erkännten sie aber ihre
autorität in glaubenssachen an, so brauche man nur die alten
bücher vorzulegen, die dann gegen die häretiker entscheiden
würden, da sie deren speeifische lehrsätze nicht enthielten.
Der kaiser billigt diesen schlauen plan und stellt dem-
gemäss seine fragen. Da aber entsteht ein allgemeiner zwie-
spalt, nicht nur zwischen den häuptern der verschiedenen secten,
sondern auch innerhalb der einzelnen secten selbst. Aber der
kaiser merkt doch, dass man sich schliesslich nur auf die dis-
putation selbst (dualegsı uovn) einlassen will, und ändert nun
seinen plan, indem er von jeder secte ein geschriebenes
slaubensbekenntnis verlangt. An einem bestimmten tage
werden diese formulare dem kaiser in feierlicher audienz über-
reicht. Der kaiser zieht sich mit den formularen zurück, bittet
gott um erleuchtung, liest die eingereichten schriften, um sie dann
sämmtlich zu zerreissen mit ausnahme derer der homousianer.
Dadurch gelangen auch die Novatianer, die in diesem punkte
mit den orthodoxen giengen, wider obenauf und erhalten die
zusage kaiserlichen schutzes. Die häupter der andern secten
aber verfallen ob ihrer uneinigkeit dem tadel ihrer eigenen an-
hänger und müssen in ratlosigkeit und sorge die hauptstadt
verlassen (oi d& rg0E0T@rTEG Tv AAAOV HENOXELIOV Ex TG NEOG
£avroüg diaygwvias Ev xatayvaoeı Rapa Tolg dp davrovg Anols
£ysyovsıcav, aumyavla Te xal AUNN xaTaoysderres AvELXWpovV
S0CT.).
Wie stellen sich hierzu nun die angaben des Auxentius und
Maximin?
Auf den ersten blick ist es wol klar, dass in den 45 tagen,
die zwischen der vertreibung des Demophilos und dem erlass
vom 10. januar 381 liegen, für die befohlene ‘coneilsreise’ des
Wulfila kein platz ist. In diesen tagen hat der kaiser, der
seinen ersten einzug in seine neue hauptstadt durch einen gegen
die Arianer insgemein (und andere secten) gerichteten act promp-
tester justiz bezeichnet hatte, wol anderes zu tun gehabt, als
sich väterlicb um die schlichtung innerer streitigkeiten in der
gemassregelten secte zu bemühen, indem er, um mit Bessell
8.38 f. zu reden, ‘den ehrwürdigen greis [Wulfila] herbeirief,
DAS TODESJAHR DES WULFILA. 319
um durch sein ansehen dem streite unter seinen landsleuten
ein ende zu machen.’ Ja man wird auch geradezu fragen dürfen,
ob es denn gar so selbstverständlich sei, dass der aus der zu-
rückgezogenheit seines spanischen landlebens zum kriege gegen
die Goten berufene und eben aus diesem kriege heimkehrende,
unterwegs aus opportunitätsgründen neugetaufte kaiser von der
existenz dieses ‘würdigen greises’ bereits so genaue kenntnis
gehabt habe.!) Man wird sich ferner, wenn es sich nur um
einen specialauftrag an Wulfila handelte, billig darüber wundern
dürfen, dass dieser gerade in jenen 45 tagen nach der aus-
treibung des Demophilos in Constantinopel eine solche menge
von (arianischen) sancti et consacerdotes angetroffen haben sollte,
dass man die stadt schier hätte Christianopel nennen können,
wie Auxentius vermeldet. Soll endlich die ‘bittreise’ mit der
‘concilsreise’ identisch sein, so hat man wider zu fragen, wie
die ‘anderen bischöfe’, deren Maximin mehrmals gedenkt, dazu
kommen, mit Wulfila nach Constantinopel zu reisen. Sollten
sie etwa auch gegen die ‘secte’ (ev. die pseudo-Psathyropolisten)
disputieren?
Ebenso klar ist es auch, dass das was Maximin über die
‘orientreise der bischöfe’ bez. die ‘bittreise’ des Wulfila aus-
sagt, auf das concil von 383 nicht passt. Waren die bischöfe
auf einem conecil, so hatte es keinen sinn, um ein solches zu
bitten, und unter den auf diesem concil von 383 obwaltenden
umständen wäre eine solche bitte erst recht lächerlich gewesen.
‚Dagegen ist alles in schönster ordnung, wenn man die
‘bittreise’ und die ‘conecilsreise’ trennt und erstere in das jahr
380/81, letzte:c in den sommer 383 verlegt.
Die sache gestaltet sich dann so. Wie die arianischen
bischöfe schon früher (vor dem concil von Aquileja von 381) bei
Gratian für ihre sache eingetreten waren, so versuchen sie auch
bei dem neuen kaiser, sobald er aus dem Kriege nach Con-
stantinopel zurückgekehrt ist, ein coneil zu erwirken. Ob sie
zu diesem schritt durch die nachricht von der vertreibung ihres
oberhauptes Demophilos angetrieben wurden oder bei ihrer an-
1) Man wende nicht ein, dass ja doch auch bei dem ansatz 383 ein
befehl des kaisers “an Wulfila’ ergehe: damals handelte es sich um einen
colleetivbefehl an alle sectenhäupter, nicht um einen persönlichen auftrag
an Wulfila.
320 SIEVERS
kunft in Constantinopel das fait accompli vorfanden, mag dahin-
gestellt bleiben. Für die erstere annahme spricht vielleicht die
art und weise, wie die notiz des Maximin Unde et cum sancio
Hulfila ceterisgue consortibus ad alium comitältum Constantino-
polim venissent an den schluss des vorausgehenden briefes (des
Palladius?) angehängt ist: tamen scito ... (lücke) ... Palladium
Ratiarensem, Auxentium inter celeros consorles sancto et omni
reverentia digno ac fidelissimo doctori Demofilo, ubicumque
examen haberi placuerit, deo omnipolente per unigenitum suum
Ihesum dominum auxilium ferente, glorioso ac salulari certamini
non defuturos. Also: ‘die Donaubischöfe werden die gute sache
des Demophilos nie im stich lassen.’ Dazu Maximin: ‘wie sie
denn auch deshalb nach Constautinopel gereist sind,’ u. 8. w.
Das anfangs günstige ergebnis der reise wird aber bald durch
die machinationen der orthodoxen zu nichte gemacht, und am
10, januar 381 erlässt der kaiser das bekannte prohibitivgesetz.
Die austreibung der Arianer, die mit der verbannung des
Demophilos aus Constantinopel begonnen hatte, nimmt ihren
fortgang, aber nicht ohne turbulente störungen. Um diesen
zuständen ein ende zu machen, beruft der kaiser ein grosses
häretikerconcil, das auf dem wege der disputation den
streitigkeiten ein ende machen soll. Von allen seiten (ravra-
x0%ev Socr. 5, 10,6) strömen im juni 383 die eitierten secten-
häupter in Constantinopel zusammen, in solcher menge, dass
der arianische berichterstatter in dieser stadt damals wol ein
Christianopel erblicken konnte, Aber bald beginnen, infolge
der geschickten manipulationen des Sisinnius, die inneren
zwistiskeiten, so dass Wulfila, der als sectenbischof mit zu
den befohlenen gehörte, wol in banger sorge darüber sein
durfte, ob seine glaubensgenossen sich nicht durch eigene
schuld (indem sie den lockungen des kaisers folgten?) ins ver-
derben stürzen würden, und darüber erkrankt er. Doch erlebt
er eben noch den zweiten act der kaiserlichen politik, die ein-
forderung der schriftlichen bekenntnisformulare, und so schreibt
er in ips[o mortis] mo(nu)mento seine letzten worte nieder: Z%yo
Ulfla episkopus et confessor semper sic credidi et in hac fide
sola et vera testamentum facio ad dominum meum. Dass er den
festgesetzten tag der einreichung nicht mehr erleben würde,
mag er geahnt, und darum sein bekenntnis als ein vermächtnis
DAS TODESJAHR DES WULFILA. | 321
für seine glaubensgenossen bezeichnet haben. Was er in banger
sorge vorausgesehen, traf ein: die uneinigkeit im innern der
secten brachte den orthodoxen den sieg.
Ist es nun nicht gerade so, als ob die berichte des Auxen-
tius und Maximinus einerseits und die des Socrates und Sozo-
menos andrerseits für einander, zur gegenseitigen aufhellung
und erklärung geschrieben wären? Kann man überhaupt eine
weitergehende übereinstimmung unter quellen so verschiedener
herkunft und tendenz erwarten? Und doch sollen wir alles
das verwerfen! Und bloss weil wir sonst zugeben müssen, dass
entweder Auxentius seine zahlen ein wenig stilisiert hat,
oder dass Philostorgios über die bischofsweihe des Wulfila
schlecht unterrichtet gewesen ist! Sollte da nicht doch eine
von diesen alternativen für wahrscheinlicher zu halten sein?
Welche freilich, darüber kann gestritten werden. An sich
wird man dem Auxentius grösseres vertrauen entgegenbringen.
Und doch wäre wider aus den s. 303 gegebenen gründen ein
fehler in den zahlen des Auxentius leichter zu verstehen, als
ein fehler in der namensangabe bei Philostorgios, der ja auch
sonst mancherlei anderwärts unbezeugte, aber doch nicht an-
zufechtende nachrichten über Wulfila beibringt. Nur auf einen
punkt möchte ich noch mit einem worte hinweisen: ganz glatt
ist bekanntlich die angabe des Philostorgios in geschichtlicher
beziehung auch nicht zu verstehen. Nach ihm (s. bei Waitz s.59)
wird Wulfila 5” Evosßlov xal Tov 00V auT® ENI0XonWv ge-
weiht, als er als abgesanter bei Constantin erscheint (xl
tov Kovoravılvov Xp0vmv ... anootalsis), also gelegentlich
einer bischofsansammlung, die eventuell eine synode gewesen
sein kann. Und zwar erzählt Philostorgios diese geschichte
(2,5) unmittelbar nach dem tode Constantins (2,4), aber ehe
er sich der regierungszeit des Constantius zuwendet: er meint
also wol wirklich den Constantin (so dass nicht ein einfacher
fehler der hsl. überlieferung vorläge). Dann aber — die weihe
müsste doch in Constantinopel erfolgt sein — könnte wol nur
das jahr 335 in betracht kommen, wo Eusebius nach angabe
von Soer. 1,35,2 und Soz. 2, 28,13 (vgl. auch Theod. 1, 29) mit
einer reihe von bischöfen von dem concil von Tyrus aus nach
Constantinopel geht und den Athanasius in die verbannung
Beiträge zur geschiehte der deutschen sprache. XX. >1
322 SIEVERS, DAS TODESJAHR DES WULFILA.
treibt. Das ergäbe aber für die dauer von Wulfilas episkopat
(von 335—383, also 48 jahre) eine differenz von 8 jahren gegen
die angabe des Auxentius, und das würde doch das mass des
erlaubten überschreiten. Es muss also auf alle fälle, wie schon
Waitz dargelegt hat, Constantius für Constantin eingesetzt
werden. Dann aber kommen wir mit ziemlicher notwendigkeit
auf das jahr 340 als das von Philostorgios gewollte.e Denn
gerade damals berief Constantius eine versammlung der aria-
nisch gesinnten bischöfe (ovv&dgov To» ta Apslov PpoVoVYT@»
erıoxonov Soer. 2, 7,2; vgl. 0Vvodov» xasioac Soz. 3, 4,3) nach
Constantinopel und setzte den Eusebius an stelle des Paulus
zum bischof dieser stadt ein. Um dieselbe zeit müsste wol
die weihe Wulfilas erfolgt sein, denn für die spätere zeit bis
zu Eusebius’ bald nach dem concil von Antiochia (341) erfolgten
tode würde entweder der zusatz xal To» 00» aur® 2RL0xönmv
oder der ort (Constantinopel) nicht wol zutreffen.
Ich erwähne diese chronologischen schwierigkeiten deshalb,
weil sie dem einen oder andern anlass geben können, nun die
ganze notiz des Philostorgios entschiedener als verwirrt oder
erfunden zu verwerfen und so dem Auxentius wider ganz zu
seinem alten ansehen zu verhelfen. Meinerseits aber kann ich
nicht umhin, nach wie vor die authenticität seiner zahlen 30
und 40 für ‘verdächtig’ zu halten.
LEIPZIG-GOHLIS, 12. mai 1895. E. SIEVERS.
ZUR GUTTURALFRAGE.
In seiner eingehenden recension meiner Indische klankleer
(Museum 2, 432 ff.) macht Speijer mir den vorwurf, dass ich den
von Hillebrandt (Bezz. Beitr. 19, 244 ff.) behaupteten zusammen-
hang von skr. äpas und /apati mit lat. agua und loguor ‘losweg’
(d.h. wol ‘ohne weiteres’) geleugnet babe. Dass ich aber nicht
ohne überlegung mich gegen Hillebrandts anschauung geäussert,
hoffe ich in den folgenden zeilen meinem hochgeschätzten Gro-
ninger collegen zu beweisen.
Im arischen findet sich von labialisation der velaren gut-
turalreihe keine spur und schon darum ist es von vornherein
unwahrscheinlich, dass sporadisch ein übergang von k, g, gh
in p, d, bh oder gar in t, d, dh (wie Hillebrandt will, der die
. bekannten verhältnisse des griechischen vergleicht) stattgefunden
habe. Fälle wie got. wulfs, Adwör sind natürlich nicht als
parallelen heranzuziehen, denn im germanischen liegen die
sachen ganz anders als in den satem-sprachen. Wo die velaren
verschlusslaute regelmässig labialisiert erscheinen, kann man
bie und da unter bestimmten bedingungen (z. b. in der nähe
von labialen, wie Kluge zuerst erkannt hat) auch vollständigen
übergang in labiale erwarten, wie er tatsächlich in wul/s,
fidwör u.s.w. vorliegt. Dass man freilich auch hier nicht zu
weit gehen darf, hat Bartholomae (Studien zur indog. sprach-
geschichte 2,13 ff. fussnote) mit recht betont,
Aber abgesehen von der physiologischen unwahrscheinlich-
keit einer sporadischen labialisierung bez. dentalisierung der
velaren explosivae im arischen — einer unwahrscheinlichkeit,
welche m. e. schon das recht gibt, Hillebrandts hypothese als
verfehlt zu betrachten — so können, zum teile selbst müssen
die für diesen angeblichen lautwandel angeführten fälle anders
gedeutet werden. Zwischen dcati, äncati und dtati, atati kann
21*
324 UHLENBECK
nicht nur wegen der laute, sondern auch aus semasiologischen
gründen keine verwantschaft vorliegen. Der grundbegriff von
dcati, ancati ist nämlich ‘biegen’, wie auch aus dem zugehörigen
ankd- ‘biegung, seite, schooss’ —= gr. Oyxog — lat. uncus klar
hervorgeht. Offenbar ist das verhältnis von dücati, ankd- zu
vancati, vanka-, vankara, vakrd- (e. Beitr. 19,522) dasselbe wie
zwischen rshabha- und vrshabha- (s. J. Schmidt, KZ. 32, 383
und vgl. Beitr. 19, 525). Was aber atati (in der späteren sprache
atati) anbetrifft, so bedeutet dieses nur “wandern, herumschwei-
fen’, aus welchem begriffe sich atithi- ‘gast’, eig. ‘wanderer’,
atithin- ‘wandernd’ und vielleicht noch afavz ‘wald’ erklären
lassen. Mit sapati ‘nachstreben, anhängen’ (wozu riasäp-, ‘der
heiligen ordnung nachstrebend, fromm, glaubenseifrig’) ist nach
Brugmann 2, 1021 und Prellwitz 99 gr. &ro ‘besorgen, ‚zurecht-
machen’ verwant, und es beruhen beide auf einer wurzel sep-,
welche etwa synonym mit *seg- in sdcate, stshakti, säccati “be-
gleiten, folgen’, saca, säkam ‘zugleich, zusammen, mit’, saciva-
‘begleiter, gefährte’, gr. &rouaı, lat. segquor u.8. w. gewesen sein
mag, aber nach den bisher bekannten lautgesetzen nicht ohne
weiteres damit identificiert werden darf. Ganz unbegreiflich
ist es mir, wie Hillebrandt sich berufen kann auf fälle wie
cärati: tärati : piparti, drmhati : brmhati, ghasati : babhasti. Dass
cärati (gr. neAouaı, lat. colo), tärati (wozu, von anderen glei-
chungen abgesehen, doch jedenfalls ziras, lat. trans) und piparti
(gr. zeipw, rogos, aksl. prati, got. faran) etymologisch ganz
verschieden sind, braucht ja wirklich nicht mehr bewiesen zu
werden. Zu drmhati wird bekanntlich lat. forctis, fortis ge-
stellt (mit urspr. anlaut dh, wie in fumus, femina,) und dbrmhati
hängt mit brhänt-, ahd. berg, gall. dbrig- u.8. w. zusammen. In
ghas- und bhas- haben wir es offenbar mit weiterbildungen wie
bhyäsate zu bhäyate, bibheti zu tun (8. Persson, Wurzelerweiterung
77 ff. Osthoff, BB. 19, 321). Für stabhnäti, stabhnöti "stützen’
verweise ich auf Persson a.a.o. 193: die wurzel hat urspr. {
oder /h und ist demnach nicht für Hillebrandts zweck zu ver-
werten. Wie sich skabhnäti dazu verhält, wage ich nicht zu
entscheiden. Tuddti, tundate *stossen, stechen’ hat urspr. d,
wie aus lat. iundo und got. staulan erhellt, und kann nur unter
der annahme verschiedener wurzeldeterminative mit tunyjati,
tujati verbunden werden. Ebenso ist mrdnäti ‘reiben, zer-
ZUR GUTTURALFRAGE. 325
drücken’ zu beurteilen, über welches man Persson a.a.o. 37
nachsehen wolle, und das für denjenigen, der sich nicht in
glottogonische probleme zu vertiefen wagt, von mrjdti getrennt
werden muss.
Von einigem ganz zweifelhaften abgesehen, bleiben jetzt
noch äpas und Jäpati übrig. Mit lat. agua, got. ava wird äpas
schon darum nicht verwant sein, weil es keinesfalls von lit.
üpe ‘brunnen’, apr. ape ‘fluss’, apus (für das suffix -us = lit.
-uze vgl. geguse, kalpus, merguss, Narussa, Palusin, woragowus)
‘brunnen’ getrennt werden darf. Ob auch gr. orxöc hierher
gehört, ist wegen der bedeutung nicht ganz sicher, doch scheint
die schöne gleichung dpavant- = onöoevr- (Brugmann 2, 380)
dafür zu reden. Zapati (Rgv. nur rapati) ‘schwatzen, reden,
wehklagen’ ist mit russ. lepetdi “stammeln, lallen, undeutlich
reden’ verwant, wodurch das p auch hier als ursprünglich er-
wiesen wird. Wahrscheinlich ist die wurzel *lep- urspr. ouo-
matopoetisch. |
Bleiben aber nach dem gesagten noch andere gründe übrig,
welche für einen etwa vorindogermanischen zusammenhang
zwischen pas und aqua, lapati und loguor sprechen? Gute,
unumstössliche gründe, welche mir unbekannt geblieben sind?
Päkah prchämi maänasävijänan ... |
AMSTERDAM, 3. februar 1895. C. C. UHLENBECK.
NEUE BELEGE VON 5 AUS 5 IM ANLAUT.
Zu den etymologien wie nl. poel : lit. bala : aksl. bluto
und nd. pegel : lat. baculum : gr. Baxtoov, mit welchen ich
(Beitr. 17, 439 f. und 18, 236 ff.) die regel ‘indog. 5 = germ. p’
auch für den anlaut zu erweisen versucht habe, können noch
einige andere gefügt werden, welche meine annahme (vgl. jetzt
Noreen, Urgerm. lautlehre 121 und v. Grienberger, Zs. fdph. 27,
453 ff.) weiter bestätigen.
Mit recht hat Franck 744 ahd. phoso, mhd. pfose, ags. posa,
an. posi *beutel’ mit nl. poezel ‘voll, weich, rund (vom mensch-
325 UHLENBECK
lichen körper)’, das dial. ve aus germ. 2 enthält, nd. pusten
(hd. pusten, nl. poesten), mhd. pfüsen ‘schnauben, niesen’ und
pfiusel “schnupfen’ zu einer germ. wz. püs ‘aufblasen, auf-
schwellen’ gestellt. Jetzt wird Kluge wol nicht mehr wie Beitr.
10, 442 an, püss ‘beutel’ für entlehnt halten, denn es kann ja
nicht zweifelhaft sein, dass dieses wort derselben sippe wie
ahd. phoso angehört. Die meinung, dass phoso aus aksl. po-
Jasu ‘gürtel’ entlehnt sei (Schade 679) ist jedenfalls nicht mehr
zu verteidigen. Nun bietet sich für die germ. wz. püs eine
wahrscheinliche anknüpfung an wörter in andern sprachen,
welche auf indog. büs beruhen können. Im indischen findet
man busha- (auch hbäsha-, busa- und buca- geschrieben) ‘spreu,
abfall des getreides’ und busta- (man erwartet bushta-) ‘kruste
bei gebratenem fleische, schale bei früchten’. Rgv. 10, 27, 24
hat ein Dbusd-, das von Yäska (Nirukta 5, 19, ed. Satyavrata
Sämacramı 3, 96) nach dem Näighantuka (1, 12, a.a.o. 1, 97)
mit udaka- ‘wasser’ erklärt wird und wol nicht mit Dbusha-
‘spreu’ identisch ist. Jedenfalls ist es wegen der unsicheren
bedeutung bei seite zu lassen. Ausser skr. busha- ‘spreu’ und
busta- ‘kruste, schale’ darf man aber gael. bus ‘mund mit dieken
lippen’, air. dus ‘lippe’ heranziehen, deren 5 aber auch mit
Persson (Wurzelerweiterung 200) auf indog. bh zurückgeführt
werden kann (mhd. bäs ‘aufgeblasenheit, schwellende fülle’, an.
bysja ‘to gush’ erweisen indog. bhüs neben bus. Anders beur-
teilt Prellwitz 55 (s. v. Bvveo) an. püss und ahd. phoso, deren
p er ohne ersichtlichen grund aus einem velar entstanden
sein lässt.
Für die bedeutungsentwicklung in skr. busha- und busta-
hat Franck 727.760 ein analogon gegeben, indem er ansprechend
nl. peu! ‘erbsenhülse’ mit puilen *hervorschwellen, hervorragen’
verbindet. NI. puy? ‘saceulus’, puyle ‘tuber’, puylen ‘tuberare,
inflari, prominere’ etc. (Kil.), in der heutigen sprache puilen
und uitpuilen (z. b. von augen), peul, mnl. peule, mnd. nnd. päle
‘hülse, schale’, dän. pölse ‘pfühl, wurst’, engl. pulse ‘hülsen-
früchte’ gehören zur wz. germ. p&, indog. bi, die auch in lat.
bulla 'knopf, wasserblase’, skr. buli- ‘weibliche scham, after’,
lit. bulıs ‘hinterbacken’, russ, bulka ‘rundes brötchen’, buldyri
‘*beule’ vorzuliegen scheint. Zum teile können diese wörter
aber auch auf indog. 5AW ‘strotzen, schwellen’ beruhen, das zu
P aus B IM ANLAUT. 327
bul- in demselben verhältnis steht wie bhüs- zu büs- (e. oben)
und im germ. durch got. u/bauljan ‘aufblasen, aufschwellen
machen’, ahd. balla ‘beule’ u.s. w. vertreten wird (Johansson,
Beitr. 15, 225 £.).
Wie puyle zu beule verhält sich nl. pronken zu bronken
(Verdam 1,1456; Kil. broncken), welche wörter die begriffe von
‘prahlen’ und ‘verstimmt sein, brummen, bewölkt sein’ in sich
vereinigen. Falls ‘prahlen’ der ursprünglichen bedeutung am
nächsten steht, kann man lit. Drangus ‘teuer, kostbar’, brinkstü,
brinkti ‘teuer werden’ vergleichen, deren 5 sowol dem p in
pronken wie dem b in bronken entsprechen könnte. Man beachte
denselben anlautswechsel in pracht : bracht, pralen : brallen,
prangen: brangen (Kluge: 288. Franck 751). Beiläufig sei be-
merkt, dass got. -praggan ‘drücken’ gewis ein echt germ. wort
ist und nicht aus slav. -pregag entlehut sein kann (Schade 685),
weil dieses ‘spannen’ bedeutet.
Ich füge noch zwei fälle von indog. 5 im anlaut hinzu,
bei denen die germ. entsprechungen mit p zu fehlen scheinen.
Erstens gr. ßoAßoc, das nach Schmidts regel aus *BaAßoc ent-
standen sein und mit lat. bulbus (falls dieses nicht aus dem
griechischen entlehnt ist) auf indog. *b/bös zurückgeben kann.
Aus dem baltischen ist nicht nur lit. bwb& ‘kartoffel’, sondern
auch lit. bwnbulas ‘knotenartige verdiekung’, bumbulys ‘steck-
rübe’ (bumbul- aus *bulb-ul- durch dissimilation) hierher zu
stellen. Vgl. Prellwitz 50, der gegen die lautgesetze eine grund-
forın *bholbhos annimmt, welche im griechischen nur *roAgoc
hätte geben können.
Im Cräutasütra des Apastamba (ed. Garbe 2, 649) findet
sich ein wort barkara-, das im commentar mit chagala-pary-
äyah, ajäyäh stanandhayah erklärt wird und also ‘junger bock’
bedeutet. Böhtlingk und Roth führen aus den lexikographen
und aus dem Cräutasütra des Kätyäyana (976, 6) varkara-
‘zieklein’ an, das sie aber im nachtrag zu bürkara- corrigieren.
Für diese letztere schreibweise spricht jetzt auch die oben ge-
nannte belegstelle aus Apastamba. Ich fasse barkara- als
‘meekerer, meckerndes junges tier’ und stelle es zu aksl. blekati,
blekotati ‘meckern, blöken’, russ. blekotati (= blejatt, bekatt,
kricati kozoj ili ovcoj, Dahl), slov. blekati, blekotati ‘meckern’,
328 UHLENBECK
wozu blekas ‘meckerer, bock’ (kozel ki rad blekece, Miklosich 14).
Die wurzel ist beik-, blek-.
Zum schlusse bemerke ich, dass gr. Bapßırov, Bapßıros
‘saiteninstrument’ zu lit. birdti “summen’ u.s.w. gehören kann.
AMSTERDAM, märz 1895. C. C, UHLENBECK.
MISCELLEN.
1. Ahd. festi, as. fast, ags. fest, engl. fast, an. fastr wird
bei Hübschmann (Armen. studien 1,38) mit armen. has? iden-
tificiertt. Nach Kluge5 105 ist *pazdu- die grundform, auf
welche germ. *fastu- und armen. hast zurückgehen: wegen ved.
pastya ‘haus und hof, feste wohnstätte’ (für die bedeutung ist
hd. feste, nl. veste zu vergleichen) wird man aber besser tun
indog. *pastu- anzusetzen, wogegen die armen. laute sich nicht
sträuben, denn indog. st bleibt dort wie in den andern sprachen
unverändert (asiA : gr. @otng, z- gest : lat. veslis, sast : skr.
cästi-, Hübschmaun a.a. 0. 69).
2. Ahd. meh, an. mär, ags. m&w u. 8. w. 'möwe’ weisen auf
indog. maig- oder moig- (Kluge: 262. Franck 621. Noreen, Ur-
germ. lautlehre 179). Auf grund von skr. mecaka- ‘dunkelblau,
dunkelfarbig’, das auf dieselbe wurzelform zurückweist, nehme
ich an, dass die möwe oder der vogel, dessen namen sie über-
nommen hat, nach der farbe benannt ist: vgl. aksl. sinica “meise’
zu sin? "blau’, slavij "nachtigall’ zu slavu "glaucus’, vranü ‘corvus’
und vrana ‘cornix’ zu vranı *niger’, skr. härita- ‘columba ha-
riola’ zu Aarita- ‘falb’ und s. Kluge? unter beiche, rebhuhn,
specht, taube. Dass die möwe nicht eben dunkelfarbig ist,
spricht Kaum dagegen, weil einerseits die farbennamen eine
sehr wechselnde bedeutung haben (vgl. z. b. ahd. bläo : lat.
flävus) und andererseits ein vogelname leicht von der einen
gattung auf eine andere übertragen werden konnte. Dasselbe
gilt übrigens auch von andern tiernamen: vgl. Zubatys schöne
etymologie von slav. sobol? (:skr. cabala-, Arch.f.slav.phil.16,413).
3. Die meisten forscher sind heutzutage nicht geneigt, wechsel
zwischen r und ! in wurzelsilben anzunehmen (vgl.Beitr. 17,438 ff.)
und deshalb ist die alte gleichung ahd. sirzt : lat. sizs in den
MISCELLEN. 329
jüngeren werken kaum mehr zu finden. Und doch lässt sie
sich auch bei doctrinärster gesinnung aufrecht erhalten, wenn
man nur zugeben will, dass anlautendes indog. st! im germ.
lautgesetzlich zu str wurde. Dafür spricht wenigstens der
umstand, dass es im germ. keine mit s/! anlautenden wörter
gibt. Ist auch für lat. stlocus keine anknüpfung im germ. zu
finden ?
4. Aksl. strüvo, strüvi “leichnam, aas’, russ. sierva, stervo
u.8.w. (Miklosich 322) scheinen aus dem germ. entlebnt zu
sein: vgl. ahd. sieörban, wozu sterbo ‘pestis, pestilentia’ (Schade
869). Das slav. *sirv- muss auf einer nd. form mit 5 beruhen.
Schade erwähnt s.v. sierban lit. sterva ‘aas’, welches mit Brückner
137 als entlehnung aus dem kleinruss. zu betrachten ist.
5. Die gleichung got. weitwöps : apr. waidewut findet sich
schon bei Schade 1116, was mir Beitr. 19, 523 f. entgangen war.
Ebenda 519 f. ist gerta zu lesen und demnach indog. ghordh-
anzusetzen.
C. C. UHLENBECK.
GRAMMATISCHE MISCELLEN.
10. Zum umlaut des © im mhd.
Zu den nachweisen, welche zuletzt Brenner oben s. 80 ff.
für den umlaut des alten iu gegeben hat, möchte ich anhangs-
weise hinzufügen, dass auch die alte Münchener Parzivalhs. G,
von der ich aus Bartschens nachlass eine vermutlich von Vollmer
herrührende und wie es scheint recht genaue collation besitze,
genau den durch Brenner festgestellten regeln folgt. Da das
einschlägige material nicht jedermann zugänglich ist, so wird
es gestattet sein, e8 hier in etwas grösserer vollständigkeit
vorzulegen. Doch gebe ich für die regelmässigen iu ohne um-
laut im allgemeinen nur die belege der beiden ersten bücher.
Ferner sehe ich, aus nachher zu erörternden gründen, zunächst
von den reimen ab, deren material erst an zweiter stelle be-
handelt werden soll.
Es gelten folgende regeln:
1. Altes iu ohne umlaut erscheint regelrecht als iu, iv bez.
graphische varianten davon.
Belege: diu 2,25 ete.; iu 4,6.7 etc. (sehr oft); driv 88,1. 97,13,
driu 103,6. 108,6; adjectivendung -iu, -v 2,7.10 etc. (ca. 74 mal in buch I
und Il; später einmal als ausnahme gelichev 474,21, und einmal nivweiv
581,18); viur 2,3, viurs 112,29, hellefiure 2,18 (später auch formen wie
firwers 490, 28, fiwer(s) 808, 12.13); niunde 19,3; friunt 26, 25. 27,14. 28,3.
103,13, frivnt 98, 16, friunde 89, 6. 99, 30, -en 108, 19, frivnde 90,3, vrivn-
des 18,6, frivnischaft 57,13 (später auch formen wie /rient 460, 20. 539, 19,
frientliche 513,19, daneben einmal /runt 408,5); tivfel 50,12 (später
auch tivels- 514,30); hiule hodie 13,25. 79,17. 94, 24, Ahövte 49,20. 71,21.
103,24 (später auch formen wie Airle 448, 4.7. 451,21. 485,8. 508,5; zus.
ca. 40 belege mit iu, iv, iw); geziuges m. ‘zeuge’ 15,14, gezivch 27,4,
geziuch 95,16; im verbum: biut ich 24,27, ich liuge 37,1. Statt ium
wird in bekannter graphischer verkürzung meist im gesetzt: frime
gubst. 2, 1.20. 3,1. 5,30. 6,11. 15. 21,9. 26,13. 31,12. 40,1. 57,14. 90,9.
GRAMMATISCHE MISCELLEN. 331
103,22. 107,25. 110,8. 22. 113,22. 30 ete., -en 7,13. 8,15. 28,8.12. 65, 22.
68,16. 81,4. 91,20. 92,16. 101,20, untriwe 48,12 (später auch combina-
tionen wie trivwe 436, 24. 440,15. 451,26, -en 465,10, triumen 625,19, triu-
wen 613, 22, tiuwe 448, 10, tiwe 462,19, -en 449, 25. 486, 21, untiumwe 465, 10);
riwe 57,4. 80,8. 92,13. 15 etc., -en 28,18. 90,17. 114,4 etc. (später auch
formen wie riewe 448,25. 461,15 etc.); wer 7,21. 8,18.25. 9, 18.19. 21
ete., -ere 51,5. 64,22. 95, 20, -eren 22,23. 89,19. 93, 2. 94, 16 etc., -ers 51,1.
97,6 etc. (sehr oft, später auch formen wie irwer etc. 438, 12. 13. 14.
439, 16. 443, 15. 450, 30 ete., iuwer 611,27. 615,8, -erre 616,17, -erm 617, 6.
618,27, Juwer 562, 12. 564,7, Jwvver 557, 10, [vuver 562, 5, iver 697, 3, ivren
774,18, ivrem 692,11. 787,14; vgl. auch nivu = niumwan 807,18. — Unklar
ist das verhältnis von zehd zu ziu interj. 651,11. Bair. diphthongierung
= zev?
2. Der umlaut des alten 2 = ü!) wird regelmässig mit u, v
bezeichnet:
kusche adj. 128,2. 131,3. 159, 17. 238, 28. 437, 12. 452,15. 459, 22.
493,9. 527,11. 732,3, -en 87,8. 201,27. 427,6. 441,10. 466,28. 734,12,
-er 414,23. 472,12, -es 446,20, unkuschen 465, 30, chusche 5, 22, chusch-er
113,25, -en 462,4, -er 26,15, chüscher comp. 457,16, chösche 781,12,
chüschen 7142,28. 819, 24. 823,24; dazu compos. chusliche 367,27, kusch-
licher 451, 28, -en 526,5, chuslichen 493, 24; kusche subst. 90, 22. 137, 8.
176,12. 192,3. 235,28. 252,16. 260,8. 264,9. 332,12. 365, 17. 21. 404, 27.
409, 14. 451,5. 452, 20. 28. 455,8. 458, 9. 472, 16. 30. 477,14. 502,21, chusche
28,14, Absche 734, 25. 737,20, chvsche 3, 2. 809,13, chösche 824,7, unkusche
477,12; kruze 107,10. 180,3, -es 107, 17.21, chruze 105,23. 113, 21, eruce
448,12 (churze 108,1), enkruzemwis 159,18, dazu part. gekru(z)ier 72,13;
butel 55,17; kule ‘keule’ 570,6; :-casus der ?-declination: Rute *haut’
49,15. 570,2; sule ‘säule’ 590,12. 592,6.22; fusten ‘faust’ 153,12;
ja-verba: suflen 5,14. 114,1. 155,12. 161,3. 302,13, -ens 437,28 (dazu
suftec 448,9, suftebare 312,1, -beeriu 478, 16, -in 491, 4, -Darz 332,28, süfte-
bären 181,29; unsicher das praet. (er)sufte 8,27. 28,27. 170,4. 383,7. 461,27,
ersdfte 800,5); Zuter! 614,13, part. gelvtert 37,6, gelutert 252,17. 614,14,
gelüterten 140,6 (-iu- D), susen 151,29, geduhet 601,17; conj. praet.
duht 259,29, -e 403,8. 533,8. 584,6, -en 216,20, döhte 653,9. Daneben
ein iu in schivmelin ‘schäumchen’ mit iv über durchstrichenem ze 575, 20.
3. Französisches u = ü wird ebenso durch u, v wider-
gegeben:
auenlure, -vre etc. 3,28. 4,25. 12,3. 15,13. 27,22.27 etc. (sehr oft;
dazu verb. aventurt 219,4); chofertvre 14,16; !schumphenture 146,10,
ischunfentvre 212,22, tschunphenture 265,18. 268,15. 270,27, schunphe-
ture 434,21, ischunpheibre 142,8, tschömpfenture 747,4, Ischüönphenlüre
768,7; creature 283,3, -bre 817,27; Malcreature 520, 6.16. 529, 23.
1) Die transcription ö für diesen langen ü-laut will mir nicht recht
gefallen, da sie zu sehr mit dem handschriftlichen 4 — hd, üe zu-
sammentällt.
332 SIEVERS
Ausnahmen: zergvalschivret 569, 22, quatschiure 578, 11, gvatschivre
579, 20.
Auch franz. -eur ergibt -ure: tiosture 1714,19, tschatelurre
348,16, tschanture 416,21, parelvre 465,21. Ausnahme: fiostliure
496, 14.
4. Umgelautetes iu wird zu u (d.h. ö).
Belege: /ute ‘leute’ 9,7. 71,22. 90,24. 102,8. 133,17. 224, 6. 241,14.
250,9. 28. 267, 10. 296, 26. 322, 30. 338, 11. 23. 366, 29. 386, 4. 387, 12. 452,3.
471,2. 517, 30. 519, 7. 572,9, -en 247,4. 272, 11. 304,5. 312,5. 446, 8. 456, 26.
475,15. 532,4; Idte 507, 30; vote 17,24. 117,16, -en 1,16. 211,18, Zöte 683,
5.10. 707,14. 719,13. 720,20. 734,1. 761,18. 765,7. 786,10, -en 660,25.
670,28. 675,13. 685,13. 700,26. 767,13, bulute 119,2. 125,17, kouflut-er
200, 28, -Zule 201,2. 335,14. 352,18, ambetlöte 667,10; tuscher ‘deutsch’
4,29, tuschen 187,23. 416,30, #utschen 314, 21, idischiv 827,9; huffel
‘wange’ 88,19; /uhten inf. 282,9, erluht pl. imp. 434,2, durluhtich 130,5,
dvrluhtch 263, 20, durluhtic 466,3, durh- 470,7, durch- 613, 2.
5. Der umlaut wird durch analogie beseitigt oder ver-
hindert:
a) in der 2. 3. sg. ind. praes. der starken verba: erbivtst 304,3,
biules 701,29; liuget 10,28, bivt 31,22. 88,25. 227,4. 320, 30. 374,19,
enbivt 55,21. 76,23. 218,4, ernbiut 645, 10, biutet 324,3; versliuzet
299,17, fliuhet 340,8, diuzzet 466,23, riuchet 485,7; vgl. dazu das
reimpaar schiuzet : verdriuzet 241,21 und rivwei ‘reut’ 499,11 unter 6a.
Ausnahme: fluht 466,12; — b) in bildungen wie frivndin 12, 11.
96, 22. 609, 3, -inne 202,4, friundin 522,14. 628,5. 640, 27. 710,5, vrivndin
767,20, -inne 724,19. 738,16. 766,17, friwendinne 706,15; fivrin 104,1,
nen 463, 9, uivrige 496, 12.
6. Der umlaut unterbleibt lautgesetzlich:
a) vor w: getrim(e) 7, 24. 109, 30, getriwu nom, sg. f. 29,7, nom. pl.
m. 44,12 (= getriu) etc.; später auch formen wie getriewen 459,18, -iu
465,9, -ez 611,29, gelriuwe 486,14, -er 522,7, getriv 136,12. 462, 18;
nimwen adj. 10,23, -iv 73,15 (später auch formen wie nivwe 443,25, -es
435,7, -en 442,26. 455, 23, -eiv 581,18, niuwe 622,24); vgl. auch riwch
‘reuig’ 107,27. 179, 11, 3.sg. rivwet 499, 11; dazu wol auch das pron. such,
ivch 3, 29. 6,24 etc. (später auch formen wie A 457,10, ivwech 438, 27);
— b)vorr: stiure 2,7, stiuren inf. 190, 15, söurt impl. pl. 374,9; tivre
10,4. 11,19. 33, 3. 107, 7.15. 237,23. 261, 15. 758,22. 778,17. 779,4. 790, 28.
194, 23, -en 307, 3. 687,27. 773, 16. 809, 21, tivr 235, 14. 449, 27, livrz 71,24,
tivre 84,24, tiure 628, 21. 735,20 (adv. 231,10. 235,9), tiur 627,30, -en
168, 19. 233,17. 666,5. 780, 24, -em 628,16, tiwer 695,15. 756,29. 757, 3,
iimren 98,26, tivwer 638,9; gehiurer comp. 315,25; — c) vermutlich
auch vor g: urlivge 41,28, -es 246,11, urliuges 192,5, vrlivges 363, 3;
ich erziuge 436,18, erziugel part. 816, 23.
Ausnahmen hiervon bilden: a) dreimaliges geirulicher 128, 23,
getrulich 301, 24, getrvlicher 765, 22 neben getrivwelichen 438, 16,
GRAMMATISCHE MISCELLEN. 333
-Iich 562, 12; da diese überwiegenden v kaum auf zufall beruhen
können, so wird man in *geträlich neben getriuwe vielleicht
einen fall analogischen umlauts bei -/ick-bildung annehmen
dürfen; — b) bei buge ‘biegung’ 241,19, wenn dieses auf altes
*hiugja und nicht etwa auf *bagja zurückzuführen ist, was bei
der verwantschaft des worts (ags. bizan ete.) mindestens nicht
unmöglich ist.
Neu ist bei diesen regeln nur die annahme, dass der um-
laut des iu auch vor g unterbleibe; damit erledigt sich denn
auch ziugen Nib. oben s. 82 nebst meiner anmerkung dazu.
Nicht direet festzustellen sind die grundformen von russe
‘reuse’ 317,28, ebenhüze "eifersucht’ 675, 9, -kvzze 811,2 und dem
namen Huteger 52,18, -rs 37,27, -en 52, 23, Hvteger 25,9. 32, 7.
37,12, -ren 46,4, -rs 53, 7: sie können sowol iu als % gehabt haben.
Wie man sieht, sind die regeln sehr strenge eingehalten,
und ausnahmen äusserst selten: unter 1) fanden wir 1 /runt
‘freund’, unter 2) das corrigierte schivmelin, unter 3) bei den
fremdwörtern drei -iure etc. für franz. -ure und 1 -iure für franz.
-eur; unter 5) 1 /uht ‘flieht’, das vielleicht noch unausgeglichene
lautgesetzliche form sein kann, unter 6) die 3 gefrulich mit
naheliegender erklärung, und endlich das zweifelhafte buge
'biegung’: das ist alles. Zudem ist ja auch an einigen stellen
wenigstens ein versehen der collation denkbar.
Ein wenig anders liegen die dinge im reime. Wo beide
reimwörter gleichwertigen vocal haben, gelten natürlich auch
die allgemeinen regeln der schreibung durchgehends:
Belege: a) für iu : iu: driu:: vieriu 177,17; fivr : ivr 71,13, tur:
vivr 243,1, tivre : vivre 371,5, fiure : tiure 518,7. 735,27; : ungehiure
532,5, ungehiure : fiure 482,7; gehiure : tiure 168, 15. 390, 7, gehivre :
tivre 149,19, tibre : gehiöre 189,29, tiwer : gehiwer 809,5, liure : unge-
hiure 315,23, gehiure : stiure 95,1, stiure : livre 563, 11, : tiure 103, 13;
ferner rivmwe : nivwe 530,13, geriwe : trime 3,1 und die zahlreichen bin-
dungen von friwe(n) : niwe(n) und triwe(n) : riwe(n) mit den üblichen
orthographischen varianten, riwe : niwe 100,11, bliwen : rimen 294,19
(vgl. 304,13), (un)gelriwen : riwen etc. 99,7. 404,13. 526,9, endlich schiuzet:
verdriuzet 241, 21.
b) Für ü:ü: chulen: bulen 75, 7, rulen ::gelrulen 117,17, beluten:
luten 242,1, lüten : bedöten 728, 21,: bröfen dat. pl. 755,13, lulen : trulen
59,17; — chouirture : aventure 540,11; tschalalur : aventur 318, 21.
Wolfram reimt aber nicht selten auch iu auf ö. Dies zeigt
sich zwar auch in den reimen, indem nun auch graphisch iu
334 SIEVERS
mit u gebunden wird; nicht selten aber werden die reimwörter
graphisch an einander angeglichen, und zwar häufiger iu für u
als u für iu gesetzt: |
Belege: a) für ungleiche schreibung im reim: Äiute : Zute 577,1,
ldte : hivie 153,13; — hellefiur : aventure 453, 29, fiure : avenlure 456,15,
ungehivre : aventure 525,17; avenlure : gehiure 404,11. 495,19, gehivre
433,7. 478,25, vngehivre 557,27; : fiure 647,5; : stivre 115,29; kover-
löre : gehivre 109,1, Ischunfenture : gehivre 21,25; Isallüre : gehiure
531,19; — b) für angleichung von u an iu: enbivie : liule 208,29; vidr:
auentivr 130,9, fiur : aventivr 537,21, fivre : aventivre 757,5, gehivre :
avenlivre 767,21, stivre : aventivre 566,29; gehtiure : quatschiure 75,9,
-ivre 88,13, gehivre : qualschivre 571,21; auentidr : vidr 137,17, aven-
liure : stiure 329, 3, chovertivr : vidr 145, 21, Ischumphentivr : fiur 205, 27;
lanprivre : gehiure 12,9, tiostivre : gehivre 38,19; — c) für angleichung
von iu an u: suren : füren ‘teuer machen’ 547,15 (wenn nicht *füren ein
analogischer umlaut ist); ungehure : Malcrealure 517,15; aventdre : ge-
höre 734,7, aventure : slüre 419,5, koverldre : gehöre 736, 19.
Die hs. D steht nicht auf dem boden dieser regeln, sondern
drückt iu und ü in gleicher weise durch iu, iv aus: livte(n)
16. 247, aventivre 78, -ivre 89. 115, tivscher 119, sivften 134,
chivsche 142 (doch chvsche 62) Myller, ete.
LEIPZIG-GOHLIS, 24. märz 1895. E. SIEVERS.
MISCELLEN.
1. Die herkunft der Siebenbürger Sachsen.
Urkundliche zeugnisse über die frage nach der herkunft
der Siebenbürger Sachsen fehlen fast ganz, oder aber, wo sie
auftreten, sind ihre angaben so allgemeiner art, dass aus ihnen
genaue aufschlüsse über den fall nicht zu gewinnen sind. Da-
her haben denn auch fast alle gelehrten neuerdings versucht,
von der sprachlichen seite aus die frage zu lösen.!) Um so
höher hat man deshalb jede, auch noch so kleine urkundliche
notiz zu bewerten, die geeignet ist, die forschung in diesem
punkte weiter zu bringen. Eine solche ist die folgende, in dem
copialbuch des klosters Engelthal enthaltene: profitemur, quod
in Oppoldisshussen?) VIII. iugera cum dimidio hereditatis no-
stirorum consanguineorum, qui quondam Vngariam fugerunt,
monasterio in Engeltail pro VIII. marcis legalium denariorum
vendidimus (Bauer, Hess. urkb. 5,200 n0.227 a.1313 sept. 9.).
Es ist mir höchst wahrscheinlich, dass wir es mit einer aus-
wanderung nach Siebenbürgen?) zu tun haben. Ich übersehe
nicht, dass die flucht, von uns unbekannten gründen veranlasst,
einen singulären charakter trägt, dass hier nur das schicksal
einer einzelnen familie mitgeteilt wird. Allein es scheint auch
wider ziemlich sicher, dass die auswahl eines so weit entfernten
fluchtzieles nicht aufs geradewol erfolgte, dass gründe dafür
1) Die literatur siehe bei Keintzel, Ueber die herkunft der Sieben-
bürger Sachsen, Gymn.-progr. Bistritz 1887, und vgl. Kisch, Die Bistritzer
mundart, Beitr. 17, 347 ff.
2) Engelthal ist ein frauenkloster des Cisterzienserordens in der
Wetterau, auch die beiden orte Oppoldishausen und Rodenbach gehören
der Wetterau an.
®) Dass nur Siebenbürgen gemeint sein kann, nicht etwa die Zips,
ist ziemlich sicher.
336 MEIER
bestimmend gewesen sind. Und ich finde diese gründe in dem
umstand, dass aus der gleichen und aus benachbarten gegenden
im 12. und anfang des 13.jh.s die hauptauswanderung nach
Siebenbürgen erfolgte. Die tatsache, dass damals landsleute
und vielleicht verwante nach Ungarn gezogen waren, mochte
am schluss des 13. jh.’s auch für die in frage stehende familie
die auswahl des fluchtzieles bestimmen.
Unsere erwägungen beruhen insofern nicht auf einem eirkel-
schluss, als die moselfränkische, vielleicht z. t. rheinfränkische
heimat mancher kreise von Siebenbürgen durch die mundart-
liche forschung als unzweifelhaft sicher erwiesen ist. Wir
dürfen deshalb die ergebnisse dieser arbeiten verwerten, um
die mittel zur deutung unseres zeugnisses zu gewinnen. Da-
durch wird es in der tat höchst wahrscheinlich, dass geraume
zeit vorher aus jener gegend eine grössere einwanderung nach
Siebenbürgen erfolgt ist.
2. Singularartikel vor pluraldativen.
Unter diesem titel hat Erich Schmidt im Anz, fda. 17, 138
u.345 f. auf einige merkwürdige fälle hingewiesen, in denen der
artikel im singular meist in anschleifung an eine präposition
bei einem pluralischen substantiv steht. Wie E. Schmidt, so
bin auch ich durch Reinhold Köhler bei einem der unvergess-
lichen spaziergänge nach Belvedere auf diesen gebrauch auf-
merksam gemacht worden, der mir damals noch unbekannt
war. Köhler sagte mir auf das geständnis meiner unwissen-
heit, es sei bisher von niemand beachtet, nur Rudolf Hilde-
brand habe, als er ihm gelegentlich einmal über die sache ge-
sprochen, es auch bemerkt gehabt. Reinhold Köhler wollte selbst
darüber handeln; noch nach seinem unfall hatte er die absicht
nicht ganz aufgegeben, wie er mir, als ich ihm einige beispiele
geschickt hatte, schrieb. Aber wie so vieles, was wir hätten
erhoffen dürfen, ist auch dies durch seinen tod nicht zur aus-
führung gekommen.
Da mag denn hier als ergänzung zu E. Schmidts bemer-
kungen stehen, was mir seit Köhlers hinweis gelegentlich auf-
gestossen ist. Ich ordne die beispiele chronologisch:
Gotze zum Husin, bürger zu Frankfurt; Sauer, Codex dipl.
Nassoicus 1, 3, 324 no. 2954 a. 1359 nov. 15 dat. Frankfurt; phle-
MISCELLEN. 33%
gere des houes zum Birken Baur, Hess. urkb. 3, 403 no, 1311 a.
1358; züm Schelmen bietet zweimal (XV,36; XVIIIL,40) der Frank-
furter druck (A) von Murners schelmenzunft, während in beiden
fällen B zün hat. Der plural ist beidemal höchst wahrschein-
lich, wenn auch der singular nicht ganz unmöglich ist. Murners
Mühle von Schwindelsheim (Strassburger studien 2) hat zwei
fälle: zuom ohren 703, zum predigern 1535; der text bessert beide-
mal in zuen, obwol mir die annahme eines druckfehlers zweifel-
haft ist. Ob in der Geuchmatt (Kloster 8, 1076) in zum geuchen
substantiv oder infinitiv vorliegt, ist unklar; mir scheint das
erstere nicht unmöglich. Ein Mich. Lotterscher druck von 1529
hat als titel: Die Zpistel Pauli zum Colossern, durch Ph. M. ym
latein zum andern mal ausgelegt. Verdeudscht durch Justum
Jonam ete. In den Bergreihen (Neudr. s. 28, 11) haben die
beiden ältesten, die Zwickauer, drucke zum Römern, während
die zwei andern die form zun bieten.!) In Schmeltzels Quod-
libet (Nürnberg 1594) heisst es in dem abdruck bei Eitner (Das
d. lied d. 15. u. 16. jh.’s 2,153): Zum Secken braucht man groben
zwilch. Widmanns Faustbuch (1599; ed. Keller, s. 54) hat: zum
Corinthern. In den ‘Drey lustigen / auch zum teil nutzlichen /
Gesprachen’ des Andr. Ericandus Boreoceus (Leipzig 1618)
heisst es auf s. 7: (er) schnurret mir darauf zum Ohren, das
keiner sein eigen Wort hören kan. Ganz besonders zeigt Joh.
Georg Schoch diese eigenheit. Sein’1660 zu Leipzig erschienener
‘Neu-erbaueter Poetischer Lust- und Blumen-Garten’, der drei
verschiedene abteilungen umfasst, bietet eine grosse menge von
beispielen, die auch für die beurteilung und erklärung dieser
eigenheit sehr instructiv sind: Nur mit Adonis sich im Liebe zu
ergetzen Schäffer-, hirten-, liebes- und tugendlieder, rede an das
... frauen-zimmer, vorletzte seite, Drumb werd ich nur bey dieser
Bach Mein Leid und Klagen allgemach Durch stelem Todt erträncken,
ibid. 8.6, Ynd hat am Härtigkeit das Kleinste nicht verlohren ibid.
8. 32, vom Heucheley ibid. 8. 93, aus einer iedem Stunde ibid. s. 121,
1) Joh. Fr. Heynatz hat in seinen ‘Briefen die deutsche sprache
betreffend’ (Berlin 1774) die gleiche erscheinung bei Luther bemerkt. Es
heisst ihm (6, 91***): ‘Im Verzeichnisse der Bibel von 1534 steht einmal
zusammengezogen zum Corinthern. Man erinnert sich dabei der Stelle
des Lutherischen Catechismus: Sanct Paulus zum Romern am sechsten
spricht.’
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 22
338 MEIER
am Händen ibid. 8.137, vom neuen ibid. s. 154, beym Schaffen (bei
den schafen) ibid. s. 166, im wenig jahren ibid. s. 170 (dasselbe
lied ist später noch einmal abgedruckt; dort [s. 213] heisst es
in wenig J.), vom ferne ibid. 8.172, vom hinden ibid. ». 189, im
Versen Liebes-sonnett s. 38, vom neuen ibid. s. 61, am Bergen ibid.
8. 74, zum Feinden ibid. s. 102, Dreymal rifs Cerberus sich diesem
Morgen abe ibid. s. 106, vom weiten ibid. 8.125. 145, Wie artig bist
du doch am Beitel-Stab gerathen ibid. 8.127, Am Wissenschaften
Mann ibid. 8.131, zum Füssen hin ibid. s. 149, vom Bäumen ibid.
8.152, zum leizten Ehren ibid. 8.165, am Haaren (an haaren)
Poet. denck-sprüche s. 67, am Büschen und Gesträuchen ibid. s. 81,
Sie war am Zucht und Zier der Pallas zu vergleichen ibid. s. 9%,
am Schönheit ibid. 8. 97, zum liebes Thaten ibid. s.139. Umgekehrt
tritt n statt m auf: was für Angst mir auff den Hertze lay Schäffer-
hirten- ete. lieder s. 127. Auch Chr. Weise hat die eigentümlichkeit
in seinen romanen: wie man izt nach der Mode das Hembde am
Ermeln knüpfen müste Die drey klügsten leute (1675) .97, der Zeug
zum Schnuptüchern Ueberflüssige gedanken andere gattung (1692)
8.358, die Federn seyn mir so zum Scheiden (= zu den Scheiden)
abgegangen Ungleich- und gleich gepaarte liebes-a/liance (1708)
8.52. — B.S. in seinem Politischen grillenfänger (1683) s. 78:
von Worten zum Schlägen kommen. — Zu Schmidts beispielen
aus Chr. Reuters werken füge ich noch hinzu einen beleg aus
dem singspiele Mars und Irene (Geiger, Berliner neudr. 1. serie,
bd. 3, 61): Auf zum Waffen! Auf zum Waffen! — Musander hat
in seinen Studenten-regeln (Görlitz 1709) diesen gebrauch sehr
oft: beym Büchern 8.27, zum Jahren 8. 82, da sie... stets über
dem Büchern lagen 8.98, der Kerl wäre schon zu gro/s zum
Schlägen 8.108. — Bei Pieander-Henrici habe ich einen beleg
gefunden, den E. Schmidt wol übersehen hat: bi/s zum Wolcken
selbst erhöht! Ernst-schertzhaffte und satyr. gedichte 1,109 (2.aufl.
1732). Ich glaube, dass wir hier den plural anzunehmen haben.
Chr. D. von Böhlau zeigt denselben gebrauch in seinen Poetischen
Jugend-früchten (1740): So könt ihr leicht zum Sternen dringen
8.63, Zr ist es, der mir Lust und Liebe zum Wissenschaften ein-
geflöfst s. 87, ein menschlich Hirschgeweih, das nach der Schwere
wohl so viel am Enden führte 8.317, O! zähle selbiges zum gröfsten
deiner Thalen 8. 350; vgl. auch: dass sich Dein kühnes Hertz im
Stand der Ehe wagt 8.316. — Gottlieb Fuchs schreibt in den
MISCELLEN. 339
Gedichten eines ehemahls in Leipzig studirenden bauers-sohnes
(Dreßden und Leipzig 1771) 8.9: Sprich, hat wohl dein Beruff
zum Büchern mich erlesen? | Ä
Endlich noch einen beleg aus der gegenwart. Rector D.
Volkmann in Schulpforta teilte mir vor ein paar jahren mit,
dass auf dem linken Saalufer etwas oberhalb Pforta ein schild
befestigt gewesen sei mit der inschrift: Zum Saalhäusern. Vor
etwa drei jahren sei es abgenommen.
3. Das beste deutsch.
Der Leipziger magister der philosophie und poeta Caesarius
Johannes Hantschmann äussert sich in der zweiten seiner 1591
gehaltenen reden liber das academische leben,!) die dem preise
von Leipzig?) gewidmet ist, auch über die sprache einzelner
landschaften, die dem kurfürstentum Sachsen angehörten oder
ihm benachbart waren. Er spricht sich so aus: (Ouaeris Aca-
demicam vrbem, in qua masculorum pariter et foemellarum mores
externi sunt cultissimi, verdo Germanice sine Misnice pronun-
tiandi consuetudo, nihil Saxonici, nihil Thuringici, nihil Sudetici,
nihil Narisci, rustici nihil redolens? En hanc nostram Lipsiensem
(bl. 44b). Für den gebornen Meissner3) ist es besonders nahe-
1) Joannis Hantschmanni De Vita Academica Orationes Duae. Qua-
rum vna vitam Academicam in genere: Altera peculiariter vita» Academic®
Lypsicae laudes pertexit. Nunc post mortem auctoris relect& et in lucem
emiss® ab Vrbano Hantschmanno. Dresd&, Anno M.D.XCVII
2) Neben dem preise von Leipzig (extra Lipsiam vitalem non esse
vilam) kommen auch die schattenseiten etwas zu ihrem recht (bl. 31 a. b):
Quid vero si quispiam ipsa eliam elementa, ex quibus omnia constant
et nutriuntur, Lipsie minus propilia, sed corrupla magis esse conlendat?
Inopiä lignorum lapidumque in terrä hac nosträ nascenlium laboramus.
Aqua verö in vasis recondila altero quoque die non nihil feloris con-
trahit, coctaque turbulentum el vellicantem gignit potum. Quid de are
dicam? Is salubris quam sil, non situs lanlüm vrbis palustris, sed eliam
conlinua lot annorum proximorum pestis sceuilia declarat.
s) Iohannes Hantschmann stammt aus Ortrand (stadt im kr. Lieben-
werda, prov. Sachsen), auch sein vater Urban war dort wohnhaft. Dieser,
wie seine beiden söhne haben in Wittenberg studiert. Den vater ver-
zeichnet die studentenmatrikel am 17. februar 1553 (1,280, 16), der ältere
bruder Urban fehlt in dieser matrikel, ihn nennt aber das decanatsbuch
der phil. facultät 2, 288 als am 8. märz zum magister artium promoviert
und gibt in einer randbemerkung den nachtrag ].U.D., was er in der tat
später wurde. Unsern autor finden wir als Zohannes Hanischmannus
340 MEIER
liegend, wenn er meissnisch dem deutsch schlechthin gleichsetzt.
Interessant ist die contrastierung der meissnischen umgangs-
sprache und des grob dialektischen ausdrucks, wenn die worte
rustici nihil nicht das vorhergehende zusammenfassen, was sehr
möglich ist. Unter dem sächsischen idiom ist wol das nieder-
sächsische (Wittenberg) begriffen, das thüringische ist ohne
weiteres klar. Die Sudetenmundart ist vermutlich der erzgebir-
gische, der nariseische der vogtländische (oder oberpfälzische?)
dialekt.
4, Herr Neidhart.
"In einem streite der gewandschneider zu Stendal mit einem
ihrer genossen holen die gildemeister ein urteil vom Magde-
burger schöppenstuhle ein. Aus diesem erfahren wir, dass ein
angehöriger der gilde den gildemeistern, die auf anordnung des
rates eine sprache mit den gildenbrüdern gehalten hatten, vor-
geworfen hatte, dat dy Wantsnider mester, dy sungen, als ei
(er?) Nitard sang, dy sang wat om behagede, dat ander Iyd he
faren, so seden vnse meyster, wat on wol behagede, dat brechten
sy vor vnse guldebruder, wat on nicht behagede, dat Iyten sy
stan.!) Der streit wird von den kundigen historikern ‘unmittelbar
nach 1351’ gesetzt.?) |
Interessant ist das zeugnis um deswillen hauptsächlich,
weil es die genaue bekanntschaft mit der person Neidharts
in den mittleren volksschichten, bei den angehörigen der zünfte
zeigt. Denn wenn diese nicht bestanden hätte, würde die an-
Oriranlius am 5. märz 1580 in der studentenmatrikel (2, 2878,26), auch
hier ist am rande die bei Johannes anzutrefiende bemerkung nachge-
tragen /.u.d. Vermutlich ist er in Leipzig zum magister der freien
künste promoviert, die Wittenberger decanatsbücher verzeichnen ihn
nicht. Ein epigramm auf den schon verstorbenen Joh. Hantschmann
bietet Chr. Anesorgs Lauria, Nobilitas, et comitiva dr. Vrbani Hantsch-
manni, Mysenensis, IC. Consil. Elect. Saxon. (Lipsi® 1611.) F 3a. b,
Durch die freundlichkeit des herrn dr. Naetebus war es mir er-
möglicht, das in ausarbeitung befindliche register zu den beiden bereits
gedruckten bänden der Wittenberger matrikel, sowie das decanatsbuch
der phil. facultät zu benutzen.
1) Riedel, Codex dipl. Brandenburgensis A. Bd. 15, no. CLXXI. Die
urkunde ist undatiert.
2) E. Liesegang in den Forschungen zur brandenburg. und preuss.
geschichte 3 (1890), 45 ff,
MISCELLEN. 341
führung des beispiels durchaus wirkungslos gewesen sein. Eine
stelle bei Neidhart, die diesem dietum zu grunde liegen könnte,
weiss ich nicht zu nennen. Es mag auch nur eine aus der
kenntnis von Neidharts persönlichkeit geschöpfte charakterisie-
rung sein.
5. Süsskind von Trimberg.
Von der Hagen hat in seinen Minnesingern (4, 537) in einer
Würzburger urkunde von 1218 einen juden Süsskind nach-
gewiesen, vielleicht einen vater oder grossvater des dichters.
Dies ist der einzige urkundliche beleg, den wir bis jetzt kennen.
Daher lohnt es sich schon, aus dem Speyrer ahtbuch (Hilgard
8.494, 42 ff.) eine stelle anzuführen, die ein weiteres zeugnis für
den namen bringt: Item der ral hat uberkomen, das man Süzkint
den iuden vahen sol, wanne er zü Spire kummet und sol in legen
uf den turn als lange bis er hundert lib. heller git und nit minre,
umb die misselal, das er ‘gesaget halde uf Johans Verlin und
Dietzen züme Hirtze, er hetde in drizig phunt heller gelobet,
und das nit war was, und do der rat ime dar umb bezserunge
wolte uf seizen, do entran er uz der slatl ....... Actum anno
domini MCCCAXLI, an dem wihenacht abende. Hier haben wir
möglicherweise einen nachfahren des dichters vor uns. Der
hier genannte jude Süsskind ist wol aus Speier, oder aus dessen
näherer umgebung. Würzburg, Trimberg, Speier, die orte, in
denen der name erwähnt wird, sie liegen alle nahe bei einander.
Wenn wir uns dessen erinnern, dass der dichter Süsskind
mehrere kinder hatte, wenn wir ferner erwägen, dass etwa 6
bis 7 decennien nach ihm der gleiche name in jener gegend
sich findet, so werden wir in der vermeintlichen auf den dichter
bezüglichen ‘literarhistorischen legende’ aus Trimberg (Zs. fda.
38, 201 ff.) eher ein liebenswürdiges phantasiebild R. M. Meyers
erblicken, dem vielleicht die gesellschaft des dichters K.E.Franzos
gefährlich geworden ist. Es ist durchaus nicht abzusehen, warum
die 200 jahre alte erzählung von dem juden Süsskind in Trim-
berg, der der schmuser und beiläufer der burgherren ge-
wesen sei, sich auf den dichter beziehen, warum in dieser
gestalt dessen abgeblasstes und verschwommenes schattenbild
vorliegen soll. Eine 600 jahr lange tradition wäre etwas er-
staunliches, zumal über ihr leben in den ersten 400 jahren
jegliche nachweise fehlen. Warum soll nicht ein nachkomme
342 MEIER
jener Süsskinde, meinetwegen auch ein nachkomme des dichters,
dort zur zeit des dreissigjährigen krieges gesessen haben?
Dass die volkssage sonst nur reiche juden kenne, ist kaum
erweislich, In der geschichte des gaunertums spielen die juden
seit dem anfange unsrer kenntnis eine höchst bedeutsame rolle,
und als ‘schmuser’, als ‘beiläufer’, als ‘hehler’ haben sie sich
auch jetzt noch im gedächtnis des volkes gehalten und werden
durchaus nicht immer grade als reich aufgefasst.
Die ‘literarhistorische tradition’ müssen wir als ‘dich-
tung’ zurückweisen, wenn wir es auch als interessante ‘wahr-
heit’ begrüssen, dass der erzählung nach in Trimberg noch um
die zeit des grossen krieges ein jude Süsskind gewohnt hat.
Das oben angeführte zeugnis verstärkt übrigens, falls es
noch nötig sein sollte, die gründe für die annahme, dass der
dichter Süsskind in der tat ein jude gewesen ist.
6. Ein irrtum in Goedekes Grundriss.
Die angaben Goedekes über die liedersammlungen des
16. jh.’s sind leider nicht immer mit der wünschenswerten ge-
nauigkeit gemacht. Bei einer neuen auflage wird eine gründ-
liche revision stattzufinden haben. Es ist nicht meine absicht,
hier eine anzahl von einzelheiten zu berichtigen, ich will nur
auf eine besonders grosse confusion aufmerksam machen.
Was Goedeke im Grundriss 2, 32 no. 13 über die Gassen-
hawer und Reutterliedlein bemerkt, ist zum grossen teil
unrichtig. Es müssen ihm hier mehrere zettel untereinander
sckommen sein, und den wirrwarr zu lösen ist ihm nicht mög-
lich gewesen. Die richtigen angaben stehen in meiner biblio-
graphie der volksliteratur in Pauls Grundriss 2, 1, 760; ich muss
hier aber noch auf ein paar einzelheiten eingehen.
Die beiden liedersammlungen ‘Gassenhawer und Reutter-
liedlein’ und ‘56 deutsche lieder’ sind von Goedeke (I. e.)
durcheinander geschoben. Die ersten 23/, zeilen beziehen sich
richtig auf die genannte sammlung, die 83 lieder umfasst.
Die weiteren angaben Goedekes und das verzeichnis der
liederanfänge geht aber auf die 56 lieder, nur dass fälschlich
drei nummern aus der ersten sammlung in die alphabetische
anführung hineingeraten sind: Zin meidlein an dem laden lag 62.
— Ich armes brüderlein. 64. — Wolauf wolauf mit lauter stimm.
MISCELLEN. 343
63. Die übrigen anfänge entstammen den 56 deutschen liedern,
nur dass no.20, die beginnt: J/ch wil furthin keyn gsell mehr
sein, bei Goedeke ausgelassen ist. Auch sonst sind noch ein
paar irrtümer zu berichtigen: no. 39 lies Der felbir statt Der
selber, no.2 lies Wie nicht sei nicht statt Nie nicht sei nicht,
no. 12 lies Freundtlichen grüfs statt Frundtlicher grufs, no.9 lies
Ein frewlin fein | ist bei mir gsein statt Zin frewlein fein ist ein
hüpsche graserin. Das quodlibet no. 42 hat natürlich in jeder
stimme andere worte untergelegt. Der text der dreistimmigen
lieder no.40 und 53 deckt sich mit dem der no. 39 und 52. Bei
no. 45 lautet der anfang: Wie macht sich das | wie macht sich
da/s | dafs das glafs | nit ist na/s. |
7. Zum leben Johann Georg Schochs.
Da ausser ein paar daten!) nichts aus dem leben Johann
Georg Schochs, des verfassers der Comoedia vom studenten-
leben (1657), bekannt ist, so mag hier ein bisher nicht beach-
teter hinweis platz finden auf eine stelle, die sich wol auf ihn
bezieht, sonst aber allerdings weder etwas besonders interessantes,
noch etwas besonders rühmenswertes zu berichten weiss. G.Rein-
wald erzählt in seinem ‘Academien- und studentenspiegel, in
welchem das heutige leben auf universitäten gezeiget, geprüfet
und beklaget wird (Berlin 1720)’, 8.301: Mein Vater hat mir
erzehlet, das zu seiner Zeit ein Magister, so besoffen war |
und nachher eine Comadie vom Studenten-Leben geschrieben |
nicht allein in der Kirchen als eine Ratze geschlaffen | sondern
auch einen Burgemeister | weil der Raths-Stuhl gleich unter dem
Studenten-Chor gewesen | von oben bi[s unten bespyen habe.
1) Goedeke, Grundr.? 3, 67 ff. W. Fabricius, Joh. Georg Schochs Co-
moedia vom studentenleben (München 1892) s. VII.
HALLE a. S., januar 1895. JOHN MEIER.
344 SCHUCHARDT, BAKELJAUW. — BEHAGHEL, MHD. ERBEIT.
BAKELJAUW.
Herr prof. Uhlenbeck macht mich darauf aufmerksam, dass
ich ihn falsch verstanden habe, wenn ich ihn zwischen bask.
bakallao und holl. bakeljaum ‘romanische vermittlung’ annehmen
liess. Er sagt in der tat ganz deutlich (sowol in den Beitr.
19, 329 als in der Tijdschr. v. Ned. taal- en letterk. 11, 227), dass
das holl. bakeljauw von den holländischen Grönlandsfahrern im
17. jahrh. aus dem bask. bakallao entlehnt worden sei. Ich
denke, dass ein solches baskisches wort nicht unmittelbar aus
dem baskischen ins holländische übertreten konnte, sondern
dass die Basken mit den Holländern nur in spanischer oder
französischer sprache verkehrten; dabei kommt noch in betracht,
dass bacallao damals ebenso ein spanisches wie ein baskisches
wort war und dass am kabeljaufang sicherlich sehr viel an-
wohner des bizkaischen golfes teilnahmen, die des baskischen
gar nicht mächtig waren. Ich gestehe, es war etwas leicht-
sinnig von mir, diese meine meinung, die allerdings einen ganz
untergeordneten punkt der frage betrifft, auch bei herrn prof.
Uhlenbeck vorauszusetzen.
GRAZ, 23. dee. 1894. H. SCHUCHARDT.
MHD. ZRZZIT.
Sievers hat oben 19, 550 f. dargetan, dass der umlaut in
mhd. erbeit nicht folge alter abstufung in der nebensilbe sein
kann. Die positive erklärung ist einfach die, dass der diph-
thong ei selber umlautend gewirkt hat. Einen ganz sichern
beweis dafür liefern die umgelauteteten formen von oheim und
ameise.!) Dass der umlaut bald steht, bald fehlt, hängt mit
verschiedener betonung der nebensilbe zusammen.
[1) Vgl. auch mhd. gänster, genster (gaenester gl. Herrad.) neben
ganster ‘funke’, zu ahd. ganeistra, Grimm, Gr. 22,351 etc. E.S.]
GIESSEN, 27. december 1894. O. BEHAGHEL.
u ri, 0 nl rn a A ei
me: m L
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k.
1. Die handschrift.
Ueber das äussere der Piaristen-hs., in der das Nibelunger
liet erhalten ist, haben W. Scherer (Zs. fda. 15, 144 f.) und nach
angaben E. Leischings A. v. Keller (Bibl. des liter. vereins in Stutt-
gart 142, 375 ff.) berichtet, nachdem A. Holtzmann (Germ. 4, 315
—337) einzelheiten darüber angemerkt hatte. Im folgenden sollen
diese angaben vervollständigt, zum teil berichtigt werden.!)
Der erste teil der hs. besteht aus 98 blättern. Die erste
seite des ersten blattes ist leer, die zweite zeigt ein aquarell,
Siegfrieds ermordung darstellend: Siegfried liegt über dem
brunnen hingestreckt, Hagen hat ihm eben den ger zwischen
die schultern gestossen. Zwei männer, offenbar Gunther und
Gernot, stehen rechts neben Hagen, der eine abgewendet, der
andere mit dem blicke auf ihn. Alle vier sind nur mit kurzen
hemden bekleidet, die beine sind nackt. Im hintergrunde bäume.
Dieses blatt und das nächste sind nicht numeriert, ebenso nicht
das letzte. Die übrigen tragen in minium die nummern 134—229,
Eine zusammengehörigkeit zu lagen ist jetzt, wo die einzelnen
teile der sammelhs, mit einem umschlag aus weissem papier ver-
sehen und mit dem rücken in dieses fest eingeklebt sind, äusser-
lich nicht mehr recht zu erkennen. Indessen sind rechts unten
auf den rückseiten der blätter 144. 156. 168. 181. 193. 205. 217.229
die anfangsworte der ersten strophe des nächsten blattes ge-
schrieben. Es gehören also je 12 blätter zu einer lage zusammen,
und der 1. teil der hs. bestand aus 8 solchen lagen. Vorn war
ein blatt, das auf der 2. seite das bild trägt, vorgesetzt. Des-
ı) Herr dr. Karl Hiecke in Wien hatte die freundlichkeit, meine
notizen hierliber durch beantwortung mehrerer anfragen zu bestätigen
oder zu ergänzen, wofür ich ihm hiermit nochmals bestens danke.
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 33
346 LUNZER
gleichen war auch an die 4. lage ein blatt (181) angeheftet
(auch die von da ab gebrauchte tinte war eine andere). Das
erste blatt der ersten lage und das letzte blatt der letzten (beide
nicht rot numeriert) sind mit dunklerer tinte geschrieben als
alles übrige. Wahrscheinlich waren die ursprünglichen blätter
beim lesen abgenutzt worden und wurden dann durch neue
ersetzt. Die erste strophe des ersten beschriebenen blattes hat
eine farbige grosse initiale, das letzte blatt trägt nur auf der
ersten seite eine strophe, während die zweite seite leer ist.
Der zweite teil der hs. hat 108 blätter. Das erste und
das letzte blatt sind nicht numeriert, die übrigen tragen (wider
in minium) die nummern 232—335, wobei die nummern 245
und 258 irrtümlich zweimal vorkommen. Die blätter 241. 252.
263. 275. 287. 299. 311 zeigen am rechten unteren rande der
letzten seite wider die anfangsworte der nächsten seite. Da-
gegen fehlt dieser vermerk von da an: auf bl. 323 und 335. —
Die erste strophe des ersten blattes hat wider grosse farbige
initiale. Der zweite teil der hs. bestand aus 9 lagen zu je 12
blättern. Da der erste vermerk schon auf dem 11. blatte steht,
so ist das erste blatt dieser lage ursprünglich das letzte des
1. teiles gewesen. An die letzte lage ist ein blatt angehängt.
Das erste und das letzte blatt, beide ohne numerierung, sind
wider mit dunklerer tinte geschrieben.
Im inneren der hs. zeigt sich ein unterschied in der ge-
brauchten tinte, wie oben erwähnt, mit dem beginn von bl. 182:
bis dahin grauschwarze, von da ab braune tinte (letztere
auch im ganzen zweiten teile). Die deckblätter beider teile
sind mit schwarzer tinte geschrieben. Einen unterschied in den
schriftzügen habe ich nicht wahrgenommen. Die zerlesenen
blätter scheinen also von demselben schreiber erneuert worden
zu sein. Unterschiede in der orthographie, von denen an an-
derem orte die rede sein wird, zeigen allerdings, dass dies um
ein ziemliches später geschen sein muss.
Bei der zählung in minium, die auch die früher stehenden
gedichte Otnit und Wolfdietrich umfasst, erscheinen das bild
und die jetzt nicht numerierten blätter auch berücksichtigt.
Sie waren also ursprünglich auch mit nummern versehen.
Die custoden stimmen mit dem beginne der nächsten seite
überein, mit folgenden ausnahmen:
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 347
1) bl. 144 Nu beytet str. 144 (gezählt nach der ausgabe):
Gunther in seinem herczen. Es lag also dem schreiber die von
ihm im folgenden übersprungene strophe (Bartsch) 147 vor, die
mit den worten beginnt Nu bitet.
2) bl 193 Da lag ir str. 720,1: Das lag ir.
3) bl.229 Zz fugt str. 1152,1: Sich fugt. Die str. 1152
liegt jetzt — auf einem jüngeren blatte geschrieben — wol
nicht mehr in der ursprünglicheu fassung vor. Die letztere
begann also wol mit Zz fugt.
Die zeilen der strophen sind abgesetzt, ausser in den beiden
ersten strophen der 2 teile, wo die initialen zu viel raum weg-
nahmen. Die strophen werden durch einen feinen strich ab-
getrennt (der übrigens. nicht rot ist, wie Keller s. 377 angibt,
sondern von der farbe der jeweilig gebrauchten tinte). Einmal
steht er nach 69,1 statt nach 68,4. In str. 1066 ist er schon
nach v.3 angefangen, steht aber dann richtig und zu ende ge-
zogen nach v.4. Ebenso in str. 1806. Nach 2076,1 ist eine
feinere und verwischte linie zu bemerken: 'ursache war ver-
zählen des schreibers. — Ausserdem sind die strophen 12—143
(nicht wie Keller schreibt 1331)) mit minium numeriert. Ueber
die fehler dieser zählung vgl. Keller s. 377. Obne zweifel waren
auch die ersten 11 strophen, welche das 1. blatt füllen, in der
ersten niederschrift numeriert. Am schlusse der ersten lage,
die eben mit str. 143 endet, kam der schreiber zur einsicht,
dass diese methode, die schon eine anzahl von irrtümern ver-
schuldet hatte, unpraktisch sei. Die nun folgenden strophen
145—797, mit welcher letzteren in der hs. eine seite und nach
der (übrigens auch unrichtigen) zählung von 100 zu 100 strophen
das 8. hundert endet, sind durch einen kleinen roten strich aus-
gezeichnet, der bei grossem anfangsbuchstaben durch diesen,
bei kleinem unter ihm verläuft. Er fehlt jedoch in str. 705,
steht doppelt in str. 476 und 477 (v.1 und 2), und versetzt in
str. 548 und 549 (v.2). Diese versehen wären wol, ebenso wie
jene früheren, nicht leicht möglich gewesen, wenn der querstrich
schon gezogen war. Auf diesen gedanken ist der schreiber
also erst jetzt (bei str. 798) gekommen, und hat die teilung von
1) Die hs. zählt, nachdem schon mehrere fehler vorausgegangen waren,
irrtiimlich 180. |
23*
348 LUNZER
je vier zu vier zeilen nun auch in den früheren partien nach-
getragen.
Endlich findet sich noch eine zählung von je 100 zu 100
strophen. Die betr. ziffern stehen bei str. 499. 599. 699. 798.
899. 999. 1099 und im zweiten teile, wo von dessen erster
strophe (1153) an gezählt wird, bei 1253. 1353. 1452. 1552.
1652. 1752. 1852. 1952. 2052. 2152. 2252. 2351. Ein versuch,
die incongruenzen dieser zählung darauf zurückzuführen, dass
etwa die vorlage schon die nummern gezeigt hätte, und also
die zählung die anzahl der in dieser vorhandenen strophen an-
deutete, führt zu keinem ergebnis. Die ziffern stimmen ledig-
lich wegen der nachlässigkeit des schreibers nicht.
Gemeinsam ist allen versuchen, die strophen zu scheiden,
nur der umstand, dass keiner obne verschiedene fehler ge-
lungen ist.
Man wird also in schlüssen, die auf eine gewisse genauig-
keit und sorgfalt des schreibers gebaut werden müssten (z. b.
in schlüssen aus dem fehlen von strophen in k auf die vorlage)
schon jetzt zur vorsicht gemahnt.
Im gebrauche der grossen und kleinen anfangsbuchstaben,
von denen der erste sehr häufig, aber nicht immer, zu beginn
einer strophe oder zeile steht, habe ich keine regelmässigkeit
gefunden (str. 1996, 1 hat sogar der bezeichnete aventiuren-
anfang kleine initiale: T v7).
Ueber die bezeichnung der aventiuren-abschnitte vgl. Holtz-
mann, Germ. 4,336. Nachzutragen ist, dass auch str. 976, 1 mit
auffällig grosser initiale beginnt und am linken rande das
sonst zur markierung der aventiurenanfänge gebrauchte zeichen
d aufweist. Von den alten Nibelungenhandschriften macht bier
keine einen einschnitt. Auch inhaltlich ist er nicht begründet.
Der schreiber hat also (wenn er nicht etwa ein zeichen der
vorlage falsch verstanden hat) die ermordung Siegfrieds hervor-
heben wollen, mit deren erzählung hier begonnen wird, oder
das zeichen soll auf das bild hindeuten, das hieher gehört.
Die abschnitte, die der abdruck nach der analogie der alten
hss. mit str. 44. 261. 382. 469. 573. 687. 2379 ansetzt, entbehren
einer grundlage in k. Wol aber ist dort ein abschnitt bei 388
und 481 angedeutet, wo ihn der druck nicht macht.
Durch das fehlen des einschnittes bei str. 44 bleibt alles
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 349
ungetrennt, was von Siegfried erzählt wird, von seiner schwert-
leite an bis zum beginne des Sachsenkrieges. — Ebenso hat
der ganze Sachsenkrieg mit heimkehr, empfang und friedens-
schluss in k keine einteilung, da 261 wegfällt. — Desgleichen
Siegfrieds entsendung nach Worms und die vorbereitungen zur
hochzeit (IX), die doppelhochzeit (X) und das ende der feier-
lichkeiten (XI). — Endlich ist am schlusse des gedichtes die
ganze partie vom eingreifen Dietrichs angefangen (k 2289) nicht
mehr geteilt. — Es ist also nicht unmöglich, dass an diesen
stellen die aventiureneinschnitte auch in der vorlage von k
gefehlt haben: die dadurch sich ergebenden grösseren partien
sind alle durch eine gewisse einheit zusammengehalten. Sicher-
heit fehlt dieser vermutung, weil dem schreiber auch das über-
sehen dieser zeichen zuzutrauen ist.
Nicht ohne interesse sind eine grosse anzahl von lese-
zeichen, die (meist) am äusseren rande der handschrift mit
rötel angebracht sind. Sie wurden, so weit sich vermuten
lässt, angebracht an stellen, welche die aufmerksamkeit eines
lesers besonders auf sich zogen. Vom schreiber der hs. selbst
rühren sie sicher nicht her. Erstens hätte dieser, wenn er mit
tinte schrieb, die zeichen wahrscheinlich nicht mit rötel ge-
macht. Sodann aber — und das ist entscheidend — ist das
lesezeichen einmal an einer stelle angebracht, wo der schreiber
das original richtig, wenn auch nicht ohne zweideutigkeit über-
setzt hat, während ein anderer seine übersetzung falsch ver-
stand, die stelle irrtümlich anzeichnete, und dann, nachdem er
seinen irrtum wahrgenommen hatte, seinen vermerk wider aus-
strich. Da diese lesezeichen den geschmack des publicums,
auf das die hs. rechnete, ziemlich deutlich erkennen lassen,
sollen sie hier nicht übergangen werden. Vorausgeschickt mag
noch sein, dass sie eingetragen wurden, nachdem die neuen
decekblätter schon eingesetzt waren, denn sie finden sich auch
auf diesen.
Es lassen sich verschiedene abstufungen unterscheiden: am
häufigsten findet sich a) ein absteigender schnörkel mit drei
im dreieck darüber stehenden punkten, oder ein ebensolcher
aufsteigender schnörkel mit drei punkten unten; b) das zeichen
a doppelt, und c) dasselbe doppelt mit je einem stärkeren punkt
in der mitte darüber und darunter; d) das zeichen a dreimal
350 LUNZER
mit den stärkeren punkten oder ohne punkte; vereinzelt e) das
zeichen a umgeben von vier stärkeren punkten, und f) ein
dreiarmiger absteigender schnörkel mit drei punkten darüber.
Dreifach ausgezeichnet sind die stellen: 977, 1.2 (Siegfrieds
ermordung). 2005, 1 (Hagen schlägt dem kleinen Ortlieb das
haupt ab). 2443,1.2 (Kriemhild erschlägt Hagen). 2439, 1.2
(Hildebrand erschlägt Kriembild). 1969, 1. 2 (trotzige rede Dank-
warts gegen Blödelin und dessen mannen: das zeichen soll
vielleicht zu 1970, 1.2 gehören: Blödelin wird erschlagen). Aber
auch 1829, 1.2 (sentenz zum lobe der freundschaft). 1244, 3.4
(Kriemhild will keinen anderen mann nehmen, seit sie den
besten verloren hat — also lob der treue). 2119,4 ist das
zeichen ausgestrichen. Die zeile heisst: HZawwart schlug da zu
tode Hagen der kün mweygant. Der leser verstand: den k. m.
und meinte, Hagen sei gefallen. Das schien ihm so wichtig,
dass er die stelle dreifach hervorhob. Aber schon aus der
nächsten zeile erhellte das misverständnis und das zeichen
wurde gestrichen.
Das zeichen e steht an folgenden stellen: 990,4. 991, 1
(rührende klage des zu tod verwundeten Siegfried um Kriem-
hilde und über die schändlichkeit seiner mäge). 1528, 2 (dreissig-
tausend helden vom Rhein kommen in not). 1973, 2 (Dank warts
worte an seine überfallenen mannen). '1975,3 (zweitausend
bleiben tot). 1979, 2 (neuntausend sind erschlagen).
Das zeichen b: 587,1 (Kriemhild ist schöner als Brünhild).
677,1 (Siegfried nimmt der Brünhild ihren fingerring).- 1000, 3
(ort, wo Siegfried erschlagen wurde). 1396, 2.3 (Herrat wird
rühmend eingeführt als gemahlin Dietrichs und tochter eines
mächtigen königs). 1818, 1 (trotzrede Hagens gegen Kriembild).
2058, 1,2 (auf Geiselhers rat werden mehr als neuntausend tote
aus dem saale geworfen).
Das zeichen e: 2354,1 (alle Burgunder sind erschlagen).
2430,1 (Kriemhild lässt Gunther töten).
Das zeichen f: 1270,1.2 (Kriemhild nimmt anstoss daran,
dass Etzel ein heide ist). 1922,1.2 (Volker ersticht im turnier
den geputzten Heunen).
Unter den zahlreichen einfach bezeichneten stellen verlohnt
es sich, gruppen auszuscheiden: |
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 351
a) Den leser interessieren zahlenangaben:
44,4 (der Kriemhild sind 13 könige untertan).. 70,1 (am achten tage
reitet Siegfried mit den seinen in Worms ein). 710,4 (Siegfried regiert
12 jahre). 1104, 1.2 (Kriembhild trauert 4 jahre um Siegfried). 1144,2 (sie
klagt täglich um ihn bis in das 12. jahr). 1246, 2.3 (in Etzels lande dienen
ihr 12 königreiche und 30 fürstentümer). 1296, 1 (sie nimmt von Burgund
100 jungfrauen mit). 1391,4 (im Heunenlande dienen ihr 3000 jungfrauen
und frauen). 1493, 3 (Hagen rät, 3000 mann zur heerfahrt auszuwählen).
1494, 3 (12000 werden besant). 2184, 1 (mehr als 1200 mann dringen gegen
die Burgunder). |
b) Ortsangaben:
906, 2.3 (jagd auf dem Odenwalde). 1145,4 (kloster Lorsch), 1353, 1
(aus Reussen und aus Krichen). 1376,3.4 (Wien). 1517,4 (Etzel in
Gran). 1550,1 (Franken. — Schwanfelden).
c) Wunderbare dinge:
86,1 (Hagen beginnt die erzählung von Siegfrieds abenteuern). 87, 2.3.
88,2. 1121,3. 1122,2 (hort der Nibelunge). 93,2 (zwölf riesen). 95,2
u. 96,1 (der zwerg Alberich). 96,3 (die tarıkappe). 99,2 (der drache).
99, 3. 897,1 (bad im drachenblut). 666,1 (Brünhildens kraft). 930, 2.8
(Siegfried erlegt einen elephanten [!]). 948,3 (Siegfrieds bogen können
4 männer nicht spannen). |
d) Hofceremoniell:
1309,2 (Pilgrim mit seinem hofgesinde zieht der Kriemhild entgegen).
1329,1 (Kriemhild und Gotelind begrüssen einander). 1364,1.2 (zwei
fürsten tragen Kriemhildens kleid). 1366, 3 (Kriembild küsst zwölf
fürsten). 1755,1 (Dietrich bewillkommt die Burgunder). 1954,1 (vier
diener begleiten Ortlieb).
e) Vorausdeutungen: Ä
13,1 (Kriemhildens traum). 19, 3 (vorausdeutung auf Kriemhildens rache).
919,2 (anderer traum der Kriemhild). 920,4 (Kriemhild wird Siegfried
nie widersehen). 1486,3 (Runolt warnt vor der reise). 1548,3 (der
kaplan wird allein entkoıwmen). 1568,4 (dasselbe prophezeien die meer-
weiber). 1609,4 (Hagen verkündet, dass die Burgunder nicht mehr zu-
rückkehren werden). 1748,1 (Kriemhild sinnt auf unheil).
f) Erwähnungen (besonders rühmende) von königen, fürst-
lichen personen, helden u. s. w.:
4,2 (die könige von Worms). 47,2 (kein held gleicht Siegfried).
127,1.2 (er zeichnet sich in den kampfspielen am hofe vor allen aus).
586, 2 (alle welt preist Kriemhild und Brünhild). 1154,3 (Kriemhild wird
gerühmt). 1255,2 (Etzel ist der gewaltigste von Hemwnen bis an daz role
mer. 1369,2 (die Berner zeichnen sich im turnier aus). 1445,2 (Etzels
boten werden nirgends angefallen, weil man ihren herrn scheut). 1752, 2
(die Berner sind die besten helden auf erden). 1824, 1 (Hagen wird von
einem Heunen gerühmt)
352 LUNZER
g) Wichtigere vorgänge:
49,1 (Siegfried will nach Worms reiten). 107,1. 111,2 (Siegfried fordert
Gunther heraus). 682,1 (Siegfried schenkt Brünhildens ring und gürtel
seinem weibe). 914,2. 920,1 (Siegfrieds letzter abschied von Kriemhild).
983,1 (Siegfried ringt mit dem tode). 1155, 8 (Etzel fürchtet, Kriemhild
werde als christin seine werbung abweisen). 1249,3.4 (Kriemhild will
ihren mann bis an ihr ende beklagen). 1265,4 (Rüdiger verspricht, ihr
leid zu rächen). 1266, 1 (sie freut sich darüber). 1273,4 (sie entschliesst
sich, Etzels gemahlin zu werden). 1415, 1.2 (sie bittet Etzel, ihre brüder
zu laden). 1428,1 (das fest zu sonnwenden). 1431,2 (Kriemhild ver-
bietet den boten, in Worms von ihrer trauer zu reden). 1602,3.4 (Hagen
wirft den kaplan in den strom). 1662,3.4 (er nimmt dem schlafenden
Eckewart sein schwert). 1712,1.2 (Rüdiger steuert seine tochter aus).
1936,3 (Hagen allein soll erschlagen werden). 1965,1 (Blödelin schilt
Hagen). 2154, 1 (des einzigen Hagen auslieferung wird gefordert). 2161, 1
(Kriemhild lässt den saal anzünden). 2272,1 (Rüdiger erschlägt Gernot).
2273, 1 (beide sterben zugleich). 2360, 1 (Hagen kämpft mit Hildebrand).
2363, 1.2 (im saale lebt niemand mehr als Gunther und Hagen). 2411, 1
(Dietrich bindet Hagen).
Hierher gehören wol auch 622, 1 (Gunther und Siegfried sehnen sich
nach ihren frauen). 630,1 (Brünhildens gürtel). 992,3. 993,4 (vorwürfe
und bitten des sterbenden Siegfried). 998,4 (lüge, Siegfried sei von
räubern erschlagen worden), 1172,1 (Rüdiger reitet als bote aus dem
Heunenlande). 1242,4 (er richtet Etzels werbung aus). 1286,1 (Kriem-
hild beklagt sich über Hagen). 1471,1 (Ute klagt über die weite entfer-
nung von ihrer tochter). 1517,3 (Rüdiger sendet boten an Etzel voraus).
1608, 2.3 (das Donauschiff wird zerschlagen). 1898, 1.2 (hätte man Etzel
gewarnt, so wäre Kriemhildens grimm ohne folgen geblieben). 2367, 1
(Dietrich schilt Hildebrand).
Erwähnt mag noch werden, dass solche lesezeichen, die in
den übrigen partien durchaus nicht selten sind, von str. 128—586
(also ungefähr in den lagen 2—4 oder den aventiuren IV—IX)
sowie von str. 711—896 (= lage 6 oder avent. XlII—XIV) ganz
fehlen. Der sie angebracht hat, scheint also diese teile (Sachsen-
krieg, erwerbung Brünhildens — Siegfried und Kriemhild nach
Worms geladen, zwist der königinnen) nicht gelesen zu haben,
sei es, dass sie ihm nicht vorlagen, sei es, dass er sie übergieng.
Dass die zeichen nicht eonsequent angebracht sind und
namentlich nicht selten fehlen, wo veranlassung zum anmerken
gewesen wäre, wird niemanden wundern. Sie entstammen
einer augenblicklichen stimmung, sind für den persönlichen ge-
brauch (wenn überhaupt für einen) bestimmt, und erheben gar
keinen anspruch auf vollständigkeit.
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 353
Die geschmacksrichtung ihres urhebers ist gleichwol deut-
lich genug: am meisten wirken auf ihn die todesfälle grosser
persönlichkeiten, besonders wenn sie recht grausig sind (Sieg-
fried, Ortlieb, Hagen, Kriemhild). Grosse zahlen und kenntnis
von orten imponieren ihm, an unglaublichen dingen und am
benehmen vornehmer personen findet er gefallen, er freut sich,
wenn die helden der geschichte recht herausgestrichen werden,
gelegentlich erwirbt sich auch eine rührende sentenz seinen
beifall.e. Im ganzen verrät er ein robes, aber naives urteil.
Seine sagenkenntnis ist gewis nicht gross: er hält es für mög-
lich (offenbar liest er das gedicht zum ersten mal), dass Hagen
von Hawart gefällt wird. Zwar möchte man aus einigen,
namentlich der unter g aufgezählten zeichen schliessen, dass
ihm der zusammenhang von einzelheiten mit dem folgenden
von vornherein deutlich war (vgl. z. b. 682,1. 914,2. 920,1.
1265, 4. 1266, 1. 1415,12. 1428,1). Das müsste man auch voraus-
setzen, wenn er wirklich ganze aventiuren Übersprungen hat.
Indessen fällt dies alles gegen jenen fehler schwerlich ins ge-
wicht, d.h. man wird die erwähnten zeichen und das ausbleiben
von zeichen in grösseren partien anders zu erklären haben, als
durch eigene sagenkenntnis des lesers.
Der maler des bildes, iiber den an dieser stelle vielleicht
auch ein paar worte platz finden dürfen, hat die situation im
ganzen richtig erfasst. Auch dass von den zeugen des mordes
uur der eine (jedenfalls Gunther) hinsieht, stimmt mit der auf-
fassung des alten gedichtes überein, das Gunther nächst Hagen
für den schuldigen hält, während Gernot seine unschuld be-
teuert. Die keineswegs königliche gewandung der vier herren
muss auf die kenntnis zurückgeführt werden, dass Siegfried
und Hagen eben vorher in zweien weissen hemden den wettlauf
zum brunnen gemacht haben. Die beiden anderen allerdings
waren daran nicht beteiligt. Vermutlich also hatte der maler
keine eigene sagenkenntnis und war vorher nur, wenn auch
etwas mangelhaft, instruiert worden.
Der schreiber war sicher mit dem bearbeiter identisch.
Das beweisen die zahlreichen, dann verbesserten irrtümer, mehr
noch correeturen, die eine an sich richtige, aber, wie sich wäh-
rend des weiterschreibens herausstellte, wegen des metrums oder
354 LUNZER
wegen des reimes unhaltbare fügung ändern. Die verbesse-
rungen werden mit ausnahme der ganz bedeutungslosen auf-
gezählt; ich setze dabei ausgestrichene wörter oder buchstaben
in [—]:
in
259, 1 gecziret [si] di si. 292,2 als ich hab [sie] gesehen. 320,4
bleib manch
Des [must] der kune degen. 321,2 in niderlanden ein schones. 336,2
zweilff
so het [acht] mannes. 351,4 man[ch] sach. 544,1 kunig [sey] stee.
Des
615,1 war [ich] umb ich. 767,4 [Und] danckten. 810,2 rofs rofs (zwei-
vor rillers .
mal) manch. 825,3 [nach]. 830,2 schonen [frame]. 895,1 [gat] stat.
981,3 brach aus brast corrigiert. 1064,3 pali[en]. 1073,3 krone [sol]
daz. 192,4 wol umb di [tochter] kunig ein. 1130,3 daz si uns [gab
reylin
ir hulde] wurde holt. 1169,2 vö hynnen noch. 1186,4 er [si da]
dar nach. 1227,1 frawe [mein] hie bey. 1297,3 geleitin [hin] dan.
zu der
1305, 1 [traut libste] schwester fein (fein corrigiert aus mein). 1313,
daz [wu] ist (ursprünglich beabsichtigt wurt). 1314,2 sy corrigiert aus
wer
sich. 1328, 1 [gotlind] krinhilde. 1400, 1 auch [de] ward. 1450, 4 [ob ma).
brunhilt -
144,4 [heyn] hy heim. 1537,4 mit arme [sein wunder]. 1574,2 [ritter]
u ge
helt so gut. 1605,4 lacht. 1658,1 sagen. - 1677,3 und meiner [fur (?)]
ec tet
hiff. 1135,3 li. 1753,3 Den si ai jren. 1923,4 jn sach, daraus corri-
Ir er
giert den stich. 1939,1 [Zeh] hei. 2032,2 siurme da. 2064,3 eizell
euch her hagen nu
[ir] waz. 2066, 4 Zrreychet jr seit des. 2144,2 wollt jr keiner. 2152, 3
flegen st
ey dein. 2168,1 all]n allen. 2173,1 jung[e]. 2283,4 for ich. 2298, 2
und ir mä sein
[euch] ewr hend jr. 2308, 3 [von dem rein]. 2364,1 [den] herre [sein]
l
gut. 2396,3 brach umb. 2403,2 [hi] waz habt ir. 2420,4 weret sich
[der] mit. |
Das gestrichene stand dem originale näher in 981,3, wo
brast, das reimwort des originals, zu brach verbessert wurde.
Der grund ist offenbar, dass dresten dem wortschatz des be-
arbeiters bereits nicht mehr angehörte und dass er es, wo es
angieng, vermied. Sonst entfernt sich die verbesserung nur
1450, 4, vielleicht auch 1297, 3 und 1783,3 etwas mehr von der
vorlage, und zwar aus leicht erkennbaren metrischen gründen.
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG Kk. 355
Dem gegenüber zeigen die verbesserungen 292,2. 321, 2.
336,2. 544,1. 830,2. 895,1. 1064,3. 1130,3. 1328, 1. 1574, 2,
2308, 3 das bestreben, sich dem originale enger anzuschliessen.
Namentlich 321,2 und 1574,2, wo weder der sinn, noch der
reim die rückkehr zur vorlage veranlasste, beweisen, dass der
bearbeiter, wo es möglich war, das alte zu bewahren suchte.
Für seine arbeitsmethode ergibt sich, dass er während des
übersetzens schrieb (oder während des schreibens übersetzte),
gelegentlich dabei das gelesene aus dem gedächtnis verlor
(336,2. 830,2) und sich erst wider durch einen blick in die
vorlage rats erholte (336,2) oder beim weiterlesen auf sein ver-
sehen aufmerksam ward (830,2 vgl.3). Hie und da begegnet
ihm auch, dass er während des übertragens der metrischen
regeln vergisst (1130,3 war das klingende endwort hulde von
vornherein ausgeschlossen; 1537, 4 war zuerst beabsichtigt sein
mwunderschones mweip, was einen dreisilbigen rührenden reim er-
geben hätte. Das sind aber nur die stärksten stellen). Fälle
wie 981,3. 2308, 3. 2364, 1, die erst ausgebessert wurden, als
der zweite vers die unmöglichkeit eines reimwortes ergab, be-
weisen, dass der schreiber mitunter den ersten vers eines reim-
paares übertrug und niederschrieb, ehe er noch den zweiten
wusste Das sind fürs erste nur andeutungen. An späteren
stellen wird sich aus ergiebigerem material die arbeitsmethode
des übersetzers durch innere kriterien noch deutlicher heraus-
stellen.
2. Die bearbeitung.
Nicht wenige ältere gedichte aus dem stoffgebiete der
heldensage sind uns nur in hss. des 15. oder 16. jh.’s über-
liefert, von anderen, die zwar in älteren hss. vorliegen, besitzen
wir ausserdem bearbeitungen aus den genannten jahrhunderten,
bearbeitungen, die zum teile wenigstens auf ursprünglicheren
fassungen beruhen mögen, als die der zeit ihrer niederschrift
nach vorausliegenden.
Diese an sich wertvollen hilfsmittel können so lange nicht
ausgenutzt werden, bis man weiss, nach welchen grundsätzen,
in welcher arbeitsmethode die bearbeitungen vorgenommen
wurden, ob man dem bearbeiter zusätze, kürzungen, eigene
kenntnis der sage zutrauen darf,
356 LUNZER
Es mag daher nicht überflüssig erscheinen, eine derartige
übertragung mit der vorlage zu vergleichen, um dabei das
eigentum des übersetzers zu erhalten, auf seine geistesrichtung
und kenntnis, seinen geschmack und seine leistungsfähigkeit
zu schliessen.
Die Nibelungenhandschrift k bietet insofern ein günstiges
object, als uns das original in vielen hss. vollständig erhalten
ist, weil wir ferner in k mit grosser sicherheit die eigenhändige
niederschrift des bearbeiters erblicken dürfen und daher nicht
verschiedene schichten von veränderungen abzuheben brauchen,
endlich weil das gedicht von so grossem umfange ist, dass man
selten gezwungen wird, aus wenigen, vereinzelten erscheinungen
schlüsse aufzubauen, sondern im gegenteil die ergebnisse meist
auf dem festeren grunde zahlreicher beobachtungen ruhr.
Erst wenn an genügend vielen fällen das charakteristische
des schreibers erkannt worden ist, wird man auf die vorlage
selbst zurückschliessen, indem man alles, was dem sonst her-
vortretenden wesen des überarbeiters widerspricht, als eigen-
schaft des originals diesem zuweist, wobei selbstverständlich
der zwischen vorlage und bearbeitung liegenden zeit mit ihren
. sprachlichen und formellen umwandlungen rechnung zu tragen ist.
Es soll nun zur betrachtung der literarhistorischen seite
unseres denkmales übergegangen werden.!) Da dieses keine
neuschöpfung, sondern die bearbeitung eines älteren originales
ist, so ergibt sich das für k charakteristische naturgemäss aus
vergleichung der vorlage mit dem, was in k aus ihr geworden ist.
Alle veränderungen zu registrieren und in bestimmte
gruppen zu sondern, ist unmöglich und unnütz. Die vorlage
von k lässt sich nicht bis in alle einzelheiten erkennen: daraus
ergibt sich, dass von fall zu fall nicht immer bestimmt werden
kann, was bereits der vorlage angehört hat und was neu ist.
Zudem sind auch keineswegs alle veränderungen beabsichtigt.
Eine absichtliche konnte oder musste eine oder mehrere andere
nach sich ziehen, ein misverständnis verdunkelte den sinn auch
nachfolgender worte. Für literarhistorische erkenntnis aber
genügt das wahrnehmen der absichtlichen umgestaltungen und
ihrer gründe.
1) Eine grammatische und metrische untersuchung beabsichtigeTich
bei anderer gelegenheit folgen zu lassen.
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 357
Als quellen und motive soleher bewusster änderungen, die
sich durch das ganze gedicht hindurchziehen, sind leicht der
seit entstehung der vorlage völlig umgestaltete stand der sprache
und metrik zu erkennen. Ja, wenn der bearbeiter gefragt werden
könnte, würde er diese beiden vielleicht als die einzigen für
ihn massgebenden anerkennen, und behaupten, im übrigen das
alte gedicht so getreu widergegeben zu haben, als es ihm mög-
lich gewesen sei, als er es verstanden habe. Wirklich findet
man absichtliche änderungen des inhaltes nur sehr selten: meist
liegt die veranlassung, auch wenn tatsächlich der inhalt ein
anderer geworden ist, entweder in einem misverständnis, oder
die veränderung war durch sprachliche und metrische gründe
erzwungen.
Man muss also vor allem eine übersicht über den sprach-
stand des bearbeiters und über den einfluss, den er seinen
metrischen grundsätzen einräumte, zu gewinnen suchen.
a) Wortschatz und phraseologie.
Zuvörderst schliesse ich ein alphabetisches verzeichnis der
im alten gedichte vorkommenden wörter und phrasen an, so-
weit sie zur aufmerksamkeit anlass geben, d.h. ein verzeichnis
der wörter, die zwar verstanden, aber immer oder oft anders
widergegeben werden, und derer, die nicht verstanden, also
falsch oder gar nicht übersetzt worden sind.
Eine scheidung der verzeichnisse verstandener und nicht
verstandener ausdrücke ist nicht durchführbar: es steht im ein-
zelnen falle nicht fest, ob ein wort nicht vielleicht nur seines
zusammenhanges willen aufgefasst oder misverstanden worden
ist (so wird mhd. ungemach meist beibehalten oder richtig
übersetzt, zweimal aber, wo zwar der reim zur beibehaltung
eines ähnlichen wortes zwang, aber der sinn des wortes durch
dessen umgebung dem bearbeiter verdunkelt war, durch gemach
im nhd. sinne des wortes [= zimmer] übersetzt: 2414, 1. 2426, 1),
ferner deshalb, weil der bearbeiter einzelne ausdrücke, die ihm
anfangs unbekannt sind, später richtig verstehen lernt (man
vgl. z.b. im verzeichnis ger), weiter weil er nicht selten wörter,
die er gewis nicht mehr verstanden hat, stehen lässt, so Zudem
949,1, eich 932,1, schelch 932, 2.
Ueber die auswahl, die unter dem wortschatz des alten
358 LUNZER
gedichtes zu treffen ist, wird in allen einzelheiten eine einig-
keit schwer zu erzielen sein. Ich glaube, eher zu viel als zu
wenig ausdrücke aufgenommen zu haben.
Ein versuch, inhaltliche gruppen auszuscheiden, und
schlüsse zu ziehen, wird später unternommen werden.
Verzeichnis.
Die mit be-, er-, ze- u. dgl. zusammengesetzten wörter sind nach den
einfachen angeordnet. Wirkliche composita stehen unter dem buchstaben
des compositionsteiles, der von wichtigkeit ist, also z. b. tageweide unter
mweide, weil dieses anders widergegeben ist. Das zeichen r. hinter einem
citat bedeutet, dass das betr. wort im reim steht, das zeichen la. (= les-
arten) an gleichem orte, dass an stelle des ausgeworfenen ausdrucks nach
dem zeugnisse der anderen hss. in der vorlage vielleicht ein anderer
gestanden hat. Das zeichen = zeigt an, dass k den ausdruck des ori-
ginals beibehält, abgesehen von der sprachlichen gestalt. Das zeichen X
bedeutet, dass das mhd. wort ausgelassen oder in einer weise umgangen
ist, die dem gleichkommt (genaueres hierüber später).
Citiert wird nach k, auch in den fällen, wo das mhd. wort nicht
übersetzt ist.
Als vorlage angenommen ist eine hs., die von str. I—458 und von
850—911 der Nibelungenhs. B, von 459—849 und von 912—2442 der hs. Ü
am nächsten gestanden hat.!)
Am bequemsten zum aufsuchen der stellen des originals ist die
grössere ausgabe von Bartsch, weil diese beide fassungen neben einander
zu stellen erlaubt und den variantenapparat am ausführlichsten zusam-
menstellt.
des wilden abeloufe : des wildes lauffe 923, 2.
adelvri : dinstes frey 823,1 (adel nachgetragen v.3).
aht : sinne 2136,2. || des volkes aht : des kunig Etzels macht 1391, 2.
ahten : ir sult daz ahten, daz ich die küneginne sehe : ir solt mir helffen,
daz ich .... 540,1. || ringe ahten : achten klaine 155,1. 999, 4. 2009, 1.
anden << 1629, 3.
anstrich >—< 2050, 4.
antlütze : angesichte 237,1.
antwerc << 948,3.
arc sim. : ze arge verstän : in ubel verstan 816,1.
arc adj. = oft, z.b. 1414,4. 1493,4. 1764,3. 1783,2. 2173,4 (1502, 3
nicht aus der vorl.). || ein arger list : ein kluger list 836,1. ||
argen muot : feintschafft 1501,4. || si heten naht vil arge : si liden
grosse schwere di nacht 1051,4. || der argen Kriemhilde muot : Kr.
ist grymmiglich gemut 18S6,4. || sinem argen libe : dem morder
ungetrewe 1748, 2.
1) Diese voraussetzung wird unten begründet werden.
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 359
arebeit = 2145,2r. 2228,2. sturm und streit I, 1 (aus v.2 der vorlage).
gross not 161,4. 660,1. grosses fechten 172,3. reise 332,4. jamer
1056,3. mue 1773,1. grosses leit 2386,2. durch unmussig 558, 2. ||
>< 44,4. 134,4. 645, 2. 1049, 4. 1371,4. 1847, 2.
daz arebeiten : erbeit und reise 380,4. jamer 1055, 4. >< 366,4 (schei-
den?). 1408, 4. || der frouwen a. was niht kleine : da zirten sich di
frawen 772,1.
arnen = 2192,3. erarnen 1947,3. geltten 2121,4. || erarnen: sterben
859,3.
art ><29,2. || von arde höhe erborn : von adell hoch geporn 5,1 (doch
vgl. 106,1 kunigliche art. 1683,2 hohe a. nicht aus der vorl.).
bägen : hoffart 871, 4.
balt: = 215,2r. 921,2r. 924,4r. 965,1 r. (215,2. 965,1 in der nhd. be-
deutung). || >< 43,4. 390,4. 467,3. 911,1. 923, 2. 965,1. 1073,2. 1125, 3.
1247,4. ||: baldez ellen : macht und stercke 1978, 3.
helmebant : helm 2169,2. >< 2109,2. |] daz im diu h. stuben allent-
halben : daz vil der kleinen stucke von seinem helme stob 2341, 2. ||
des wart von im verhouwen manec h. : manch helt ward tot geschlagen
von seiner hant 176, 4.
bären 215,3.
base : mümen 2369, 3.
bedaz : ee daz 2225, 3.
erbeizen = 537,1. baißt zu fusse 209,1. beisten ab zu fusse 1552, 4.
beißten ab 62,3 la. peisten 1927,2 (1691,2 baißten nider nicht aus
der vorl.). || er hiez si erb : er hub sy von dem rosse 1324, 1. || daz
volc erbeizte nidere für des küneges sal : di held di weißt man balde
hin auff d. k. s. (!) 243, 3.
gebende : a) kopfschmuck >< 259, 1. 566, 4. 1365,15; — b) fesseln : pande
631,4.
bergen diu lieht : leschen 626,3. || verbergen = 1117,3. >< 249,3.
430,8. 658, 3. || diu schif (wären) verborgen : kein schiff man da nit
sach 1552, 1.
bettedach : obedach 1857, 2.
bettewät << 658,3.
betten swv. : heylen 248, 2.
biderbe ><815,2. 1361,3. || er was b. genuoc : cr pflag vil grosser
stercke 930,1. || ziehen ze einem b. man : man lert in zucht und
ere 714,1.
sich ze füezen bieten : zu fussen fallen 2203,2. fur di fusse fallen
1794,83. pitten durch aller frawen er 2082, 1. sich ergeben 466, 2.
bilde = 351,3. czeichen 903,1 (vgl. 915, 2).
gebiuze ><1920, 2.
enbizen : essen 939,2. gasse 1339, 1.
blanc = 663,4 r. ><1916,2. ||; sn&blanc : schneweiss 398, 2. >< 549,1.
blide : freischlich (!) 1782, 3. || swie bl. er pflege der zühte : part kunig-
leichen 413, 1.
zerblouwen : zuschlagen 889, 2.
360 LUNZER-
erblüejen : dö erblüete ir liehtiu varwe : ir hercz das waz in frewden
236, 4.
erbolgenliche : mit grymm und grossem neyde 2427, 2.
base = 985,1. 1018, 2 (1767,4 als übersetzung von niht guot). schnode
1880, 2. 2068, 4 (2). 2194,1. czage 2060, 3. 1580, 2.
besliche: b. getän : wider ere tan 2205,2. (ironisch) nit 2191, 4.
bouc = (pagen) 1576, 3. 1579,2. 1736, 3. kleinet von golde 272, 3. marcke
552,3. 1336,2. golt 570,1. 1665,2. fingerlein 2255,4. >< 1296, 3.
1585, 2. 1692, 4.
bözen : anklopffen 485,3. 486, 8.
brehen (des mänen) : schein 1651, 1.
(ze)bresten = 494,3 r. 1009,2r. 1587,2r. (zu)brechen 640, 2. 981,3.
1640, 4. schoß (daz blut) 457,1. ><489,4. 579,4 (des reimes wegen
eine wendung mit gebrast). 2118,2. || des brast dä vil der helme:
si trantten helme 2261, 2. || gebresten = 102,2 r. 598,1 r.
761,3 r. 1331,4r. (137,2 nicht aus der vorl., 579,2 vorl. brast).
>< 1649,3. || gebrast im an dem einen (spil) : welcher verlos ir
eines 323, 4.
gebreste swm. : swes wir g. hän : wes wir gebrechen han 962,3.
innen bringen : inne werden lassen 1895,3. di mere sagen 1878,2. |
des bringe ich iuch wol i. : des solt ir werden jnnen 664, 2. >< 354,3.
644, 3. 2157, 4. |
gebrieven : schreyben 2286, 4.
brünne :st üblich.
buckel >=<37,2. 580,2. || under buckeln : um die ende (!) 436,1.
büezen : wenden 962,3. ergetzen 1895,1. || ez wirt iu wol gebüezet,
swaz iu hät getän Hagene : es wurt H. noch pussen, waz er euch
hat getan 1615,2. || der büeze miniu leit : der mir richt mein leit
1266, 3.
bunoze : suone unde b. bin ich iu bereit : jch wil euch gerne pussen,
dazzu bin ich bereit 2035, 3 (1891,1 bus, nicht aus der vorl.).
buhurt : turney 35,2. 1906, 3. 1909,4. 1914,1. stechen 1374,1. kurez-
weyle mit ritterlichem schalle 578, 3.4. kurezweyle 618,1. just 591,4.
>< 651,4. 1922, 2. || üf den b. : ezu dem hofe 1907, 1.
buhurdieren durch turney 1905, 3.
bunt sin. 59,4.
sich verdenken : het ich michs baz verdäht : het ich es vor bedacht
1769, 3.
dagen — 614,3 r. 808,1r. schweigen 844,2. stille schweigen 116,3.
868,1. ><1201,1. || niht ze dagene : nit zu sagen (erklärung S.
unten) 1871,2. || — verdagen : gesagen (aber richtig gewendet) 76,1.
><720,1. || niht verdeiht : geseit 1703,3. 1743,2. || danken wart n.
v. : danckten sere 370,1. || diu gäbe wart n. v. : da zeigten si di
gabe 767,1. || des wirdet n.v. : daz wil ich werben 530,1. || ine
kan daz niht verdagen : als ich euch hie wil fragn 1201,2 (aus v. |
der vorl.). || wolde niht langer verdagen : gund si fragn 1633, 3.
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 861
danewert >< 976, 2.
degen isi üblich.
degenheit : groß wunder 105,1 (aber 987,4 degenheit nicht aus der
vorl.). |
degenlichen sin : menlicher sin 2133,2. || d. schal : klegelichen (!)
2123,2. || d. were >< 499,2. || degenliche : ritterlichen 2260, 4.
>< 200, 4.
dicke = 1838,4 (721,1. 1259,1 nicht aus der vorl.). ofit 18,2. 99, 4.
281,4. 619,2. 624,2. 669,4. 747,4. 906,3. 968,2. 1043,1. 1408,4. 1415,2.
1471,2. 1829, 1. 2314,3. alltag 1755,4. gar ser 1412,1. durch manig
1140, 2. 1821,3. 2020,3. durch groß 320,3. ><129,4. 134,4. 723,4.
895,4. 1062,83. 1101,4. 1329, 4. 1713, 4 la. || — dicker: gar dicke 750,3.
offter 1461, 2. |
(ge)dienen a) in nhd. bed. bleibt; — b) = nhd. ‘verdienen’ : verdinen
962,1. 987,4. 1946, 3. 2071,4. 2225,2. verschulden 2412,4. || hazd.:
verschulden 861,2. || schelden d. : >< 988,4. || daz im die liute wären
holt >< 40,4. || daz golt d. : dintten umb solt 169,2. || din golt d.:
dint euch umb ewren solt 2052, 2. || ir dienet michel guot : ich gib
euch m. g. 1430,1. || ich wil daz gerne d., daz si werde min wip :
ich wil euch all zeit dinen, umb daz 8. w. m. w. 387,4. || nu läze in
got gelingen, als si an uns gedienet hän : got woll es an in rechen,
was si uns han getan 1033,4. || — c) = nÄd. ‘vergelten’ : verdinen
umb 534,4. 849,4. 1434,4. 1671,4. 2036, 4. 2158, 3. 2166,4. gen 905,3.
ohne angabe der person 17194, 1. 2231,3. tun daz peste 1200,2. dan-
cken (wan er uns dinet gerne) 2316,3. || dö sprach der künec Gun-
ther daz diene ich immer umbe dich : da naiget im der kunig und
danckt im tugentlich 156, 4. || >< 306,3. 554, 2.
verdienen (in nhd. bed.) = 15%0,3. erfechten 255, 2. 299,2. verschul-
den 1863, 4. 2255, 2. >< 1465, 3; — (elwas nachteiliges) = 1817, 2. ver-
schulden 100, 2. 109,1. 141,2. 2198, 4. || schoener frouwen lip : werben
umb 47,3. || daz kunde ouch si verd. : si gund in leids ergetzen
623,2. daz schuff ir grosse schone 1699, 4. || waz ober ir an ver-
dienet daz si noch wirdet vrö : jr (anders gewendet) mocht von in
ergetzet noch werden unde fro 1112,2. || — (= nhd. ‘vergelten’) =
529,2 (umb). 2269, 2 (ohne angabe der person). verschulden 1563, 4.
dienest bieten = 284,2. 1786, 3. || vil minneclichen d. : vil tugent wird
und ere 1336, 1. || — d. an bieten : ezucht und er 553,3. || getriu-
weclichen d. : gab sich undertan mit dinst 1339, 2.3; — d. enbieten
— 539,2. 732,2. 1207,2. 1441,4 (aus v.3 der vorigen str. des origi-
nals). 1442,1. 1456, 2. 1675,4. || d. mit triuwen : gruß und dinste
1837,2.3. || d. unde triuwe : sein gruß und dinste 1242,2. || ir d.
in grözen triuwen : jrn gruß und iren dinste 1470,2. || getriuwec-
lichen d. : seinen grusse 1204,2. || minen d. : saget meinen grusse
1616, 2. || holden d. : lat euch grussen 548,1. || ir d. : laßt grussen
1676,1. land grussen 742,4. || sinen.d. : ir pflag schone 1440, 3 (doch
vgl. 1441, 3). || d. über d., des man im vil enböt : waz im dahin enbot
Gunther 1518, 1.2. || d. sagen = 731,1. 1431,4. mein gruß 532, 2.
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 24
362 LUNZER
genäde siner d. : got danck im gnad und dinste 1459,1. || ze die-
nest sich der meide dö der recke böt : zu dinst und auch zu eigen
der helt sich ir erpot 607, 4.
dienestlichen : swaz ir sus gebietet, stön ich iu d. bi : mein trew
und stetter dinste sol euch stet wonen bey 693,2. || d. undertan :
mit dinst undertan 819, 3. |] d. holt : mit meinem dinste holt 1482, 2. ||
ich wone iu immer möre mit triuwen d. bi : so wont ich euch in
notten mit ganczen trewen bei 1805, 4.
diet — 2205,83 r. 2442,3 r. > 39,2. 2312, 4.
diezen : erdoß 2418,2r. >< 2360,2. || der schefte brechen gein den
lüften döz : da ging es an ein stechen, sich hub ein türney gross
35, 2. || — erdiezen = 35, 3. 182, 1 r. 491,1 r. 580,1 r. 618,1 r. 802,1r.
956,4r. 1008,4r. 1578,1r. 1867,1r. 1915,2. 2031,3r. 2086,2r.
2287,4r. 2289,2r. |] dö hörte man erd. manegen rant : da sach
man zerhawen mangen schildes rant 198,2. || daz im daz hüs erd.
gein siner stimme began : daz man weit hort sein stymme 2379, 4. ||
— verdiezen : der schal verdöz : ein end nam der doß 2124, 1. ||
— döz = 926,1 r. 2094, 1 r. 2281,1r. ><1980, 1.
gedigene: hofesinde 1837, 4. >< 536, 3. 1458, 3. 1755, 8. || allez daz g. :
als das da was zu hofe 769, 1.
gedinge = 276,3. hoffnung 618,4. >< 112,1. || er hät ı g. : ich (misver-
standen) hoff 385,4. || des ir habt g. : ir meint vollenden 628,4. ||
was ir habt in dem synne 1796, 3. || af solhen g. : auff dein genad
und trewe 2152, 2.
dinc = 1829, 1. 2075, 2r. (1710, 1 nicht aus der vorl.). sach 540,4. 1209, 4.
1934, 4. 2442,3. || der dince in höher wirde stät : si lebt in hoher
wunne 1462,4. || des dinc in höhen ören stät u. dgl. : sein sach in
hoher wirde und grossen eren stat 540,4. >< 741,4. 1145,4. || aller
hande dinge >< 98,2. an vil manegen dingen << 815,3. || ze allen
dingen > 24,4. || aller valschen dinge : aller dinge 854,3. || den
pris an allen dingen = 973,1. || ich hän ouch 8 versuochet soreclfchiu
d. : han manchen helt bezwungen 2077,2. || ich hän üf öre läzen
miniu d. : ich han mit eren volendet meine ding 2075,2r.
eigen diu : eygen weip 833,4. >< 823,4.
drzjen: flugen 2085, 3. sprungen 2088, 2. fll ? 1643, 3. >< 981, 2 (sprang’?).
1914, 4 (zubrochen?).
dräte : balde 766,1 (doch 1459,1 drat nicht aus der vorl.).
dürkel : zuhawen 214,2. zutrennet 1911, 4.
duz : schal 940, 2.
& : orden 34,4. || recken in kristenlicher & : helde di Cristen sint 1272, I
(1349, 1 nach cristenlicher ee vermullich aus v.2 der vorl.). || der
heiden & : vil maniger heyden 1349, 2.
ebene = 379,4: (vom schiffe). ><70,4. 941,2. 1352,2 (vom gang der
rosse). > 2261,4 (vom schwertschlag). || des bedenket iuch vil e:
dar nach solt ir euch richten 424, 4. |
ecke = 72,4. 184,3. 439,4. 1557,4. 2331,2. schneide 2236,4. >< 950.3.
eigenho de: held und diner 614,1. eygen 797,8.%)
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 363
eislich : grawsam 1763, 4.
ellen?) bleibt öfter : helant 1993,4. 2094,4. 2171,3. 2337,1 und wird
auch unabhängig von der vorlage gebraucht. Aber stercke 328, 2.
manhait 153,2. durch starck 183,2. durch starck und kune 2416, 2.
durch kune 1993.4. waffen 2063,4. >< 8,3 (?). 9,4. 110,2. 233,1.
2124,4. 2339, 4. 2346, 4. || sin ellen ware guot : er wer in notten ein
stolezer ritter gut 2104,3. || durch sines libes e. : durch jr (!) tu-
gent und zuchte 1696, 4. || baldez e. : macht und stercke 1978, 3. ||
starkez e. : mit ganczen krefften 668,4 (doch vgl. 668,2 helant). ||
mit e. in sturme werben : nach preyse in sturmen werben 2264, 4. || mit
ellen : mit krefften 2331,3. krefftig 459,2. > 55,4. 2271,2. || ellens
rich : unverczagt 7,3. >< 1935, 1. || e. und sterke : sterck und mannes
kreffte 2418,1. || sin e. zuo der fuoge : sein tugent und sein gute
1867, 2. || sin (iwer) e. : er 126,3. ir 1592,4. ire.: di kunigin 399, 4.
ellenthaft — helanthafft 2120,3. grimiglich 2348, 4. >< 22,2. 458,4.
1246, 4. 2096, 4. |
ellende = 1418,4. 1712,1. 2246,2. 2317,1 (vgl. 2369,3). arm elende
2292,83. 2384,3. 2402,4. arm und elend 1706,3 (das wort elende
hat in k sicher schon die bedeulung ‘arm, unglücklich”. 1205, 2
dient es zur übersetzung von verweiset). — ><1292,2. 1583, 3. 1840,4.
1904, 4. 1973, 3. 2195, 4. 2252,1. 2312,4. || diu e. : Krenhilt 1326, 4. ||
die ellenden : di Purgunder 2186,1. di geste 2328,4. daz folcke
gemeine 2216,4. s[ie] beid 2424, 4. || die stolzen e. : sein herren und
ir heide 1866, 4. || die küenen e. : si 2220, 2. || iuch vil e. : ir helde
. 1967,3, || diu e. kint : di reynisch rytterschafft 1975, 1. || die e. man :
manig werder man 1861, 3 la. || diu e. meit : di minigliche meit 1404, 3.
ellende sin. = 2208, 4. u
ende(c)liche : ich sage iu e. daz : daz wißt an allen has 1453, 4.
>< 1522, 1. BE |
eschinen schaft : starcken speres schafft 573, 2.
zem Ersten = 1598,1. am anfang 232,2.
gäch = 1559,2r. 1571,2r. 1603,1r. 1629,2r. 1632,2r. 1879,2r. || im wart
ein gshez volgen getän : im folgten nach und saumpten sich nit langk
2327,4. || — gähes adr. : schir 2148, 4 la. >< 1756, 4. |
gähen : eilen 192,1. 688,4. 1074,2. 1351,4. 1515,2. 1618,2. 1673, 1.
1) Was Holtzmann, Germ. 4, 321 angibt, der bearbeiter habe das wort
nicht verstanden, ist unrichtig; denn 1) hat er es an der früheren stelle
verstanden und richtig übersetzt, 2) übersetzt er 797,3 mit den worten
si irug im heimlich hulde nicht das wort eigenholde, sondern die stelle
si was im noch sö wege; mwcoege wird auch sonst so und ähnlich wider-
gegeben, vgl. das wort im verzeichnis.
2) Der schluss, den Holtzmann, Germ. 4, 337 zieht, lässt sich auch
nicht halten. Das wort war dem schreiber, wie man öben erkennt, nicht
unverständlich, und er könnte eg ganz But BUWEHUEN] ‚auch ohne dass
ihn die vorlage: dazu veranlasste. |
24*
364 LUNZER
1678, 3. 1674, 4. 1680,1. 1685, 2. 1926, 4. 2007, 2. 2087,1. auff springen
617,4. bald faren 521,3. schnelles lauffen 968, 4. durch balde 1037, 1.
1517,3. durch schir 1439, 4. ><122, 2. 427,2 (derlesen? sehen) 1035, 4.
1517,3. 2289, 4. 2292, 2 (2307, 1 gahen aus gän der vorl.). || si gähten
zuo dem lande : si tratten aus den schiffen nider auff daz lant 575,1. ||
gähe wir zen friunden : (wir) wollen zu unsern herren 1648,4. || —
ergähen : ereilen 2328, 2.
gadem: sal 1868, 3 la. 2116, 1. ><596, 1. 669, 2. 1006, 3. 1978, 1. 2003, 2 la.
2009, 4 1a.
gämeliche sprüche : susse wort 1703, 3.
abe gän —= 1796,3r. 1822,2r. enpern 318,2. underwegen lan 2081,3.
>< 1877, 4.
gar adj. : gewapnet gar 1963, 1r. verwapnet gar 178,2 r. gewapnet
1832,1. 1932, 3 (aus v.2 der vorl.). || was ze strite gar : wapnet sich
zu streite gar 193,4 r. (garist also nur des reimes wegen beibehalten
und adverbial gebraucht. Als adverb ist es auch sonst in gebrauch).
sich gerwen : sich wapnen 1795, 1. 1797,1. 1977,2. 204,1. das sturm-
gewant anlegen 1864, 1.
garzüne : schnelle boten 219,1.
gast (= fremder krieger) = 194,4. 1587, 1r. 1646,4. An anderen stellen
vielleicht schon in der nhd. bedeutung: 489,3 r. 494,4 r. (Siegfried im
Nibelungenlande, vgl. 484,4 dar in sucht er herberge, als noch di
geste tunt, wo das wort nicht in der vorl. steht). 973,4 r. (Siegfried
auf der jayd als ‘gast! Gunthers, der ihn geladen hat). 2291, 3 u. ö.
(die Burgunder an Eizels hofe). der edel helt 492,4. der helt 981,4.
>< 179,4. || (Liudeg&r und Liudegast) brähten in ir reise vil manegen
hörlichen g. : brachten zwey grosse here 137,4.
gelph sim. x< 429, 1.
gelt : gut 2433, 1 (von k wahrscheinlich auf den schatz bezogen). >< 1690, 2.
1774,4. || des sol ich ze gelte komen : das muß im zu schaden kumen
1748, 4.
gelten, engelten bleibt, z. db. 1891,3. 2004, 3. 2092, 2. 2215, 2.
ger sif. — 1639,2r. 1922,2r. (209,4 r. aus mhd. gör) allemal = ‘kampf-
begierde'. || daz ir leistet sine ger : daz ir in wolt geweren, wes er
an euch beger 554,2. || ob du leistes mine ger : tust du, waz ich
beger 1945, 4.
gern swv. = 213,2. 307,3. 309,3. 312,3. 332,4. 421,2. 568,2. 1163, 2.
1706,2. 1774,1 r. 1776,1r. 1863,2. 2137,4. 2248, 2. 2404,4 (1705,4 u. ö.,
nicht aus der vorl., aber nie part. gegert; wahrscheinlich schweble
also dem schreiber bereits begeren vor: die vorsiübe ge- fällt vor b
nich! selten ab). begeren 323, 3. 364, 1. 367,3. 626,1. 795, 3 la. 1123, 4.
1356,4. 1385,3. 1562,4. 1732,3. 1794,2la. 1845,3 la. 2132,4 (parı.
praet. immer begert). ><42,4. 90,4. 500,4. 1524, 2. 1722, 3. 1737, 4. ||
. urloubes gern : urlaup nemen 370,2. 1304,1. 1500,3. urlaup wolt
‚nemen 254,1. ><1094,1 (doch vgl. 1721,1 wy wol si urlaubs gertten,
vori. dannen gerten; da ist es aber = nhd. ‘begehren’ : sie erhielten
ihn nicht). || si gertens alsö lange : daz triben si so lange 1273, 3. ||
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 365
engert mihtes möre : frewet sich gar sere 1234, 1. || die frouwen, der
ir da gert mit (ze) minnen : der ir wolt eine haben 350, 3. >< 437, 4. ||
gerte ze tragene : gar gerne woltte tragen 1728,2. dannen gerten :
' urlaubs gertten 1721,1. |] der @re gernde man : der kunig lobesam
784,1. vil kune man 2270,1. |
gerner comp. = 726,2. liber 2162,2. ><1933,2. 2182, 3 (gerne bleibt).
ger >< 72,2. flamen (!) 208,2. ger (= mAd. ger!) 209,4 r. bleibt 424,2
und von da ab immer, nur 918,1 stral. || — gärschuz : geschosses
895,2. schuz ausgelassen, nur geren 2183,4. || — görstange:
schaffte 458,3. des geren schaffte 979,2. >< 2085, 3.
göre ><549,1. || goltvarwe gören : von gold di reichten wate 707,4.
engestet la. : geleget 1861,3. |
ergetzen bleibt immer 1048,3. 1078,3. 1112,83. 1180,3. 1195,83. 1219, 3.
1245,1, 1255,1. 2393, 3. 2396, 4. 2412,3. 2413,38.
gibe sif. : gab 2070, 2.
giezen inir. : flissen 1558, 2.
gige : fidel 1853, 1.
gir = 2348,4r. (= kampfbegier). || g. näch grözem guote : sein sin
stund im nach gute 1580, 2.
gisel sim. = 246,2 (doch 246,4 gefangen). gefangen 213, 3. 232,4.
234,2. 873,4. 2394,1. 2404,4. 2424,2. eitgeselle 2409, 2. >< 186, 3.
1785, 2. 2155,4. |] ze gisel : zu pfand 2154, 1.
giteclicher muot : geiz (und ubermut) 1138,4 r.
gouch << 862,1.
goume : sit wart der geste vil übele g. genomen : deß musten si auch
sterben und kamen all in not 2131, 4.
grä sin. 59,4.
gram (in der vorl. nur im r.) = 785,2. 1220, 3. 1962, 1. >< 3, 2. 569, 2.
gremlich(en) : grymmiglichen 2425, 3. freischamklich(en) 941, 3. 1695, 4.
kumerleich 2368,2. grausamleich 2382,2. ><413,1. 875,2. 2268,3. ||
gremelichiu sör : jamer und todes ser 1494, 4.
gris (= grau) = 1763,3. 1826,2 (schon in nhd. bed.?).
grüezen — 285,2. 287,4. 419,3. 467,1. 502,4. 874,1. 1113,1. 1398, 3.
1455,1. 1687,3. 1767,83. 1768,2. 1965,1. 2423,4. empfahen 139, 1.
240,2. 1333, 4. 1469,3. 1682,2. 1694,4 (umgekehrt wird auch einige
mal empfähen mit grussen überseizt : 574,2. 740,2. 781,3). pieten
meinen gruß 1111,1. durch gruß 285,3. 1194,4. 2179,1. >< 511,4.
1227,3. 1322,1. 1362,4. 2423,2. || sin swester sol iuch gr. : zu euch
so kumpt Krenhilde 286,4. || j& gruozten si di degene : di pflagen
wol der heide 263,4. || daz si in heten gr. so rehte schöne getän :
dass im ward grosse ere enpoten 102,4. || wart daz gr. getän : pot
si in wird und er 1696, 4. |
gruoz — 288,4. 1767,1. 1814,4. 1836,4. 1891,2. 2226,2. kuss 294,2.
oe ><512,4. 584,1. 1196,1. || empfän mit gruoze : grussen 1366, 4.
1591,1. || schiet sich mit gr. : mit trewen 1341, 4.
güetlich(en) = 250,3. 847,2. miniglich 352,1. liplich 609, 4. freunt-
lich 545,4. tugentlich(en) 231,1 (aus v. 2 der vorl.). 241,3. 1079, 1.
366 LUNZER
1955, 2. 1964,2. mit cezuchten 783,2. mit fleisse 248,2. 794,4. in
ganczen trewen 250,1. pas 1992,2. >< 129,4. 263,2. 284,2. 687,3.
860,4. 1029, 4. 1322,2. 1414,2. 1460,4. 15204. || g. sprach : trost
61,1. || böt ir dienest vil g. an : bot im vil czucht und grosser er
553,3. || mir g. erböt : mir iren dinst enbot 1859,3. || mit kusse
g. enpfie : mit einem sussen kusse umb fing 1364,4. || güetlicher,
comp. : nach wunsche 1698, 4.
habe stf. (= hafen) >< 580,3.
haben :nir. der wirt habt dar vor : si hiltten dar vor 791,2. || si habten
üf mit swerten : sy hortten auf mit streite 2034,2. || — behaben.
behabt er des die meisterschaft : gwint er mir an den sige 422,3. ||
— gehaben << 1021, 3. gehabet üf des strites : hort auff mit
streytten 2033, 3. || vor gehaben : vorgehaltten 1118,3. || — sich
gehaben.: wie gehabet sich : wi lebt 763,4. || wie sich gehaben
beide : wi get es in beiden 1201,2. || wie sich gehabte Etzel : wy
mag der kunig Etzel 1453,2. 1457,2 (vgl. 765,2). || sich gehabten
künige in deheinem lande baz : si leben all in freuden, in keinem
kunigreiche stund es nie bas 1458, 1. 2.
behagen = 626,2r. 1712,4r. gefallen 83,3. gar gerne horen 1419, 4.
><1234,4. || wie in diu rede behagete : waz si nun deucht daz peste
1473,4. || die im dä zuo behageten, die het im Rüedeg£er erkorn :
di er da mit im furt, waren alle auserkorn 1183, 4.
hzle: si hetes vaste h. : ir klag volbracht si stille 1386, 3.
halpswuol (balpfwol C) : helffant 930, 3.
behalten (=nÄd. behalten) = 553, 2. 1283, 4. 2433, 2. || dine triuwe b.:
dein trewe haltten 890, 2. || hät (si) behalten iht der zühte : pfligt si
noch solcher zuchte 765,3. || dö si den hort behielten in Guntheres
lant : brachten 1126,1. || (= beherbergen) = 1331,3. || (= retten)
ich behielt iu lip und &re : ich frist euch leib und leben 992,3.
bleibt 990,3 (meinen leip). || (= aufbewahren) = 249,1. 1775,3.
bewaren (roß harnasch und di leute) 1689,1. empfahen (ir r0ß)
404,4. auffahen (ir roß) 1642,1. ><513,1. 1449,4. || dö hiez an
in behalten (ir gewant) : da trug man von den gesten ... 125,1. ||
— enthalten (= beherbergen) = 1671,3. || nu enthaldet iuch :
verezicht ein weil 1618, 1.
hande : ie drier h. kleider :. vil reiche kleider 359,3. |] maneger h.
spil : manch herlich spil 523,1. || maneger h. spise : vil edler speis
912,2. || der lühte (di luhten €’) maneger h. : di lauchten wunnig-
leichen 435, 3. || vil maneger h. tiere : vil manig wildes tire 938, 3 la. ||
aller h. dinge was er im gereht : waz im gebot Seyfride, des ward
er im gerecht 98,2. || aller h. vröuden : freud und wunne 683,4 (?)
(der schreiber sucht also den ausdruck durch verstärkung des ge-
dankens oder begriffs zu ersetzen).
handeln: die helede güetliche b. : nach wunsche der herren pflegen 1698, 4.,
harm (= hermelin) = 569, 3.
härmine vedere : ir watt gemacht von cezobel 364,2. || declachen h.:
deck gefutert schone mit harme weiß und blanck 1858, 1.
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 367
harte, vil harte bei adjectiven und adverbien wird meist ausgelassen.
gar 72,4. 84,4 (aus v. 3 der vorl.). 115,1. 439,4. 501,2. 636,4. 672,3.
728,4. 766,2. 861,4. 1557,4. 2301,2. 2354,4. so 1100,2. also 803,2.
1636, 3 la, 2291,4. allenthalben (vol) 1058,3. in (ganczen) trewen
(leit) 50,3. 113,3. 852,1. groß (leit subsi.) 1429,4. herczentleit)
1141,3. durch groß 493,4. 538, 4 la. || harte zornic gemuot : grymn-
mig und ungemut 821,4. || harte selten : nymmermere 632,2. || h.
wönic : kein 1338,3. gar wenig 2107,4. || vil h. kleinen gemach :
vil grosses ungemach 661, 2. || h. vil : ein teil 1427,4. || bei verben :
ser(e) 449, 2. 688,4. 974,3. 1037,4. 2327,1. von herczen (freut sich)
270,4. ><1012,4. 2329,3. || vil h. sorgen began : sorgen vil gewan
440,4 (496,3 nicht aus der vorl.).
heimgesinde : di sin din h. : die sollen dir mit dinste alczeit sein
undertan 695, 2.
heimliche s/f. : minne 679,1. || getriuwer h. : heimlikeit und libe
837,4. || in h. : ><129,4. 1264, 2.
heimliche adv. = 1373, 4 (erot.). 721,3. 1539, 2. in einr stille 868, 2. ||
— heimlicher dinge : minne 661, 1.
heimüete << 1391, 4.
geheiz —< 2181, 1. >
hellen : klingen 2022,83. 2053,3. || — erhellen = 982,2 r (802,3 r.
1024,4 r. : vorl. erschal). erdiesen 200,1. >< 2086, 3.
heln = 681,4 (hs. hal). verhelen 998,2. verbergen 660,3. || hil du
mine liste : von meinen listen solt ir nimant sagn 454,1. || .— ver-
heln : daz man ez verhale : daz nyınant innen wurde 997,4. || —
verholn = 843,2r. verschwigen 1186,2. verborgen 2432, 4.
hör ist üblich. des wären si vil h. : des frewten si sich ser 1559, 3.
ähnl. 645, 2. 1564, 1.
hergesellen : helde 123,2. 368,1. 376, 3. 1190, 3. diner 736, 3. gesinde
942,1. 1455,3. geselle 539,2. 1787,4. 1800,4. 1875,2. streitgeselle
2344, 3. >< 201,4. 740,3. 1879, 4. 2322,4.
hergesidele s. gesidele.
hergesinde : mit dem h. : mit den seinen 1196, 2.
hermüede ><249,4. 312,4 (di geste?).
herverte : reis und fart 2314,2. grosse reise 906,1. reise 169,4 (doch
vgl. herefart 442,2. 1181,2. s. vart im verzeichnis).
herverten : herezihen 141,3. durchezihen 754,3. ein krieg furen 870, 2,
behern des libes : daz leben nemen 2434, 2.
herte stf. : sturm 899,3.
herten : schultern 897,3.
herzevient wesen : has tragen 2417, 3.
hirät : daz der h. ergie : daz ich si haben sol 2224,2 (doch vgl. den
heyrat 2212, 4).
höch(ge)zite = 262,3 r. 264,3 r. 267,3 r u.ö., auch im versinnern :
599.2 u. ö. hoff und hochczeit 533, 3.4. hoff 28,1. 30,1. 40,1. 42,1.
258,3. 265,4. 707,2. 730,2. 773,3 (= feier der vermählung) = 533, 4.
559,1. 560, 2. 683,3. 687,2. 706,3. 1380,1. 1382,1. 1384, 1.
368 LUNZER
sich erholn = 1641, 2. >< 206, 3.
honen : scheltten 846, 3.
hort = 507,2r. 1126,1. 1147,2. 1770, 2. 1771,2. schatz 88,3. 89,1. 96,4.
716,3.4. 768,2. 1114,3. 1116,2. 1120,4. 1122,2. 1125,2. 1128,1. 1131,2.
1139,2. 1140, 1. 2428,3. 2432, 3 la.
hovemzre sagen : mere gen hof sagen 2003, 4.
hovereise : reise 1534,4. 1539, 4. 1621, 4. >< 345,4. 783,4. 1087,4. 1816, 4.
hovevart : herefart 412,2. reis und fart 1966, 2.
hövesch, hübsch >< 1356, 2. || — höfscheit 128, 1.
hübschen swv. : zu einem hofe reyten 349, 3. >< 907, 4.
hulft : tuch 1732, 1.
gehünde : di hunde 926, 1. 953, 8. 955, 8.
helmehuot : helme gut 2097,3 r.
hurt ><37,4. 198, 2.
hurteclichen ><580,1. 1369,1. 1923, 1.
hüsfrouwe : landes frawe 814,1. kunigynne 833,2. Brunhilde 841,2.
margrafynne 1339, 2.
tarnhüt : tarenkappen 337,1. 1119, 4.
hütte = 1660, 4. 1690, 2. geczelt 1330.3. >< 588, 2. 591,1. 1318,2. 1371,2.
1374,83. 1537,1.
ieslich : iglicher 337,2. 652,4. 670,2. 1158,2. 1349,3. 1389,2. 1675,4.
ider 1182,2. 1398,2. 2332,2. man (pron. indef.) 1166,2. >< 621,4.
926, 2. 1122,4. 1401, 3. || alieslich : all 301,2. || — der möhte meister
sin über ietslichen man : so mocht im nit geleichen kein man 1124,3.
inlende : reiche wate (!) 1190, 1.
verirren (guoter dene) = 2324, 2.
iteniuwe : newe 321,1. > 1382,4. 1983,2. || iteniuwez weinen tuon :
inigleichen weinen 1134,4. || mit i. leide : mit zwyfeltigem leide
1143,1. || — eriteniuwen : vernewen 1233, 4.
itewize sin. : spot und schande 1259, 3. >< 1799, 1.
itewizen : x 991,2.
bejagen = 80,2r. 454,2 r. || dö ilten si der friwende deste ınö b. : si
santten nach irn helden 165, 2.
gejägede = 1028,3. jagen 929,4. 934,4. >< 933, 3.
mich jämert : mich rewet 615,3. mich verlanget 1412, 1.
ze jungest : am lesten 232,2. ><1225,3. 2433,3. || ze j. lönen kan:
ein ende nimpt 18,3. || unz an daz jungeste >< 1771, 4. || jungester
tac : lester tag 2266, 2. || unz an ir jungeste tage : bis an ir lestes
ende 1143, 4.
kanzwägene : starcker wegen 1122,2. wegen 91,2.
kapelsoum << 1602, 1.
an kapfen : an sehen 1791,2. gern sehen 73,3.
kebese : kebsfrawe 834,4. || ze k. jehen : arger dinge czeihen 841,3.
kebesen: mich habe gekebeset Sivrit : es sey gelegen bei mir S. 848, 3. ||
— verkebesen : wen hästu hie verkebeset : wen czeihest du der
(fehlı) 835,1.
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG Kk. 369
kiesen = 2275,3r. erkennen 822,3. horen 823,4. sehen 201,2. 2174,1.
schawen 2381,4. brüffen 1882,3. ><119,3. 586,2. 1245,3. 1550, 2.
2060, 2. 2119,2. || man kös höhe stouben : sich hub ein groß ge-
- drenge 1893, 4. || man kös scheiden : (si) schiden 1306,2. || man
kös wagen (edele steine) : (si) schin [= schinen] 402,2. || dö kös
man weinende vil manige frouwen stän : da weint manch schone
frawe, groß jamer hub sich an 1546, 2. || man moht ir starke tugende
kiesen : ir trew si erczeiget 1103, 2. || K. den töt : sterben tot 167,4. ||
— erkiesen ><2329, 3. durch auserkorn umgangen 1183,4. || vient-
lich erk. : auff in reiten (aus grimiglichem zorn) 180, 1. || — üz er-
korn = 5,2r. 72,2r. 8711,3r u.o. || — verkiesen = 1147,1r.
>< 650,2. ir zorn : lis von irem czorne 678,4. || den haz : den
has vergeben 1114, 1. || der minen nöt : mein not verklagen 2397, 4. ||
du muost in von im verk., daz er dir immer bi wone deheiner
dienste : (er) wont dir nit dinstes bey 820,1. || — verkiesen üf
—= 1476,2r. üÜf sö maneges recken lip : verkisen so manges
heldes leip 819,2. || si verkös üf si alle : si gab ir huld in allen
1115, 3.
kin.ne : über berte und über k. : uber di wangen 2311, 4.
kint (= junger ritter) = 1785, 2 r. (aber in nhd. bed.). >< 130,1. 1972,3. |]
diu ellenden k. : di reynisch rytterschafft 1975,1. (Giselher daz) k.
= 263,1 r. 690,3 r. 1046,3 r. 1096, 1 r. 1280,2r. der jung, fraw Uten
kint 2173,1r. der junge 2058,1. her 1125,38. 2279,3. kunig 1859, 1.
degn 2092, 1. 2142,1. 2243,3. (= page) : gesinde 648,3. >< 657,1.
kiste : truhen und schreine 1279,4. >< 561,2. || üz den k. : aus iren
kemenaten (!) 563, 1.
knappe: ritter 639,3. (Werbel und Swemmel:) fidler 1423,1. di seinen
1973,1. >< 1452, 4. 1472, 4.
kochzre = 951,2. 971,4. 973,2. >< 947,4.
kunemäge s. mäge.
koste : mild und tugent 684, 2. bränek und speise 1318, 4 la. >< 1289, 4.
kostenliche : kosperlichen 1846,2 (kosten swv. 434,2 nicht aus der
vorl.).
kovertiure : ringe (!) 1916, 2.
kradeın : schal 596,2. 2116,2. || ungefüeger kr. : jemerlicher schadu
1978, 2r.
kranc = 672,1r. 1548,1r. || kr. was gar sin maht : er verloß krafft
und macht 1070, 2.
erkrimmen : tot peissen 13,3 (toten 15,4).
kulter : deck 1857, 1.
künde sif. = 1216,2. >x< 87,4. 479,2. 642,2. || gewan k. : ward bekant
576,2. || kunde hän : kennen 1216, 2.
künde ad). : wol bekant 81,2. >< 389,2. 2299, 4. || k. tuon den gewalt :
den gewalt befelen 1073, 2. || — unkünde : nit kunt 1328, 4.
kündec = 1188,4. bekennet 330,4. || — unkündec (so CDb) : er ist
im u. : (er) weiß nit dar umbe 472,4.
küntlich << 1567, 4.
370 LUNZER
künne: geschlechte 363, 3. >< 572,2. 1127,4. || näch dem k. : nach seinen
freunden 1956, 1. |
erkunnen << 1124,2. || nu hete si wol erk. : si sach und weste 1406, 1.
kurzwile ist üblich. (erot.:) minne 524,2 (wol aus v.1 der vorl.).
declachen : deck 1857,11.
entladen : dö si daz schif entluoden : da daz schif ward lere 1608,1
(laden sw. = 922,1).
laner&che ><1477,4 (rech?).
gel@ze ><414,3.
wüeste gelegen : verheren 880, 3.
leger sin. ><928, 3.
leiche pl. : seyten (!) 2046, 1. 2053, 3.
[leidee : leydig heisst in k “leid erduldend’ 1544, 2. 2229, 3 und ‘leidig’
2220, 2].
leiden : widerraten 51,4. || ez leidete Liudegaste : des frewet (!) sich
der kunig 164,4 (nicht misverstanden, sondern aus anderem grunde
geändert, s.u.). || er leidet sich den Etzelen man : er weret sich
1987, 1.
leisten : geweren 554,2. 1420,1. tun 283,2. 1945,4. 2180,3. folgen
1696, 1. volenden 2081,2. haltten 2218,3. 2256,2. >< 92,3. 656,2.
730,1. 1432,1. 1504,2. || triuwe Il. : darzu helffen 1222, 4.
leiten : furen 168,2. 1738,4. geleite geben 1738, 2. >< 574,1. 1629, 2. ||
dar leite si : di strassen weist in 1549,3. || biez sil.: gab in geleitte
1514,1. || — verleiten : verraten 1822, 4.
bi ligen = 616,1. 618,3. bei ir schlaffen 292, 3. | — verligen =
1003, 4 r.
liebe si/f. = 18,3. 2440,4 (beide mal in nhd. bed.). freud 806,4. >< 52,3.
1245,2 (aber hier nach v.1 = nhd. liebe verstanden). || als im diu
l. riet : als im sein libste riet (! % meint Rüdigers tochter) 1740, 2. ||
durch |]. : liplich (und) freuntlich 655, 4. >< 740,4. || mit l. (gescheiden
üz der grözen nöt) : mit gesundem leibe 237,2. || (grüezen) : schon
(empfahen) 1333, 4. ><1302,4. || vor l. : vor freud 556, 2. >< 219, 2.
1518,2. 2101,4. || ze l. : der rät was ... ze |. getän : des ratz frewt
sich 270,4. || ze l. komen : frumen 1828,3. |] ze liebe geben : zu
lone 728,4. || ze l. si dö heten alle sküneges man : si het gar lip
den kunig und alle seine man 1413,1. ><1426,3. || durch .... liebe
c. gen. = 1114,3. 1734,3. durch ir kinde l. : durch irer tochter
willen 260,1. ebenso 40,3. 319,1. 517,1. 527,4. 1072,4. 1448, 4. 1525, 2.
1565, 3. 1702,1. 1795,2. >< 387,1. 1315,4. 1401,4. 1809,1. 1876, 1. 1921,1.
1933, 3. 2310,3. || durch wes 1. : durch wen 409,4. ebenso 420,2.
1460, 3. |] durch des recken |. : durch Seyfrids er 713,2. || durch
des küneges l. : dem kunig zu eren 261,3 [liebe im nhd. sinne ist
in k unabhängig von der vorlage oder als übersetzung von minne,
das aber sehr oft bleibt, ganz üblich]. || — herzenliebe : lust und
-freud 1229,4. >< 132,4.
liebe adv. : ez ist mir 1. geschehen u. dgl. : vil libes ist mir von euch
‚geschehn [also =nhd.liebe] 784,4. im mag nit bas geschehn 1465, 4.
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 371
D
>< 135,4 (aber nach der überselzung wie nhd. ‘liebe’ aufgefasst).
1672,4. || beide I. und leide im dar an geschach = 1754, 2. || dö wart
im ], genuoc : freut sich ser 2411,4. || im was l. getän u. dgl. : frewet
sich von herczen 453,4. (ob si den bühurt liezen) : daz wolt er von
in han 1909,4. || durch trewe subst. 2318,4. || im wart nie sö l.
getän : keim held ward solche liebe nie getan 293,4 [also wie nhd.:
es ist vom küssen die rede]. || >< 541,2. 907,4. 1506, 4. (1512,3 zu
libe?). || si hänt mir |. getän : di han daz pest getan 245,4. || daz
was im ]. bekant : des freut sich der weigant 1661,4. || — Compa-
raliv in negat. sälzen: mir enkunde nimmer lieber geschehen = 724, 4.
mir ward nie mere 80 wol 1327,4. so libe geste hab ich nie gesehn
1841, 2.
lieben swv. < 39,4. || daz liebet an ze sehene : von in het wunn und
freude 585, 2. || (ez liebt mir unabhängig von der vorl. 352,3. 623, 1.
650,4. || (lieben in nhd. bed. ist durchaus in gebrauch.)
lintdrache : trache 99, 2. 894, 2.
loben (= nhd. loben) = 586, 4. 2417,1. lobes gunnen 815,2. || got. .:
dancken got 1613, 4. || (= nhd. geloben, verabreden) : «) Die vorlage
hat formen mit ge- : geloben = 653, 4. 2229,4. 2258, 4 (auch unab-
hängig von der vorl., z.b. 1274, 4). geheissen 663,1. schweren 2218, 3.
>< 1716, 4. 1727,4. 2081, 2. 2257,93. || — P) Die vorlage hat formen
ohne ge- : loben = 387,1 (aber wol = nhd. loben). durch lob und
er 1182,4 (also wider so). geloben 859,2. 870,3. 1822,2. 1940, 2.
>< 90,4. 386,1. 1472,4. 1521,2. || dö lobte si ir mägen, si wolde dä
bestän : si sprach ich wil euch folgen und wil hie bestan 1081, 1. ||
daz lobeten die vrouwen : si sprach daz tun ich gerne 1684, 1. ||
lobeten ein pirsen in den walt : zugen hin gen walde 911, 2. || lobte
mit in riten : mit in kumpt her 1522, 2. || daz lobe ich an dine hant :
des set euch hin mein trewe 333,1. || in Kriemhilden hant : geloben
373,4. (Ahnl. 1940,2). || er lobt iuch eine bestän : er wolt alein
fechten 2080,2. || 1. ze man : haben 607,2. || 1. ze wibe : nemen
609,2. || 1. ze minnen : nemen (zu weibe) 1710,4. || den si lobt ze
vriunde : wem si wurt zu teile 1160, 4. || lobt ez : nempt den kunig
1273,2. ähnl. verstanden und übersetzt 1225,4. || dö siin gelobete
und ouch er die meit : so ward si im gegeben, di wunderschone
meit 609,3. || (si) lobte, si würde Etzelen wip : ergab kunig Etzel
den iren stolezen leip 1273,4. || — verloben = 2426,3.
lön — 1577,1. 2006, 3. solt 332,4. > 1585, 2.
lönen : lonen und dancken 1161,3. begaben 252,3. 577,2 (hier ganz
unpassend). dinen 2317,3. dancken 2318, 4. vergeltten 2158, 4.
2272,3. || nu lön ich iu der gäbe : got danck euch ewrer gabe
2252,3. || wie liebe mit leide ze jungest l. kan : ein ende nympt
18,3. || got löne iu (im, in) = 153,1. got danck euch (im, in) 299,1.
43,1. 784,1. 905,1. 1207,1. 1328,1. 1666,1. 1807,1. 1863,1. 2101, 1.
2166, 1. 2217,1. 2235, 3. 2251,3. || got löne minen friunden : danck
haben meine helde 245, 4.
372 LUNZER
loesen diu pfant : lassen (!) pfant 1487,2. |] lcese minen eit : las war
den meinen eit 605, 4.
sich gelouben : geloubet iuch des strites : nun wert euch ritterlichen (!)
212,1. || der mare der er vrägete, der geloubet er sich s& : waz si
da saget Hagen, des glaubet er ir da (!) 1570, 4.
louc << 590, 2.
lougen : auff schissen 456, 2. schissen 2108, 2.
ludem (= ldärm) >< 936, 1.
ludem (das tier) = 949,1.
lüten : klingen 2046, 1. || — erlüten : do erlütte daz gehtinde : di hunde
sprungen (!) 953,3. || sin stimme erlüte : man hort sein stimm diessen
2031, 2.
lütertrane : edel tranck 503, 1. gut getranck 964, 2.
lützel= 121,3. 862,2. 1083, 3. 1939,1. 2038, 2. seltten 65,2. kein 634,3.
1079, 4. 1906, 4. nie 379,4. 599,1. nit 454,3. 630,2. 2438, 4. wenig 126,4.
656,1. 1096, 4. << 41,1. 1715, 4. || lützel leides : zucht und ere 1461, 4. |]
l. vreliche : si weynet inigleichen 1261,4. || ich häns |. &re : es ist
mir ymmer schande 2408,4. || ein l. : ein wenig 679,1. || ein.
sanfter gemuot : gar wol gemut 124,4.
mäc — 167,1. 225,1. 302,2. 519,1. 893,1. 918,3. 985,4. 991,3. 1079,3.
1158,4. 1843,83. 1932,4. 2061,2. 2155,3 (1659, 1 nicht aus der vor!.).
freund und mage 1213,3. mag und peste freunde 2440,1. freunde
‘19,3. 123,3. 474,2 (?). 539,1. 715,4. 742,3. 986,1. 1023,3. 1083, 3.
1086,2. 1118,2. 1418,2. 1524,4. 1616,1. 1876,4. 1925,2. 1938, 3.
1939, 2. 1942, 2. 2058, 4. 2072, 2. 2135,3. bruder 697, 3. 1112,1. 1121,2.
2140,3. mümelein 893,1. di meinen 465, 3. 2035, 2. 2243,4. die ewren
2076,2. di seinen 48,1. 2082,1. 2111,4. herren (in der anrede)
604,4. ritter (ebenfalls) 1888,1. si 1420,3. >< 29,2. 159,4. 225,4.
231,4 (verlesen? wangem). 274.3. 445,2. 465,3. 588,3. 684,3. 714,2.
715,2. 731,2. 914,3. 1081,1. 1084,2. 1090, 3. 1091, 4. 1096, 4. 1137, 1.
1247,4. 126,1. 1358,4. 1426,4. 1458,3. 1550,3. 1671,3. 1679,4.
1548,2. 1920,1. 1967,2. 2033,1. 2112,4. 2143,4. 2185,4. 2343, 3.
2387,4. || des wirtes mäge : sein helde 286,1 (Ahnl!. 560,4. 708,3.
1195,1). held 1124,4. || (Guntheres) m. : des kuniges recken 255, 3.
recken 2054, 1. alle Purgunder 2231,4. || (Rüedeg&res) m. : gesinde
1926,2. || (Etzelen) m. : ritter 2013,4. || mine m. : mein her und
ander 2357,1. || des küneges m. : lant und leute 710,4. di kunig
Etzels reiche 1400, 2. || höher m. : hochgeporen 1708, 2. || — kone-
mäge gute freunde 758,3. peste freunde 1955, 2. >< 691,3 la. 744, 2.
1426, 2.
magetlich(en) : junckfrewlich 608,3. (von einem manne) zuchtiglich
414,2 (meit ist üblich. wagetuom = 835, 4).
magezoge — 2006, 1. >< 2006, 4. || Gunther in magezogen liez : in lob-
lich zihen lies 713, 4.
mähelen : nemen (einen man) 1971,1.
gemahele — 1396, 3.
mäl >< 2052, 4.
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG KE. 373
marc = 37,1r. 396,1. 886,1 r. (1901, 1 r. nicht aus der vorl.). roß 35,1.
173,1. 206,2. 565,3. 1750,1. 1916, 3.
m&re adj. : wunderkune 624, 1. werde 2333, 2. >< 385, 2. 702,4 la.
2101,1. || — unmzre — 999,2. 1098,2. 1799,4. 1820,3 (1522, 4
nicht aus der vorl.).. unwerde 1071,83.
maz (DKäz) ><1845, 2.
mäzen adv. : ir muget im m. danken : so ser nit 2102, 1.
sich mäzen = 1852, 4.
mein : rät mit meine : der falsche rate 966, 4.
meineide adj. = 601,4.
meinliche : nach eines rate (!) 1224, 2.
meinräte tuon : lesterliche tun 901,3.
meinen (mit persönl. subject) = 1803, 4. 2223, 1 (zusammenhang falsch
verstanden). || waz meinet iwer reise : waz habt ir hie zu werben
418,4. || waz iuwer reise meine : was deutet dise reyse 1964, 4.
gemeine —= 1138,3 (das folcke gemeine 2216, 4 nicht aus der vorl.).
>x< 90,2. || alle g. : all sant 918,3. || sig. : si all 1142,1. || (si)
al gemeine : si alle 1089, 1. 1214,1. || mit gemeinem räte : ir aller
rate 214,1.
gemeinliche : irg. : ir und all di ewren 2041, 4 la.
meisterschaft = 665,4r. || behabe er die m. : gwint er mir an den
sige 422, 3.
gemeit — 149,2r. i17,2r. 894,3 r. 2060,1 r. 2359,4 r. unverczeit 78, 2.
116,4. 145,4. 303,2. 370,1. 417,4. 484,1. 526,1 (irrtümlich aus v. 2
der vorl.). 703,2. 714,4. 856,4. 910,1. 996,4. 101,3. 1034, 2. 1159, 4.
1174,2. 1356,2. 1377,2. 1552,4. 1703,4. 1749,4. 1780,83. 1813, 4.
1910, 2. 1935,4. 2024,4. 2034,4. 2054,4. 2072,3. 2112,4. 2137, 4.
2202,4. >< 398,1. 529,3. 605,3. 987,4. 1094,4. 1220,2. 1899, 4.
2158, 1. || ritter vilg. : kunig lobeleich 128,2. || fürste vil g.:
kunig hochgeporn 1960, 2. || was g. : frewet sich 287,1. || — un-
gemeit durch leit ausgedrückt 1586, 2.
melden = 896,1. 16897,3. | — vermelden : daz ich niht vermeldet
hete sinen lip : ich het im nicht gemeldet daz zeichen 1110,1. || —
unvermeldet : si beliben u. des bluotes : an in man nicht erkantte
daz blut 1655, 1.
merewip : wasserweip 1601,3. 1607, 3. >< 1561, 1. 1565, 1.
messe (gewicht) > 440,1.
sich vermezzen : sich underwinden 115,2. ><1821,4.
michel ist noch üblich, wird aber gelegentlich widergegeben durch groß
246,3. 322,3. 544,4. 707,2. 871,2. 984,3. 1055,4. 1056,3. 122,3.
1345, 4. 1657,3. 2145, 2. 2182, 1.
miete: lon 92,1. 238,2. gabe 239,1. 1636, 1. >< 1576, 3. 1946, 1. 2070, 4. ||
gap im ze m. : zu libe 552,4 (doch vgl. 1580, 2 mit, nich! aus der
vorl.). || — botenmiete : schatz 552,1. 550,3 (das in k übliche
wort ist botenbrot). || — brütmiete : morgengabe 1971,3.
minne — 320,3. 322,4. 325,3. 421,2. 437,4. 441,4. 524,2. 619,1. 623,1.
627,4. 629,3. 632,1. 654,2. 661,1. 679,1. 1167,2 (aus v.4 der vorl.).
374 LUNZER
(1329, 3 nicht aus der vorl.). lieb und mynne 621,4. 622,2. 645, 1. 817,1.
1242,4. mynn und libe 664,1. liebe 17,3. 47,1. 48,2. 290,4. 635, 1.
>< 16,4. 20, 1. 133,3. 134,4. 326,3. 415,3. 676,1. 1417,4. || höhe m. :
mynne 538,4. liebe 47,1. || het üf höhe m. stne sinne gewant : senet
sich nach werder frawen hulde 128,4. || triuwe unde m. : trew und
ere 2231,1. || friwentliche von herzen lieber m. : liplich in lieb 290, 1. ||
ze m. gern : zu weibe begeren 323, 2. || der ir dä gert mit m. : der
ir wolt eine haben 350,3. || des gan ich im ze m. die maget : des
gab ich im mein schwester 617,2. || triuwe unde m. enbieten : vil
stete trew und libe bieten 1442,2. || ze m. haben : haben 350, 3.
breyssen 23,4 (nicht ohne sinn!). || die habe dir ze m. : daz hab
dir zu libe 1665, 3. |} ze m. geben : miltiglich geben 1444, 1. m. trinken
>< 2004, 3.
minneclich(e) bleibt oft. miniglich ist ein ganz geläufiges wort.
liplich 557,1. 627,3. durch libe ausgedrücki! 622, 4. tugentlichen
678,3. 749,4. 752,2. 1344,1. 1454,83, tugentlich und schone 1178, 2.
trewlich 2151,3. in trewen 2142,4. lobelich 1333, 2. 1523,4. im pesten
2231, 2. wirdiglichen 2247, 2. gerne 289, 2, in einer stille 1230, 3.
wol 1175,3. ser (dancken) 1862,4. gerne 289,2. mit jamer (schei-
den) 1306,2. || m. erbieten : ere und trewe 2234, 1. stetten gruß
1462, 3. Ä
minnen swv. 2068, 3. treuten 281, 2. 643,1. 649,2. 1483,4. nemen (einen
man) 20,3. 1246,1. 1261,3. 1263,1. 1271,4. 1410,83. han zu weibe
420,3. werben 1156, 4. || dich minnete : lag bey dir 835,3. Ahnlich
836,2. beschlaffen 852,4. || die ich von herzen minne : di mir be-
zwingt mein herze 133,3. || sol si in danne m. : jr gebt im nit
Krenhilden 1216,4. || m. deheines mannes lip : eim manne ergeben
den leip 1231,2. || den sol si nu m. : (der mag si des wol ergetzen
1756,4. || done wolde si den herren niht m. : auch wolt si nit des
herren 524,1. >< 20,1. 650,4. 1428, 4.
missebieten ><1514,2. 1534,2 (böt beide mal im reim beibehalten). ||
— missedienen 917,2. || — missegän 18,4 (2419,1r nicht
aus der vorl.).. | — missehagen ><1411,2. do begonden disiu
mare den recken m. : daz bracht Sigmund an seinem herczen pein
1086, 4. || — missesagen >< 1486, 4. || — missetuon : daz ware
missetän : daz stund euch ubel an 1263,2. daz wer ein laster groß
2212,3. || der helt hät missetän : sein untrew ich verstan 2282, 4. ||
— missevar = 1621,2r. von blute rosenfar 2269,4. mit blut
berunnen 1010,4. || — missewende = mordigliche tat 977, 4.
molte : staub 1350, 2. >< 193,3.
mare — (moren) 566,1. 1281,3. roß 74,4. 579,2. 688,1. 705,4. 759,3.
762,4. 773,4. 1295,1. 1363, 3. 1653,4. 1712,3. 1918,2. seymer 310, 2.
>< 564, 3. 805, 3.
möraz unde win : klaren wein 1840,3 (doch 1198, 3 morasmete, nicht
aus der vorl.).
mortlich = 1954,4. ><867,1. || mortlicher sit : mort 990,2. || —
mortliche = 2433,4. || m. tuon : ein mort tun 1878, 4.
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 375
mortmeile : morder 1043, 2.
mortrzche »—<2149,3. || durch m. willen : durch des streittes willen
2259, 3.
vermüeden : sint vermüedet : sein gar muede worden 1665, 1.
müelich(e) : nie 599,1. nit 2139,4. >< 746,4. || daz kunde m. ergän :
wi mochte daz gesein? 1075,4. || des es iu m. stät : wer weiß, wy
es noch gat 1572, 2. || m. gesit : freisamglich gesit 1580, 1.
müezec : si wären m. : da het der streit ein ende 2280, 4.
münster = 638,1. 806,1. 828,3. 830,1. 833,1. 838,2. 840,1. 1058, 2.
1100,1. 1151,3. 1890,1. 1892,2. kirchen 33,1. 296,1. 298,1. 825,3.
1038,2. 1883,3. ><866,2. 1004,1. 1006,1. 1039,1. 1047,2. 1051,1.
1060, 3.
nagelen : von genagelten richen pfellen : von pfeller und von golde
1307, 2.
genzdec = 1164,4. 2243,2. || — genäde ist durchaus üblich. || — ge-
näden swv.— 2153,1. 2244,3; — genzdecliche: genedig 2423, 2. ||
g. tuon : gnad tun 1704,2. liebe tun 1957,4. gnad beweisen 246, 4.
nah tselde = 1318, 3 (ergänzt durch uber nacht). 1859, 1. herberg 1667, 3.
gut gemach 1298, 3. || man hiez in n. legen : des nachtz hies man
ir schone pflegn 697,4.
sich in gewant nzjen : g. anlegen 1885, 1. || in fürgespenge genzt : da-
rein gecziret 571,3.
nern = 1068,4 (= nähren) 2171,3. heilen 251,3. zu hilff kumen 2019, 4.
weren 2097,2. || — ernern = 2394,4r (aber nach unseren hss.
nicht in der vorl.). helffen 1999, 4.
neve: freunt 1659, 2. Wolffhart 2353, 3 la. 2354, 4. > 11,2.
niezen : han 1139,4. 1140,83. || — geniezen = 888,3. 960,4 r. 1997, 3.
2043, 2. 2140,2. 2224,1. 2227,1. 2234, 2. 2292, 4. >< 856,1. 1778, 4. ||
des moht er niht g. : daz mocht im nit gehelffen 1602,3. || niht g. :
engeltten 2344, 1. || (ein hunt,) der sö genozzen hät : der schnelle
sey und klug (!) 927, 2.
niuliche : in einer kurze 1793, 2.
vernoijieren X 1271,3.
ez ist mir nöt c. gen. = 328,4. 1031,1. 1078, 4. 1576,4. 1585,1. 1668, 3. ||
in was der reise n. : in was gen hofe not 1301, 1 (doch vgl.
1585,1). |] des ist uns recken n. : des zwinget uns di not 307,3. ||
ez enist niht n. ><67,4. 598,4. || ouch ist es keiner slahte n. : es
tut kein not 1510,4. || — ez wirt mir nöt —= 2200,4. || — ez gat
mir (mich) nöt : des gät in michel n. : des zwinget si groß n.
2292, 3. ganz ähnlich 1027, A. 1827, 4. 1908, 2. 2111, 4. 2370, 2.
>< 69,4. 167,3. 490,1. 1018,4. 1621,4. 1635,39. 1730,4. 1812,1
(nöt bleibt im r.). 2373,4. || des gie in sorge nöt : si waren in
grosser not 2137, 1.
nöthaft >< 2227, 3.
genöte : mit grymme 1981,1. kleglichen 372,4. gar sere 2206,1. gar
balde 1581,1. recht als der dunder 2119,3. an allen enden 2168, 1.
>< 1605, 1. Z—— i | Ä
376 LUNZER
genwte : si was des vil g. : si eilt gar balde 1797, 3.
opfergolt : eigen golt 1291,2 (opfer = 1051, 3).
ors : roß 718,1. 1640, 3.
ort (des schwertes) >< 2,1. 2342, 3.
ougenweide ><607,3. || si was ze o. (in) geborn : si gab in wunn und
freude 296,4. || süeziu o. : schoner frawen mynne 1329, 3.
ouwen : schwimmen 1596, 4.
enouwe : von dannen 1589, 2.
palas ist üblich (palast).
permint >< 282,2.
pfaffe — 1605, 1 (1568,3 nicht aus der vorl.). prister 1039, 2. 1054, 2.
1061, 4.
pfäwenkleit (doch vgl. die la.) : reiche kleit 1307, 1.
pfenden (an fröuden) : letzen 1747, 2.
pfertkleit : iuwer pf. : ewer gewant (!) 1277, 1.
pfil ><1354,4 (das wort für k wäre stral).
pirsen : jagen 938,1. 963,2. > 911,2. || — pirsgewant : gewant ge-
rustet auff daz gejegde 913,2. >< 971,3. || -- pirsgewzte : jag-
gewande 947, 1.
prüeven (wät, gewant, kleit) : ziren 344, 3. 356, 2. >< 64, 3. 260, 4.
puneiz >< 789, 4. 1368, 3.
püsüne : trumete 802, 1.
ragen : stecken 979,2. >< 2110, 3.
rät (= böser rat, anschlag) : falscher rat 917,1. neide 1502,2. durch
untrew vil began 877,4. >< 1114,3. 1795, 4. || r. mit meine : falscher
rate 966, 4. || swinde rate : ein strengen rate 1949,4. || — ez enist
niht rät >< 32,2. 658,4. daz sin niht ware r. : daz ir nit wurde rat
1607,2r. || des [der verte] ist deheiner slahte r. : di raiß mag ny-
mant wenden, und wi es mir ergat 52,4. ähnlich wi es dar nach
ergat 1720,4. || ez möhte sin noch werden r. = 1271,4r. 1747,1r.
Rn 00000
(473,4 r. 1607,2r. nach dem zeugnisse der hss. nicht aus der vor!.). || ..
— rät hän eines dinges = 516,3 r. (dazu wie es gat v. 4). 1570, 1 r.
><65,4. 1597,2. || wand ich diser verte hän deheiner slahte r. : di
reis woll wir vollenden, halt wi es uns ergat 356,4 (vgl. 52,4. 419, 4.
516,4. 808,4. 1720,4). || daz wirs [des goldes] üf der sträze haben
guoten r. : daz wir mit eren zihen und auch mit gutem rat 1289,38 r. ||
ich hän der hunde r. : der hund hab ich genug 927, 1. |] ir sult aller
sorgen haben r. : darumb solt ir nit trawren und keiner sorgen pflegn
374,2. || des muget ir der reise haben weerlichen r. : ir mugt wol
hie beleiben, den rat wil ich auch gebn 326,4. || des wolde ouch
si dä haben r. : des frewet sich daz weip 636, 2 (nicht übel).
räten (in böser absicht) >< 1971,4. || ich riet im immer sinen töt ; ich
schuff im angst und not 1011,4. den leip het er verlorn 1777,4. ||
jane getar ich dinen mägen geräten keinen haz : ja dar ich ewren
freunden ir keinem tragen has 1942,2. || sit geriet ouch ir vrou
Kriemhilt als ungefüegiu leit : das ward darnach gerochen mit jamer
und mit leit 1098,4. || — räten an : daz du dinen mägen rxtest
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 377
an den lip : daz ir di ewren freunde wolt bringen umb den leip
1939, 2. || darumbe si aber räten an die geste began : wol auff ir
aller sterben si tichten gan 2069, 4. || r&test ane mich : schafft un-
gemach 2068,4. || — räten ff: die üf in geräten heten den un-
getriuwen töt : di in hetten geben felschlichen in den tot 984, 4
(vgl. 860,2 da wurden si zu rate auff Seifrides tot).
rztlich >< 1632, 4.
wortr&2ze : ungetrewe 840, 3.
r&: par 1025, 3.
recke ist in gebrauch.
bereden (der schanden) : entreden 849, 3. >< 1850, 4.
reichen = 1287,2. zucken (ein banck) 1974, 1. || — gereichen : an-
geruren 636, 2.
reisegesellen : hoffgesinde 1175, 2.
reisekleider : wat 1450, 1.
die reisemüeden : geste 484, 4.
reisliche : in freyem mute 733, 1.
an dirre waltreise : in disem walde 925,4 (reise ist üblich).
gereite : schilt (!) 67,3. 1529,1. harnasch und geschmeide (!) 1595, 2.
edel staine (?) 70,8. || — pfertgereite << (di stolezen pfert si
ritten) 564, 2.
bereiten = 1049,1. 1172,2 (bereit adj.). 1503,3. rusten 771,4 (speyse).
1423, 4 (gewant). 1536, 1 (schiff). sateln (di roß) 688,1. 1081, 2. 1341, 1.
1543, 1. machen (an dem kleit) 365,3. ziren 761,1 (helm und schilde).
1165,2 (roß, harnasch und gewant). 1174, 3 (vorl. kleit). herbringen (ge-
want) 1277,1. >< 1397,2. 1717,4. || si bereiten ir kleider : zirten
sich 772,1. || was bereitet : rust sich 1739, 1. || — sich bereiten:
sich rusten 335,4. 559,2. 695,3. 886,2 la. 907,3. 1314,2. 1331, 2.
2174,3. sich gewarnen 1502,2. ><366,1. || bereitet iuch : seit be-
reit 526, 2.
reizen = 2321,2 (721,3 nicht aus der vorl.). reißen und tretzen 1812, 4. ||
— erreizen : gar sere reißen 2103, 2.
richeit : gut 1286, 2. wirdikeit 1148,2. >< 707,2. || r. und süeze : lobe-
lichen 948, 2. |
riechen (= dampfen) = 1591,2.
rigelstein — 2124,3.
entrihten (die seiten) : stören 2323, 2.
rimpfen >< 995, 1.
ringe adv. : geringe 1796,4 (2077,2 nicht in der vorl.). kleine 155,1.
1590, 1. 2009, 1. >< 250, 4. 1059, 4. 2266,1. || r. geben : billich geben
768,1. || — ringer comp. : minder 1998, 4.
ringen swv. ein teil geringet wart (ir) muot : da ward si wol getrostet
und frewet sich ir mut 1266, 1.
zerinnen c.gen. = 1631,1 (der czeit). 1668,2 (der speis). 2137,1 (des
tags). >< 161, 4. || in doch der naht zeran : in manheit nie zuran 2170, 1
(vielleicht verlesen: maht).
risen : reis verhouwen : lag gestrewet 2264, 1.
Beiträge zur geschiehte der deutschen sprache. XX. 25
2378 LUNZER
riuhe : kleide 949, 3.
rucken (daz schapel) = 582,1. (den tisch) = 966,2. (daz gebende)
>< 1365, 1. || höher r. den schilt : gund fassen 1981, 3. zuckt 2344, 4. ||
intr. ruhte näch im dan : rant im nach 1923, 1. || — verrucken (mit
swerten) : verhawen 1872, 3.
rünen : heimliches rates pflegen 2003, 2. sprechen 1715,1. || Sivrit si
rünende vant : im rate 878,1. || rünende gie : heimlich zu rate gie
877,1.
(ge)ruochen = 2243,2 (ungefähr = nhd. geruhen). (be)geren 124,2.
1677,3. wollen 1246, 1. 1248,2. 2181, 3. 2247,3. sollen 1463,4. >< 419,3.
730,2. 1418, 3. 1425, 3. 1465, 3. 1842, 3. 2205, 4. 2399, 2. || nune ruoch
ich : darauff halt ich gar kleine 107,2. || sine ruochte wie im waere :
sy achtet sein gar kleine 632, 3. ähnlich 1130,4. 1810,4. 1920,4. 2191, 1. ||
— beruochen >< 2060, 4 (verlesen : rechen). || sit ir ung welt b. :
seit ir uns herberg gunnet 1688, 2.
ruore : ruden 936, 4.
entrüsten ><1377,3 (rüsten ist in gebrauch).
sa: da 1570,4. >< 433,4. || s& zehant : da zuhant 514,1. 953,2 la. all
zuhant 307,1. zuhant 553, 1. 850, 4. 859, 2. 1422,4 >< 515,4. 1693,2. |]
sä zestunt : an der stunt 294,1. wol zu derselben stunt 704, 4.
>< 1545, 4.
sabenwiz : seiden 625,3.
widersagen = 231,4 r. 864,4 r. 868,4 r. 869,4. 875,1. 879,2r. 1141,4 r.
1436, 4 r. 1476,4 r. 1604,4 r. 2230,3 (auch unabhängig von der vorl.,
z.b. 1141,4. 1411,4. 1899,4). ab sagen 236,1. auff sagen 2148, 4.
>< 113,4. || ir was al ir freuden mit sime töde widerseit : ir waz von
seinem tode jamers vil bereit 1007,4. || ir habt iu selben widerseit :
der tot ist ung bereit 1474,4. || widersagen — nAd. widersprechen
><1223,1. || = nhd. versagen : versagen 2212, 2.
sahs << 951,3.
sal adj. : fal 372,3.
salwen : do begunde ir 8. von heizen trehenen ir gewant : vil manger
heisser ezaher vil auff ir gewant 1409, 4.
selde = 297,2. 867, 2.
sam ist üblich.
samenen : gesamnet wxre dar : kam zu der hochzeit dar 2346, 1.
sanfte = 632, 3. wol 443, 3. gut 487, 3. heimlich 1559, 1 la. leicht
2048, 3. >< 319,3. || ir muget mich s. vlögen : ir seit der pet geweret
726,2. || er hete ein ander jegere sÖ s. niht getän : es het kein
ander jeger auch turren nit bestan 934,2. || ez tuot mir 8 =
125,2. >< 1546, 4. || sanfter comp. = 281,3. 1738,2. sanft und wol
624,2. ><1487,2. 1624, 2. || ein lützel sanfter gemuot : gar wol gemut
124,4. || ir möhtet sanfter lachen : jr soltet billich lachen 613, 1. ||
— unsanfte = 643,4. ><1264,4. (Hagene) unsänftes muotes was :
di scham tet da her Hagen in seiner herzen we 1641,4. || u.tuon :
we tun 2386, 4.
an den, üf den, über sant = 257,3. 1584, 4. 1617,1 (allemal im reim auf
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 379
lant). 555,1r. auff daz lant 583,3. 1551,3. 1642,2. an daz lant
1581,11. >< 70,1. 375,1. 520,4. 1579, 3. 1597, 3.
besarken : begraben 1034, 3. || — gesarket : versarchet 1051, 2.
schächen >< 1879, 3.
(schächzre = 99,4 u. ö.).
schächman : schacher 1045, 1.
schadehaft >< 2112, 2 (sch. heisst in k “schaden verursachend’: der
morder schadehafft 1039, 4. — So die hs., nicht schadelhaft).
geschäfte : des geschäftes pflegen : guter gemache pflegn 1490, 2.
schedelich(e) >< 1819, 2. sch. komen : zu schaden kumen 538, 4.
1032,4. || daz ez in sch. erg& : daz woll wir an in rechen 1623, 4. ||
sit muos er sch. k&ren dan : doch must er weichen; daz waz im
pein 1645,4. || si scheident sch. hin : so nym ich in daz leben
2076, 4. || — comp. jane wart den Sahsen geriten schedelicher nie :
so jemerlich murden waz vor in Sachssen nie 173,4.
schalte swf. : ruder 378,1. 1587,2. 1636, 4.
schäle : in witen goldes schälen : in rotem golde 1840, 3.
scharhafte >< 476, 2.
scharmeister = 195,1. || sch. sin : daz her furen 168,4 (schar ist in
gebrauch).
scheidzre >< 1644, 4.
bescheiden = 951,1 (euch diser mere). auslegen (den traume) 14,3.
(ge)sagen 1658, 1. 2441,1. >< 19,2. || des enkan ich niht b. : des kan
ich nicht gewissen 1445, 2. || wer kunde iu daz b., wi sit der küneec
saz : hort, wy .... 1397,3. || man beschiet der juncfrouwen bürge
unde lant : man macht jr undertenig 1711,1. || — underscheiden
= 1951,1r.
bescheidenliche : tugentlichen 1572,4. gar eben 1923, 4 (vgl. beschai-
den adj. 1573, 2, nicht aus der vorl., in der nhd. bed.).
schellen : erklingen 791,1. || der krach schal : hub sich ein schal
1641,1. || — erschellen: erheillen 802,3 r. 1024,4 r. || do erschullen
disiu m&re : kamen 491,4.
schelten = 984,3. 1818,4. 2205,3. 2303,2. 2391,4. 2402,2. schenden
2069, 3. >< 988,4. 2233, 2. || — beschelten ><823,3. di sint dä von
bescholden : di han sein schande 986, 1.
schemelichen ><1610, 4.
schenden = 834,4. 2300,3 r.
scherm : schilt 495, 1.
schiere — 188,2. 368,1. 548,3. 568,2. 657,4. 735,1. 1010,3. 1015,1.
1545, 3 (502,2 nicht in der vorl.). bald(e) 75,4. 430,4. 910,2. 1627,4.
2183,4. in kurczer stunt 547,4. ><15,1. 57,3. 159, 2. 222,4. 338, 4.
416,1. 504,1. 540,1. 658,2. 752,4. 932,1. 1189,4 1293,1. 1369, 4.
1502,4. 1659, 4. 1850, 4. 2006, 2. 2043, 4. 2159,4. 2163,4. || als sch. :
alsbald 610,3. || harte sch. ><930, 4. 1423,4. || vil sch. : so schire
1573, 1. schir 1787, 4. gar balde 430, 4. balde 488,1 (? ausv. 2).
537,2. in kurzen tagen 480, 3. >< 290,4. 971,4. 1715, 3. 1873,1. 2091,2.
2106,1. 2193,3. 2339,1. | ez ist vil sch. tac: es nahet ser dem tag 1882, 3.
25*
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380 LUNZER
schimpf ist in der alten bedeutung üblich, z. b. 184,2. 673,3. 1904, 4,
nicht aus der vorl. Iibenso das verbum schimpfen 1018, 1.
von schulden : billich 69,4. 879,1. 1017,3. 2243, 3 la. als ez wol billich
waz 718,2. mit rechte 813,4. sere 710,2. 1881,2. ><237,4. 297,4.
847,4. 1216,4. 1478,2. 2104,4. || von wären sch. ><114,4. || daz ir
von wären sch. muget herre wesen : ir seit mein rechter herre 499, 3. ||
von grözen sch. : durch verschuldet han 2194,4. ><626,2. || von
welhen sch. : in welcher masse 851,4. || von minen (sinen...) sch.
245,2. 1147, 2. 1593,4. 1859,4. durch meinen willen 1434, 2. || (gisel,)
sö von sinen sch. nu kumet an den Rin : als si Seyfrit hat zwungen
und bringet an den Rein 234,3. || ez ist von Hagenen sch. : daz hat
versawmpt her Hagen 962,4. || ir lönet im v. sch. : ob ir im danckt,
gar wol euch daz an stat 2318, 4.
verschulden (elmwas günstiges) : verdinen 774,4 (doch vgl. verdienen
im verzeichnis).
schüten (sine wät) = 1607,1. || — beschüten:: daz im muosen bresten
ringes gespan unt daz sich beschutte diu brünne fiwerröt : daz im
daz rote blute durch die ringe floß, [und] daz sich sein brunn zu-
trantte 2118, 2,3.
sedel ><347,3. 417,4. 604,2. 611,2. 653,2. 763,1. 955,1. 1198, 1. 1202, 1.
1452,3. 1731,1. 1751,3. 1808,1. 1809, 4. 1814,2. 1836,3. 1840,1. 1951,1
(zu sitzen). 2027,2 (verlesen? hilf mir vo® dem sedele, ritter: helfft
mir, edler degen 2027,2). || ze 8. : zu4tische 796, 4.
sedelhof : schoner hoff 1148, 1.
sich versehen = 2294, 1r.>< 1913, 2. || er versach sich noch des lebenes :
er meint noch lang zu leben 2260, 2. || si versähen sich sines tödes :
si forchten sein gar sere 2133, 4.
seine >< 959,1. 1206, 4.
geselle ist noch ganz in gebrauch, 2. b. 63,4. 389,1. 412,1. 913,3. 2051,38. ||
Von änderungen sind zu erwähnen: mit zwelf g. : mit zwelff seiner
pesten helde 1237, 3. || wer sint die g. : wer wil mit euch hin faren
358,1. || — bhergeselle s. unter h.
sich gesellen = 1831, 4. 1833, 1.
gesellecliche(n) : in irer schar 275,2. durch folgt im nach 577,4. ||
g. riten : kumer in reicher hut 1911, 1 la.
besenden c. acc. = 159,4. 560,4 r. 851,4 r (1213,2 nich! aus der vor!.).
senden nach 57,3. 475,1. 510,3. 1498,1. schicken nach 850, 4 la.
>< 338,4. 474,4. || swenne ir si welt b. : wen ir da hin wolt senden
727,2. || — sich besenden : wir mugen uns niht b. : des kunnen
wir nit wenden 147,3. || do besande ouch sich Liudeger : auch bracht
Ludiger (virezeh tausent helde) 166, 1. || hete sich besant : het seine
held besant 166,4 r.
sene(e)lich(e) = 993,1. auch unabhängig von der vorl. beliebt: 1011,1.
1050, 3. 1067, 2. 2027,1. 2112,1. 2211,1. || liefen vil s. dan : liffenm it
jamer hin 1020, 3 la. || vil harte s. er in ein venster saz : gar schnel-
ligleich 2301, 2.
senfte (stf.) und gemach : gut gemach 1392, 4.
DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 381
senfte adj. ><1408, 4. || sliezer unde senfter (videln) : ie lenger und ie
susser 1867, 3. || sanfte s. o.
senften swv. >< 1264, 4 (den übermuot) : legen 445, 4. || senftet inwerem
muote : ir solt ewr trawren lassen 155, 2. || des wart der küneginne
ein teil gesenftet der muot : da ward si leids ergetzet und trug ein
freien mut 1361,4A r.
ser = 1056,3 r. 1494,4r. 1631,2r. (adv.?). 1741,3 r. 2138,4 r. 2186,38 r.
2214,2r. 2402,4r. (2048,2r. nicht aus der vorl.). ><875,2. 1628, 3.
2185,4. 2194, 2. 2253,4. |] lidet ungefüegiu s. : betrubet ist so ser
1205,4r. || diu scharpfen s. : not und herczen schwer 1244, 2r. ||
ir gedähtet übele an min und iuwer ser : ir tund an mir gar ubel,
auch rewet mich gar ser [daz meine helde sein von euch erschlagen]
2387,2r.3. || den Etzelen mägen frunt er diu grozlichen s. : schlug
zu tode vil mangen ritter her 2013, 4r.